Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 19.02.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 N 6.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 231 AO, § 80 Abs 1 S 1 VwGO, § 124 VwGO, § 124a VwGO, § 12 Abs 2 KAG BB |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Dezember 2009 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 2.329,42 EUR festgesetzt.
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines im Ortsteil S... der Stadt Bernau bei Berlin gelegenen Grundstücks.
Im Januar 2000 stellte der Beklagte einen Trinkwasserhausanschluss für das klägerische Grundstück her. Hierfür forderte der Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2000 vom Kläger 2... „Aufwandsersatz“. Den am 20. März 2000 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte am 9. Mai 2006 zurückgewiesen.
Die am 9. Juni 2006 erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2009 abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 24. Dezember 2009 zugestellt worden. Er hat am 11. Januar 2010 die Zulassung der Berufung beantragt und am 23. Februar 2010 seinen Antrag erstmals begründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen.
1. Die Darlegungen des Klägers wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat als entscheidungserheblich angesehen und insoweit genügen lassen, dass die Bauarbeiten zur Herstellung des neuen Trinkwasserhausanschlusses „- jedenfalls auch - im Interesse des Klägers“ gelegen hätten. Demgegenüber verneint der Kläger sein Interesse und macht geltend, dass die „Dimensionierung auf ein geplantes Neubauvorhaben zugeschnitten“ sei. Dies greift nicht. Allein der Umstand, dass (gegebenenfalls groß dimensionierte) Baumaßnahmen - auch - weiteren Grundstücken und Gebäuden zugute kommen, steht nicht der Annahme entgegen, dass die Arbeiten - auch - im Interesse des Klägers gelegen haben. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht das objektive Interesse des Klägers an der Herstellung der neuen Anschlussleitung darin begründet gesehen, dass der Kläger „bisher lediglich ‚faktisch‘ über einen ‚provisorischen‘ Anschluss an die Trinkwasserversorgung angeschlossen“ gewesen sei. Damit hat sich der Kläger indessen nicht auseinandergesetzt.
2. Die Darlegungen des Klägers zeigen auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass Zahlungsverjährung nicht eingetreten sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Zahlungsverjährungsfrist für den Kostenersatzanspruch mit Ablauf des Jahres 2005 geendet hätte, wenn der Fristlauf nicht unterbrochen worden wäre. Eine solche Fristunterbrechung sei hier durch Einlegung des Widerspruchs bewirkt worden. Die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) stehe in entsprechender Anwendung von § 231 Abs. 1 Satz 1 Alt. 4 AO i.V.m. § 12 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a KAG dem Fall einer Aussetzung der Vollziehung gleich, wie er in § 231 Abs. 1 AO genannt werde. Hierzu weitergehend hat das Verwaltungsgericht auf die Begründung eines früheren Urteils derselben Kammer (VG Frankfurt (Oder) - 5 K 872/05 -, Urteil vom 22. Juni 2009) Bezug genommen.
Dem gegenüber meint der Kläger, die Sache sei unter dem Blickwinkel besonders schwierig, dass das Verwaltungsgericht eine Analogie angenommen habe, obwohl eine Voraussetzung für eine Analogie, nämlich eine planwidrige Regelungslücke, nicht vorliege; der Landesgesetzgeber habe vielmehr ein „geschlossenes System“ geschaffen, in dem sich die Zahlungsverjährung „zwingend nach den Regeln der AO“ richte. Dieses Vorbringen zeigt aber keine besondere Schwierigkeit auf.
Das Verwaltungsgericht hat von einer „Gesetzeslücke“ insoweit gesprochen, als dass der Gesetzgeber der Abgabenordnung sich lediglich mit stets sofort vollziehbaren Steuern befasst habe. Damit hat das Verwaltungsgericht aufgezeigt, dass die Vorschriften der Abgabenordnung zur (Zahlungs-)Verjährungsunterbrechung auf nicht sofort vollziehbare Zahlungsansprüche nicht unmittelbar passen. Für den vorliegenden Fall ist indessen maßgeblich, welche Regelung der Landesgesetzgeber für sein kommunales Abgabenrecht getroffen hat; dies sieht auch der Kläger so. Dazu führt das Verwaltungsgericht zutreffend aus, dass der Landesgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen habe, dass die Regelungen der Abgabenordnung auf Ersatzansprüche nach § 10 Abs. 1 KAG „entsprechend“ anzuwenden seien (§ 12 Abs. 2 KAG). Die gesetzliche Anordnung einer „entsprechenden Anwendung“ bedeutet indessen nicht, dass der Landesgesetzgeber die Regeln der Abgabenordnung gleichsam 1 : 1 angewendet wissen will. Vielmehr ist bei der entsprechenden Anwendung einer Vorschrift der Abgabenordnung in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Vorschrift bei einem wörtlichen oder dem sonst in Bezug auf Steuern gebräuchlichen Verständnis überhaupt sinnvoll auf die in Rede stehende kommunale Abgabe - oder hier den Ersatzanspruch - angewandt werden kann; anderenfalls muss sie „angepasst“ angewendet werden oder - wenn das nicht geht - ihre Anwendung unterbleiben (vgl. Sauthoff in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand: September 2012, § 12 Rn. 3 m.w.N.). Danach ist hier unschwer festzustellen, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass die Einlegung eines Widerspruchs gegen einen Kostenersatzanspruch, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nach § 12 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a KAG „entsprechend § 231 AO“ zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung führt.
Solche Ansprüche können ihrer Art nach ohne weiteres verjähren. Dann aber greift das Gesamtpaket mit der Möglichkeit der Verjährungsunterbrechung: Denn der Landesgesetzgeber hat für Ersatzansprüche nach § 10 KAG ersichtlich nicht nur die entsprechende Anwendung der dem Schuldner günstigen Regeln der Abgabenordnung über eine Zahlungsverjährung einführen wollen, sondern als ausgewogenes System (§§ 228 bis 232 AO) auch die dem Gläubiger günstigen Regeln über eine Unterbrechung der Zahlungsverjährungsfrist entsprechend passend zur Anwendung bringen wollen.
Soweit es um nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ansprüche geht, sind die Unterbrechungstatbestände bei rein wörtlichem Verständnis indessen weitgehend untauglich, weil es sich um Maßnahmen handelt, die die Behörde wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage entweder überhaupt nicht ergreifen darf (Vollstreckungsmaßnahme) oder jedenfalls nicht sinnvoll ergreifen kann (Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Vollstreckungsaufschub). Möglich bliebe zwar eine Zahlungsaufforderung. Bei Lichte betrachtet erschiene es für den Bürger indessen widersprüchlich, wenn er einerseits durch die aufschiebende Wirkung gerade erreicht, dass die Forderung gegen ihn vorläufig nicht durchgesetzt werden kann, andererseits gleichwohl erneut zur Zahlung aufgefordert wird. Wesentlich nachvollziehbarer ist es, jemandem, der ähnlich wie bei einem Zahlungsaufschub, bei einer Stundung oder bei einer Vollziehungsaussetzung bereits erreicht hat, dass die Forderung gegen ihn vorläufig nicht durchgesetzt werden kann, zuzumuten, sich im Gegenzug auch nicht auf Zahlungsverjährung berufen zu können; dies entspricht einem Grundgedanken des § 231 AO.
Dem steht auch nicht entgegen, dass den Handlungen, die den Lauf der Zahlungsverjährungsfrist nach § 231 AO unterbrechen, „in der Regel gemeinsam“ ist, „dass sie von demjenigen ausgehen müssen, der sich seinen Anspruch erhalten möchte“. Schon der Kläger selbst bringt mit seinem Vorbringen zum Ausdruck, dass es insoweit auch Ausnahmen gibt. Zudem hat das Verwaltungsgericht in seinem zur Begründung in Bezug genommenen Urteil vom 22. Juni 2009 (S. 12) zutreffend ausgeführt, dass „auch § 231 AO mit der ‚Sicherheitsleistung‘ durch den Schuldner ohnehin einen Fall“ enthalte, „in dem die Verjährungsunterbrechung ohne ein Handeln der Behörde eintritt.“ Dies zeigt, dass ein Tätigwerden der Behörde schon bei direkter Anwendung der Norm keine stets notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Unterbrechung ist.
Soweit der Kläger schließlich auf eine für das dortige Landesrecht anderslautende Ansicht des OVG Lüneburg (Urteil vom 18. September 2003 - 9 LB 92/03 -, Juris Rn. 7) hinweist, übergeht er, dass das Verwaltungsgericht sich mit dieser Entscheidung in seinem zur Begründung in Bezug genommenen Urteil vom 22. Juni 2009 (S. 11 f.), argumentativ auseinandergesetzt hat; dass die Sache auch danach noch besonders schwierig ist, legt der Kläger nicht dar. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass das OVG Lüneburg nicht geprüft hat, ob der Verweis auf § 231 AO bei seinem Verständnis für Kostenersatzansprüche noch sinnvoll ist. Im Übrigen wird hierbei auf das Obenstehende verwiesen.
Besonders schwierig ist die Rechtssache auch nicht, soweit der Kläger geltend macht, der brandenburgische Gesetzgeber habe nur die Abgabenordnung und nicht die Verwaltungsgerichtsordnung und das Verwaltungsverfahrensgesetz für entsprechend anwendbar erklärt. Dies geht an der Sache wie auch an der Argumentation des Verwaltungsgerichts vorbei, das selbst nicht davon ausgegangen ist, dass die von ihm angenommene Unterbrechung der Zahlungsverjährung auf der Verwaltungsgerichtsordnung oder dem Verwaltungsverfahrensgesetz beruhe.
Schließlich nimmt der Kläger Bezug auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1982 (- 3 C 6.82 -, Juris), wonach die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Leistungsbescheid die Fälligkeit der Schuld unberührt lasse. Auch damit legt der Kläger keine besonderen Schwierigkeiten dar; insbesondere zeigt er schon nicht auf, dass es darauf für seinen Fall ankäme. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a KAG hängt zwar der Beginn der Zahlungsverjährungsfrist davon ab, dass der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Dies besagt aber nichts darüber, ob und inwieweit - bei gegebenenfalls weiter bestehender Fälligkeit - der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen werden kann. Die Unterbrechung der Frist bestimmt sich vielmehr nach § 231 AO in dessen - landesrechtlicher - entsprechender Anwendung nach § 12 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a KAG. Zur Frage einer Fristunterbrechung verhält sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts indessen nicht.
Soweit der Kläger die Frage andeutet, „ob Kostenersatz unter die öffentlichen Abgaben und Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu fassen ist“, bestehen auch insoweit keine besonderen Schwierigkeiten. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Lehre nahezu einhellig verneint (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 28. Juli 1999 - 2 B 177/98 -, S. 2 des EA; Sodann/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 Rn. 62 m.w.N.). Zudem verfolgt auch der Kläger seinen Ansatz nicht weiter.
3. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich auch nicht, dass die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen wäre. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt u.a. voraus, dass sie eine Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Allgemeininteresse der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger macht für die Behauptung grundsätzlicher Bedeutung dasselbe geltend wie für seine Behauptung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten. Insoweit fehlt es bereits an der Herausarbeitung von einer oder mehreren Fragen, die der Sache grundsätzliche Bedeutung vermitteln sollen; es ist nicht Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts, solche Fragen im Zulassungsverfahren selbst aus dem Vorbringen des Rechtsmittelführers herauszuarbeiten. Im Übrigen lassen sich die nach diesem Vorbringen sich sinngemäß stellenden Fragen, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind – wie vorstehend unter 2. – beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
4. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich auch keine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe sich gegen ein Urteil des OVG Lüneburg gestellt, kommt eine Divergenz nicht in Betracht, weil das OVG Lüneburg als Gericht eines anderen Bundeslandes kein Gericht ist, von dessen Entscheidungen die brandenburgischen Verwaltungsgerichte im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO abweichen könnten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 124 Rn. 12 m.w.N.). Zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1982 (- 3 C 6.82 -, Juris) ist eine Divergenz schon deswegen nicht dargelegt, weil der Kläger keinen abstrakten Rechtssatz oder eine Tatsachenfeststellung herausgearbeitet hat, die in dem angesprochenen Urteil enthalten ist und von dem das Verwaltungsgericht mit einem abstrakten Rechtssatz oder einer Tatsachenfeststellung abgewichen wäre; es ist nicht Sache des Oberverwaltungsgerichts, dies im Berufungszulassungsverfahren selbst zu tun.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).