Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Verrechnung von Zahlungen auf die jeweils älteste Rundfunkgebührenschuld;...

Verrechnung von Zahlungen auf die jeweils älteste Rundfunkgebührenschuld; Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (bejaht); Verjährung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 19.03.2012
Aktenzeichen OVG 11 N 27.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 7 RdFunkGebStVtr BE, § 7 RdFunkGebStVtr BE

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. März 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf unter 300 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit Bescheid vom 3. Februar 2006 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum von Juli 2004 bis September 2005 rückständige Rundfunkgebühren nebst Säumniszuschlag i.H.v. 224,77 € fest. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage, zu deren Begründung die Klägerin sich dagegen gewandt hatte, dass der Beklagte von ihr geleistete Gebührenzahlungen nicht auf den genannten Gebührenzeitraum, sondern auf ältere Forderungen verrechnete, hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 15. März 2010 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung, zu dessen Begründung sie sich auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3, 2 und 1 VwGO beruft.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Das Rechtsmittelvorbringen der Klägerin rechtfertigt es nicht, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzusprechen. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. zum Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328).

Die von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, "ob der Ausschluss des Tilgungsbestimmungsrechtes des Gebührenschuldners in der Verrechnungsregelung des § 7 der Gebührensatzung des Beklagten gegen höherrangiges Recht verstößt und nichtig ist bzw. dahingehend verfassungskonform auszulegen ist, dass unter der jeweils ältesten Rundfunkgebührenschuld, auf die Zahlungen zu verrechnen sind, nur zuvor bereits durch bestandskräftigen Bescheid festgesetzte rückständige Rundfunkgebühren zu verstehen sind", bedarf keiner obergerichtlichen Klärung. § 7 der Rundfunkgebührensatzung des Beklagten vom 30. September 2003, wonach Zahlungen zunächst auf die Kosten im Zusammenhang mit rückständigen Rundfunkgebühren, dann auf die Säumniszuschläge und dann auf die jeweils ältesten Rundfunkgebührenschuld verrechnet werden, und dies auch dann gilt, wenn die Rundfunkteilnehmerin/der Rundfunkteilnehmer eine andere Bestimmung trifft, findet seine gesetzliche Grundlage in § 4 Abs. 7 RGebStV (dazu bereits OVG Berlin, Urteil v. 19. November 1996 – 8 B 117.96 -, bei Juris, Rz. 34 f.) und ist damit Ausdruck der verfassungsgemäßen Ordnung, die die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, aus der die Klägerin das von ihr in Anspruch genommene Tilgungsbestimmungsrecht herleitet. Diese Einschränkung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unverhältnismäßig (vgl. bereits OVG Berlin, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 117.96 -, bei Juris, dort Rz. 37; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 29. April 2008 - 19 A 1863/06 -, bei Juris). Die Regelung erleichtert dem Beklagten den Überblick über die noch offenen Gebührenforderungen und trägt damit zur Verwaltungsvereinfachung bei, auf die das Gebühreneinzugsverfahren wegen seines Spezifikums als Massenverfahren angewiesen ist (so bereits BVerwG, Urteil v. 9. Dezember 1998 – 6 L 13.97 -, bei Juris, Rz. 44). Sie führt auch nicht zu einer unzumutbaren Erschwerung der Rechtsverteidigung des Rundfunkteilnehmers. Hält dieser die infolge der Verrechnungsregelung getilgte Gebührenforderung für nicht gerechtfertigt, kann er dagegen im Wege der Leistungsklage auf Rückzahlung oder gegebenenfalls der (negativen) Feststellungsklage auf Nichtbestehen der Gebührenschuld vorgehen. Auch greift der Einwand der Klägerin nicht durch, ihr werde durch die Verrechnungsregelung die Einrede der Verjährung abgeschnitten. Denn das Vertrauen der Klägerin auf den eventuellen Eintritt der Verjährung einer Rundfunkgebührenforderung ist rechtlich nicht geschützt. Im Übrigen hat die Klägerin mit ihrem Rechtsmittelvorbringen nicht einmal dargelegt, dass ihre hier maßgebenden Gebührenzahlungen auf eine Gebührenschuld verrechnet worden seien, die bereits verjährt gewesen sei, bzw. hinsichtlich derer sie sogar die Einrede der Verjährung erhoben gehabt habe. Es ist auch generell nicht ersichtlich, dass der Beklagte seine Gebührenforderungen in nennenswertem Umfang verjähren lassen würde. Denn zahlt ein Gebührenschuldner die Rundfunkgebühren über einen entsprechend langen Zeitraum nicht, so ist, wie gerichtsbekannt ist, seitens des Beklagten mit verjährungsunterbrechenden Gebührenbescheiden zu rechnen. Eine Verfahrensweise, die es dem Beklagten erschwert, die noch offenen Gebührenforderungen zu überblicken und die auf diese Weise das Risiko der Verjährung einzelner Forderungen erhöht, kann die Klägerin nicht beanspruchen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Klägerin reklamierte Grundrechtsintensität der Verrechnungsregelung, aus der sie deren Wesentlichkeit und damit das Erfordernis ihrer unmittelbaren Legitimierung durch den parlamentarischen Gesetzgeber herleitet, in Wirklichkeit nicht besteht.

Weiterhin ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass die Darlegungen der Klägerin zur Rechtswidrigkeit des § 7 der Gebührensatzung des Beklagten auch weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin beinhaltet die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten, die die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigen würden. Das folgt unabhängig von der Frage, inwieweit „Rechenfehler“ die Berufungszulassung rechtfertigende Schwierigkeiten begründen können, bereits daraus, dass die von der Klägerin beanstandete Differenz von 61,73 € (219,66 € - 157,93 €) sich nach der dem Schriftsatz vom 19. November 2007 anliegenden Berechnung des Beklagten sich aus Zahlungen der Klägerin in Höhe von 10,64 € und 51,09 € erklärt, die die Klägerin am 17. Februar 2006 geleistet habe und die folglich bei Erlass des Gebührenbescheides vom 3. Februar 2006 noch nicht berücksichtigt sein konnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).