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Beschwerde; wohnungsaufsichtsrechtliche Anordnung; Wiederherstellung der Versorgung mit Wasser und Heizenergie; bauliche Missstände; Beeinträchtigung des Gebrauchs zu Wohnzwecken; Versorgungssperre; Wohnungseigentümergemeinschaft; zivilrechtliche Zulässigkeit; Verfügungsberechtigter; Zustandsstörer; Miteigentümer; Verwalter; Inhalts- und Schrankenbestimmung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 25.02.2013
Aktenzeichen OVG 2 S 29.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 2 WoAufG BE, § 3 WoAufG BE, § 21 Abs 1 WoEigG, § 27 WoEigG, § 273 Abs 1 BGB, Art 14 Abs 1 S 2 GG

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 250 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist nicht aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen, auf der Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, zu beanstanden.

a) Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Antragstellers gegen den Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Anordnungen des Bezirksamts Pankow, mit welchen dem Antragsteller aufgegeben wurde, die Versorgung des Vorderhauses Wohnungseigentumsanlage mit Wasser und Heizenergie wieder zuzulassen, sei § 3 Abs. 1 Satz 1 WoAufG Bln. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass mit der tatbestandlichen Anknüpfung an „unterbliebene Arbeiten“ die Bestimmung nicht auf die Beseitigung von Mängeln beschränkt sei, die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse hervorgerufen würden. Sie erfasse vielmehr, wie die beispielhafte Aufzählung ersatzlos entfernter Heizungen in § 3 Abs. 2 Nr. 3 WoAufG Bln belege, auch die Beseitigung von Mängeln, die eine andere Ursache hätten, beispielsweise auf die unerlaubte Handlung eines Dritten oder eines Bewohners des Hauses zurückzuführen seien. Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnungen im Vorderhaus sei durch die getroffenen Maßnahmen nicht nur unerheblich beeinträchtigt im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 WoAufG, denn mit der Absperrung des Heizungsverteilers und der Abklemmung der Heizungspumpe im Hausanschlussraum sei die ordnungsgemäße Benutzung der betroffenen Wohnungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 WoAufG Bln nicht mehr gewährleistet und durch den Einsatz von Blindklappen in den Zirkulationsleitungen der Warm- und Kaltwasserstränge werde bewirkt, dass sich die sanitären Einrichtungen in den Wohnungen nicht mehr im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 4 WoAufG ordnungsgemäß benutzen ließen.

Soweit der Antragsteller rügt, an den betreffenden Wohnungen seien keine Arbeiten unterblieben oder unzureichend ausgeführt worden, die zur Erhaltung des für den Gebrauch zu Wohnzwecken geeigneten Zustandes notwendig gewesen seien, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, das im Wege der systematischen und historischen Auslegung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 WoAufG Bln nicht nur bei Mängeln an Wohnungen anwendbar ist, die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse hervorgerufen werden, sondern auch bei solchen baulichen Mängeln, die auf Handlungen in Umsetzung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft beruhen. Der Hinweis des Antragstellers darauf, dass Sinn und Zweck der Norm sei, unzureichende bauliche Zustände von Anlagen und Wohnungen zu beseitigen, verfängt schon deshalb nicht, weil nicht erkennbar ist, dass das Verwaltungsgericht von einer anderen Zielrichtung der Norm ausgegangen ist. Es hat vielmehr angenommen, dass mit der Absperrung der Heizungsanlage und der Unterbrechung der Wasserleitungen im Hausanschlussraum ein baulicher Mangel an den betroffenen Wohnungen herbeigeführt worden ist, der deren Gebrauch zu Wohnzwecken nicht unerheblich beeinträchtigt. Damit ist es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass § 3 Abs. 1 WoAufG Bln dem Ziel der baulichen Wiederherstellung (Instandsetzung) der vollen Gebrauchstauglichkeit des Wohnraums dient und deshalb nur bestimmte bauliche Missstände zum Eingreifen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz berechtigen (vgl. Urteil vom 10. September 2008 - OVG 2 B 17.07 -, juris Rn. 16, 18). Weil das Verwaltungsgericht derartige baulichen Missstände an den betroffenen Wohnungen infolge der im Hausanschlussraum vorgenommenen Eingriffe in die Versorgungsanlagen für Heizenergie und Wasser bejaht hat, geht auch der Einwand des Antragstellers fehl, § 3 Abs. 1 WoAufG Bln diene nicht dazu, die Versorgung mit Versorgungsgütern wie Wasser, Elektro- und Heizungsenergie sicherzustellen. Denn eine von einem Versorgungsunternehmen angedrohte Liefersperre bei voller Funktionstüchtigkeit der baulichen Versorgungseinrichtungen, die nicht dem Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 WoAufG Bln unterfällt (vgl. Urteil des Senats vom 10. September 2008, a.a.O.), liegt in der vorliegenden Konstellation gerade nicht vor.

b) Der Hinweis des Antragstellers darauf, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 14. Dezember 2011 aufgrund des Wohnungseigentumsgesetzes rechtmäßig zustande gekommen und der Mieter einer Eigentumswohnung zivilrechtlich verpflichtet sei, eine von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Versorgungssperre zu dulden, führt ebenfalls nicht zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Offen bleiben kann, ob die öffentlich-rechtliche Instandhaltungspflicht nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz sich auch dann durchsetzt, wenn von einer zivilrechtlich zulässigen Versorgungssperre auszugehen ist. Darauf kommt es im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht an, denn der vom Antragsteller geltend gemachte Wertungswiderspruch zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht würde voraussetzen, dass die durch die Eigentümergemeinschaft beschlossene Versorgungssperre nach den insoweit bestehenden zivilrechtlichen Vorgaben zulässig gewesen ist. Dass dies der Fall ist, legt die Beschwerdebegründung allerdings nicht dar.

Zwar kann nach gefestigter zivilrechtlicher Rechtsprechung die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung der von ihm aufgrund des Wirtschaftsplans geschuldeten Beiträge (Wohngeld) in Verzug ist, auf der Grundlage von § 273 Abs. 1 BGB eine so genannte Versorgungssperre beschließen mit dem Ziel, die Belieferung der Eigentumswohnung mit Wasser, Gas- oder Heizwärme bzw. die Stromversorgung zu unterbrechen, wobei diese Möglichkeit unabhängig davon ist, ob die betroffene Wohnung vom Eigentümer genutzt oder vermietet wird und der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Vermieter vollständig nachgekommen ist (vgl. mit Nachweisen zu Rechtsprechung: Suilmann, Versorgungssperren gegen den Mieter von Wohnungseigentum, ZWE 2012, S. 111). Eine Sperrung von Versorgungsleistungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft löst außerdem keine Besitzschutzansprüche des Mieters aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2009 - XII ZR 137/07 -, juris Rn. 24). Da eine Versorgungssperre die Bewohnbarkeit der an die gemeinschaftliche Versorgung angeschlossenen Wohnungen gravierend beeinträchtigt, ist ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft, die Versorgung mit Heizenergie bzw. Wasser zu unterbinden, allerdings nur rechtmäßig, wenn das betroffene Mitglied der Eigentümergemeinschaft mit seinen gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Pflichten erheblich im Rückstand ist, wovon bei einem Rückstand von mehr als sechs Monatsbeträgen des Hausgeldes auszugehen ist. Außerdem muss dem Vollzug der Sperre eine Androhung vorausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2005 - V ZR 235/04 -, juris Rn. 11). Dass gemessen an diesen Vorgaben der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 14. Dezember 2011 - dessen Protokoll weder in der Beschwerdebegründung noch an andere Stelle des Verfahrens vorgelegt wurde - rechtmäßig ist, wird in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

c) Die Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller sei als Wohnungseigentümer „Verfügungsberechtigter“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 WoAufG Bln, ergeben nicht, dass dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hätte stattgegeben werden müssen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Ursache des wohnungsaufsichtsrechtlichen Missstandes in einem Bereich liege, der im (Mit-)Eigentum des Antragstellers stehe. Dass die Anordnung nicht zugleich gegenüber den weiteren Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft ergangen sei, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung unerheblich. Der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums nicht der gemeinschaftlichen Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 1 WEG unterliege, weil gemäß § 27 WEG ein Verwalter bestimmt und bestellt sei, geht fehl. Es ist allgemein anerkannt, dass bei Gefahren, die vom Gemeinschaftseigentum ausgehen, jeder einzelne (Mit-)Eigentümer als Zustandsstörer verantwortlich ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 30. August 1990 - 2 S 13.90 -, NJW-RR 1991, S. 597, 598; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. April 2011 - 4 LB 4.10 -, juris Rn. 68; Lehmann-Richter, Öffentlich-rechtliche Verantwortung für den Zustand des Gemeinschafts- und Sondereigentums unter besonderer Berücksichtigung des Verwalters, ZWE 2012, S. 105, 110). Hiervon zu trennen ist die Frage, ob daneben auch der Verwalter aufgrund der ihm nach § 27 WEG eingeräumten Befugnisse als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden kann (vgl. zum Meinungsstreit: Lehmann-Richter, a.a.O., S. 108). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es darum geht, wer als Verfügungsberechtigter im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 WoAufG Bln in Anspruch genommen werden kann. Denn Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, der nach bürgerlichem Recht zur Verfügung über den Wohnraum einschließlich Instandsetzung, Verbesserung und Abbruch berechtigt ist (vgl. Abgh.-Drs. 6/475, S. 5). Die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich. Hieran ändert auch die Bestellung eines Verwalters gemäß § 26 WEG nichts. Auch bei Bestellung eines Verwalters bleibt in erster Linie (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG) die Gemeinschaft für die Instandhaltung und Instandsetzung zuständig (vgl. Bärmann/Pick, WEG, § 21 Rn. 44).

Soweit der Antragsteller in seinen ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz vom 8. Juni 2012 darauf hinweist, dass er weder Verursacher noch Mitverursacher der angeblichen Gefahr und auch nicht in der Lage sei, die Versorgungssperre aufzuheben, übersieht er, dass er nicht als Handlungsstörer, sondern als Verfügungsberechtigter in Anspruch genommen wird und es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob er die Gefahr verursacht hat. Weshalb er - ggf. unter Beauftragung einer Fachfirma - nicht in der Lage sein sollte, die baulichen Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beheben, legt er nicht dar.

d) Nicht nachvollziehbar ist die Rüge des Antragstellers, das Verwaltungsgericht verkenne die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wenn es meine, dass die Versorgung der betroffenen Wohnungen mit Wasser und Heizenergie lediglich einen Gebrauch im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG darstellten. Da die angefochtene Entscheidung keine Ausführungen zu Art. 14 GG enthält, erschließt sich nicht, welche Argumentation des Verwaltungsgerichts der Antragsteller für unzutreffend hält. Soweit er geltend macht, die streitgegenständlichen Anordnungen und deren Vollziehung griffen in rechtswidriger Weise und entschädigungslos in sein Privateigentum ein, übersieht er, dass es sich bei den fraglichen Regelungen des Wohnungsaufsichtsgesetzes um nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen handelt, die die umfassende Gebrauchs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers beschränken und eine dem Eigentum anhaftende Sozialpflichtigkeit konkretisieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 1984 - 8 14.84 -, juris Rn. 4).

e) Soweit sich der Antragsteller gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, der Antragsgegner habe unwidersprochen vorgetragen, es seien im Zeitpunkt der behördlichen Anordnung vom 18. Januar 2012 bereits vier der im Vorderhaus befindlichen Wohnungen bezogen gewesen, und darauf hinweist, dass er im gerichtlichen Verfahren vorgetragen habe, es sei lediglich eine Wohnung bewohnt gewesen, ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht aus diesem Grund dem vorläufigen Rechtsschutzantrag hätte stattgeben müssen. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass eine Unterbrechung der Versorgungsleitungen für Wasser und Heizenergie - bei einer bewohnten Wohnung - einen derartig schweren Mangel darstelle, dass mit der Beseitigung des Missstandes nicht bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens zugewartet werden könne. Diese Würdigung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach dem Vorbringen des Antragstellers im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung vom 18. Januar 2012 nur eine Wohnung im Vorderhaus bewohnt war.

f) Mit der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen (S. 5 des Schriftsatzes vom 12. April 2012) genügt die Beschwerdebegründung nicht dem Darlegungserfordernis (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), denn die vor der gerichtlichen Entscheidung verfassten Schriftsätze können nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts beinhalten. Soweit der Antragsteller mit am 11. Juni 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz über die darin ebenfalls enthaltenen und bereits oben gewürdigten zulässigen Ergänzungen hinausgehend erstmalig zu der vom Verwaltungsgericht für fehlerfrei gehaltenen Ermessensentscheidung vorträgt, ist dieses Vorbringen wegen Ablaufs der Begründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht zu berücksichtigen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat der nicht angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts folgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).