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Arbeitslosengeld II; Fahrtkosten


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 24.08.2011
Aktenzeichen L 18 AS 1708/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 23 Abs 1 SGB 2, § 21 Abs 6 SGB 2, § 73 SGB 7

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Leistungen für Reisekosten im Zusammenhang mit Besuchsfahrten des Klägers zu seinem erkrankten Vater.

Der Kläger lebte seit Oktober 2004 gemeinsam mit Frau S und dem 1999 geborenen C S (im Folgenden: C.) in N (Landkreis B). Dort bezogen sie ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem Beklagten.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 8. Dezember 2006 bei dem Beklagten die Kostenübernahme für eine Besuchsreise bei seinem Vater W Z (verstorben 2008) in S vom 22. bis 24. Dezember 2006, an der auch C. teilnehmen sollte. Mit einem weiteren Schreiben vom 15. Januar 2007 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für einen Besuch seines Vaters gemeinsam mit C. in der Zeit vom 16. bis zum 18. Februar 2007. Zur Begründung führte er jeweils an, sein Vater sei 79 Jahre alt, außergewöhnlich gehbehindert durch eine inkomplette Querschnittslähmung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mehr als 90 und schwer krank. Der Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheiden vom 12. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 mit der Begründung ab, in den Regelleistungen für den Kläger und C. sei ein Anteil für Beherbergungsleistungen und Fahrtkosten enthalten. Für Besuche von Familienangehörigen sehe das Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) einmalige Leistungen nicht vor. Hiergegen erhob der Kläger jeweils Widerspruch und nachfolgend Untätigkeitsklagen beim Sozialgericht (SG) Berlin (- S 109 AS 5172/08 – und - S 126 AS 5173/08 -). Im Rahmen der Untätigkeitsklagen trug er vor, er habe von Freunden und Bekannten „teilweise für die Fahrtkosten Darlehen aufnehmen“ müssen. Anfang März 2007 zog der Kläger mit C. und Frau S gemeinsam nach Berlin um; der laufende Leistungsbezug bei der Beklagten endete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2008 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 12. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 zurück und führte aus: In der Regelleistung bzw dem Sozialgeld seien in den Abteilungen 07 – Verkehr – und 11 – Hotel- und Gaststättenleistungen – Aufwendungen erhalten, die bei der Nutzung von Verkehrsdienstleistungen im Schienen- und Straßenverkehr sowie für Übernachtungskosten im Hotel anfielen. Die Höhe der genannten Leistungen werde pauschalierend und typisierend festgestellt. Mit dem Vortrag, der in der Regelleistung enthaltene Anteil der Fahrtkosten sei zu niedrig, um Fahrten nach S zu finanzieren, könne der Kläger daher nicht durchdringen. Eine Kostenerstattung auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 SGB II komme nicht in Betracht. Es fehlten bereits Nachweise darüber, dass die Fahrten tatsächlich durchgeführt worden und unaufschiebbar gewesen seien. Es habe sich offenbar um geplante Besuchsfahrten ua zu den Weihnachtsfeiertagen gehandelt.

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Aufhebung der Bescheide vom 12. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2008 und die Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen in den Widerspruchsverfahren von jeweils 30,- €, hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten beantragt, neue Bescheide zur Zahlung von Reisekosten und den entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erlassen. Zur Begründung hat er vorgetragen: Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm zumindest ein Darlehen zu gewähren. Unter Zugrundelegung des in § 3 Nr. 3 der Arbeitslosengeld II/SozialgeldVO (Alg II-V) genannten Wertes von 0,20 € pro Entfernungskilometer seien ihm Fahrtkosten pro Besuch in Höhe von 410,40 € entstanden (1.026 km Fahrtstrecke x 0,20 €). Auch eine Bahnfahrt sei nicht günstiger. Er habe die Fahrtkosten nicht aus Ersparnissen begleichen können. Seine finanziellen Mittel seien aufgrund bestehender Abzahlungsverpflichtungen stark eingeschränkt. Er habe sich weiter verschulden müssen, um seinen Vater besuchen zu können. Die Regelleistung sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.

Mit Schriftsatz vom 15. November 2008 hat der Kläger beantragt, 1. die Bescheide des Beklagten vom 12. Dezember 2006 und vom 22. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2008 aufzuheben, 2. den Beklagten zu verurteilen, ihm (dem Kläger) Reisekosten für den Besuch seines schwerkranken Vaters vom 22. bis zum 24. Dezember 2006 und vom 16. bis zum 18. Februar 2007 jeweils in Höhe von 410,40 €, insgesamt 820,80 €, zu erstatten und an ihn (den Kläger) binnen einer Frist von drei Werktagen ab Zustellung der Entscheidung des Sozialgerichts auf das dem Beklagten bekannte Konto zu überweisen, 3. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, ihm (dem Kläger) Reisekosten für den Besuch seines schwerkranken Vaters vom 22. bis zum 24. Dezember 2006 und vom 16. bis zum Februar 2007 in Höhe von 244,- € (insgesamt 488,- €) als Darlehen iS des § 23 Abs. 1 SGB II zu gewähren und an ihn binnen einer Frist von drei Werktagen ab Zustellung der Entscheidung des SG auf das dem Beklagten bekannte Konto des Klägers zu überweisen, wobei der in § 23 Abs. 1 SGB II eingeräumte Spielraum zur Festlegung von Tilgungsraten („bis zu 10 vom Hundert“) in verfassungskonformer Auslegung auf Null festgesetzt werden solle, 4. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die entstandenen notwendigen Aufwendungen in den Widerspruchsverfahren iHv jeweils 30,- €, notfalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, zu erstatten, 5. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und 6. ersatz- und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen jeweiligen neuen Bescheid zur Zahlung von Reisekosten und den entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Das SG hat den Kläger aufgefordert, die ihm und seinem Sohn entstandenen Fahrtkosten zu belegen und mitzuteilen, wer die Kosten getragen habe. Der Kläger hat erklärt, dass es sich bei den Reisen vom 22. bis zum 24. Dezember 2006 und vom 16. bis zum 18. Februar 2007 nicht um Besuchsreisen gehandelt habe. Vielmehr sei es um die Versorgung des schwerkranken Vaters und die Regelung rechtlicher Angelegenheiten für den Fall dessen Ablebens gegangen. Die Reisen seien mit dem privaten Pkw erfolgt.

Das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. September 2009 abgewiesen und ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Dem Kläger stünden keine Ansprüche auf Erstattung der Reisekosten und der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu. Ebenso wenig habe er einen Anspruch auf Neubescheidung seiner Anträge. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht zu ziehenden § 23 Abs. 1 SGB II seien nicht erfüllt. Danach könne ein Darlehen nur gewährt werden, wenn im Einzelfall ein von der Regelleistung umfasster Bedarf nach den Umständen unabweisbar sei und nicht auf andere Weise gedeckt werden könne. Klarzustellen sei insoweit zunächst, dass § 23 Abs. 1 SGB II keine Rechtsgrundlage für die Gewährung eines Darlehens ohne Tilgung darstelle. Im Übrigen scheitere die Gewährung eines Darlehens bereits daran, dass ein unabweisbarer Bedarf nicht nachgewiesen sei. Dies betreffe zum einen die Höhe der geltend gemachten Forderung. Konkrete Fahrtkosten seien nicht belegt worden. Es sei auch offensichtlich, dass der Kläger nicht die günstigsten Reisemöglichkeiten (ggf auch durch die Wahl eines anderen Reisetermins) genutzt habe. Außerdem habe der Kläger offenbar die Fahrtkosten durch Aufnahme von Darlehen bei Bekannten gedeckt. Soweit er nunmehr die Begleichung dieser Schulden als unabweisbaren Bedarf geltend mache, fehle es bereits an der konkreten Darlegung und einem Nachweis über die Aufnahme eines Darlehens. Auch stelle die Begleichung von Schulden keinen von der Regelleistung umfassten Bedarf dar. Eine Erstattung von Kosten für die Widerspruchsverfahren nach § 63 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) komme angesichts der Erfolglosigkeit des Begehrens nicht in Betracht. Da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien, scheide auch ein Anspruch auf Neubescheidung aus. Offen bleiben könne daher, ob §§ 23 Abs. 1, 22 SGB II überhaupt Ermessensspielräume eröffneten.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vor: Die Regelleistung sei viel zu niedrig, um hieraus die in Rede stehenden Fahrtkosten bestreiten zu können. Der Beklagte habe ihn, den Kläger, durch seine rechtswidrige Entscheidung dazu genötigt, einen Dispokredit mit 13,75 % Verzugszinsen in Anspruch zu nehmen. Diese habe er ihm zu erstatten. Im Übrigen seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) Besuchsfahrten, die über das übliche Maß – zB wegen der Schwere einer Erkrankung – hinausgingen, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Das SG habe vor diesem Hintergrund prüfen müssen, ob der begehrte Betrag einkommensmindernd zu berücksichtigen gewesen wäre. Des Weiteren habe das SG auch Ansprüche auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe oder eines nicht rückzahlbaren Darlehens nach dem SGB II sowie einer einmaligen Beihilfe in besonderer Lebenslage nach § 73 Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) prüfen müssen. Zudem habe das SG eine Beteiligung der Pflegekasse in Erwägung ziehen und darauf hinweisen müssen, dass die Pflegekasse nach § 39 Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) im Rahmen der „Verhinderungspflege“ für die Fahrtkosten aufkommen müsse. Diesen Hinweis habe auch der Beklagte nicht erteilt und damit seine Auskunft- und Beratungspflicht verletzt. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien erfüllt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

1. die Bescheide des Beklagten vom 12. Dezember 2006 und vom 22. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2008 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm Reisekosten für den Besuch seines schwerkranken Vaters vom 22. bis zum 24. Dezember 2006 und vom 16. bis zum 18. Februar 2007 jeweils in Höhe von 410,40 €, insgesamt 820,80 €, zu erstatten und an ihn binnen einer Frist von drei Werktagen ab Zustellung der Entscheidung des Sozialgerichts auf das der Beklagten bekannte Konto zu überweisen,

3. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, ihm Reisekosten für den Besuch seines schwerkranken Vaters vom 22. bis zum 24. Dezember 2006 und vom 16. bis zum 18. Februar 2007 in Höhe von 244,- € (insgesamt 488,- €) als Darlehen iS des § 23 Abs. 1 SGB II zu gewähren und an ihn binnen einer Frist von drei Werktagen ab Zustellung der Entscheidung des Sozialgerichts auf das der Beklagten bekannte Konto zu überweisen, wobei der in § 23 Abs. 1 SGB II eingeräumte Spielraum zur Festlegung von Tilgungsraten („bis zu 10 vom Hundert“) in verfassungskonformer Auslegung auf Null festgesetzt werde,

4. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die entstandenen notwendigen Aufwendungen in den Widerspruchsverfahren iHv jeweils 30,- €, notfalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, zu erstatten,

5. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und

6. ersatz- und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen jeweiligen neuen Bescheid zur Zahlung von Reisekosten und den entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Ein Hefter Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens S 126 AS 8428/08 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (vgl §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -), über die der Senat in Abwesenheit der Beteiligten nach § 126 SGG entscheiden konnte, ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten für zwei Besuchsreisen zu dessen erkranktem Vater als Zuschussleistung nach dem SGB II verneint. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Leistung als rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden und vorliegend noch anwendbaren Fassung (aF). Die weiteren Anträge auf Erstattung der Kosten der Widerspruchsverfahren und auf Neubescheidung bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Gerichtsverfahren unzulässige Klageänderung dar (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 11/10-, juris). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 12. Dezember 2006 und vom 22. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. März 2008, gegen die sich der Kläger zunächst mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gewandt hat. Der erst mit Schriftsatz vom 15. November 2011 erfolgte Übergang zur Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig. Dem nunmehr erstmals formulierten Begehren, dem Kläger zusätzliche Leistungen in Höhe von 820,80 €, hilfsweise ein rückzahlungsfreien Darlehens in Höhe von 488,- € für Fahrtkosten zu gewähren, steht nicht entgegen, dass der Kläger ihn erst nach Ablauf der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (§ 87 Abs 1 Satz 1 SGG) gestellt hat. Es handelt sich hierbei nicht um eine Klageänderung iSv § 99 Abs 1 SGG, sondern um eine Erweiterung des Klageantrages gem § 99 Abs 3 Nr 2 SGG. Nach der zuletzt genannten Regelung ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. So liegt der Fall hier. Durch den Leistungsantrag hat sich der Streitstoff insgesamt nicht verändert. Vielmehr will der Kläger mit seinem Leistungsbegehren nun den eigentlichen Zweck des Prozesses erreichen, den er mit dem anfänglichen Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren nur mittelbar betrieben hat. Weder der Sachverhalt, auf den die ursprüngliche Klage gestützt wurde, noch die Anspruchsgrundlage hat sich geändert. Der Übergang zu einem Leistungsantrag gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 ist zulässig, selbst wenn eine Verwaltungsentscheidung im Leistungsverfahren noch nicht getroffen worden war (vgl BSG, Urteile vom 20. September 1989 – 7 RAr 110/87 – und vom 15. Februar 1990 – 7 RAr 22/89 – juris).

Bei dem von dem Kläger als einmalige Leistung geltend gemachten Anspruch auf Fahrtkosten handelt es sich um einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand, der isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden kann (vgl BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 11/10 R – juris - unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R = BSGE 102, 68 sowie Urteil vom 23. März 2010 – B 14 AS 6/09 R = BSGE 106,78; vgl zur Abtrennbarkeit des Streitgegenstandes auch BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 13/10 R – juris und nachfolgend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. November 2010 – L 18 AS 1432/08 - juris). Der Beklagte hat in selbständigen Bescheiden vom 12. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 Regelungen zu Lebenssachverhalten getroffen, die hinreichend von den nach §§ 20, 22 SGB II getroffenen Entscheidungen abgrenzbar sind. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist der im Verwaltungsverfahren ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Verpflegungsmehraufwand und Ersatz der Übernachtungskosten, den der Kläger im Klageverfahren nicht weiter verfolgt hat.

Die danach zulässige Klage ist unbegründet. Dabei kann offen bleiben, ob und nach welcher Rechtsgrundlage dem Kläger überhaupt der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zustehen kann; denn nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Senat im erforderlichen Vollbeweis schon nicht feststellen können, dass dem Kläger selbst ein entsprechender Bedarf entstanden ist. Zwar kann entsprechend dem insoweit unter Beweis gestellten Vorbringen als wahr unterstellt werden, dass der Kläger die Fahrten zu seinem erkrankten Vater zu den angegebenen Zeiten mit seinem Pkw unternommen hat, wie er dies gegenüber dem SG mit Schreiben vom 12. Januar 2009 erklärt hat. Es fehlt indes an schlüssigen Darlegungen, dass ihm hierdurch tatsächlich Fahrtkosten entstanden sind. Entsprechende Nachweise wie Tankbelege oä hat der Kläger trotz konkreter und unmissverständlicher Aufforderung des SG nicht vorgelegt. Er hat mit seinem schriftlichen Vorbringen hierzu lediglich und mehrfach betont, dass ihm eine Entfernungskilometerpauschale entsprechend der Regelungen der Alg II- V zustehe, ohne auch nur annähernd glaubhaft zu machen, dass ihm Fahrtkosten – und wenn ja, in welcher Höhe – tatsächlich angefallen sind. Die Gelegenheit, im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu den Fahrtkosten vorzutragen, hat der Kläger nicht wahrgenommen. Weitere Ermittlungen hierzu von Amts wegen waren schon deshalb nicht angezeigt, weil nach Lage der Sache schon entsprechende Anknüpfungstatsachen vom Kläger nicht vorgebracht worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich sind. Das Gericht muss diejenigen Ermittlungen durchführen,zu denen es sich nach der Sach- und Rechtslage gedrängt fühlen muss (vgl nur BSG, Beschluss vom 20. September 2007 - B 5a/5 R 262/07 B - juris), wobei es bei der Wahl der Beweismittel gemäß § 103 Satz 2 SGG an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist. Das Ausmaß der Ermittlungen steht aber in seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl BSG - GS -, Beschluss vom 11. Dezember 1969, GS 2/68 = BSGE 30, 192 [199]), wobei lediglich solche Ermittlungen anzustellen sind, die nach „Lage der Sache“ erforderlich sind, dh das Gericht hat nur, aber stets zu ermitteln, soweit Sachverhalt und Beteiligtenvortrag Nachforschungen nahe legen (vgl BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 5 RJ 26/94 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12 mwN). Da der Kläger letztlich – obwohl ihm hierzu ausdrücklich Gelegenheit gegeben wurde - gar nicht substanziiert behauptet, dass ihm tatsächlich Fahrtkosten anlässlich der in Rede stehenden Besuchsfahrten angefallen sind, hat der Senat keine Veranlassung gesehen, diesbezüglich „ins Blaue hinein“ zu ermitteln.

Indes hätte dem Kläger auch bei tatsächlich nachgewiesenen Fahrtkosten kein Anspruch auf deren Ersatz zugestanden. Soweit der Kläger offenbar mit seinem Klageantrag zu 2. eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II begehrt, scheidet dies unter Berücksichtigung der Gesetzesmotive (st Rspr der Senate des BSG: vgl 7b. Senat, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242; 14. Senat, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 44/08 R = SozR 4-4200 § 7 Nr. 15; 4. Senat, Urteil vom 10. Mai 2011, aaO) aus. Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung des § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 10. Juli 2006 (BGBl I 1706) klargestellt, dass die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen decken. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen. Auch ein Anspruch auf ein rückzahlungsfreies Darlehen zur Deckung der geltend gemachten Fahrtkosten, wie der Kläger ihn mit seinem Antrag zu 3. begehrt, ist ausgeschlossen, weil die Regelung des § 23 Abs. 1 aF SGB II eine Tilgung des Darlehens zwingend vorsieht (vgl BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 11/10 R – juris, dort Rn 18). Hinzu kommt, dass im Fall der Geltendmachung von Umgangskosten, wie er hier vorliegt, die Anwendung des § 23 Abs. 1 SGB II schon deshalb ausscheidet, weil es sich bei ihnen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen Gewährung kaum zugänglich sind (vgl BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R - juris). In Betracht käme allenfalls ein Anspruch des Klägers auf der von ihm angeführten Grundlage des § 73 SGB XII, der einem ansonsten zu prüfenden verfassungsrechtlichen Anspruch vorgeht (vgl BSG, Urteil vom 19. August 2010 aaO). Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) war insoweit anerkannt, dass die Kosten des Umgangsrechts zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen hinaus einmalige und laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R -). Das Bundessozialgericht (BSG) hat jedenfalls für Leistungen im Zusammenhang des Umgangs eines geschiedenen Elternteiles mit seinem minderjährigen Kind eine Erstattung von Fahrtkosten nach § 73 SGB XII für möglich gehalten. Jedoch wäre auch bei Vorliegen einer Bedarfslage ein Anspruch des Klägers nach § 73 SGB XII nicht ersichtlich. Im Bereich der Sozialhilfe ist insoweit zu berücksichtigen, dass Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet ist (vgl BSG aaO; BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = Breithaupt 2005, 803, 805). Sozialhilfeleistungen sind für einen zurückliegenden Zeitraum nur dann zu erbringen, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung noch besteht, sie also den Bedarf des Hilfebedürftigen noch decken kann. Dies setzt nicht nur einen punktuellen Bedarf, sondern auch aktuelle Bedürftigkeit des Hilfesuchenden voraus (vgl BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R = BSGE 104, 213-219). Wenn Leistungen rechtswidrig abgelehnt worden sind und der Hilfebedürftige den Bedarf in der Folgezeit im Wege der Selbsthilfe (etwa durch Aufnahme von Schulden) oder Hilfe Dritter gedeckt hat, ist zu unterscheiden, ob Bedürftigkeit aktuell noch besteht oder zwischenzeitlich entfallen ist (vgl BSG aaO unter Berufung auf BVerwGE 90, 154, 156). Besteht Bedürftigkeit iS des SGB XII oder SGB II ununterbrochen fort, sind Sozialhilfeleistungen im Wege des § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nachträglich zu erbringen, weil der Sozialhilfeträger bei rechtswidriger Leistungsablehnung nicht dadurch entlastet werden darf, dass der Bedarf anderweitig gedeckt wurde. Im vorliegenden Fall ist weder substanziiert vorgetragen geschweige denn nachgewiesen, dass der Kläger seinen Bedarf im Wege der Selbsthilfe oder mit Hilfe Dritter gedeckt hat. Vielmehr ist der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Frage, wie er die Fahrtkosten bestritten haben will, widersprüchlich. So hat er im Rahmen der Untätigkeitsklagen noch behauptet, „teilweise für die Fahrtkosten Darlehen“ bei „Freunden und Bekannten“ aufgenommen zu haben. Im Klageverfahren hat er hingegen vorgetragen, seinen Dispokredit in Anspruch genommen zu haben. Weder für die eine noch für die andere Behauptung hat er Nachweise (Kontoauszüge oä) erbracht. Einer nachträglichen Erbringung von Leistungen nach § 73 SGB XII iVm § 44 Abs 4 SGB X steht zudem entgegen, dass die Bedürftigkeit des Klägers iS des SGB XII bzw des SGB II auch nicht ununterbrochen fortbestand, wie der im Prozesskostenhilfeverfahren eingereichte Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit über Arbeitslosengeld gemäß § 117 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) vom 19. Juni 2009 zeigt.

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers für Fahrten zur krankheitsbedingten Betreuung seines pflegebedürftigen Vaters als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (vgl das von ihm zitierte Urteil des BFH vom 06. April 1990 – III R 60/88 – juris). Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag im streitigen Zeitraum kein Einkommen erzielte, kommt eine Berücksichtigung der Fahrtkosten als abzugsfähiger Posten gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht in Betracht.

Schließlich kommt eine Verurteilung des Beklagten auch nicht auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine ihm aufgrund Gesetzes obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil – SGB I), verletzt hat. Der Auffassung des Klägers, der Beklagte hätte ihn auf die Möglichkeit eines Antrages auf sog „Verhinderungspflege“ nach § 39 SGB XI hinweisen müssen, kann nicht gefolgt werden. Eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, den Kläger iS einer ganzheitlichen Betrachtungsweise über Zuständigkeitsgrenzen hinweg über sämtliche rechtliche Vorteile und Möglichkeiten zu informieren, kann nicht angenommen werden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. April 2004 – B 7 SF 1/ 03 R – juris, dort Rdn 19). Im Übrigen ist auch ein Beratungsanlass nicht erkennbar. Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner Anträge vom 08. Dezember 2006 und 15. Januar 2007 vorgetragen, dass sein Vater schwer krank sei. Er hat aber weder dessen Pflegebedürftigkeit erwähnt noch dazu vorgetragen, dass etwa eine Pflegeperson, die seinen Vater sonst pflegte, verhindert sei und er diese Person ersetzen müsse.

Da der Beklagte die von dem Kläger geltend gemachte Übernahme der Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 820,80 € (hilfsweise 488,- €) zu Recht abgelehnt hat, war die Berufung auch insoweit zurückzuweisen, als eine Verpflichtung zur Neubescheidung begehrt worden ist. Angesichts der Erfolglosigkeit des Begehrens des Klägers kommt eine Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.