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Schulrecht


Metadaten

Gericht VG Potsdam 12. Kammer Entscheidungsdatum 29.08.2011
Aktenzeichen VG 12 L 467/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 104 Abs 2 SchulG BB, § 104 Abs 4 SchulG BB, § 105 Abs 2 SchulG BB, § 14 SchulG BB, § 15 SchulG BB, § 80a Abs 1 VwGO, § 80a Abs 3 VwGO, § 80 Abs 1 S 1 VwGO

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die unter dem Aktenzeichen VG 12 K 1440/11 anhängige Klage der Antragstellerin gegen die Genehmigung der Ein- richtung des Bildungsgangs „Sozialpädagogik“ im Rahmen der Fach- schule für Sozialwesen am Oberstufenzentrum ….. aufschiebende Wirkung hat.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die weitere Vollziehung der Genehmigung zu unterbinden.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin vom 11. August 2011,

1.festzustellen, dass die am 22.07.2011 eingereichte Klage - VG 12 K 1440/11 - gegen die Genehmigung des Kreistagsbeschlusses des Landkreises Ostprignitz-Ruppin vom 30.06.2011 zur Errichtung des Bildungsgangs „Sozialpädagogik“ am Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin aufschiebende Wirkung hat,
2.anzuordnen, dass die bereits erfolgte faktische Vollziehung der Genehmigung durch den Antragsgegner rückgängig gemacht werde,
3.sowie hilfsweise dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig den Schulbetrieb am Oberstufenzentrum Neuruppin im Fachschulbildungsgang Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik, zu untersagen und diesen vorläufig zu verpflichten, den Unterricht in dieser Fachrichtung einzustellen und zu unterbinden, bis über die Klage der Antragstellerin in der Hauptsache (VG 12 K 1440/11) rechtskräftig entschieden worden ist,

hat hinsichtlich der Hauptanträge zu 1. und 2. Erfolg.

I. Der Antrag zu 1. auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist in entsprechender Anwendung von § 80 a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2003, 324; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage, Rdnr. 1085 m. w. N.).

Die Antragstellerin ist als Drittbetroffene durch die angegriffene Genehmigungsentscheidung des Antragsgegners auch antragsbefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 42 Rdnr. 66 m. w. N.). Für die Zulässigkeit des Antrags muss dahinstehen, ob die Antragstellerin durch die angegriffene Entscheidung tatsächlich in ihren Rechten verletzt ist (s. dazu Beschluss der Kammer vom 29. Juli 2004 - 12 L 631/04 -, zitiert nach juris), da eine Verletzung ihrer Rechtsstellung aus Artikel 7 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) und aus Artikel 12 sowie 14 GG jedenfalls möglich erscheint.

Im Gegensatz zur Ansicht des Antragsgegners besteht für den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ein rechtlich geschütztes Interesse. Dieses könnte zwar entfallen, wenn die Erweiterung des Schulangebots am Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin, gegen die sich die Antragstellerin im Kern wendet, gar keiner Genehmigung bedürfte. Das Brandenburgische Schulgesetz sieht aber für die vorgenommene Erweiterung eine solche Genehmigung ausdrücklich vor. Gemäß § 104 Abs. 2 BbgSchulG bedarf der Beschluss des Schulträgers zur Errichtung einer Schule der Genehmigung des für Schule zuständigen Ministeriums. Dieses Genehmigungserfordernis gilt gemäß § 104 Abs. 4 BbgSchulG entsprechend für die Einrichtung eines Bildungsgangs an einem Oberstufenzentrum. Ein solches Erfordernis für eine Änderung der angebotenen Bildungsgänge folgt im Übrigen auch aus § 105 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 3 BbgSchulG. Bildungsgänge in der Sekundarstufe II sind u. a. gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 6 BbgSchulG die Bildungsgänge der Fachschule zum Erwerb von Berufsabschlüssen der beruflichen Weiterbildung nach Landesrecht, die, wie hier, an einer Fachschule als Bestandteil des Oberstufenzentrums (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 d BbgSchulG) angeboten werden. Nach § 2 der Fachschulverordnung für Sozialwesen vom 24. April 2003 in der Fassung vom 19. Juli 2011 (GVBl. II 03, 219 und GVBl. II/11 Nr. 40) gliedern sich die Bildungsgänge der Fachschule für Sozialwesen im Oberstufenzentrum u. a. in die Fachrichtungen Sozialpädagogik und Heilerziehungspflege. Aus dieser Norm wird im Gegensatz zur Auffassung des Antragsgegners deutlich, dass beide Fachrichtungen eigenständige Bildungsgänge sind. Dies wird durch § 4 des Brandenburgischen Sozialberufegesetzes vom 3. Dezember 2008, GVBl. I, 278) bestätigt, wonach derjenige auf Antrag eine staatliche Anerkennung erhält, der an einer Fachschule für Sozialwesen eine dreijährige Ausbildung „im Bildungsgang der Fachrichtung Heilerziehungspflege“ oder „im Bildungsgang der Fachrichtung Sozialpädagogik“ erfolgreich abgeschlossen hat.

Der Antrag ist auch begründet. Die unter dem Aktenzeichen VG 12 K 1440/11 erhobene Klage gegen die Genehmigung der Einrichtung des Bildungsgangs Sozialpädagogik am Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin entfaltet gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung. Gegenstand des Verfahrens ist hier ein Verwaltungsakt, nämlich die Genehmigung der Einrichtung eines weiteren Bildungsganges an einer öffentlichen Schule, deren Träger der Beigeladene ist. Diese Genehmigung ist mit dem in der Hauptsache angefochtenen, an die Schulleiterin des Oberstufenzentrums Ostprignitz-Ruppin gerichteten Bescheid vom 6. Juli 2011 erfolgt.

Diese Genehmigung stellt einen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg dar. Insbesondere handelt es sich hier um eine Entscheidung des Antragsgegners zur Regelung eines Einzelfalls. Der Kreistag des Landkreises Ostprignitz-Ruppin hat am 30. Juni 2011 „die Einrichtung der Fachrichtung Sozialpädagogik an der Fachschule Sozialwesen gemäß §§ 15 Abs. 3 Nr. 6, 100 Abs. 3 Brandenburgisches Schulgesetz am Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin zum Schuljahr 2011/2012“ beschlossen. Der Antragsgegner war durch Schreiben des Landrates des Landkreises vom 1. Juli 2011 sowie der Leiterin des Oberstufenzentrums vom selben Tag ersucht worden, diese Einrichtung zu genehmigen. Eine solche - ausdrücklich auch so bezeichnete - Genehmigung ist daraufhin mit dem an die Schulleiterin des Oberstufenzentrums und nachrichtlich an den Landkreis Ostprignitz-Ruppin gerichteten Schreiben vom 6. Juli 2011 erfolgt. Der Antragsgegner hat in seiner Zuständigkeit als oberste Schulaufsichtsbehörde gemäß §§ 129 ff., 131 Abs. 1 i. V. m. §§ 104, 105 BbgSchulG seine Zustimmung zur Einrichtung des Bildungsgangs erteilt und damit eine auf unmittelbare Rechtswirkung gerichtete verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage, § 35 Rdnr. 88, 89) getroffen. Ohne Belang für die Verwaltungsaktqualität der Regelung ist die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage, ob die Genehmigung behördenintern von der richtigen Stelle verfügt worden ist. Denn sie ist aufgrund des „richtigen“ Briefkopfes und der sonstigen äußeren Gestaltung jedenfalls als Erklärung des Antragsgegners aufzufassen.

Diese Regelung war im Gegensatz zur Ansicht des Antragsgegners auch auf Außenwirkung gerichtet. Es handelt sich um keine Maßnahme im behördlichen Innenbereich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Regelung der Schulleiterin des Oberstufenzentrums und damit einer Stelle außerhalb der (Ministerial-)Verwaltung zugänglich gemacht worden ist. Darüber hinaus ist die Entscheidung dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin – wenn auch nachrichtlich – übersandt worden.

Durch die Bekanntgabe jedenfalls gegenüber der Schulleiterin des Oberstufenzentrums hat der Verwaltungsakt auch rechtliche Existenz erlangt (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, a. a. O. § 43 Rdnr. 4). Ohne Belang ist dabei, dass die Genehmigungsverfügung an die Schulleiterin des Oberstufenzentrums und nicht an den nach §§ 104, 105 BbgSchulG zuständigen Adressaten der Genehmigung gerichtet war. Er ist dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin jedenfalls willentlich nachrichtlich übermittelt und damit auch bekanntgegeben worden. Im Übrigen handelt die primäre Adressatin der Verfügung als Leiterin des Oberstufenzentrums, einer nicht rechtsfähigen öffentlichen Anstalt des Landkreises (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BbgSchulG), auch für den Schulträger (§ 70 Abs. 4 BbgSchulG), d. h. für den Beigeladenen.

II. Auch der Antrag zu 2. ist statthaft. Für die Tenorierung der Anordnung hat die Kammer dabei den Antrag zu 2. nach seinem Sinn und Zweck ausgelegt.

In entsprechender Anwendung von § 80 a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative VwGO kann ein betroffener Dritter eine Verpflichtung der Behörde zu Sicherungsmaßnahmen erreichen, wenn der Begünstigte des Verwaltungsakts trotz gesetzlichen Eintritts der aufschiebenden Wirkung der Klage den Verwaltungsakt – faktisch – vollzieht (Kopp/Schenke, a. a. O. § 80 a Rdnr. 17 a). Ein rechtlich geschütztes Interesse an einer solchen Anordnung besteht hier deswegen, weil der Landkreis Ostprignitz-Ruppin als Schulträger den Bildungsgang Sozialpädagogik an dem Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin zum Schuljahresbeginn 2011/2012 tatsächlich eingerichtet hat und dort Schülerinnen und Schüler in diesem Ausbildungsgang unterrichtet werden. Wie oben ausgeführt ist die angefochtene Genehmigung des Antragsgegners rechtliche Voraussetzung für die Einrichtung des Bildungsgangs. Die Wirksamkeit dieser Genehmigung ist aber derzeit durch die Klageerhebung entfallen.

Der Antrag ist auch begründet. In der Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eines Dritten durch einen vollziehenden Begünstigten liegt ein rechtswidriges Verhalten, welches ohne Weiteres eine auf Aufhebung und Einstellung des Vollzugs gerichtete gerichtliche Anordnung rechtfertigt (VGH Kassel, Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 8 TG 2177/2 –, NVwZ-RR 2003, 345). Eine Interessenabwägung vor Erlass der Anordnung findet angesichts dieser feststehenden Rechtswidrigkeit nicht statt (VGH Kassel a. a. O.; Kopp/Schenke, a. a. O. § 80 a Rdnr. 17 a; Külpmann, a. a. O. Rdnr. 1087). Damit muss für dieses Verfahren unbeachtet bleiben, ob die Genehmigung im Ergebnis rechtmäßig erteilt wurde (vgl. dazu den Beschluss der Kammer vom 29. Juli 2004 – 12 L 631/04 –, zitiert nach juris) und welche Auswirkungen diese Entscheidung auf mittelbar Betroffene, wie die in den Bildungsgang am Oberstufenzentrum aufgenommenen Schüler, hat. Eine solche Interessenabwägung kann nur Gegenstand eines Verfahrens nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO sein.

Der Antragsgegner ist also verpflichtet, im Rahmen seiner Zuständigkeit als oberste Schulaufsichtsbehörde gegenüber dem Beigeladenen als Schulträger auf eine (vorläufige) Einstellung des Bildungsgangs Sozialpädagogik hinzuwirken, da der Unterricht derzeit ohne eine wirksame Genehmigung erfolgt.

III. Wegen des Erfolgs der Anträge zu 1. und 2. entfällt eine Entscheidung über den Hilfsantrag zu 3. Vorsorglich weist die Kammer aber darauf hin, dass dieser Antrag seinem Wortlaut nach den falschen Adressaten betreffen dürfte, da der Antragsgegner den Bildungsgang Sozialpädagogik an dem Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin nicht „betreibt“.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels entsprechender Anträge war der Beigeladene nicht an den Kosten zu beteiligen (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer die Anträge zu 1. und 2. wegen der Vorläufigkeit der beantragten Regelung mit jeweils 2.500 € bewertet hat.