I.
Der Betroffene wurde am 20. Juni 2009 gegen 07.10 Uhr auf der Rastanlage … (im Bezirk des Amtsgerichts Fürstenwalde) von Beamten der Antragstellerin aufgegriffen. Er konnte keine Papiere vorweisen, die ihn zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigten. Zuvor hatte er am 17. Juni 2009 in Lublin (Polen) einen Asylantrag gestellt. Der Betroffene wurde nach Frankfurt/Oder verbracht und dort dem Amtsgericht vorgeführt. Auf Antrag der Antragstellerin vom gleichen Tage bestätigte das Amtsgericht Frankfurt/Oder daraufhin am 20. Juni 2009 die polizeiliche Freiheitsentziehung bis zum Folgetag um 24.00 Uhr. Dieser Beschluss entbehrt jeglicher Begründung. Am 21. Juni 2009 wurde der Betroffene nach Fürstenwalde verbracht und dort vom Amtsgericht angehört. Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht Fürstenwalde sodann die Zurückschiebungshaft für die Dauer von zwei Wochen angeordnet, den Vollzug der Haft aber von einer einzuholenden Bescheinigung der Hafttauglichkeit abhängig gemacht.
Nachdem am 23. Juni 2009 festgestellt worden war, dass der Betroffene nicht haftfähig war, wurde er aus der Haft entlassen und wohnte zunächst im Wohnheim. Am 07. Juli 2009 wurde der Betroffene nach Polen zurückgeschoben.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder hat der Betroffene mit Schriftsatz vom 01. Juli 2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat beantragt,
festzustellen, dass die Freiheitsentziehung bis zur Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 21. Juni 2009 - Az.: 23 XIV 36/09 - rechtswidrig war.
Er hat sein Rechtsmittel - zusammengefasst - wie folgt begründet: Der angefochtene Beschluss enthalte weder die Darlegung des Tatbestands, noch seien die Rechtsgrundlagen für die Inhaftierung erwähnt. Die Praxis der Antragstellerin, Spontanfestnahmen durch das Amtsgericht bestätigen zu lassen, sei unzulässig. Wenn die Zeit ausgereicht habe, einen Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder zu beantragen, so hätte auch eine Antragstellung bei dem zuständigen Amtsgericht Fürstenwalde erfolgen können und müssen.
Die Antragsstellerin hat beantragt,
den Antrag des Betroffenen zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Freiheitsentziehung sei durch § 39 Abs. 1 Nr. 3 des BPolG gedeckt gewesen, weil sie die Fortsetzung des gemäß § 95 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG strafbaren unerlaubten Aufenthalts des Betroffenen im Bundesgebiet unterbunden habe. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt/Oder folge daraus, dass der Betroffene - nach Verbringung dorthin - im Gerichtsbezirk festgehalten worden sei.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die gemäß §§ 40 Abs. 2 S. 2, 39 Abs. 1 BPolG, 7 FEVG statthafte sofortige Beschwerde sei rechtzeitig eingelegt worden; der Betroffene verfolge in zulässiger Weise (BVerfG NJW 2002, 3161) das Begehren, nach der Erledigung der Hauptsache infolge Zeitablaufs die Rechtswidrigkeit der erlittenen Freiheitsentziehung festzustellen. Die Voraussetzungen des Unterbindungsgewahrsams (§ 39 BPolG) seien erfüllt, weil die Ingewahrsamnahme der Verhinderung der Fortsetzung des strafbaren unerlaubten Aufenthalts gedient habe. Die Antragstellerin habe sich auch unverzüglich an das zuständige Amtsgericht Frankfurt/Oder gewandt.
Gegen diesen seinem Verfahrensbevollmächtigten am 22. Januar 2010 zugestellten Beschluss hat der Betroffene durch Schriftsatz, beim Landgericht Frankfurt/Oder eingegangen am 05. Februar 2010, das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde eingelegt. Er verweist darauf, dass es im Rahmen der Prüfung nicht nur auf die materielle Berechtigung der Ingewahrsamnahme ankomme, sondern auch auf die Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten, zu denen auch die Zuständigkeit des Gerichts gehöre. Maßgeblich sei insofern der Aufgriffs- ort im Bezirk des Amtsgerichts Fürstenwalde. Der Zuständigkeitsmangel habe schon nicht im Zuge des Beschwerdeverfahrens geheilt werden können, weil eine Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht stattgefunden habe. Gleiches gelte für den weiteren Verfahrensmangel der fehlenden Beschlussbegründung. § 39 BPolG stelle ohnehin eine Rechtsgrundlage für die Haft nicht dar; jedenfalls sei ab dem Erlass des Richtlinienumsetzungsgesetzes allein auf die Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG abzustellen.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Auf Antrag des Betroffenen ist festzustellen, dass die vom Amtsgericht Frankfurt/Oder angeordnete Inhaftierung bis zur Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde rechtswidrig war.
1.
Im Gegensatz zu der vom Landgericht geteilten Rechtsauffassung der Antragstellerin konnte die Haftanordnung des Amtsgerichts Frankfurt/Oder nicht auf die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt werden.
a. Die vorerwähnte Vorschrift ist nach der Neufassung des § 62 Abs. 4 AufenthG in Fällen, in denen die zuständige Behörde die Zurückschiebung des Ausländers betreibt, nicht anwendbar. Durch Gesetz vom 19. August 2007, in Kraft getreten am 28. August 2007, ist das Aufenthaltsgesetz im § 62 Abs. 4 erweitert worden. Der zuständigen Behörde wurde die Befugnis zur Ingewahrsamnahme unter der Voraussetzung erteilt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Vorliegen der Haftvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 1 AufenthG auszugehen ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drs 16/5065 S. 188 f.) sollte die durch die Behörde veranlasste Haft dadurch mit dem Ziel der Maßnahme, der Anordnung der Sicherungshaft, verknüpft werden. Als spezielleres Gesetz geht die Vorschrift derjenigen des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BPolG in Verbindung mit § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Denn bereits der bloße Aufenthalt ohne Papiere ist nach §§ 3 Abs. 1, 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar; wollte man in allen Fällen des unerlaubten Aufenthalts eine Festnahmebefugnis aus § 39 BPolG herleiten, so würden die weiteren (einschränkenden) Haftvoraussetzungen des § 62 Abs. 2 S. 1 AufenthG insoweit leerlaufen (zweifelnd an der Zulässigkeit der Inhaftierung auf Grund allgemeinen Polizeirecht in Verbindung mit § 95 AufenthG auch BVerfG 2 BvR 2520/07, iuris-RN 15). Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen beziehen sich auf den Rechtszustand vor der Einfügung des § 62 Abs. 4 AufenthG und sind demgemäß überholt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass hinreichende Feststellungen zur Unerlässlichkeit der Ingewahrsamnahme im Sinne des § 62 Abs. 4 AufenthG nicht getroffen worden sind. Die Ausführungen des Landgerichts in diesem Zusammenhang beschränken sich auf die Darstellung des Strafbarkeit des unerlaubten Aufenthalts. Ob andere Maßnahmen als die Ingewahrsamnahme zur Abwendung der (vermeintlichen) weiteren Begehung der Straftat überhaupt in Betracht gezogen worden sind, lässt der angefochtene Beschluss nicht erkennen.
b. Ob die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme des Betroffenen gemäß § 39 BPolG - dessen Anwendbarkeit unterstellt - überhaupt vorgelegen haben, ist zudem zweifelhaft, wenn nicht fern liegend. Der unerlaubte Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet wird nicht dadurch erlaubt, dass die Bundespolizei den Ausländer inhaftiert; von daher wäre die Maßnahme von vornherein ungeeignet zur Unterbindung der weiteren Begehung der Straftat nach § 95 AufenthG. Es sind im Gegenteil vielmehr Fälle denkbar, in denen die Inhaftierung die Beendigung der Straftat, etwa durch freiwillige Ausreise, gerade verhindert.
c. Im Übrigen ist durch den Akteninhalt belegt, dass es der Antragstellerin auf die Unterbindung der Straftat „unerlaubter Aufenthalt“ auch gar nicht ankam. Schon in dem Antrag vom 20. Juni 2009 führt die Antragstellerin (S. 2, 6. und 7. Abs.) aus, dass die Vorführung des Betroffenen beim Amtsgericht Fürstenwalde
zur Sicherung der Zurückschiebung
aus Zeitgründen als nicht möglich eingeschätzt und
deshalb
die Bestätigung des Unterbindungsgewahrsams beantragt werde.
2.
Darauf, ob am 20. Juni 2009 die Voraussetzungen der Haft nach § 62 Abs. 4 AufenthG vorgelegen haben und ob - auf einen Antrag bei dem zuständigen Gericht - diese nachträglich gemäß § 13 Abs. 2 FEVG hätte genehmigt werden können, kommt es nicht mehr an. Die Rechtsbeschwerde verweist zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2042/05), nach der eine nachträgliche Überprüfung des Sachverhalts auf hypothetische Haftgründe nicht zulässig ist. Die Behörde ist vielmehr gehalten, die ihr zustehenden Rechte wahrzunehmen und das entsprechende Verfahren einzuhalten (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 30. Juni 2008, 6 W 23/08 unter Bezugnahme auf die vorerwähnte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung).
3.
Auf die weiteren durch die Verfahrensweise der Antragstellerin aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsbegründung des Amtsgerichts Frankfurt/Oder und mit dem Fehlen jeglicher Beschlussbegründung (vgl. in diesem Zusammenhang Beschluss des BVerfG vom 01. April 2008; 2 BvR 1925/04) kommt es nicht mehr an.
III.
Die Auslagenentscheidung folgt aus § 16 Abs. 1 FEVG.