Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat | Entscheidungsdatum | 26.09.2012 | |
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Aktenzeichen | L 18 AL 55/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 131 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 3, § 132 SGB 3 |
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der 1965 geborene Kläger ist Vater von drei 1992, 1994 und 1998 geborenen Kindern. Er war mit Befristung zum 31. Dezember 2007 ab 2. Januar 2007 als Arbeits- und Personalvermittler bei der E.C H GmbH (E) beschäftigt. Nach dem er zunächst mit Schreiben der E vom 2. Juni 2007 widerruflich freigestellt worden war, wurde das Arbeitsverhältnis mit fristloser Kündigung vom 1. Oktober 2007 am 4. Oktober 2007 beendet (vgl. Arbeitsbescheinigung der E vom 12. März 2008). Vom 15. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 war der Kläger bei der A GmbH (A) befristet versicherungspflichtig mit 20 Wochenstunden und aufgrund einer unter dem 3. Januar 2008 geschlossenen und bis 30. Juni 2008 befristeten Vereinbarung ab dem 4. Januar 2008 mit 40 Wochenstunden beschäftigt. Der Kläger war ab 6. Januar 2008 aufgrund eines Herzinfarktes arbeitsunfähig und bezog von diesem Tag an – wie schon vom 28. August 2007 bis 31. August 2007 und vom 27. September 2007 bis 28. September 2007 – von der T K bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 28. Juni 2009 Krankengeld. Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 kündigte A dem Kläger zum 6. März 2008 unter Hinweis auf die vereinbarte Probezeit. Dieser meldete sich am 11. Juni 2009 bei der Beklagten mit Wirkung zum 29. Juni 2009 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab er für die Abrechnungszeiträume Januar 2007, Februar 2007, März 2007, April 2007, Juni 2007, Juli 2007 August 2007 und September 2007 ein Bruttoarbeitsentgelt von jeweils 1.000,- €, für Mai 2007 von 2.500,- € und für die Zeit vom 1. bis 4. Oktober 2007 von 133,33 € an. Ferner legte er Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 15. bis 31. Oktober 2007 (Bruttoarbeitsentgelt: 250,- €) sowie für November 2007 und Dezember 2007 (Bruttoarbeitsentgelt jeweils 500,- €) vor. Die vorgelegte Lohnsteuerkarte für 2009 wies die Lohnsteuerklasse 1 und einen Kinderfreibetrag von 0,5 aus. Als Geburtsdatum des jüngsten Kindes gab der Kläger 1992 an.
Mit zwei Bescheiden vom 6. August 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Alg mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen vom 29. Juni 2009 bis 28. Juni 2010 in Höhe von 13,97 € täglich (Bemessungsentgelt: 26,39 € täglich, Leistungsentgelt: 20,85 täglich, Prozentsatz: 67). Die vorläufige Bewilligung begründete sie mit dem Fehlen der Arbeitsbescheinigung von A. Den unter Hinweis auf die bei der Berechnung des Bemessungsentgelts unterlassene Berücksichtigung des ihm noch zustehenden Arbeitsentgelts für den 4. und 5. Januar 2008 sowie des für den Zeitraum 6. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 bewilligten Krankengelds erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 zurück. Eine abschließende Entscheidung sei aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht möglich gewesen. Die zur vorläufigen Existenzsicherung erforderliche Leistung sei im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens bewilligt worden.
Im Klageverfahren hat die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 31. März 2010 dem Kläger ab 1. Mai 2010 vorläufig Alg zum allgemeinen Leistungssatz (60 %) bewilligt. Sodann hat sie durch Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 dem Kläger abschließend Alg für 360 Tage unter Annahme eines Bemessungsentgelts von täglich 26,39 € und eines Leistungsentgelts von 20,85 € täglich für die Zeit vom 29. Juni 2009 bis 30. April 2010 iHv 13,97 € täglich und für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 28. Juni 2010 iHv 12,51 € täglich (Prozentsatz: 60) bewilligt. Der Kläger hat vorgetragen: Er habe Anspruch auf Leistungen aufgrund einer fiktiven Bemessung nach § 132 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III), weil kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden könne. Im „Berechnungszeitraum“ lägen nur 128 Tage und nicht – wie von der Beklagten angenommen – 204 Tage. Der Bemessungszeitraum beginne erst ab dem 29. Juni 2007 und ende mit dem 28. Juni 2009. Der Zeitraum vom 15. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 dürfe gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III nicht mit einbezogen werden, da hier seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aufgrund einer Teilzeitvereinbarung auf weniger als 80 % der durchschnittlichen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung gesunken sei. Er habe auch eine Beschäftigung mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten 3,5 Jahre vor Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden Zeitraums (2. Januar 2007 bis 4. Oktober 2007) ausgeübt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2012 verurteilt, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 6. August 2009 idF des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 idF des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2011 „fiktiv berechnete Leistungen nach § 132 SGB III zu gewähren“. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Kläger habe ab dem 29. September 2009 Anspruch auf Alg, denn er sei ab diesem Zeitpunkt arbeitslos gewesen, habe sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 117 ff. SGB III). Die Höhe des ihm zustehenden Alg bestimme sich nach den §§ 129 ff. SGB III in der zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns jeweils geltenden Fassung. Bei dem Kläger betrage das Alg gemäß § 129 Nr. 2 SGB III 67 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt). Das Leistungsentgelt berechne sich aus dem Bruttoentgelt, das der Versicherte im so genannten Bemessungszeitraum erzielt habe (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 SGB III umfasse der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 SGB III blieben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt habe, außer Betracht. Nach § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III werde der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalte. Nach § 132 Abs. 1 SGB III sei als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden könne. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass der Kläger im erweiterten Bemessungsrahmen mehr als 150 Tage gearbeitet habe. Der Krankengeldbezug des Klägers habe am 28. Juni 2009 geändert. Der erweiterte Bemessungsrahmen umfasse die Zeit vom 29. Juni 2007 bis zum 28. Juni 2009. In dieser Zeit habe der Kläger vom 29. Juni 2007 bis zum 4. Oktober 2007 bei der E (98 Tage) gearbeitet. In der Zeit vom 15. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 sei der Kläger bei der A versicherungspflichtig mit 20 Wochenstunden in Teilzeit beschäftigt gewesen. Diese Zeiten seien gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 SGB III nicht zu berücksichtigen. Der Kläger habe in dieser Zeit nicht nur vorübergehend weniger als 80 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung gearbeitet. Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal „nicht nur vorübergehend" solle ausgeschlossen werden, dass kurzfristige Anpassungen der Arbeitszeit mit vorläufigem Charakter eine ungerechtfertigte Begünstigung erfahren könnten. Eine weitergehende Bedeutung kommt dieser Einschränkung nicht zu. Die Festlegung der Beklagten, dass die Teilzeitbeschäftigung mindestens drei Monate betragen müsse, finde im Gesetz keine Stütze. Auch Sinn und Zweck der Regelung spreche nicht für eine starre Mindestfrist. Ausgangspunkt der Sonderregelung in § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III sei nämlich die Erkenntnis des Gesetzgebers, dass ein Arbeitsentgelt nach einer längeren Arbeitszeit für einen kürzeren Zeitraum als sechs Monate vor Entstehen des Anspruchs auf Alg nicht repräsentativ genug für den Lebensstandard sei, der durch die Lohnersatzleistung für die fehlende Beschäftigung ersetzt werden soll (Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22. Januar 2004 - L 8 AL 147/03 -). Dabei habe der Gesetzgeber keine Mindestfrist geregelt. Er habe lediglich die Bereitschaft vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer erhöhen wollen, ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Interesse der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Vereinbarung einer geringeren Wochenarbeitszeit zu vermindern (BT-Drucks 12/7565 S. 16). Die Teilzeitbeschäftigung vom 15. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2007 sei nicht nur vorübergehend im Sinne des Gesetzes gewesen sei, da der Kläger dadurch seine Arbeitslosigkeit vermieden habe und keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Aufnahme dieser Teilzeitbeschäftigung erkennbar seien. Der Kläger habe auch die übrigen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 4 SGB III erfüllt. Er habe innerhalb der 3,5 Jahre vor der Entstehung des Alg-Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen den Gerichtsbescheid und trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei die Zeit vom 15. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III zu berücksichtigen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 9. Dezember 2003 – B 7 AL 96/02 R - zur Vorgängervorschrift des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III klargestellt, dass die Regelung letztendlich die Reduzierung von Arbeitszeit innerhalb einer Beschäftigung meine. Beim Kläger liege jedoch keine Teilzeitvereinbarung innerhalb eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses mit einer Verringerung der Arbeitszeit bei demselben Arbeitgeber vor. Neuverträge mit einer reduzierten Arbeitszeit würden nicht vom Regelungszweck des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III erfasst. Diese Vorschrift erfasse im Übrigen nur Arbeitszeitverkürzungsvereinbarungen mit einer Dauer von mindestens drei Monaten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf weiteres Alg iHv 0,82 € täglich für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 28. Juni 2010 anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011, der die vorläufigen Bewilligungsbescheide vom 6. August 2009 (idF des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2009 ) und vom 31. März 2010 ersetzt hat und mithin, da die Klage nicht nur auf Bewilligung höherer vorläufiger Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R = BSGE 108, 86) gerichtet war, gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einzubeziehen ist (vgl. BSGE 108, 86, LSG Berlin–Brandenburg, Beschluss vom 24. Oktober 2011 - L 26 AS 660/11 B PKH - juris). Die Beteiligten haben auch ausdrücklich erklärt, dass nur (noch) der Bescheid vom 15. Februar 2011 Gegenstand des Verfahrens sein soll.
Dem Kläger steht für die Zeit vom 29. Juni 2009 bis 30. April 2010 kein höheres Alg als das von der Beklagten im angegriffenen Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 verlautbarte Alg in Höhe eines erhöhten täglichen Leistungssatzes von 13,97 € zu. Für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 28. Juni 2010 übersteigt sein Anspruch auf Alg nicht den sich aus der Summe des ihm im Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 zuerkannten täglichen Leistungssatz von 12,51 € und dem ihm in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 zugestandenen weiteren Alg iHv 0,82 € ergebenden täglichen Leistungssatz von 13,33 €.
Gemäß § 129 SGB III in der von 1. August 2001 bis 31. März 2012 geltenden Fassung beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne der dort genannten Vorschriften haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz), für die übrigen Arbeitslosen 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Gemäß § 130 Abs. 1 SGB III in der vom 1. Januar 2005 bis 31. März 20012 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassung des 3. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) - SGB III aF - umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Enthält der so ermittelte Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, so wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert. Der erweiterte Bemessungsrahmen beläuft sich vorliegend auf die Zeit vom 28. Juni 2009 bis 27. Juni 2007. Das Stammrecht der Versicherten auf Alg entstand am 29. Juni 2009 mit dessen Arbeitslosmeldung. Letzter Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses (vgl. § 26 Abs. 2 SGB III) vor diesem Zeitpunkt war der 28. Juni 2009. Da der Kläger in dem Jahr vor dem Ende des letzten Versicherungspflichtverhältnisses krankheitsbedingt keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt hatte, war der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern.
In den vom 28. Juni 2009 bis 27. Juni 2007 laufenden Bemessungsrahmen fallen die abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der Versicherten vom 1. Juli 2007 bis 4. Oktober 2007 und vom 15. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007, jedoch nicht – wie von der Beklagten berechnet - der Monat Juni 2007. Beginnt ein berücksichtigungsfähiger Gehaltsabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen hinein, so ist dieser Gehaltsabrechnungszeitraum nicht in den Bemessungszeitraum iS von § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2009 – B 11 AL 14/08 R = SozR 4-4300 § 130 Nr. 6). Entgegen der Auffassung des Klägers sind ferner weder die Zeit des Krankengeldbezugs noch der 4. und 5. Januar 2008 in den Bemessungszeitraum einzubeziehen. Die Sozialleistung Krankengeld ist kein Arbeitsentgelt iSd §§ 130 Abs. 1 Satz 1, 131 Abs. 1 und 2 SGB III aF bzw. § 14 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -. Der 4. und der 5. Januar 2008 sind weder iSv § 130Abs. 1 Satz 1 SGB II aF abgerechnet worden noch hat der Kläger in diesem Zeitraum Arbeitsentgelt iSd § 131 Abs. 1 SGB III aF erzielt. Denn das ihm zustehende Arbeitsentgelt für diese beiden Tage ist ihm weder zugeflossen noch steht fest, dass es ihm nur wegen Zahlungsunfähigkeit der A nicht zugeflossen ist (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF).
Entgegen der Auffassung des SG ist die Zeit vom 15. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 in den Bemessungszeitraum einzubeziehen. Es handelt sich dabei nicht um eine Zeit, die nach § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III aF außer Betracht zu bleiben hat. Nach dieser Vorschrift sind Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aufgrund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat, bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums außer acht zu lassen. Im Falle des Klägers fehlt es bereits an der Voraussetzung des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III aF, dass die wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung vermindert war. Auf einer derartigen, die Arbeitszeit reduzierenden Vereinbarung beruhte die Arbeitszeit von 20 Wochenstunden des Klägers während des angeführten Zeitraums nicht. Mit der nunmehr in § 150 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB III enthaltenen Regelung des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III aF - wie schon mit der Vorläufervorschrift des § 112 Abs. 4a Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz – AFG - (idF des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1994 vom 26. Juli 1994, BGBl I S. 1786; hierzu BT-Drucks 12/7565 S. 16) – soll die Bereitschaft vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gefördert werden, ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Interesse der Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Vereinbarung einer geringeren Wochenarbeitszeit zu vermindern. Die Verwendung des Begriffs „vermindert“ verdeutlicht nach ihrem Wortsinn, dass die Reduzierung von Arbeitszeit innerhalb einer bestehenden Beschäftigung (vgl. BSG SozR 4-4300 § 131 Nr. 1) und nicht allgemein die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung gemeint ist. Dementsprechend besteht auch im Schrifttum Einigkeit darüber, dass Neuverträge mit reduzierter Arbeitszeit nicht unter die Vorschrift fallen (vgl. Michalla-Munsche, in Beck´scher Online-Kommentar zum Sozialrecht, Stand: 31. März 2012, § 130 SGB aF Rn. 40; Coseriu/Jakob, in NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 130 Rn. 54; Behrend, in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: März 2010, § 130 Rn. 76; Valgolio, in Hauck/Noftz, SGB III, Lfg 5/11; § 130 Rn 56; Marschner, in GK-SGB III, Stand: März 2010, § 130 Rn. 3). Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, dass eine Verminderung der Arbeitszeit iSd Vorschrift auch dann vorliegen könne, wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer bei drohender Arbeitslosigkeit zu einem anderen Arbeitgeber wechsle (vgl. Coseriu/Jakob, aaO Rn. 40 mwN), lässt sich diese Auslegung nicht mehr mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbaren. Abgesehen davon käme eine derartige, ausschließlich am Schutzweck der Vorschrift orientierte Auslegung allenfalls für Fälle in Betracht, in denen der Wechsel von der Voll- in die Teilzeitbeschäftigung nahtlos erfolgt ist. Denn nur eine aktuell bestehende Arbeitszeit ist einer Veränderung iS einer Verminderung zugänglich (ebenso: Coseriu/Jakob, aaO Rn. 40). Im Falle des Klägers fehlt es jedoch an einer derartigen Nahtlosigkeit, denn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit E und der Aufnahme der Beschäftigung bei A lag ein Zeitraum von 10 Tagen.
Da bereits keine Verminderung der Arbeitszeit iSd der Vorschrift vorliegt, kann offen bleiben, ob das Tatbestandsmerkmal „nicht nur vorübergehend“ entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten eine mindestens dreimonatige Reduzierung der Arbeitszeit erfordert oder mit dem SG anzunehmen wäre, dass auch ein kürzerer Zeitraum insoweit ausreichen kann.
Nach alledem ergibt sich ein insgesamt 174 Tage umfassender Bemessungszeitraum, der die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 4. Oktober 2007 und vom 15. Oktober bis 31. Dezember 2007 umfasst. Eine Bemessung des Alg auf der Grundlage eines fiktiven Arbeitsentgelts kommt nicht in Betracht, weil nach § 132 SGB III aF hierfür Voraussetzung ist, dass - anders als hier - ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen nicht festgestellt werden kann.
Im hier maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielte die Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt von 4.383,33 €, woraus sich ein tägliches Bemessungsentgelt von 25,19 € nach § 131 Abs. 1 SGB III aF ergibt. Hieraus errechnet sich gemäß § 133 SGB III aF ein Leistungsentgelt von 19,90 € täglich (25,19 € abzüglich Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgelts 5,29 €, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag fallen nicht an). Aus dem Leistungsentgelt von 19,90 € folgt der allgemeine Leistungssatz von 11,94 € täglich bzw. der erhöhte Leistungssatz von 13,33 € täglich. Der erhöhte Leistungssatz von 13,33 € täglich liegt betragsmäßig niedriger als der von der Beklagten für die Zeit vom 29. Juni 2009 bis 30. April 2010 auf der Grundlage eines auch den Monat Juni 2007 umfassenden Bemessungszeitraums verlautbarte Betrag von 13,97 €, sodass der Kläger insoweit nicht beschwert ist. Nachdem die Beklagte für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 28. Juni 2010 einen Anspruch des Klägers auf weiteres Alg iHv täglich 0,82 € anerkannt hat und damit entsprechend der obigen Berechnung - unter Berücksichtigung des ihm bereits im Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 für diesen Zeitraum bewilligten Betrages in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 12,51 € ein (Gesamt-)Anspruch des Klägers auf Alg iHv täglich 13,33 € außer Streit gestellt worden ist, kommt auch eine Verurteilung der Beklagten zu Gewährung von höherem Alg für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 28. Juni 2010 nicht mehr in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat wegen der Geringfügigkeit des von der Beklagten im Termin zu mündlichen Verhandlung anerkannten Betrages nach billigem Ermessen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung, § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung) davon abgesehen, die Beklagte teilweise zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu verpflichten.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Nr. 2 und 3 SGG liegen nicht vor.