Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 36. Senat | Entscheidungsdatum | 07.08.2012 | |
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Aktenzeichen | L 36 AS 1162/12 NK | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 55a SGG, § 22ff SGB 2, § 8 SGB2AG BB, § 1 WAufwV BE, § 2 WAufwV BE, § 3 WAufwV BE, § 4 WAufwV BE, § 5 WAufwV BE, § 6 WAufwV BE, § 7 WAufwV BE, § 8 WAufwV BE, § 35a SGB 11 |
Der Normenkontrollantrag wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die vom Senat von Berlin in seiner Sitzung vom 03. April 2012 unter Berufung auf § 8 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB II) erlassene Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung – WAV), die am 13. April 2012 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin (GVBl Seite 99) verkündet worden und am 01. Mai 2012 in Kraft getreten ist (§ 8 WAV).
Der 1957 geborene, alleinstehende Antragsteller lebte bis November 2009 in G und stand dort im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum 01. Dezember 2009 zog er nach B in die auch derzeit noch bewohnte Wohnung im Haus B Str., B. Es handelt sich um eine 1995 errichtete, 49 m² große Zweizimmer-Dachgeschosswohnung mit – so die Angabe des Antragstellers – Sammelheizung und zentraler Warmwasserversorgung. Bezüglich dieser Wohnung hatte der Antragsteller dem Jobcenter Güstrow ein Angebot der Firma H S, W als Vertreterin des Vermieters vom 13. November 2009 vorgelegt, das folgende Mietaufwendungen auswies: Kaltmiete: 265,97 EUR (ca 5,40 EUR x 49 m²), Heizkostenvorauszahlung: 41,65 EUR (0,85 EUR x 49 m²), Betriebskostenvorauszahlung: 69,58 EUR (1,42 EUR x 49 m²) – daraus folgend: Bruttowarmmiete 377,20 EUR. Das Jobcenter Güstrow erteilte unter dem 17. November 2009 eine auf dieses Mietangebot bezogene Zusicherung.
Das Jobcenter Treptow-Köpenick bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 23. November 2009 vorläufig Arbeitslosengeld II (Alg II) ab dem 01. Dezember 2009; diese Bewilligung wurde später mit Wirkung vom 01. Januar 2010 aufgehoben. Nach Vorlage des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17. November 2009, mit welchem dem Antragsteller Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne zeitliche Begrenzung ab dem 01. September 2004 laufend zahlbar ab dem 01. Januar 2009 in Höhe von ca 150.- EUR bewilligt worden war, gewährte der Antragsgegner – hier das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin – dem Antragsteller auf seinem Antrag vom 08. Dezember 2009 mit Bescheid vom 09. Dezember 2009 ab dem 01. Januar 2010 laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), dabei Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 4 Satz 1 SGB XII) unter Abzug einer Warmwasserpauschale in Höhe von 370,41 EUR. Bei einer entsprechenden Bewilligung blieb es auch im Weiteren.
Ende März 2011 legte der Antragsteller eine vom Vermieter unterzeichnete „Bescheinigung über die aktuelle Miethöhe“ vom 23. März 2011 vor, nach der – bei unveränderten Nebenkosten – die Nettokaltmiete „aktuell“ 325.- EUR (ca 6,60 EUR x 49 m² – Bruttowarmmiete damit 444.- EUR) betrage. Dazu hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben, die erhöhte Miete sei auf Verlangen des Vermieters mündlich vereinbart und im Folgenden gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 28. März 2011, der die Leistungsansprüche des Antragstellers bis Oktober 2011 betraf, berücksichtigte der Antragsgegner eine Bruttowarmmiete von monatlich 444,- EUR von April 2011 bis September 2011. Er bat um Übersendung eines Mietfestsetzungsschreibens und verlangte Zahlungsnachweise bezüglich der erhöhten Miete. Dem genügte der Antragsteller im Folgenden nur insoweit, als er einen einzelnen Kontoauszug einreichte, der mit Buchungstag 01. Dezember 2011 eine Überweisung von 444,- EUR auf ein Konto des Vermieters ausweist. Die PKH-Unterlagen enthalten einen Dauerauftrag über den Betrag von 444,- EUR monatlich zugunsten des Vermieters.
Den Bescheid vom 28. März 2011 änderte der Antragsgegner mit Bescheid vom 10. Juni 2011 mit Wirkung vom 01. Juli 2011 im Hinblick auf eine leicht erhöhte Rentenzahlung. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. März 2011 beschied er dahingehend, dass Mietkosten in Höhe von 444,- EUR bis März 2011 – muss heißen: März 2012 – anerkannt wurden und der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen wurde. Die Verlängerung der Frist zur Kostensenkung sei im Rahmen eines Einstweiligen Anordnungsverfahrens zugestanden worden. Mit Bescheid vom 07. Dezember 2011 bewilligte der Antragsgegner Leistungen für den Zeitraum 01. Januar bis 31. Dezember 2012, wobei abgesenkte Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01. April 2012 vorgesehen wurden. Dazu wurde dem Antragsteller am 17. April 2012 per E-Mail mitgeteilt, für April 2012 werde im Hinblick auf die zum 01. Mai 2012 in Kraft tretende WAV auf eine Absenkung verzichtet.
Mit Bescheid vom 09. Mai 2012 änderte der Antragsgegner den Bescheid vom 07. Dezember 2011 dahingehend, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung bis einschließlich Oktober 2012 übernommen wurden. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Mai 2012, dem auch schon in diesem Widerspruchsverfahren bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 03. August 2012 zugegangen, zurück. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller fristgerecht Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben.
Der Antragsteller trägt zu seinem Normenkontrollantrag vor, alle Elemente einer Miete – Nettokaltmiete/kalte Betriebskosten/Heizkosten – seien nicht zutreffend in die WAV eingestellt worden. Bezüglich der kalten Betriebskosten sei die Einbringung nach Mittelwerten der Anlage zum Berliner Mietspiegel methodisch mangelhaft. Der höhere Durchschnittswert im sozialen Wohnungsbau bleibe unberücksichtigt. Hierzu lägen auch unterschiedliche Entscheidungen des zuständigen Landessozialgerichts vor, in denen teilweise eine Berücksichtigung in der Nähe des oberen Spannenwertes (4/5) befürwortet werde. Bezüglich der Heizkosten gelte, dass die Datengrundlage des verwendeten bundesweiten Heizkostenspiegels zweifelhaft und die Werte in Ansehung der von dem Projekt KEBAB gGmbH und der zuständigen Berliner Senatsverwaltung ermittelten Berliner Werte augenscheinlich zu niedrig seien. Bezüglich der Nettokaltmiete gelte, dass sie durch die Verwendung des Berliner Mietspiegels, die hier erfolgt sei, keine realitätsnahe Abbildung finde. Der Berliner Wohnungsmarkt sei nicht (mehr) ausgeglichen, da die Mieten stärker stiegen als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Insoweit befinde sich der Berliner Wohnungsmarkt in einer Phase stetig steigender Mietpreise mit dem Ergebnis, dass die Angebote, insbesondere in zentralen Bereichen, deutlich über dem Betrag lägen, der von Leistungsbeziehern, deren Ansprüche nach der WAV bestimmt würden, aufgewandt werden könnten. Die Voraussetzungen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Ausklammerung des sozialen Wohnungsbaus gestellt würden, seien nicht erfüllt. Die in diesem Bereich durch den Wegfall der Anschlussförderung möglichen Mieterhöhungen verstärkten die Abdrängung auch von Bestandsmietern in Randlagen, in diesem Sinne werden die WAV den Zielen des § 22a Abs 3 Nr 4 SGB II nicht gerecht.
Der Antragsteller beantragt,
die WAV für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Er hält der Argumentation des Antragstellers entgegen, die kalten Nebenkosten würden in der WAV nach Maßgabe der Rechtssprechung berücksichtigt, die es insbesondere für zulässig erachtet habe, auf Durchschnittswerte regional erhobener Betriebskosten, wie Sie die Anlage zum Mietspiegel enthalte, zurückzugreifen. Bezüglich der Heizkosten habe das Bundessozialgericht (BSG) die Heranziehung des „bundesweiten Heizspiegels“ – dies geschehe in der WAV – für zulässig erachtet. Ein hinreichend differenzierter kommunaler Heizkostenspiegel existiere nicht. Die Nettokaltmieten seien durch den Rückgriff auf den Berliner Mietspiegel realitätsnah bestimmt, da der Mietspiegel nur Mietverhältnisse berücksichtigt, die in den letzten vier Jahren neu abgeschlossen worden seien oder in diesem Zeitraum einer Änderung der Höhe der Nettokaltmiete unterlegen hätten. Da der Mietspiegel nach Maßgabe des § 558 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die mögliche Höhe von Mietsteigerungen mitbestimme, wirke er auch in die Zukunft. Soweit der Berliner Mietspiegel mietpreisgebundene Wohnungen nicht berücksichtigt, erfolge dies allein nach diesem Kriterium und nicht lagebezogen, so dass nicht erkennbar sei, warum der Antragsteller insoweit eine Verzerrung des Wohnungsmarktes befürchte. Eine Mangellage bestehe am Berliner Mietwohnungsmarkt nicht und könne nicht aus den vom Antragsteller genannten Umständen gefolgert werden, zumal nicht allein Bedarfsgemeinschaften in einer Umzugssituation betrachtet werden dürften.
Der Senat hat den Antragsgegner aufgefordert, zur Anwendbarkeit der WAV im Bereich des SGB XII Stellung zu nehmen und hat die Frage später um den Hinweis erweitert, dass diese Fragestellung Rückwirkung auf die Beurteilung der Antragsbefugnis haben könne. Dazu führt der Antragsgegner aus, die Voraussetzungen nach § 35a SGB XII würden nach § 22b Abs 3 SGB II iVm § 6 Abs 2 bis 4 WAV erfüllt, wonach längeres Wohnen, wesentliche soziale Bezüge, ein Lebensalter von mehr als 60 Jahren und ein höherer Heizbedarf aus altersbedingten Gründen sowie Besonderheiten des betreuten Wohnens und gemeinsamer ambulanter Pflege Berücksichtigung fänden.
Der Antragsteller führt zu diesem Komplex aus, zur Erfüllung der besonderen Anforderungen aus § 35a SGB XII müssten bindende Regelungen in der WAV vorliegen und nicht nur Ermessensregelungen. Daran fehle es. Zudem sei der Umfang von Erhöhungssachverhalten nicht empirisch unterlegt und es müsse bezweifelt werden, ob solche Tatbestände abstrakt generellen Regelungen überhaupt zugänglich seien. Seine rechtliche Betroffenheit sei gegeben, da der Antragsgegner die WAV auf ihn anwenden wolle.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, einen vom Antragsgegner zusammengestellten zum Vorgang übersandten Ordner sowie die den Antragsteller betreffenden Leistungsakten des Antragsgegners (Band I bis VII) Bezug genommen.
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg, weil er bereits unzulässig ist.
Der Antrag ist statthaft, weil es sich bei der unter Berufung auf § 8 AG-SGB II erlassenen WAV um eine Rechtsvorschrift iS des § 55a Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handelt.
Dem Antragsteller fehlt jedoch die Antragsbefugnis. Die gilt deshalb, weil die Antragsbefugnis nur demjenigen zusteht, auf den die zur Überprüfung gestellte Norm Anwendung findet (dazu 1.). Die Regelungen der WAV sind aber auf den Antragsteller, der nach dem SGB XII leistungsberechtigt ist, nicht anzuwenden, da die Voraussetzungen einer Geltungserstreckung (§ 35a SGB XII) nicht vorliegen (dazu 2.).
1. Nach § 55a Abs 2 Satz 1 SGG kann den Normkontrollantrag jede natürliche Person stellen, die geltend macht, durch die Anwendung der zur Kontrolle gestellten Rechtsvorschrift in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Vorschrift dient dazu, die abstrakte Normenkontrolle auf den subjektiven Rechtsschutz zu beschränken und Popularklagen auszuschließen. Sie verfolgt damit dasselbe Ziel wie die Regelung zur Klagebefugnis in § 54 Abs 1 Satz 2 SGG bzw § 42 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – (vgl Verwaltungsgerichtshof <VGH> Baden-Württemberg, Urteil vom 28. April 2004 – 9 S 1751/02 RdNr 119 zu § 47 VwGO). § 55a Abs 2 Satz 1 SGG ist so zu verstehen, dass zur Bejahung der Antragsbefugnis positiv festgestellt werden muss, dass ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers von der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Norm betroffen ist (VGH aaO, RdNr 119, 123; Gerhardt/Bier in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 47 RdNr 41 aE, 44). Ist der Antragsteller von der untergesetzlichen Norm betroffen, schließt die Frage an, ob eine Rechtsverletzung durch die Norm möglich erscheint. Dabei sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 54 Abs 1 Satz 2 SGG (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Beschluss vom 29. Dezember 2011 – 3 BN 1/11 mwN zu § 42 Abs 2 VwGO). Soweit diese vom BVerwG vielfach verwendete Formulierung einschließen sollte, dass auch die rechtliche Betroffenheit nur nach dem Möglichkeitsmaßstab beurteilt werden soll (so anscheinend BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2001 – 6 CN 4/00), folgt der Senat dem aus den nachfolgenden Erwägungen jedenfalls für den (hier gegebenen) Fall nicht, dass die Geltung der zur Überprüfung gestellten Norm für den Antragsteller (dh nicht nur die Beeinträchtigung einer wie auch immer begründeten Rechtsstellung) in Frage steht und von der Anwendung einer Norm abhängt (hier: § 35a SGB XII), die nicht Teil des zu überprüfenden untergesetzlichen Normkomplexes ist. Insoweit ist entscheidend, dass die zur Überprüfung gestellte Norm bei rechtlich zutreffender Betrachtung Anwendung findet, da ansonsten der Zugang zum Normenkontrollverfahren von einer nicht (bzw zutreffend nur in Verfahren des Individualrechtsschutzes) auf ihre Rechtmäßigkeit hinterfragbaren Verwaltungspraxis abhinge.
Auszugehen ist vom Zweck des Antragserfordernisses. Da ein Normenkontrollantrag begründet ist, wenn die zur Prüfung gestellte Vorschrift objektiv rechtswidrig (nicht mit höherrangigem Recht vereinbar) ist und es Rahmen dieser objektiven Rechtskontrolle unerheblich ist, ob die Norm subjektive Rechte des Antragstellers verletzt (etwa BVerwG, Beschluss vom 04. Oktober 2006 – 4 BN 26/06 RdNr 7f) oder überhaupt auf ihn anwendbar ist, das Normenkontrollverfahren – wie bereits ausgeführt – aber auch ein Verfahren des subjektiven Rechtsschutzes ist (BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 – 4 N 3/87 RdNr 22, 26; Beschluss vom 09. April 2008 – 4 CN 1/07 RdNr 13 „...dient nicht nur dem subjektiven Rechtsschutz...“; Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl, § 47 RdNr 5), kann die damit notwendige Begrenzung des Rechtsschutzes nur im Rahmen der Antragsbefugnis (§ 55a Abs 2 Satz 1 SGG) erfolgen. Dass dabei die Frage nach der rechtlichen Betroffenheit abschließend zu beantworten ist, ist Konsequenz des Umstandes, dass ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren anschließt, in dem – anders als dies bei der Entscheidung über die Begründetheit einer Anfechtungsklage (ggf kombiniert mit einer Leistungsklage) und einer Verpflichtungsklage der Fall ist – die Frage nach der zunächst für möglich gehaltenen Rechtsverletzung nicht zu einer abschließenden Beurteilung wieder aufgegriffen wird (vgl Gerhardt/Bier aaO). Ein Normenkontrollverfahren, in dem offen bleibt, ob die angegriffene Norm auf den Antragsteller Anwendung findet, würde seinen Zweck als Verfahren (auch) zur Gewährung vom Individualrechtsschutz zu dienen auch insofern verfehlen, als mit einer Entscheidung, welche die streitbefangenen Normen nicht beanstandet, mangels Überprüfung der Anwendbarkeit nicht die Feststellung verbunden ist, dass die Vorschriften die Rechtsstellung des Antragstellers (mit-) bestimmen.
Auf eine abschließende Beurteilung der rechtlichen Betroffenheit wird auch bei der Normenkontrolle teilbarer Regelungen abgestellt (dazu BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 aaO, RdNr 28; BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2005 – 7 CN 6/04 RdNr 15; BVerwG, Beschluss von 09. April 2008 aaO RdNr 16). Unter der Voraussetzung der Teilbarkeit, wenn also bzgl einer Teilregelung feststellbar ist, dass die verbleibenden Regelungen von ihr idS unabhängig sind, dass sie auch eigenständig Bestand haben können und (iSe kumulativen Voraussetzung) dass diese Regelungen aus der Sicht des Normgebers auch unabhängig voneinander Bestand haben sollen, ist die Antragsbefugnis nur gegeben, soweit der Antrag Teile des Normgefüges betrifft, auf die sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht, nicht aber, soweit er „den Antragsteller nicht berührende Normteile“ (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2005 aaO) umfasst.
2. Die WAV ist auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII – im Bereich der Sozialhilfe – nicht anwendbar.
Der Senat hat unbeschadet des Umstandes, dass § 35a Satz 1 und 2 SGB XII als Vorschriften über die Geltungserstreckung ausdrücklich nur die Satzung eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt in den Blick nehmen, zunächst keine Bedenken, die Vorschrift auf eine aufgrund der Stadtstaatenklausel des § 22a Abs 1 Satz 3 SGB II erlassene Rechtsverordnung eines Bundeslandes, wie es die WAV ist, entsprechend anzuwenden, da nichts dafür spricht, dass der Gesetzgeber insoweit eine unterschiedliche Behandlung angestrebt bzw für angezeigt gehalten hat. Es liegt vielmehr offenbar lediglich eine gesetzliche Ungenauigkeit vor, die im Wege der Analogie zu überwinden ist.
Voraussetzung dafür, dass sich die Leistungen für die Unterkunft – nur diese werden hier zunächst betrachtet –, die als Leistungen gemäß § 35 SGB XII bewilligt werden, nach der WAV bestimmen, ist, dass die WAV
- Regelungen für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft (und Heizung) im Sinne von § 22b Abs 3 SGB II enthält
und
- dabei zusätzlich die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigt werden.
Diese Bedingungen müssen kumulativ erfüllt sein. In der WAV fehlt es jedenfalls an einer Regelung, die das als zweites bezeichnete Erfordernis ausfüllt. Der Antragsgegner führt insoweit zutreffend aus, dass allein die § 6 Abs 2 Buchst b – d, § 6 Abs 3 und § 6 Abs 4 der WAV getroffenen Regelungen in Betracht zu ziehen sind.
§ 6 Abs 2 WAV hat folgenden Wortlaut:
In besonders begründeten Einzelfällen können die Richtwerte nach § 4 aus sozialen Gründen und in Härtefällen um bis zu zehn vom Hundert überschritten werden insbesondere bei
a) …
b) Längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre),
c) wesentlichen sozialen Bezügen (z.B. Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kindertagesstätten),
d) über 60-jährigen Hilfeempfangenden,
e) …,
f) …
§ 6 Abs 3 WAV lautet:
Eine Überschreitung der Richtwerte nach § 4 ist auch zulässig bei Personen mit einem individuell höheren Heizkostenbedarf (zum Beispiel aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen), wenn die Richtwertüberschreitung allein darauf zurückzuführen ist.
§ 6 Abs 4 WAV lautet:
Bei ambulanten Wohnformen (zum Beispiel betreutes Einzelwohnen, betreute Wohngemeinschaften, therapeutische Wohngemeinschaften, Wohngemeinschaften zur Sicherstellung gemeinsamer ambulanter Pflege – auch für Demenzkranke – ) gilt Absatz 2 entsprechend.
Im einfachen Wortsinne werden durch (Mehr-)Leistungen, die nach Maßgabe der zitierten Bestimmungen erbracht werden, wie durch jede Sozialleistung Bedarfe befriedigt und in diesem Sinne von der Regelung berücksichtigt. Darin liegt jedoch noch keine „zusätzliche Berücksichtigung der Bedarfe älterer Menschen“, wie sie im § 35a Satz 1 SGB XII vorausgesetzt ist. Dieses Erfordernis können nur solche satzungs- bzw verordnungsrechtlichen Bestimmungen erfüllen, die dem in §§ 22a Abs 1 Satz 1, 22b Abs 1 SGB II gesetzlich vorgesehenen Regelungskonzept der Satzung/Verordnung entsprechen, das heißt die systematisch in die Satzung/Verordnung gehören und zu deren Erlass der Verordnungsgeber zumindest in dem Sinne ermächtigt ist, das er gehalten ist, derartige Bestimmungen in die Satzung bzw Verordnung aufzunehmen. Satzungs- bzw Verordnungsbestimmungen, die dem ihrer Art nach nicht entsprechen, lösen dagegen die Rechtsfolgen nach § 35a Satz 1 und 2 SGB XII nicht aus.
Gegenstand einer Satzung/Verordnung nach §§ 22a bis 22c SGB II sind Bestimmungen im Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, dass heißt die Normsetzungsbefugnis besteht für Regelungen, die Bedarfslagen abstrakt generell regeln, indem sie allgemein den Leistungsumfang vorgeben, der zu decken ist, um bezogen auf das Grundbedürfnis Wohnen das Existenzminimum zu gewährleisten. Das BSG strukturiert die Ansprüche der Leistungsberechtigten, soweit sie bestimmt sind, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu decken, wie folgt: Zu erbringen sind (für den Fall, dass der Leistungsberechtigte zur Miete wohnt) nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen, wobei die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung getrennt von der für die Unterkunft und nach eigenen Regeln erfolgt (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R, RdNr 18); die Aufwendungen werden – vorbehaltlich vorübergehender Mehrleistungen – nur erbracht, soweit sie angemessen sind. Was die Bedarfe für Unterkunft angeht, wird die Angemessenheit bezogen auf das im Rahmen der Sicherung des Existenzminimums gebotene Niveau (unteres Quintil, KSW/Knickrehm, 2. Aufl, § 22 SGB II RdNr 15 mwN) abstrakt generell bestimmt. Dies wird realisiert, indem die Faktoren Wohnfläche und durchschnittliche Bruttokaltmiete begrenzt werden, und zwar bzgl der Fläche auf den im sozialen Wohnungsbau geltenden (von der Zahl der Bewohner abhängigen) Wert (etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R RdNr 22; instruktiv BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R <München> RdNr 15ff Rückgriff auf diese Werte mangels Alternative aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität) und bzgl des Mietpreises auf die Durchschnittsmiete für Wohnungen einfachen Standards (dazu etwa BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R RdNr 19 mwN) im örtlichen Vergleichsbereich. Zur Deckung des Bedarfs an Heizung sind – da belastbare Werte über die regelmäßig in „angemessenen Wohnungen“ anfallenden Heizkosten nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 aaO RdNr 19) – die tatsächlichen Heizkosten zu erbringen, jedenfalls soweit sie eine typisierend bestimmte Grenze, ab der Missbrauch in Frage steht, nicht überschreiten (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 aaO RdNr 21ff) .
Ausgehend von dieser Ausfüllung des § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II bedürfen im Weiteren die Sachlagen (verschiedenster Art) der Regelung, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Referenzmiete zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten den konkreten Bedarf nicht deckt. § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestimmt dazu, dass – soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen – sie als Bedarf solange anzuerkennen sind, wie es dem Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach dieser Vorschrift regeln sich alle „Überschreitungsfälle“, unabhängig von der Ursache des Mehraufwandes – von fehlender Verfügbarkeit hinreichend preiswerten Wohnraums bis zum <gerechtfertigten> (Flächen-) Mehrbedarf eines behinderten Menschen – (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 aaO <München>, RdNr 32ff), wobei die höchstrichterliche Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bisher keinen Fall zu entscheiden hatte, in dem eine entsprechende Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zur Durchsetzung der Neuanmietung einer „zu teuren“ Wohnung in Frage stand (wenig überzeugend BSG, Urteil vom 06. Mai 2010 – B 14 AS 7/09 R RdNr 16 – es wird ohne weitere Begründung die Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II erwogen). Soweit § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zur Anwendung gelangt, ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob ein Mehraufwand übernommen wird. Dies geschieht nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II immer vollständig, wenn die Notwendigkeit (wegen Fehlens von hinreichend preiswertem Alternativwohnraum, individuellen Mehrbedarfs, Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels etc) bejaht wird; dies ist zwingend, da es sich bei Unterkunft und Heizung um einen Teil des physischen Existenzminimums handelt, der stets gedeckt sein muss (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 RdNr 135, 148 aE; vgl auch BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1995 – 5 C 14/95 RdNr 11). Die nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu ordnenden Sachlagen sind einer Regelung durch Satzung oder Verordnung nicht zugänglich, weil vielfältigste konkrete Bedarfslagen tatbestandlich abgebildet werden müssten, und sie sollen auch in der WAV nicht geregelt werden, wie sich daran erweist, dass dort als Rechtsfolge des Vorliegens eines der zitierten „Erhöhungstatbestände“ mit der Erbringung einer prozentual aufgestockten Referenzmiete im Ergebnis eine Kappungsgrenze bestimmt ist, also gerade keine dem Entscheidungstyp des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II (tatbestandliche Anerkennung des Bedarfs führt zur vollen Deckung) entsprechenden Regelungen vorgesehen sind.
Nach dem bisher Gesagten sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ausgehend vom derzeitigen Stand seiner Auslegung in der Rechtsprechung nach Personengruppen differenzierte abstrakte Angemessenheitsgrenzen fremd. Sie dürften aber jedenfalls im Sinne einer systematischen Weiterentwicklung durch § 22b Abs 3 SGB II möglich sein. Wie bereits dargelegt ordnet die Rechtsprechung zu § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Sachlagen, die zu einer Überschreitung der Referenzmiete führen, § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu, das heißt auch für Behinderte mit erhöhtem Raumbedarf oder ältere Menschen, die aus Zumutbarkeitserwägungen nicht (mehr) auf einen Umzug verpflichtet werden, wird die abstrakt angemessene Miete nicht gesondert bestimmt. Es verbleibt vielmehr bei der Referenzmiete, die ausgehend von weder positiv noch negativ (Beispiel dafür: verminderte Wohnungsfläche/geringerer Wohnungsstandard für den Personenkreis der unter 25-jährigen Leistungsberechtigten – dazu LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. Oktober 2009 – L 11 B 465/09 AS ER) vom Normalmaß abweichenden Bedarfslagen standardisiert ist. Dies bedeutet insbesondere, dass auch in diesen Zusammenhängen (sofern entsprechend aufgefordert wurde) der Druck der Kostensenkungsobliegenheit bestehen bleibt. Dieser Befund besagt aber nicht, dass § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II keine Differenzierung abstrakt angemessener Aufwendungen erlauben würde, er verdeutlicht nur, dass die Bildung unterschiedlicher Referenzmieten und deren Zuordnung zu vom Regelfall abweichenden Bedarfslagen durch die Leistungsträger bislang nicht stattgefunden hat. Rechtliche, aus dem Normzusammenhang resultierende Bedenken bestehen nicht, denn derartige Differenzierungen fördern eine strikt am Bedarf orientierte Leistungserbringung, umfassen auch Fälle des Wohnungswechsels und schließen in Fällen begründeten Mehrbedarfs die in der Sache regelmäßig nicht angemessene Kostensenkungsobliegenheit aus. Zudem ergibt sich – wie bereits dargetan – ein tragfähiges Normverständnis der in § 22b Abs 3 SGB II getroffenen Regelung nur, wenn differenzierte Referenzmieten Gegenstand der satzungs- bzw verordnungsrechtlichen Regelungen sein können.
Festzuhalten ist damit, dass § 35a Satz 1 SGB XII bezüglich der Geltungsbereichserstreckungsvoraussetzungen an satzungs- bzw verordnungsrechtliche Normen anknüpft, die nach ihrem Typ und ihrer Struktur abstrakte Regelungen treffen, die den Bedarf der bezeichneten besonderen Personengruppen zum Gegenstand haben. Dabei kommt es im Rahmen der hier zu prüfenden Geltungsbereichserstreckung nur darauf an, dass die Satzung/Verordnung Regelungen dieser Art trifft. Nicht entscheidend ist, ob die in Betracht kommenden Normen inhaltlich Bestand haben. Die oben zitierten Bestimmungen des § 6 WAV sind auch nach Auffassung des Senates die einzigen Vorschriften, bezüglich derer zu diskutieren ist, ob sie im Sinne von § 35a Satz 1 SGB XII „zusätzlich auch Bedarfe älterer Menschen berücksichtigen“. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Es handelt sich nach Inhalt, Herkommen und Begründung nicht um (abstrakte) Regelungen, die Modifizierungen zu der nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II der Bestimmung der Angemessenheit allgemein zu Grunde zu liegenden Bedarfssituation treffen, sondern es handelt sich um vom Ergebnis entwickelte Bestimmungen zur Vermeidung von Härten.
Modell einer Regelung, die abstrakte Angemessenheitsgrenzen bestimmt, ist § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Ausformung, die diese Regelung durch die Rechtsprechung des BSG erhalten hat. Den Grundzügen der Anwendung dieser Vorschrift zur Ermittlung einer allgemeinen Angemessenheitsgrenze muss auch eine untergesetzliche Norm zur Festlegung einer Angemessenheitsgrenze entsprechen, die nur für eine bestimmte Gruppe von Leistungsberechtigten Geltung beansprucht. Der Normgeber hat zu erwägen, welchen Kriterien folgend Flächen- und/oder Preiskomponente abzuwandeln sind. Dies setzt voraus, dass Abweichungen bzgl des Wohnflächen- und/oder Qualitätsbedarfs analysiert werden und unter wertender Vorgabe (im Rahmen der Rechtsanwendung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II derzeit repräsentiert durch die Flächenbegrenzung des sozialen Wohnungsbaus und die Beschränkung auf einfachen Standard) Vorstellungen entwickelt werden, welche Aufwendungen es regelhaft erfordert, Wohnungen des vorgesehenen (Flächen-/Ausstattungs-/Preis-) Standards anzumieten. Sofern eine Regelung dieses Typs getroffen ist, unterliegt sie ggf nach § 55a SGG der Prüfung, ob sie gesetzeskonform ist, insbesondere den Rahmen der Ermächtigung gewahrt hat, im vorliegenden Zusammenhang ist dagegen nur von Bedeutung, ob eine so geartete Regelung als Anknüpfungspunkt der Geltungserstreckung gemäß § 35a Satz 1 und 2 SGB XII vorhanden ist. Vorbehaltlich einer Ausgestaltung als Ermessensnorm (dazu unten) und der Frage nach einer hinreichend belastbaren Datengrundlage folgt etwa die in § 22b Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB II „geforderte“ und in § 6 Abs 9 WAV umgesetzte Regelung für Sachverhalte der Ausübung eines elterlichen Umgangsrechts diesen Vorgaben, indem der Flächenbedarf generell erhöht wird und es bzgl des Preisfaktors unverändert bei der gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II geltenden Regel bleibt.
Mit den in § 6 Abs 2 Buchst b – d, Abs 3 und 4 WAV genannten Regelungen werden die Anforderungen dagegen verfehlt, weil es sich nicht um Regelungen handelt, die von einem spezifischen Bedarf ausgehen und auf dessen Art und Umfang reagieren. Da dem so ist, ist es nicht notwendig zu klären, ob durch die Formulierung der in Rede stehenden Normen als Ermessensregelungen – als solche will sie der Antragsgegner ausweislich seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung auch verstanden wissen – dieser Normcharakter tatsächlich begründet ist. Dem Senat erscheint allerdings im Hinblick auf eine (nur dann mögliche) Geltungserhaltung ein Verständnis als gebundene Norm („Kompetenz-Kann“ dazu BSG, Urteil vom 26. September 1991 – 4/1 RA 33/90 RdNr 22) nicht fern liegend; für Ermessensbestimmungen ist weder bei der Bestimmung abstrakter Angemessenheitsgrenzen Raum noch im Rahmen der Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, denn über die Deckung einer konkreten Bedarfslage wird durch die Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite entschieden, die Rechtsfolge ist nicht variabel. Ebenso wenig muss hier abschließend eruiert werden, welche Datenbasis und welche Auswertungsschritte die Anforderungen an eine „zusätzlich die Bedarfe älterer Menschen berücksichtigende“ Regelung im vorliegenden Zusammenhang sicher erfüllen. Ausreichend ist insoweit die Feststellung, dass derartige Regelungen nicht unmöglich sind und die Begründung, warum § 6 Abs 2 Abs 2 Buchst b – d, Abs 3 und 4 WAV den Anforderungen nicht genügen.
Mit der – abstrakten – Berücksichtigung eines besonderen Unterkunftsbedarfs älterer Menschen ist dem Satzungs- oder Verordnungsgeber nichts Unmögliches auferlegt. Zwar stellt sich die Frage, ob das Lebensalter isoliert betrachtet einen besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung begründen kann. So wird sich kaum fundiert herleiten lassen, dass ein bestimmtes Lebensalter eine besondere Wohnungsgröße, eine besondere Wohnungslage oder eine besondere Wohnungsausstattung erfordert (Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl, § 35a RdNr 3). Maßgeblich sind insofern vielmehr körperliche Defizite (insbesondere mangelnde Beweglichkeit), die zwar häufig mit dem Lebensalter einhergehen, mit diesem aber keineswegs zwangsläufig verbunden sind. Die Berücksichtigung besonderer Unterkunfts- und Heizbedarfe älterer Menschen ist jedoch in der Weise – abstrakt – möglich, dass die Bedarfsermittlung wie bei der Bestimmung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II nach der Statistikmethode (vgl § 20 Abs 5 SGB II iVm § 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG>) erfolgt, dh die statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben der untersten Einkommensgruppen innerhalb der Gruppe der älteren Menschen maßgeblich sind (wobei ggf diejenigen Haushalte nicht als Referenzhaushalte heranzuziehen sind, die unterhalb eines für Ältere angemessenen erachteten Unterkunftsniveaus leben <vgl BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – ua 1 BvL 1/09, juris RdNr 169; Lenze in LPK-SGB II, 4. Aufl, § 3 RBEG RdNr 3>; dabei ist nicht auszuschließen, dass sich eine ausreichende Datengrundlage bereits aus den Erhebungen des Mikrozensus ergibt). Auf diese Wege können ggfs abstrakt höhere Aufwendungen älterer Menschen für die Unterkunft und Heizung Berücksichtigung finden, die insofern altersbedingt sind, als sie auf geringere Mobilität (etwa: Erfordernis einer zentralen Wohnlage zwecks guter Erreichbarkeit etwa von Geschäften und Ärzten; höhere Heizkosten wegen vermehrten Aufenthalts in der Wohnung), auf gesundheitsbedingt, ggfs auch nur vorbeugend gestellte, höhere Ansprüche an den Wohnungsstandard (Aufzug, Schwellenfreiheit, besserer Zugang zu den sanitären Anlagen, vgl dazu Stölting, juris PK § 35a SGB XII RdNr 17) oder sonst für diese Gruppe typisches Verbraucherverhalten (der so genannte <nicht von vornherein zu missbilligende> Remanenzeffekt, wonach ältere Menschen regelmäßig auch nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Partners in der angestammten, für eine Person unverhältnismäßig großen Wohnung verbleiben, dazu von Malottki, Empirische Aspekte bei der Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft, info also 2012, 99, 101) zurückzuführen sind.
Derartige abstrakte Bestimmungen zur Berücksichtigung besonderer Unterkunftsbedarfe älterer Menschen finden sich in der WAV nicht, insbesondere genügen die Härtefallregelungen des § 6 Abs 2 WAV mit den dort benannten Fallgruppen der „längeren Wohndauer“ (mindestens 15 Jahre, Buchstabe b), der „wesentlichen sozialen Bezüge“ (Buchstabe c) und der „über 60-jährigen Hilfeempfangenden“ (Buchstabe d) nicht den diesbezüglichen Anforderungen des § 35a Abs 1 Satz 1 SGB XII. Denn diese Härtefallregelungen tragen keinem besonderen Bedarf älterer Menschen Rechnung. Insofern ist aus Sicht des Verordnungsgebers nur die bisherige Härtefallregelung der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) in die Rechtsverordnung übernommen worden (Begründung zu § 6 Satz 2 WAV). Nach dieser Sichtweise ist die Möglichkeit einer Überschreitung des Richtwertes um 10 vH nach § 4 WAV nur zur Vermeidung eines Wohnraumwechsels und nicht auch für den Fall einer Wohnraumanmietung vorgesehen, da auch die AV-Wohnen diese Möglichkeit nur „bei bestehenden Mietverträgen“ (3.2.1 Abs 4) und nicht auch „bei Neuanmietung von Wohnraum (3.2.2) vorsahen. Ist § 6 Abs 2 WAV in diesem Sinne zu verstehen, wie es bei Anwendung allgemeiner Auslegungsgrundsätze (dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 RdNr 57 mwN) überzeugend begründbar erscheint (anders allerdings die vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung eingenommene Position), liegt es von vornherein fern, eine abstrakt einen alterspezifischen Bedarf berücksichtigende Regelung anzunehmen, da man damit offenbar nur die Möglichkeit geschaffen hat, ua Älteren aus sozialen Gründen (vgl § 6 Abs 2 Halbsatz 1 WAV) zum Zwecke des Wohnungserhalts entgegen zu kommen. Aber auch wenn § 6 Abs 2 WAV auch für Neuanmietungen gilt, ist keine Regelung gegeben, die den Bedarf älterer Menschen berücksichtigt. Denn es bliebe dabei, dass sie nicht auf einen besonderen Bedarf dieser Personengruppe reagiert (vgl zum Ganzen auch Stölting, aaO). Das folgt schon daraus, dass nicht ansatzweise erkennbar ist, dass zu dessen Bestimmung Ermittlungen erfolgt bzw Daten erhoben bzw ausgewertet worden wären, vielmehr wird in der Sache ein – was die hier interessierenden Vorschriften angeht altersbezogener – Bonus gewährt. Gegen die Annahme einer abstrakt den Bedarf älterer Menschen berücksichtigenden Regelung spricht zudem entscheidend, dass dieser Bonus der Höhe nach für sämtliche von den Buchst a – f erfassten Personengruppen bzw Fallgruppen in gleicher Weise prozentual begrenzt ist. Zum einen verdeutlicht die Gleichbehandlung ua mit Alleinerziehenden und Schwangeren, dass nicht auf einen alterspezifischen Bedarf regiert wurde, sondern man aus sozialen Gründen ua der Gruppe der über 60-jährigen Leistungsberechtigten mit einem gewissen Wohlwollen begegnen wollte. Und zum anderen zeigt der Umstand, dass der Prozentsatz, um den der Richtwert überschritten werden darf, immer gleich ist, dass er offenbar „gegriffen“ und nicht durch Bedarfsermittlungen untermauert ist, und damit keinem besonderen Bedarf Rechung getragen ist. Dass auch die Regelung des § 6 Abs 4 WAV, wonach Abs 2 bei ambulanten Wohnformen (einzelne derartige Wohnformen sind in der Vorschrift beispielhaft aufgeführt) entsprechend gilt, die Voraussetzung des § 35a Abs 1 Satz 1 letzter Satzteil SGB XII nicht erfüllt, bedarf nach den soeben erfolgten Ausführungen keiner weiteren Begründung. Insofern fehlt es auch an einem konkreten Altersbezug.
Die Heizkostenregelung des § 6 Abs 3 WAV, wonach eine Überschreitung der Richtwerte nach § 4 WAV unter Umständen auch bei Personen mit einem individuell höheren Heizkostenbedarf zulässig ist (zum Beispiel aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen), ist für den hier in Rede stehenden Zusammenhang – Geltungserstreckung der WAV für die Leistungen der Unterkunft nach § 35 SGB XII aufgrund von besonderen Bedarfen Älterer berücksichtigenden Sonderregelungen für Unterkunft und Heizung, § 35a Abs 1 Satz 1 SGB XII – schon deshalb ungeeignet, weil diese Sonderregelung nur die Heizkosten betrifft. Im Übrigen kann eine Geltungserstreckung auf diese Vorschrift, die auf die Besonderheiten des Einzelfalls abstellt, auch deshalb nicht gestützt werden, weil sie nicht (wie erforderlich, siehe oben) einen abstrakt höheren Bedarf Älterer berücksichtigt.
Eine Geltungserstreckung der WAV allein bzgl ihrer Heizkostenregelung kommt nicht in Betracht, da die WAV ausweislich der in § 4 WAV bestimmten Gesamtangemessenheitsgrenze ein Bruttowarmmietenkonzept verfolgt und demgemäß keine isoliert übertragbare Heizkostenregelung enthält.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zuzulassen.