Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 28.03.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 10 AS 1191/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2009 aufgehoben, soweit der Beklagte darin verpflichtet worden ist, der Klägerin Kosten der Unterkunft und Heizung unter Abänderung der Bescheide vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2007, vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 und vom 06. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 401,22 EUR monatlich und für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von 455,00 EUR monatlich zu gewähren; die Klagen werden auch insoweit abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten nur noch für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 28. Februar 2009 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 bzw Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der im maßgeblichen Zeitraum jeweils geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), und zwar für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. August 2008 monatlich weitere 157,42 EUR (und damit insgesamt monatlich 517,42 EUR statt lediglich 360,00 EUR) und für die Zeit vom 01. September 2008 bis zum 28. Februar 2009 monatlich weitere 156,42 EUR (und damit insgesamt monatlich 516,42 EUR statt lediglich 360,00 EUR).
Die 1949 geborene, allein stehende erwerbsfähige Klägerin, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und promovierte Germanistin ist, bezieht von dem Beklagten seit dem 18. Februar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II; über weitere Einkünfte verfügte sie im streitigen Zeitraum ebenso wenig wie über anrechenbares Vermögen.
Seit dem 01. März 2003 bewohnt sie alleine eine 54,68 qm große Zweizimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Adresse (Mietvertrag vom 25. Februar 2003 auf Bl 5 ff der Verwaltungsakte <VA>, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird), deren Wärmezufuhr über eine Zentralheizung erfolgt. Die Warmwasseraufbereitung geschieht durch einen in der Wohnung befindlichen Durchlauferhitzer. Für die Wohnung hatte die Klägerin ab dem 01. August 2006 eine monatliche Gesamtmiete von 501,42 EUR (Grundmiete 355,42 EUR, kalte Betriebskostenvorauszahlung 111,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung 35,00 EUR <Umlagenabrechnung vom 15. Juni 2006>), ab dem 01. Juli 2007 eine solche von 517,42 EUR (Grundmiete 355,42 EUR, kalte Betriebskostenvorauszahlung 123,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung 39,00 EUR <Umlagenabrechnung vom 22. Mai 2007>) und ab dem 01. September 2008 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraums eine solche von 516,42 EUR zu zahlen (Grundmiete 355,42 EUR, kalte Betriebskostenvorauszahlung 127,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung 34,00 EUR <Umlagenabrechnung vom 16. Juli 2008, aus der sich ein Betriebskostenguthaben von 22,25 EUR ergab>).
Mit Schreiben vom 19. März 2007 hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass er die Kosten für Unterkunft und Heizung von monatlich 501,42 EUR für eine Person nicht für angemessen halte. Angemessen seien Kosten von 360,00 EUR. Sie werde daher aufgefordert, bis zum 30. September 2007, sofern ihre Hilfebedürftigkeit bis dahin noch andauere, ihre Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Dies könne durch Untervermietung von Räumen oder durch einen Wohnungswechsel erfolgen. Die Klägerin erhalte innerhalb von vier Wochen nach Zugang dieses Schreibens Gelegenheit zur Stellungnahme, ob Gründe vorlägen, die eine Senkung der Kosten als nicht zumutbar erscheinen ließen. Die Senkung der Kosten sei nicht zumutbar, sofern sie bereits das 60. Lebensjahr vollendet habe und bereits mehr als 15 Jahre in ihrer Wohnung lebe, sie schwerbehindert und die Wohnung behindertengerecht umgebaut sei oder sie alleinerziehend mit zwei oder mehr Kindern sei. Gegebenenfalls werde spätestens zum 01. Oktober 2007 die Zahlung der Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von derzeit 501,42 EUR auf die für angemessen erachteten Kosten von 360,00 EUR abgesenkt, sofern die Klägerin dann noch hilfebedürftig sei.
Die Klägerin hatte sich hierzu im Schreiben vom 12. April 2007 im Wesentlichen wie folgt geäußert: Ihre tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien nicht iS von § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II unangemessen. Jedenfalls fehle eine Wirtschaftlichkeitsberechnung wie sie Ziff 7 der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (Amtsblatt für Berlin <ABl> S 3743) zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschrift vom 30. Mai 2006 (ABl 2062) <im Folgenden: AV-Wohnen> vor der Aufforderung zu einem Wohnungswechsel verlange. Die Differenz zwischen den aus der Sicht des Beklagten für angemessenen gehaltenen Aufwendungen für die voraussichtliche Dauer des Leistungsbezuges von zwei Jahren und den für unangemessen gehaltenen tatsächlichen Aufwendungen für diesen Zeitraum, die hier mit 3.394,08 EUR zu beziffern sei (24 x 501,42 EUR = 12.034,08 EUR – 8.640,00 EUR), sei deutlich niedriger als die Kosten, die durch einen Umzug ausgelöst würden und sich auf insgesamt 4.202,42 EUR belaufen würden (unvermeidbare Mietkosten für einen Monat für zwei Wohnungen 861,42 EUR, Spüle mit Unterschrank 100,00 EUR, Ober-, Unter- und Hochschrank für insgesamt 139,00 EUR, Elektroherd inklusive Montage 250,00 EUR, Kühlschrank 200,00 EUR, Gardinen 12,00 EUR, Renovierungskosten mindestens 1.000,00 EUR, Umzugskosten 800,00 EUR sowie die Kaution für drei Monatskaltmieten 840,00 EUR).
Mit Bescheid vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 06. August 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 23. Juli 2009 für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 29. Februar 2008 ua Leistungen für Unterkunft und Heizung, nämlich für September 2007 501,42 EUR und für den restlichen Bewilligungszeitraum monatlich 360,00 EUR.
Mit der hiergegen erhobene Klage (zunächst S 91 AS 19417/07, zuletzt S 168 AS 19417/07) vor dem Sozialgericht (SG) Berlin, hat die Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Gesamtmiete begehrt.
Gegen den den anschließenden Bewilligungszeitraum vom 01. März 2008 bis zum 31. August 2008 regelnden Bescheid vom 23. Januar 2008 legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 31. März 2008), soweit der Beklagte ihr darin auf ihren Fortzahlungsantrag vom 17. Januar 2008 weiterhin nur Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 360,00 EUR bewilligt hatte. Die von ihr im Anschluss vor dem SG Berlin erhobene Klage (S 156 AS 144408/08) ist vom SG zu der zuerst erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hinzu verbunden worden ist (Beschluss vom 26. Mai 2008).
Auch gegen den den anschließenden Bewilligungszeitraum vom 01. September 2008 bis zum 28. Februar 2009 regelnden Bescheid vom 06. August 2008 erhob die Klägerin erfolglos Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 10. September 2008), soweit der Beklagte ihr darin auf ihren Weiterzahlungsantrag vom 29. Juli 2008 weiterhin nur Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 360,00 EUR bewilligt hatte. Die hiergegen vor dem SG Berlin erhoben Klage (S 53 AS 3153/08) ist vom SG ebenfalls zu der zuerst erhobenen Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hinzu verbunden worden (Beschluss vom 11. November 2008).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne allein schon deshalb für den streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung beanspruchen, weil sie vor Absenkung dieser Leistungen nicht ordnungsgemäß zur Kostensenkung aufgefordert worden sei. Die Hinweise im Schreiben des Beklagten vom 12. April 2007 seien jedenfalls nicht ausreichend gewesen, weil lediglich auf eine für angemessen gehaltene Bruttowarmmiete hingewiesen worden sei und nicht zwischen Unterkunfts- und Heizkosten unterschieden worden sei. Deshalb habe die 6-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II für die Kostensenkung nicht in Lauf gesetzt werden können. Insoweit werde auf das zu dieser Frage beim Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren (B 14 AS 32/07 R) hingewiesen.
In der vom SG am 08. Juni 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Klägerin (irrtümlich) angegeben, seit dem 01. Juli 2008 betrage ihre Miete monatlich 516,42 EUR. Außerdem hat sie erklärt, sie finde keine Wohnung in einer akzeptablen Wohngegend, insbesondere fühle sie sich nicht überall sicher, deshalb wolle sie nicht nach Berlin-Neukölln oder Berlin-Wedding ziehen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat dem gegenüber angegeben, dass sich die Klägerin im Ernstfall nicht weigern würde, dort hinzuziehen.
Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich im Zeitraum 2007/2008 kleine Wohnungen für 360,00 EUR bruttowarm hätten angemietet werden können.
Die Klägerin hat vor dem SG zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Abänderung der Bescheide vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2007, vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 und vom 06. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. Juni 2008 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 517,42 EUR monatlich und für die Zeit vom 01. Juli 2008 bis 28. Februar 2009 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 516,42 EUR monatlich zu bewilligen.
Durch Urteil vom 08. Juni 2009 hat das SG – unter Abweisung der Klagen im Übrigen – den Beklagten „verpflichtet“, der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. September 2007 in Höhe von 517,42 EUR, für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 401,22 EUR monatlich und für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von 455,00 EUR monatlich zu gewähren.
Dabei ist das SG davon ausgegangen, dass für einen Einpersonenhaushalt in Berlin eine Wohnungsgröße von maximal 50 qm angemessen sei und im Weiteren unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2007 vom 11. Juli 2007 (ABl S 1797) für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. September 2008 ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis für einfache Wohnungen mit einer Wohnfläche von 40 bis unter 60 qm in Höhe von 4,54 EUR zu berücksichtigen sei, so dass sich eine angemessene Nettokaltmiete von 227,00 EUR (= 50 qm x 4,54 EUR) errechne. Darüber hinaus hat das SG zur Ermittlung der angemessenen warmen Betriebskosten die Berliner Betriebskostenübersicht über die Betriebskosten des Jahres 2007 herangezogen, die auf der Auswertung des von der GEWOS Institut für Stadt, Regional und Wohnforschung GmbH herausgegebenen „Endberichts“ mit der Überschrift „Berliner Mietspiegel 2007 – Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel“ (im Folgenden GEWOS – Endbericht 2007) beruht. Das SG hat dabei 3,48 EUR pro qm als angemessene warme Betriebskosten angesehen, in den Entscheidungsgründen heißt es aber, dass zutreffender Weise lediglich 2,95 EUR pro qm hätten angesetzt werden dürfen, weil die Kammer übersehen habe, dass die Betriebskostenübersicht sowohl eine Position Be- und Entwässerung als auch die Position Wasserversorgung/ Entwässerung/Niederschlagswasser enthalte. Es könnten aber nur die Positionen Be- und Entwässerung einerseits oder die Position Wasserversorgung/Entwässerung/Niederschlagswasser andererseits angesetzt werden.
Für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 hat das SG sich auf den Berliner Mietspiegel 2009 vom 03. Juni 2009 (ABl S 1409) gestützt. Dabei ist es vom Durchschnittswert der Mittelwerte der Wohnungen in einfacher Wohnlage mit einer Wohnfläche bis 40 qm ausgegangen, so dass sich ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 5,10 EUR und eine angemessene Nettokaltmiete von monatlich 255,00 EUR (50 qm x 5,10 EUR) ergeben hat. In den Entscheidungsgründen heißt es jedoch, das richtigerweise von einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis für einfache Wohnungen mit einer Wohnfläche von 40 bis unter 60 qm hätte ausgegangen werden müssen und damit von einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 4,66 EUR. Bei der Ermittlung der angemessenen warmen Betriebskosten ist das SG wiederum von 3,48 EUR (statt 2,95 EUR) pro qm ausgegangen, wobei es ferner einen „Sicherheitszuschlag“ von 15 vH berücksichtigt hat.
Im Weiteren ist das SG davon ausgegangen, dass für die Klägerin im streitigen Zeitraum Wohnungen zu den jeweils abstrakt angemessenen Werten im Bezirk Steglitz-Zehlendorf verfügbar waren, jedenfalls aber im Stadtgebiet von Berlin (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R, juris <München>). Der Beklagte habe keinen Nachweis einer konkreten von der Klägerin tatsächlich anzumietenden Wohnung zu erbringen, weil die Klägerin überhaupt keine Bemühungen dargelegt habe, eine preiswertere Wohnung anzumieten.
Das SG ist schließlich davon ausgegangen, dass es der Klägerin seit Oktober 2007 auch möglich und zumutbar gewesen sei, ihre Aufwendungen auf die angemessenen Kosten zu senken. Durch das Schreiben vom 19. März 2007 sei die sechsmonatige „Übergangsfrist“ in Gang gesetzt worden. Die dort erteilten Hinweise seien ausreichend.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung – im Wesentlichen – unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen gegen das Urteil des SG, soweit darin ihrem Begehren nicht entsprochen worden ist, der Beklagte wendet sich gegen dieses Urteil, soweit er dadurch verurteilt worden ist.
Der Senat hat den GEWOS-Endbericht noch einmal in Schriftform zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und überdies das Urteil des 5. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 16. Februar 2012 – L 5 AS 1227/09 – in das Verfahren eingeführt.
Auf Anregung des Senats hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 2012 im Wege eines Teilanerkenntnisses den klägerischen Anspruch für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. September 2007 (weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 16,00 EUR) anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2009 und die Bescheide des Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2007, 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 und 06. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. August 2008 in Höhe von monatlich 116,20 EUR, für die Zeit vom 01. September 2008 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 115,20 EUR und für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von monatlich 61,42 EUR zu gewähren,
sowie die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der zusprechende Entscheidungssatz des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2009 wie folgt gefasst wird: Der Beklagte wird unter Änderung der Bescheide vom 25. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2007, 23. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 und 06. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 verurteilt, der Klägerin weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 in Höhe von monatlich 41,20 EUR und für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von monatlich 95,00 EUR zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2009 zur ändern und die Klagen im vollem Umfang abzuweisen,
sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass selbst unter Berücksichtigung des von Richterinnen und Richtern des SG Berlin erarbeiteten Konzepts für die Beurteilung angemessener Mietkosten (vollständig in dem Einzelnen dargestellt: Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin. Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgericht Berlin, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, 1/2010, Seite 28 ff) die abstrakt angemessenen monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum nicht die von ihm für angemessen erachteten 360,00 EUR für einen Einpersonenhaushalt in Berlin überstiegen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, und die Verwaltungsakten (Bd I bis II) des Beklagten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist, soweit sich das Verfahren nicht durch das angenommene Anerkenntnis erledigt hat (§ 101 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 28. Februar 2009 über den ihr bereits von diesem bewilligten monatlichen Umfang hinaus (360,00 EUR) keine weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen. Die Bescheide in dem angefochtenen Umfange sind insoweit rechtmäßig, so dass das SG den Klagen insoweit zu Unrecht teilweise stattgegeben hat. Die zulässige Berufung der Klägerin, die sie zwar erst im Anschluss an die Berufung des Beklagten aber noch innerhalb der für sie (die Klägerin) geltenden Berufungsfrist eingelegt hat, so dass es sich um eine selbständige Berufung und nicht lediglich um eine Anschlussberufung handelt, weil für die Klägerin nicht die Notwendigkeit bestand, nur eine unselbstständige Anschlussberufung (§ 202 SGG iVm § 524 Zivilprozessordnung; eine selbständige Anschlussberufung sieht die zuletzt genannte Norm nicht mehr vor, weil der Gesetzgeber sie für überflüssig hält <Amtl Begr des ZPO-RG, BT-Drucks 14/4722, S 98>) zu verfolgen, die auch noch nach Ablauf der für den Beteiligten geltenden Rechtsbehelfsfrist erhoben werden kann, ist unbegründet.
Streitgegenstand der durch das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen (§ 113 Abs 1 SGG) drei Klagen, mithin das von der Klägerin in den drei Klagen jeweils zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Begehren, das sie jeweils im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG) verfolgt, sind lediglich die von ihr erhobenen Ansprüche auf die Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung, allerdings – bedingt durch das von ihr angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten – nur noch für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 28. Februar 2009. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist insoweit zulässig, als es sich bei der Verfügung über die Unterkunfts- und Heizkosten um eine abtrennbare Verfügung (= Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) der von ihr angefochtenen, die streitigen Zeiträume regelnden Bescheide handelt, so dass das Gericht bei einem entsprechend beschränkten Antrag (der hier vorliegt) auch lediglich über diese Position des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II befinden muss. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in Leistungen einerseits für Unterkunfts- und andererseits für Heizkosten ist indes rechtlich nicht möglich (BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4 - 4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18f zum bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Recht des SGB II).
Die Klägerin gehörte im (noch) streitigen Zeitraum zum Kreis der Leistungsberechtigten iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, insbesondere war sie auch hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II), so dass sie während dieses Zeitraums dem Grunde nach auch einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung hatte.
In welchem Umfang Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung haben bestimmt sich nach § 22 Abs 1 SGB II. Nach Satz 1 dieser Norm werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der „Angemessenheit“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (stRspr des BSG: vgl etwa Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 20). Den angemessenen Umfang übersteigende Kosten sind – gemäß Satz 3 der Vorschrift, der entgegen dem Wortlaut nicht nur für die Aufwendungen für die Unterkunft, sondern auch für die Aufwendungen für die Heizkosten gilt (BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R, juris RdNr 22 zum inhaltsgleichen § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II der Vorgängerfassung des Gesetzes) – als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die Heizkosten der Klägerin sind als wirtschaftlich angemessen im (noch) streitgegenständlichen Zeitraum im vollen Umfang zu tragen (dazu unter 1.). Demgegenüber sind die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin in diesem Zeitraum für die Bruttokaltmiete und damit für die Unterkunft unangemessen hoch. Denn die tatsächlich zu erbringende Bruttokaltmiete übersteigt die abstrakte Angemessenheit einer Bruttokaltmiete für einen Einpersonenhaushalt in Berlin im streitigen Zeitraum nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II deutlich (dazu unter 2.). Sachliche Gründe, nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dennoch zu berücksichtigen, bestanden für den streitigen Zeitraum vom 01. Oktober 2007 bis zum 28. Februar 2009 nicht (dazu unter 3.).
1. Die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung hat getrennt von der für die Unterkunft (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 18) und nach eigenen Regeln zu erfolgen (BSG, aaO, RdNr 21ff). Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist – mangels anderer Zahlen – so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen, der abhängig von der jeweiligen Heizungsart, der Wohnanlagengröße und der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl ein eklatant kostspieliges bzw unwirtschaftliches Heizen indiziert, wobei jedochbei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abzuziehen ist (vgl nur BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, juris <Freiburg> = SozR 4-4200 § 22 Nr 46, jeweils RdNr 42
Die von der Klägerin im streitigen Zeitraum zu erbringenden Heizkostenvorauszahlungen (bis zum 31. August 2008 monatlich 39,00 EUR und ab dem 01. September 2008 monatlich 34,00 EUR), die nicht um eine Warmwasseraufbereitungspauschale zu bereinigen sind, da die Heizkosten keinen Anteil für die Warmwasseraufbereitung enthalten, sind offensichtlich wirtschaftlich und damit zu erstatten. Denn mit diesen Beträgen werden – unabhängig von der Heizungsart, der Wohnanlagengröße und der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl (zu Letzterem sogleich <unter 2.>) – sicherlich nicht die Grenzwerte des bundesweiten Heizkostenspiegels, der mangels eines lokalen für Berlin anzuwenden ist, überschritten, die ein kostspieliges oder unwirtschaftliches Heizen indizieren, was auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird.
2. Unter Abzug der Heizkosten hatte die Klägerin für ihre Unterkunft Aufwendungen in der Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. August 2008 von monatlich 478,42 EUR (517,42 EUR – 39,00 EUR) und in der Zeit vom 01. September 2008 bis zum 28. Februar 2009 von monatlich 482,42 EUR (516,42 EUR – 34,00 EUR). Diese Beträge übersteigen deutlich den maßgeblichen Referenzwert (iS einer Mietobergrenze) für einen Einpersonenhaushalt in Berlin im streitigen Zeitraum.
Von den Aufwendungen für die Unterkunft iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden alle Zahlungsverpflichtungen erfasst, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben. Dazu zählen neben der geschuldeten Nettokaltmiete auch die Vorauszahlungen für die kalten Betriebskosten. Die abstrakte Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist in einem mehrstufigen Verfahren nach Maßgabe der so genannten Produkttheorie (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24ff; zu den angemessenen kalten Betriebskosten als ein Faktor des Produkts ausdrücklich: BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 33 und - B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 28), also dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und der Summe von angemessener Nettokaltmiete pro qm und angemessenen kalten Betriebskosten pro qm, zu ermitteln.
Erster Prüfschritt ist es, die angemessene Größe der Wohnung zu bestimmen. Dabei hat das SG richtigerweise für die Klägerin als Alleinlebende eine maximale Wohnungsgröße von 50,00 qm veranschlagt. Denn zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (BGBl I S 2376: „Wohnungsförderungsgesetz" im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die „Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Das Land Berlin hat zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 27 WoFG liegen nur unveröffentlichte Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (ABl S 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm überlassen werden. Auf diese Regelungen ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II zurückzugreifen (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 32/09 R, juris <Berlin> RdNr 16ff).
In einem zweiten Prüfschritt ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen, bei dem es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln muss, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Auch insoweit zutreffend hat das SG auf das gesamte Stadtgebiet von Berlin abgestellt. Denn bei der Stadt Berlin handelt es sich um einen solchen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom SG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren, vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 24 mwN und B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 18).
In einem dritten Prüfschritt ist – ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet von Berlin als räumlichem Vergleichsmaßstab – der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis zu ermitteln, wobei ein einfacher im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen ist. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln Zur Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II können qualifizierte Mietspiegel im Sinne des § 558d Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) herangezogen werden, für die die gesetzliche Vermutung gilt, dass die angegeben Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (§ 558d Abs 3 BGB). Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig. Die Daten für Baualtersklassen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) sind jedoch, unabhängig davon, mit welcher Häufigkeit solche Wohnungen noch verfügbar sind, zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes nicht heranzuziehen, da Hilfebedürftige auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden dürfen. Darüber hinaus sind die Grundlagendaten zu dem jeweiligen Mietspiegel zu berücksichtigen. Es könnten sich daraus nämlich Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (gegebenenfalls um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach der Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen zu bilden, da ein solcher Mittelwert gewährleistet, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt einfließt (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010, aaO, RdNr 28ff bzw RNr 23ff).
Zur Feststellung der angemessenen Referenzmiete kann dabei nicht auf den in den AV-Wohnen genannte Referenzwert von monatlich 360,00 EUR zurückgegriffen werden, weil nicht erkennbar und auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden ist, auf welcher Datengrundlage und welchem Auswertungskonzept dieser Wert beruht und er zudem das Problem in sich trägt, zwei separat zu beurteilende Bedarfe (Bruttokaltmiete und Heizkosten) zu repräsentieren.
Das heißt jedoch nicht, dass damit „automatisch“ die tatsächlichen Unterkunftskosten als angemessen zu erachten sind bzw auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz (rechte Spalte zzgl eines Sicherheitszuschlags zurückzugreifen wäre (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 29, jeweils RdNr 27). Vielmehr muss das Gericht, sofern – wie hier – vom Grundsicherungsträger ein schlüssiges Konzept nicht vorgelegt wird, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht auf ein ihm bekanntes schlüssiges Konzept zurückgreifen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 27, jeweils RdNr 23).
Deshalb hat der Senat – so wie im Ausgangspunkt auch das SG – entsprechend den dargelegten Vorgaben der Rspr des BSG den Berliner Mietspiegel 2007 vom 11. Juli 2007, bei dem es sich um qualifizierte Mietspiegel handelt, und dessen Grundlagendaten zur Grundlage seiner Prüfung gemacht. Dieser Mietspiegel ist anzuwenden, auch wenn er auf den in den Vorjahren erhobenen Daten beruht (Stichtag 01. Oktober 2006). Denn ein „schlüssiges Konzept“, das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen. Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 21; vgl auch BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 19/11 R, juris <Duisburg> RdNr 23 <streitiger Zeitraum November 2006 bis April 2007, Rückgriff auf Mietspiegel 2005 gebilligt, der bis November 2007 Anwendung fand> und BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 27 <streitiger Zeitraum 05. August 2007 bis zum 29. Februar 2008, Rückgriff auf Mietspiegel 2007 gebilligt> und Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2009 – L 26 AS 407/07, juris RdNr 39). Da von den Beteiligten nicht vorgetragen wird und auch für den Senat nicht ersichtlich ist, dass es während des streitigen Zeitraums zu solchen nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist, hat der Berliner Mietspiegel 2009 vom 03. Juni 2009 für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum keine Relevanz und nicht nur – entgegen der Auffassung des SG – für die Zeit bis zum 30. September 2008, dies ungeachtet der Tatsache, dass er Auskunft über die in Berlin am 01. Oktober 2008 üblicherweise gezahlten Mieten gibt.
Der GEWOS-Endbericht enthält keine Angaben, die den Schluss zulassen, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist, dass sie einen einfachen Standard nachvollziehbar abbildet (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2012 - L 5 AS 1227/09). Die Daten des GEWOS-Endberichts beziehen sich stets auf das gesamte Land Berlin, jedoch nicht auf dessen Bezirke (vgl insbesondere die Tabellen 25 bis 32b). Differenziert wird in einigen Tabellen des GEWOS-Endberichts nur zwischen den „westlichen“ und den „östlichen“ Bezirken (vgl die Tabellen 13, 14b, 15b, 19b, 20b, 32b).
Daher hat der Senat nach einer von Richterinnen und Richtern des SG Berlin erarbeiteten Methode (Schifferdecker, Irgang, Silbermann, aaO), die vom BSG gebilligt worden ist (BSG, Urteile vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R und B 14 AS 85/09 R, jeweils juris und vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R, juris und B 14 AS 50/10 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 42 und B 14 AS 65/09 R, juris), einen gewichteten arithmetischen Mittelwert gebildet. Ausgangspunkt sind dabei die Daten für Wohnungen der Größe von 40 bis unter 60 qm in einfachen Wohnlagen, wie sie in Zeile D der Mietspiegeltabelle angegeben werden. Da Hilfebedürftige jedoch nicht auf Wohnungen verwiesen werden dürfen, die entweder nicht über ein Bad oder nicht über eine Sammelheizung verfügen, hat der Senat die Werte der Spalten 1 und 3 für unterdurchschnittliche Ausstattung sowie die in den Fußnoten zur Mietspiegeltabelle ausgewiesenen Abschläge auf die Spalten 1, 3, 5 und 6 für weit unterdurchschnittliche Ausstattungen nicht berücksichtigt. Auch die Spalten 8 und 9 konnten nicht einfließen, da die Mietspiegeltabelle hier in Zeile D keine Angaben enthält. Der Berechnung sind die Mittel- und nicht die Spannenoberwerte der einfachen Wohnlage zugrunde gelegt worden (vgl nur BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 32 und B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 27).
Es war also von folgenden Werten auszugehen: 4,35 EUR (Spalte 2), 4,77 EUR (Spalte 4), 4,43 (Spalte 5), 4,41 EUR (Spalte 6), 4,56 EUR (Spalte 7), 4,96 EUR (Spalte 10), 6,70 EUR (Spalte 11). Die Gewichtung der einzelnen Mietspiegelwerte wird anhand der auf die berücksichtigten Spalten des Berliner Mietspiegels entfallenden Wohnungen vorgenommen, die sich aus dem GEWOS-Endbericht ergeben (Tabelle 1 „Fortschreibung der Grundgesamtheit zum Berliner Mietspiegel 2007“). Danach entfallen 40.500 Wohnungen auf Spalte 2, 20.500 Wohnungen auf Spalte 4, 8.600 auf Spalte 5, 14.800 auf Spalte 6, 2.800 auf Spalte 7, 27.600 auf Spalte 10 und 4.300 auf Spalte 11. Insgesamt handelt es sich um 119.100 Wohnungen. Zur Gewichtung werden die auf die einzelnen Tabellenzeilen entfallenden Wohnungen pro Zeile ins Verhältnis zur Summe der insgesamt pro Zeile berücksichtigten Wohnungen gesetzt. Anschließend werden die so ermittelten Anteile mit den zugehörigen, in den einzelnen Mietspiegelzeilen angegebenen Kaltmietwerten multipliziert und die Produkte je Zeile addiert, um jedem einzelnen Mietspiegelwert sein dem Wohnungsbestand entsprechendes Gewicht beimessen zu können. Daraus ergibt sich die folgende Berechnung:
([40.500 : 119.100] x 4,35 EUR = 1,48 EUR) | + |
([20.500 : 119.100] x 4,77 EUR = 0,82 EUR) | + |
([8.600 : 119.100] x 4,43 EUR = 0,32 EUR) | + |
([14.800 : 119.100] x 4,41 EUR = 0,55 EUR) | + |
([2.800 : 119.100] x 4,56 EUR = 0,11 EUR) | + |
([27.600 : 119.100] x 4,96 EUR = 1,15 EUR) | + |
([4.300 : 119.100] x 6,70 EUR = 0,24 EUR) | = 4,67 EUR Nettokaltmiete |
Die angemessene Nettokaltmiete beträgt daher 233,50 EUR (50 qm x 4,67 EUR).
In einem letzten Schritt sind die kalten Betriebskosten iS von § 556 BGB zu ermitteln, wobei zur Erstellung eines (auch insoweit erforderlichen schlüssigen) Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen ist, allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte, weil sich insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen regional deutliche Unterschiede ergeben, auf die Rücksicht genommen werden muss (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 34 und B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 29).
Problematisch ist, ob dem bereits zitierten Konzept der Richterinnen und Richter des SG Berlin auch insoweit beizupflichten ist, dass auch hinsichtlich der kalten Betriebskosten ein gewichteter arithmetischer Mittelwert zu bilden ist. Eine solche Gewichtung wird mit dem Argument für notwendig erachtet, bei einer ungewichteten Addition aller abstrakt möglichen Betriebskostenpositionen würden überhöhte Werte in Kauf genommen, weil nicht für jede Wohnung sämtliche Betriebskostenarten – zB Kosten für einen Aufzug – anfielen (Schifferdecker, Irgang, Silbermann, aaO, Seite 39). Der 5. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, der sich in seinem Urteil vom 16. Februar 2012 (L 5 AS 1227/09) auch insoweit diesem Konzept, das den regionalen Bezug wahrt, angeschlossen hat, hat hierzu ausgeführt, dass, da der Zweck des gewichteten arithmetischen Mittelwerts bei der Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete darin liege, einzelne Werte für bestimmte Baualtersklassen entsprechend ihrer tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in die Prüfung einfließen lassen zu können, es nur folgrichtig sei, auch in dieser Hinsicht eine Gewichtung bei den kalten Betriebskosten vorzunehmen, weil die jeweiligen Baualtersklassen nicht nur unterschiedliche Kaltmieten, sondern auch unterschiedliche kalte Betriebskosten aufweisen würden.
Die Ermittlung des gewichteten arithmetischen Mittelwerts für die kalten Betriebskosten hat der 5. Senat des LSG Berlin-Brandenburg in dem zitierten Urteil wie folgt vorgenommen:
Er hat wiederum die Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad ausgenommen und ist von den folgenden Daten der Tabelle 5 des GEWOS-Endberichts („Durchschnittliche kalte Betriebskosten zum Berliner Mietspiegel 2007“) ausgegangen: 1,23 EUR (Spalte 2), 1,47 EUR (Spalte 4), 1,54 EUR (Spalte 5), 1,56 EUR (Spalte 6), 1,50 EUR (Spalte 7), 1,82 EUR (Spalte 8), 1,70 EUR (Spalte 9), 1,46 EUR (Spalte 10), 1,53 EUR (Spalte 11). Nach Tabelle 1 des GEWOS-Endberichts 2007 entfielen 281.900 Wohnungen auf Spalte 2, 154.700 auf Spalte 4, 77.900 auf Spalte 5, 149.100 auf Spalte 6, 65.700 auf Spalte 7, 19.200 auf Spalte 8, 12.900 auf Spalte 9, 204.400 auf Spalte 10 und 56.900 auf Spalte 11. Insgesamt waren 1.022.700 Wohnungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage hat er folgende Berechnung vorgenommen:
([281.900 : 1.022.700] x 1,23 EUR = 0,34 EUR) | + |
([154.700 : 1.022.700] x 1,47 EUR = 0,22 EUR) | + |
([77.900 : 1.022.700] x 1,54 EUR = 0,12 EUR) | + |
([149.100 : 1.022.700] x 1,56 EUR = 0,23 EUR) | + |
([65.700 : 1.022.700] x 1,50 EUR = 0,1 EUR) | + |
([19.200 : 1.022.700] x 1,82 EUR = 0,03 EUR) | + |
([12.900 : 1.022.700] x 1,70 EUR = 0,02 EUR) | + |
([204.400 : 1.022.700] x 1,46 EUR = 0,29 EUR) | + |
(56.900 : 1.022.700] x 1,53 EUR = 0,09 EUR) | = 1,44 EUR kalte Betriebskosten |
Es erscheint jedoch fraglich, ob ein solches Konzept den auch insoweit zu beachtenden Schlüssigkeitsanforderungen genügt, weil nicht sichergestellt ist, dass die Wohnungen, deren kalte Betriebskosten hierfür in Ansatz gebracht werden, deckungsgleich mit den Wohnungen sind, die zur Ermittlung der Nettokaltmiete herangezogen werden. Das BSG jedenfalls hält über die Bildung eines arithmetischen Mittels für die kalten Betriebskosten hinaus, eine weitergehende Gewichtung nicht für notwendig, da nicht erkennbar sei, welche zuverlässigen weitergehenden Aussagen sich hieraus ableiten lassen (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 34 und B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 29).
Während die AV-Wohnen (dort Ziff 6 Abs 1) von durchschnittlichen kalten Betriebskosten von 1,47 EUR pro qm ausgehen, erscheint es dem Senat nahe liegender, eine auf regionale Daten gestützte Berechnung in der Weise vorzunehmen, dass eine ungewichtete Addition aller abstrakt möglichen Betriebskostenpositionen erfolgtund damit auf die – nicht amtlichen – Mittelwerte, die in den Mietspiegel 2007 Eingang gefunden haben (Anlage I zum Berliner Mietspiegel 2007) und auf den Betriebskosten des Jahres 2005 basieren, zurückgegriffen und somit von durchschnittlichen kalten Betriebskosten von 1,63 EUR pro qm ausgegangen wird. Dabei besteht auch bezüglich der kalten Betriebskosten kein ausreichender Grund auf die entsprechenden Werte der Anlage I zum Berliner Mietspiegel 2009 zurückzugreifen, denn auch bezüglich der kalten Betriebskosten trägt das Argument, dass nur die Werte einer im fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichten Quelle herangezogen werden können, da ansonsten regelmäßig Nachberechnungen (nebst entsprechender Korrektur der Bescheide) erforderlich würden (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2009 – L 26 AS 407/07, juris RdNr 39). Soweit hinsichtlich der kalten Betriebskosten vom BSG es für nahe liegend gehalten wird, eine Anpassung an die Preisentwicklung in den Blick zu nehmen (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R, juris <Berlin> = SozR 4-4200 § 22 Nr 42, jeweils RdNr 34 und B 14 AS 2/10 R, juris <Berlin> RdNr 29), ist festzustellen, dass damit nur das im Bewilligungszeitpunkt erkennbare Kostenniveau des dem Bewilligungszeitraum vorausgehenden Kalenderjahres angesprochen sein kann, da die kalten Betriebskosten als Vorauszahlungen geleistet werden, deren Höhe auf den Kosten im vorangegangen Abrechnungszeitraum basiert (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2009. aaO, RdNr 50). Dass insoweit hier berücksichtigungspflichtige Abweichungen (Steigerungen) gegenüber den Werten der Anlage I des Berliner Mietspiegels 2007 eingetreten wären, wird nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
Die Frage kann aber im Ergebnis offen bleiben. Selbst wenn die für die Klägerin günstigste Variante – und damit die durchschnittlichen Werte der Betriebskostenübersicht der Anlage I zum Berliner Mietspiegel 2007 – heranzuziehen wäre, würde sich eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von monatlich 319,50 EUR (50 qm x 6,39 EUR <4,76 EUR + 1,63 EUR>) errechnen, so dass unter Berücksichtigung der Heizkosten von 39,00 EUR bis zum 31. August 2008 ein abstrakt angemessener Bedarf für Unterkunft und Heizung von lediglich monatlich 358,50 EUR zu veranschlagen wäre. Auch für den sich anschließenden Zeitraum bis zum 28. Februar 2009 würde der abstrakt angemessene Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht höher als monatlich 353,50 EUR ausfallen, so dass auch für diesen Zeitraum die tatsächlich bewilligten monatlichen 360,00 EUR noch unterschritten würden.
Nicht entscheidungserheblich ist darüber hinaus, ob und gegebenenfalls wann der Klägerin das Betriebskostenguthaben von 22,25 EUR aus der Umlagenabrechnung vom 16. Juli 2008 für den Abrechnungszeitraum 01. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 zugeflossen ist. Zwar mindern nach § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen, so dass es sich bei derartigen Rückzahlungen oder Guthaben um zu berücksichtigendes Einkommen handelt. Sofern das hier in Rede stehende Betriebskostenguthaben der Klägerin spätestens am 31. Januar 2009 zugeflossen sein sollte und dieses nicht ohnehin um Aufwendungen nach § 11 Abs 2 SGB II zu bereinigen sein sollte, hätte es somit zwar den Beklagten ggf zur Teilaufhebung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Folgemonat des Zuflusses (und einer entsprechenden Rückforderung) berechtigt, nicht aber das Gericht. Denn betrifft eine Klage – so wie hier – höhere Leistungen als bewilligt, darf das Gericht wegen des Verbots der „reformatio in peius" (Verböserungsverbot) die bewilligte Leistung nicht ganz oder teilweise entziehen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 5 zu § 123).
3. Die unangemessenen Aufwendungen für die Unterkunft waren nicht für den (noch) streitigen Zeitraum gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB zu übernehmen.
Die Übernahme abstrakt unangemessener Unterkunftskosten im Einzelfall ist im Grundsatz auf einen begrenzten Zeitraum angelegt. Lediglich soweit und so lange dem Hilfebedürftigen eine Kostensenkung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar ist, werden abstrakt unangemessene Kosten übernommen, „in der Regel jedoch längstens für sechs Monate“. Das schließt es zwar nicht aus, dass auf Grundlage der konkreten Angemessenheitsprüfung dauerhaft höhere Kosten als die abstrakten Referenzkosten zu übernehmen sind. Ungemessen hohe Kosten für Unterkunft werden aber auch bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu angemessenen Kosten (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris <München> = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 32).
Es ist zunächst festzuhalten, dass die Klägerin sich nicht darauf berufen kann, dass sie im streitigen Zeitraum auf dem für sie maßgeblichen Wohnungsmarkt tatsächlich eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret nicht anmieten konnte (konkrete Angemessenheitsprüfung).
Das dargestellte System der Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten impliziert bei seiner zutreffenden Anwendung, dass es im Ergebnis regelmäßig auch konkret möglich ist, eine kostenangemessene Wohnung zu finden (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R, juris <Freiburg> = SozR 4-4200 § 22 Nr 46, jeweils RdNr 30; Berlitin LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, RdNr 82 zu § 22). Auf einen für Hilfebedürftige nicht zugänglichen Wohnungsmarkt dürfen sich die Ermittlungen im Hinblick auf die abstrakt angemessenen Kosten nicht beziehen. Sind durch die zutreffende Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten solche Zirkelschlüsse aber ausgeschlossen, kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt. Ausnahmsweise kann die dargestellte Tatsachenvermutung ausreichenden Wohnraums zur maßgeblichen Referenzmiete aber vom Hilfebedürftigen erschüttert werden (BSG, aaO, RdNr 32), was aber nicht durch die bloße Behauptung der Klägerin, ihr habe entsprechender Wohnraum nicht zur Verfügung gestanden, gelungen ist, zumal sie zugestandenermaßen ihre Suche nicht auf den gesamten örtlichen Vergleichsraum ausgedehnt hatte.
Einem Umzug entgegenstehende Sachgründe, wie etwa eine Behinderung, Gebrechlichkeit, eingeschränkte Umstellungsfähigkeit oder die Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind (vgl auch BSG, aaO, RdNr 37), stehen bei der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht in Rede. Ihr Verweis auf ihr Alter und ihren möglichen baldigen Renteneintritt beinhaltet keine Gründe, die eine Ausnahme zu rechtfertigen vermögen (BSG, aaO, RdNr 37 mwN).
Soweit die Klägerin ausführt, bei einem Umzug müsse sie ihr soziales Umfeld aufgeben, weil es nicht möglich sei, in dem von ihr bewohnten Stadtteil zu dem von dem Beklagten angegebenen Preis eine Wohnung anzumieten, ist zu bedenken, dass jeder Umzug in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfeldes einhergeht und dies eine normale Folge ist, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Das „Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes", eine „affektive Bindung" an einen bestimmten Stadtteil oder allgemein das Lebensalter - von hier 58 Jahren (zu Beginn des streitigen Zeitraums) - stehen einem Umzug nicht entgegenvgl BSG, aaO, RdNr 38 mwN).
Die Klägerin kann auch nicht mit ihrem Vorbringen zur angeblichen Unwirtschaftlichkeit eines Umzugs gehört werden. Im Ausgangspunkt handelt es sich um eine Überlegung, die nicht darauf abzielt, subjektive Rechte der Klägerin zu begründen, vielmehr geht es vorrangig darum, das Verwaltungshandeln am Wirtschaftlichkeitsgebot auszurichten. Insoweit enthält § 22 Abs 1 SGB II keine unmittelbaren Vorgaben, auf die sich Ziff 7 der AV-Wohnen zurückführen ließe (§ 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der seit dem 01. Januar 2011 geltenden Fassung, ist auf den streitigen Zeitraum noch nicht anwendbar). Soweit Fallkonstellationen verbleiben könnten, in denen es unverhältnismäßig erscheinen könnte, jemanden einen Umzug anzusinnen, wenn die damit in Zusammenhang stehenden, vom Grundsicherungsträger zu erbringenden Transaktionskosten ersichtlich den Nutzen (Spareffekt) übersteigen, ist festzuhalten, dass ein solcher Fall hier ersichtlich nicht vorliegt angesichts der „ungedeckten“ Spanne von monatlich 157,42 EUR bzw monatlich 156,42 EUR und der Ungewissheit darüber, ob die Klägerin bis zu ihrer Berentung noch einmal dem Leistungsbezug des Beklagten entwachsen wird.
Schließlich macht die Klägerin auch zu Unrecht geltend, die 6-Monats-Frist des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sei im streitigen Zeitraum noch nicht in Lauf gesetzt worden.
Voraussetzung für eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft auf die angemessene Höhe der Aufwendungen ist zwar, dass der Hilfebedürftige von seiner Obliegenheit, die Kosten auf ein angemessenes Niveau zu senken, zurechenbar Kenntnis hat (grundlegend: BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 28). Dem entsprechend hat der Absenkung durch den Träger regelmäßig ein Kostensenkungsverfahren voranzugehen, auch wenn Abs 1 Satz 3 kein Erfordernis einer Kostensenkungsaufforderung normiert (vgl bereits BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 8).
Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn in der Kostensenkungsaufforderung der als angemessen angesehene Mietpreis angegeben wird (BSG, Urteile vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 70/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 8, jeweils RdNrn 13-16 und vom 01. Juni 2010 – B 4 AS 78/09 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 36, jeweils RdNr 15), ohne dass die Richtigkeit der bezeichneten Grenze ausschlaggebend wäre (BSG, Urteile vom 19. März 2008 – B 11b AS 43/06 R, juris RdNr 15f, vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40 sowie vom 20. August 2009 – B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 34). Weiter muss über die Folgen mangelnder Kostensenkung informiert werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 41/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 7, jeweils RdNr 21). Nicht aber trifft den Grundsicherungsträger von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, den Hilfeempfänger im Einzelnen darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den seiner Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten bzw welche Wohnungen dieser anmieten könne (BSG, Urteile vom 19. März 2008 – B 11b AS 43/06 R, juris RdNr 15 und vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40). Somit genügen die vom Beklagten gegebenen Hinweise im Schreiben vom 19. März 2007 den dargestellten Anforderungen.
Es ist auch ohne Belang, dass in diesem Schreiben die Klägerin lediglich auf die beklagtenseitig für angemessen erachtete Bruttowarmmiete hingewiesen worden ist, ohne dass zwischen Nettokaltmiete, „kalten" Nebenkosten und Heizkosten differenziert worden ist (BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 33 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; das durch das Teilanerkenntnis bedingte teilweise, aber geringfügige Obsiegen der Klägerin rechtfertigt es nicht, den Beklagten auch nur zum Teil mit ihren außergerichtlichen Kosten zu belasten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.