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(Keine) Umsatzsteuerfreiheit für Honorarleistungen im Besucherdienst des Deutschen Bundestages


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 19.01.2011
Aktenzeichen 7 K 7122/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 4 Nr 21 Buchst a UStG, § 4 Nr 21 Buchst b UStG, Art 13 Teil A Abs 1 Buchst i) bis j) EWGRL 388/77

Leitsatz

Keine Umsatzsteuerfreiheit einer Honorartätigkeit im Besucherdienst des Deutschen Bundestages weder infolge etwaiger unselbständiger Tätigkeit noch unionsrechtlich infolge Tätigkeit als selbständiger Privatlehrer

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 und 2002, um seine Honorare für seine Leistungen im Besucherdienst des Deutschen Bundestages als nicht steuerbar oder jedenfalls als nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b) des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahres 2001 und 2002 geltenden Fassung – UStG 2001/2002 – umsatzsteuerfrei aus der Bemessungsgrundlage seiner steuerpflichtigen Umsätze heraushalten zu können.

Der Kläger übte in den Streitjahren 2001 und 2002 neben seiner gewerblichen Tätigkeit als selbständiger Immobilienmakler als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis eine Dozententätigkeit im Rahmen des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag aus. Diesbezüglich gehörte es zu seinen Aufgaben, in Vorträgen und Führungen im Bereich der Liegenschaften des Deutschen Bundestages dessen Gäste insbesondere über die deutsche Parlamentsgeschichte, über Funktion, Struktur und Arbeitsweise der deutschen Volksvertretung sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu informieren. Zu den wesentlichen Zielgruppen dieser Veranstaltungen zählen Schüler, die im Rahmen mit öffentlichen Geldern bezuschusster Bildungsfahrten den Bundestag besuchen. Des Weiteren richtet sich das Besuchsangebot an Ausbildungsgänge der Bundeswehr, Lehrer und andere Ausbilder sowie an sonstige Multiplikatoren im Bereich der politischen Bildung. Vornehmlich gegenüber Schülern der 12. und 13. Jahrgangsstufe beziehen sich die Veranstaltungen auch auf zum Teil auf mehrere Tage angelegte Planspiele, die den Gesetzgebungsprozess im Deutschen Bundestag simulieren und den Teilnehmern neben inhaltlichen und prozeduralen Kenntnissen ein besseres Verständnis von den Möglichkeiten und Grenzen politischer Gestaltung im parlamentarischen System vermit-teln sollen. Die vorhergehende enge Abstimmung zwischen den die Schüler begleitenden Fachlehrern und den für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages eingesetzten Honorarkräften zielt dabei auf eine Einbindung des Informationsstoffs in die jeweiligen Lehrpläne. Ähnlichen Zwecken dienen auch die von den Honorarkräften des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages abgehaltenen Parlamentsseminare, in denen Schüler vornehmlich höherer Klassenstufen, Auszubildende von Landes- und Bundesbehörden oder etwa Polizei- und Offiziersanwärter politische Fragestellungen mit entsprechenden Fachpolitikern aller Fraktionen erörtern können.

Da der Kläger für die Streitjahre 2001 und 2002 Umsatzsteuererklärungen ursprünglich schuldig geblieben war, setzte der Beklagte daraufhin die Umsatzsteuer 2001 und 2002 durch Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 jeweils vom … 2004 zunächst nach ge-schätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Im Laufe des vom Kläger hiergegen eingeleiteten Einspruchsverfahrens reichte er am 5. August 2004 seine Umsatzsteuererklärungen für die beiden Streitjahre nach. Hierbei gab er mit steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen zusammenhängende Umsätze jeweils nur betreffend seine Tätigkeit als Immobilienhändler an. Bezogen auf seine Honorare als freier Mitarbeiter beim Besucherdienst des Deutschen Bundestages reklamierte er jeweils nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a) UStG steuerfreie Umsätze.

Der Beklagte hielt ihm verbunden mit dem Hinweis auf die gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – bestehende Möglichkeit einer verbösernden Einspruchsentscheidung unter dem 25. November 2004 entgegen, dass seine als freier Mitarbeiter beim Deutschen Bundestag erzielten Honorare nicht unter die Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift von § 4 Nr. 22 Buchstabe a) UStG fielen, da sie keine externen Dozenten erfasse und die Honorare auch keine Einnahmen beträfen, die überwiegend zur Kostendeckung verwandt würden. Der Kläger hielt seine Einsprüche gleichwohl aufrecht.

Mit Einspruchsentscheidung vom … 2005 änderte der Beklagte die vorangegangenen Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 und 2002 zum Nachteil des Klägers und wies im Übrigen dessen Einsprüche als unbegründet zurück. Hinsichtlich der ihm als freier Mitarbeiter beim Deutschen Bundestag im Streitjahr 2001 in Höhe von …,-- DM bzw. im Streitjahr 2002 in Höhe von …,-- € zugekommenen Honorareinnahmen habe er keine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchstabe a) UStG zu beanspruchen. Die an den begünstigten Körperschaften und Einrichtungen tätigen selbständigen Dozenten seien ihrerseits nicht begünstigt.

Mit seiner am … 2005 eingereichten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Vorverfahren weiter. Zu deren Begründung hat er zunächst in den Vordergrund gestellt, ihm gebühre für seine Honorare aus seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter im Besucherdienst beim Deutschen Bundestag eine Umsatzsteuerbefreiung auf der Grundlage von § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG 2001/2002. Denn ausweislich der von ihm vorgelegten, unter dem … 2009 abgefassten qualifizierten Tätigkeitsbeschreibung ersetze er insofern den Unterricht im Rahmen festliegender Lehrpläne der allgemeinen Schulen. Zuletzt stellt er vor allem darauf ab, im Rahmen des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag nicht unternehmerisch tätig gewesen zu sein. Mangels Unternehmereigenschaft sei ihm gegen-über keine Umsatzsteuerfestsetzung gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 2001 und 2002 abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden 2001 und 2002 jeweils vom … 2004 beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2005 auf der Grundlage seiner Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 vom … 2004 nach steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von ….,-- DM (2001) bzw. …,-- € (2002) und einem Vorsteuerabzug in Höhe von … DM (2001) bzw. … € (2002) festzusetzen.

hilfsweise, dass die Nichtsteuerbarkeit der Tätigkeit festgestellt wird, weil der Kläger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt aus seiner Tätigkeit beim Bundestag,

und weiter hilfsweise, dass der Prüfbericht als Beweis für die Nichtsteuerbarkeit der Umsätze zugelassen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihm eine Schriftsatzfrist von drei Wochen einzuräumen.

Er stützt seine Rechtsverteidigung an erster Stelle wiederholend und vertiefend auf die Begründung der Einspruchsentscheidung, an der er festhält. Er hebt hervor, dass dem Kläger eine Umsatzsteuerbefreiung zunächst nicht nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG zustehe. Denn der Deutsche Bundestag sei keine andere allgemein- oder berufsbildende Einrichtung. Die Veranstaltung einzelner Vorträge erfülle nicht die Voraussetzungen einer Unterrichtsleistung. Zu Gunsten des Klägers lasse sich eine Umsatzsteuerbefreiung auch nicht aus § 4 Nr. 22 Buchstabe a) UStG ableiten. Denn externe Dozenten seien anders als die dort aufgeführten Einrichtungen nicht begünstigt. Schließlich könne auch § 4 Nr. 25 UStG das Steuerbefreiungsanliegen des Klägers nicht tragen, da der Deutsche Bundestag kein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Band Umsatzsteuerakten) zur St.-Nr. …/… Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 2001 und 2002 beide in Ge-stalt der Einspruchsentscheidung vom … 2005, die dem Kläger hinsichtlich seiner Honorareinnahmen als Mitarbeiter im Besucherdienst beim Deutschen Bundestag eine Umsatzsteuerbefreiung verwehren, sind rechtmäßig und verletzen ihn daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Der Beklagte hat die Leistungen des Klägers gegenüber dem deutschen Bundestag zu Recht als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 2001/2002 unterliegen diejenigen steuerpflichtigen Lieferungen, das heißt [d.h.] die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand (§ 3 Abs. 1 UStG 2001/2002), und sonstigen Leistungen, d.h. Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 UStG 2001/2002), die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 2001/2002, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Eine solche Tätigkeit wird nicht selbstständig ausgeübt, soweit eine natürliche Person einem Unternehmen derart eingegliedert ist, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 2001/2002).

Dem Kläger ist bezogen auf seine (Honorar-)Tätigkeit im Besucherdienst des Deutschen Bundestages eine solche Unternehmereigenschaft zuzuschreiben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – sind die einzelnen Merkmale, die für und gegen die Selbständigkeit im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 2001/2002 sprechen, unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse gegeneinander abzuwägen. Selbständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sprechen für persönliche Selbständigkeit, Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs, Ausführung von einfachen Tätigkeiten, die regelmäßig weisungsgebunden sind, sprechen gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit.

Besondere Bedeutung kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung und dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit; ist der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbständigkeit (BFH, Urteil vom 25. Juni 2009 – V R 37/08 –, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 226, 415, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2009, 873, 874 mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]).

Hierfür ist anzuführen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2011 einräumte, kein festes, gleich hohes (monatliches) Leistungsentgelt beansprucht haben zu können, sondern dass sich die Entlohnung seiner Tätigkeit abhängig von Abwesenheitszeiten infolge Urlaubs, Krankheit oder anderer Verhinderungsgründe nach deren tatsächlichen Umfang richtete. Auch hätten ihm im Gegensatz zu festangestellten Mitarbeitern keine anderen Sozialleistungen gebührt. Ferner beklagte der Kläger, als sogenannter [sog.] Scheinselbständiger alle arbeits- und (sozial-)versicherungsrechtlichen Belastungen und Risiken wie ein eigenständiger Unternehmer getragen haben zu müssen. Daraus folgt, dass beim Kläger das Unternehmerrisiko sehr ausgeprägt war.

Für eine Einbindung in die Organisationsstruktur des Deutschen Bundestages und damit gegen eine Selbständigkeit sprechen allerdings die Umstände, dass der Kläger abgesehen von seiner eher untergeordneten Maklertätigkeit Umsätze allein gegenüber dem Deutschen Bundestag und in dessen Liegenschaften erbrachte und die ihm erteilten Aufträge auch nur entsprechend den Terminvorgaben des Deutschen Bundestages ausführen konnte.

Andererseits spricht für eine selbständige (Honorar-)Tätigkeit, dass die vom Kläger wahrgenommenen Besucherführungen gegenüber Schülergruppen höherer Jahrgangsstufen, Auszubildenden von Landes- und Bundesbehörden sowie Polizei- und Offiziersanwärtern eine in besonderer Weise auf eigenes Wissen, persönliche Erfahrungen, unmittelbares Eingehenkönnen auf das Informationsinteresse der Besucher sowie auf eine schnelle, si-tuative Reaktionsfähigkeit angelegte Lehrtätigkeit betreffen. Diese Qualifikationen widerstreben einer Einordnung des Unterrichtsangebots des Klägers als bloß einfacher Tätigkeit, bei der eine Weisungsgebundenheit die Regel ist. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung behauptet, an inhaltliche Vorgaben der Bundestagsverwaltung bei der Ausübung seiner Tätigkeit gebunden gewesen sein, ohne dies jedoch im Einzelnen zu konkretisieren und nachzuweisen. Nach Aktenlage ist das Gericht überzeugt, dass es sich insoweit lediglich um Vorgaben für einen thematischen und methodischen Rahmen gehandelt haben kann, da nicht vorstellbar erscheint und auch vom Kläger nicht vorgetragen wurde, bei der Ausübung der Tätigkeit unter einer fortwährenden Kontrolle durch übergeordnete Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung gestanden zu haben. Im Einzelnen entzieht sich eine Lehr- und Vortragstätigkeit wie auch immer gearteten Einzelweisungen, weil sie undokumentiert und nicht im Detail überwachbar ist.

Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger gehindert gewesen wäre, gleichartige oder ähnliche Tätigkeiten auch gegenüber anderen Auftraggebern, z. B. im Rahmen von Stadtführungen, gegenüber Bildungsträgern sowie als Schriftsteller oder als Journalist auszuüben.

Bei einer Gesamtabwägung fällt zugunsten des Beklagten ins Gewicht, dass das in besonderer Weise entscheidungserhebliche Unternehmerrisiko im Streitfall sehr ausgeprägt ist. Dass der Kläger seine Tätigkeit entsprechend etlichen Vorgaben seines Auftraggebers durchführen musste, hat er mit anderen Selbständigen gemein, die sich ebenfalls bei Ausführung der von ihnen angebotenen Dienst- und/oder Werkleistungen in die Räume ihrer Auftraggeber begeben und deren Vorgaben unterwerfen müssen. Daher überwiegen bei der Gesamtabwägung die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Elemente.

Vergeblich hält der Kläger dieser Einschätzung eine sozialgerichtliche Entscheidung (Sozialgericht Berlin, nicht rechtskräftiges Urteil vom 2. Juni 2009 – S 36 KR 2382/07 –) entgegen, die eine Sozialversicherungspflicht für Honorarkräfte im Besucherdienst beim Deutschen Bundesrat bejaht. Denn die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Verhältnisse als selbständige oder nichtselbständige Arbeit ist für die Frage, ob steuerrechtlich von einer selbständig ausgeübten oder aber im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Tätigkeit zu sprechen ist, nicht ausschlaggebend. Zwar kann es im Rahmen der steuerlichen Beurteilung als Indiz gewertet werden, wenn das Arbeits- oder auch Sozialversicherungsrecht ein nichtselbständiges Beschäftigungsverhältnis annimmt. Es besteht jedoch in dieser Frage keine Bindungswirkung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. Daher vermag insbesondere auch die neuere Rechtsprechung zur sog. Scheinselbständigkeit die steuerrechtliche Beurteilung nicht vorzuprägen (BFH, Urteil vom 2. Dezember 1998 – X R 83/96 – BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534, 537; Beschluss vom 1. Februar 2007 – III B 165/05 – Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV –2007, 954; Urteil vom 25. Juni 2009 – V R 37/08 – aaO. S. 875). Es bestand auch kein Anlass, Entscheidungen der Sozialversicherungen oder der Sozialgerichtsbarkeit abzuwarten, da nach Auskunft des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine ihn betreffenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren anhängig sind. Vielmehr wird er von den ge-setzlichen Sozialversicherungen als nicht versicherungspflichtiger Selbständiger behandelt. Andere Personen betreffende Entscheidungen in sozialversicherungsrechtlichen Fragen sind wegen der stark einzelfallgeprägten Merkmale des Unternehmerbegriffs nicht streitrelevant.

Auch der vom Kläger erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2011 vorgelegte Entwurf eines Prüfberichts der Innenrevision (beim Deutschen Bundestag) vom 3. August 2009 begründet keine Zweifel an einer selbständig ausgeübten (Honorar-)Tätigkeit des Klägers. Ungeachtet des bloßen Entwurfcharakters dieses Prüfberichts datiert er vom 3. August 2009 und beruht auf Erhebungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2009 (Bl. 6 des Berichts). Er ist damit von vornherein nicht geeignet, Grundlage einer richtigen Einschätzung der Verhältnisse zumal des Klägers selbst in den maßgeblichen beiden Streitjahren 2001 und 2002 zu sein. Zudem hebt der vom Kläger für sein Anliegen herangezogene Prüfbericht selbst hervor, dass hinsichtlich des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag zwischen reinen Betreuungsleistungen in Form von begleitenden, verwaltenden, sichernden Aufgaben im Vorfeld der eigentlichen Vortragsleistung (Einlass- und Sicherheitskontrollen; Zuführung im Haus zum Dozenten etc.) und der eigentlichen, an gewisse Fachkenntnisse gebundenen Vortrags-/Unterrichtstätigkeit zu unterscheiden sei. Die Leistungen des Klägers bezogen sich nach seiner eigenen Darstellung aber stets auf den Bereich des unterrichtenden „Vortragens“. Die in dem Prüfbericht in Richtung auf das Vorliegen eines faktischen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als problematisch angesprochenen „reinen“, untergeordneten Betreuungsleistungen waren mithin nicht Gegenstand der vom Kläger in den Streitjahren ausgeübten Tätigkeit.

Die streitbefangenen Umsätze gegenüber dem Deutschen Bundestag sind auch nicht nach § 4 UStG 2001/2002 oder Regelungen des Gemeinschaftsrechts steuerfrei.

Im Einzelnen sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes – GG – staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind (§ 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe aa) UStG 2001/2002) oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (§ 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) UStG 2001/2002). (Umsatz-)Steuerfrei bleiben des Weiteren die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen (§ 4 Nr. 21 Buchstabe b) Doppelbuchstabe aa) UStG 2001/2002) oder an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstaben a erfüllen (§ 4 Nr. 21 Buchstabe b) Doppelbuchstabe bb) UStG 2001/2002).

Hieran gemessen hat der Kläger betreffend seine Dozententätigkeit im Rahmen des Mitarbeiterdienstes beim Deutschen Bundestag keine Umsatzsteuerbefreiung auf der Grundlage von § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG 2001/2002 zu beanspruchen. Denn weder für den Kläger selbst noch für den Deutschen Bundestag liegt eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b) Doppelbuchstabe bb) in Verbindung mit § 4 Nr. 21 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) UStG 2001/2002 vor. Insofern hat die zuständige Landesbehörde gegebenenfalls zu bescheinigen, dass eine andere allgemein- oder berufsbildende Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Dies bedingt nicht, dass die einzelne Unterrichtsleistung auf eine Berufsausbildung oder Prüfung vorbereitet (BFH, Urteil vom 20. August 2009 – V R 25/08 – BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, 17, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2009, 2249). Ebenso wenig ist der Begriff der Einrichtung auf eine juristische Person zu beschränken; erfasst werden vielmehr auch natürliche Personen, da es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet, Wirtschaftsteilnehmer, die die gleichen Umsätze bewirken, bei deren Besteuerung unterschiedlich zu behandeln. Der Kläger hat jedoch keine diesen Inhalt umfassende Bescheinigung für sich oder für den Deutschen Bundestag vorgelegt.

Auch vorrangig zu berücksichtigendes Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, dem klägerischen Begehren entsprechen zu müssen. Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG 2001/2002 muss sich insofern ihrerseits an Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – 6. EG-Richtlinie – messen lassen. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der (Umsatz-)Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Ge-genständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Gleichermaßen zeichnet Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe j) 6. EG-Richtlinie eine Steuerbefreiung für von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht vor.

Auf Art. 13 Teil A Abs.1 Buchstabe i) 6. EG-Richtlinie kann sich der Kläger jedoch nicht berufen, weil er keine Einrichtung mit Ausbildungsaufgaben betraute Einrichtung des öffentliches Rechts ist und er keiner anderen Einrichtung, die allerdings durchaus auch private Personen bilden können, gleichsteht, die mit Anerkennung des Mitgliedstaats – hier:

Deutschland – eine vergleichbare Zielstellung verfolgt. Denn weder der Kläger in Person noch auch nur der Deutsche Bundestag verfügen betreffend die von dem Kläger für die von ihm reklamierte Steuerbefreiung herangezogene Tätigkeit über eine entsprechende staatliche Anerkennung zur Sicherstellung einer allgemeinen Ausbildung (ähnlich für Fortbildungsseminare an der Bundessteuerberaterkammer: BFH, Urteil vom 17. April 2008 – V R 58/05 – BFHE 221, 489, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2008, 581).

Eine (Umsatz-)Befreiung vermag der Kläger für sich des Weiteren nicht aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe j) 6. EG-Richtlinie herzuleiten. Der insofern angesprochene Schul- und Hochschulunterricht beschränkt sich dabei nicht auf denjenigen Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Zum Schul- und Hochschulunterricht zählen vielmehr auch andere Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – C-445/05 [Haderer] – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des EuGH – EuGHE – 2007, 4841, UR 2007, 592, 594 [26]; BFH, Urteil vom 17. April 2008 – V R 58/05 – aaO. S. 495). Erfasst sind über den eigentlichen Schul- und Hochschulunterricht hinaus aber auch sonstige Aus- und Fortbildungsveranstaltungen. Begünstigt ist nicht bloß derjenige Unterricht, der Schülern und Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- und Hochschulausbildung teilnehmen, sondern auch Weiterbildungsangebote gegenüber solchen Personen, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben (EuGH, Urteil vom 28. Januar 2010 – C-473/08 [Ingenieurbüro Eulitz GbR] – UR 2010, 174, 177 [35]).

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe j) 6. EG-Richtlinie kommt für den Kläger aber mangels seiner Eigenschaft als Privatlehrer im Sinne dieser Vorschrift nicht zum Tragen. Der Umstand allein, dass jemand als Lehrkraft eine wirtschaftliche Tätigkeit „selbständig“ ausübt und als mehrwertsteuerpflichtiger Unternehmer zu gelten hat, lässt nicht ohne Weiteres den Rückschluss zu, dass damit zwingend auch Unterrichtstätigkeiten eines „Privatlehrers“ im Sinne von Art. 13 Teil A Buchstabe j) 6. EG-Richtlinie vorliegen (EuGH, Urteil vom 28. Januar 2010 – C-473/08 [Ingenieurbüro Eulitz GbR] – aaO. S. 178 [48]). Entscheidend bleibt, dass der entsprechende Lehrgang den Teilnehmern nicht von einer dritten Einrichtung, sondern von dem einzelnen Lehrenden erbracht wird. Gegenüber den Auszubildenden muss es sich um ein ihnen von Seiten des einzelnen Unterrichtenden unterbreitetes Aus- und Fortbildungsangebot handeln. Von einem Unterricht eines Privatlehrers lässt sich dagegen nicht sprechen, wenn das Lehrangebot den Teilnehmern zwar von einer einzelnen Lehrkraft vermittelt, ihnen aber im Rahmen einer Rechtsbeziehung zum Träger derjenigen Ausbildungseinrichtung erbracht wird, für die die Lehrkraft ihrerseits tätig wird (EuGH, Urteil vom 28. Januar 2010 – C-473/08 [Ingenieurbüro Eulitz GbR] – aaO. S. 179 [54 f.]).

So liegt es im Falle des Klägers. Die von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages durchgeführten Aus- und Fortbildungsveranstaltungen beruhten erkennbar auf keiner zwischen ihm selbst und den einzelnen Besuchsgruppen des Deutschen Bundestages zu begründenden eigenständigen Rechtsbeziehung. Vielmehr handelte sich um einen Informations- und Weiterbildungsangebot des Deutschen Bundestages. Er war Träger der Einrichtung des Ausbildungsangebots. Dies schließt es aus, dass die Kläger seine diesbezüglichen Unterrichtsleistungen als „Privatlehrer“ im Sinne von Art. 13 Teil A Buchstabe j) 6. EG-Richtlinie erbracht haben sollte.

Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.