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Volljährigenadoption – keine entgegenstehenden Vermögensinteressen des leiblichen Eltern-teils ohne konkrete Gefahr eines Bedürftigwerdens


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 18.03.2019
Aktenzeichen 13 UF 11/17 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Der Ausspruch der Annahme darf nicht allein aufgrund der nur potentiellen, gegenwärtig in keiner Weise konkretisierten Gefahr eines Bedürftigwerdens eines Elternteils aufgrund von denkbarer Erwerbslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit versagt werden (vgl. BeckOGK/Löhnig, 1.3.2019, BGB § 1772 Rn. 24).

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 06.12.2016 abgeändert:

Frau …, geb. am …
… 14612 Falkensee,
nimmt auf Grund der §§ 1767 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1768 Abs. 1 S. 1 BGB

Frau …, geb. am …,
… 14612 Falkensee,
als Kind an.

Die Annahme der Volljährigen hat die Wirkung der Annahme einer Minderjährigen (§ 1772 BGB).

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Ihre übrigen Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten selbst.

Der Wert des Verfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Abweisung ihres Antrages, die Annahme als Kind auszusprechen.

Die 1997 geborene Anzunehmende ist das Kind der weiteren Beteiligten zu 3 und 4, die sich 2007 getrennt haben.

Der Beteiligte zu 4 schloss 2009 die Ehe mit der Annehmenden. Diese ist Mutter zweier 1986 und 1992 geborener Söhne, Sie kennt die Anzunehmende seit 2006. Die Anzunehmende wechselte 2011 in den Haushalt des Beteiligten zu 4 und der Annehmenden, in dem auch deren jüngerer Sohn lebte und lebt.

Die Anzunehmende ist unverheiratet, nicht verpartnert und hat keine Kinder.

Alle Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige.

Die Annehmende und die Anzunehmende haben die Ausfertigung einer notariellen Urkunde vorgelegt (2 ff.), die den Antrag der Annehmenden und der Anzunehmenden beurkundet, die Annahme als Kind mit den Wirkungen der Annahme eines Minderjährigen auszusprechen, sowie eine notarielle Urkunde über die Einwilligung des Beteiligten zu 4 in die beantragte Annahme (6 ff.).

Die Beteiligte zu 3 hat von einem bereits Jahre zurückliegenden Kontaktabbruch berichtet und die Entscheidungsgrundlagen der Anzunehmenden bezweifelt (25, 35).

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Die gute Bindung zwischen Annehmenden und Anzunehmenden erreiche nicht die Qualität eines Eltern-Kind-Verhältnisses und persönliche Kontakte der Anzunehmenden zu der Beteiligten zu 3 bis 2013 stünden einer Adoption entgegen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgen die Beschwerdeführerinnen ihr Adoptionsbegehren uneingeschränkt weiter. Das Amtsgericht habe die Adoptionsvoraussetzungen fehlerhaft verneint. Die Anzunehmende schildert im Einzelnen die Gründe einer emotionalen Distanzierung zu ihrer leiblichen Mutter (64) und die Entstehung eines familiären Näheverhältnisses im jetzigen Haushalt ihres Vaters und der Annehmenden (67).

Die leibliche Mutter verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die von ihr als Vorwurf wahrgenommen Gründe der Anzunehmenden für eine emotionale Distanzierung zu ihr seien unwichtig (71). Der Wunsch der Großeltern nach einem Kontakt zur Anzunehmenden stehe einer Adoption entgegen. Sie meint, in Ansehung geleisteten Kindesunterhalts bestünde für den Fall einer Hilfsbedürftigkeit keine Rechtsgrundlage mehr für familiären Beistand und die Idee einer Volladoption sei nur als Fortsetzung der nachehelichen Auseinandersetzungen um das Kind zu begreifen.

Der Senat hat die Annehmende und die Anzunehmende persönlich angehört. Auf den Vermerk vom 13.03.2019 wird verwiesen.

II.

Die nach den §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Der Antrag der Annehmenden und der Anzunehmenden, die Annahme der volljährigen Anzunehmenden auszusprechen (§ 1768 Abs. 1 S. 1 BGB), ist begründet.

Die Annahme ist sittlich gerechtfertigt (§ 1767 Abs. 1 BGB). Der Senat hat sich in der persönlichen Anhörung der Annehmenden und der Anzunehmenden davon überzeugt, dass zwischen beiden seit vielen Jahren ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Sie haben gemeinsam mit dem weiteren Beteiligten zu 4 als Familie zusammengelebt, wobei sich das familiäre Band auch auf die beiden Söhne der Annehmenden erstreckt, von denen der jüngere im selben Haushalt lebt.

Die Einwilligung des weiteren Beteiligten zu 4 als Ehegatte der Annehmenden (§§ 1767 Abs. 2 S. 1, 1749 Abs. 1 S. 1 BGB) ist nicht erforderlich. Das Einwilligungserfordernis erfasst nur Fallgestaltungen, in denen der Anzunehmende allein Kind des Annehmenden wird, damit der andere Ehegatte die neue Verwandtschaftsbeziehung, an der er nicht beteiligt wäre, verhindern kann. Nimmt aber – wie hier – ein Ehegatte (die Annehmende) das Kind des anderen (des weiteren Beteiligten zu 4) an (§ 1741 Abs. 2 S. 3 BGB), so wird der Anzunehmende gemeinschaftliches Kind der Ehegatten (§§ 1767 Abs. 2 S. 1, 1754 Abs. 1 BGB).

Die Einwilligung der Eltern der volljährigen Anzunehmenden ist nicht erforderlich. § 1747 BGB gilt nicht (§ 1768 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ein Annahmeverbot wegen entgegenstehender Interessen der Kinder der Annehmenden besteht nicht (§ 1769 BGB). Da die Annahme als Kind das tatsächlich bestehende Eltern-Kind-Verhältnis zwischen der Annehmenden und der Anzunehmenden nachvollzieht, liegen ideelle Gegeninteressen fern. Aus der Anhörung der Annehmenden und der Anzunehmenden ist auch kein Anhaltspunkt ersichtlich geworden, der die wirtschaftlichen Interessen der Kinder der Annehmenden in adoptionserheblicher Weise berühren könnte.

Gleichfalls begründet ist der Antrag, die Wirkungen der Annahme auf die Wirkungen der Annahme einer Minderjährigen zu erstrecken, weil die Anzunehmende bereits als Minderjährige in der Familie der Annehmenden lebte und diese das Kind ihres Ehegatten, des weiteren Beteiligten zu 4, annimmt (§ 1772 Abs. 1 S. 1 Buchst. b, c BGB).

Überwiegende Interessen der leiblichen Mutter der Anzunehmenden, der weiteren Beteiligten zu 3, bestehen nicht.

Berücksichtigungsfähige Vermögensinteressen der leiblichen Mutter sind nicht festzustellen. Der Ausspruch der Annahme darf nicht allein aufgrund der nur potentiellen, gegenwärtig in keiner Weise konkretisierten Gefahr eines Bedürftigwerdens eines Elternteils aufgrund von denkbarer Erwerbslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit versagt werden (vgl. BeckOGK/Löhnig, 1.3.2019, BGB § 1772 Rn. 24). Eine konkrete Gefahr eines Bedürftigwerdens der weiteren Beteiligten zu 3 ist hier nicht feststellbar. Vielmehr ist die leibliche Mutter seit August 1986 ununterbrochen in ihrer jetzigen Firma beschäftigt und erzielte dort 2015 monatlich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2685 €, wie die Anzunehmende unwidersprochen vorgetragen hat (76). Bei dieser Sachlage drängt sich der Schluss auf hinreichende Versorgungsanwartschaften unabweisbar auf.

Überwiegende ideelle Interessen der leiblichen Mutter sind gleichfalls nicht festzustellen. Die Interessen der Großeltern der Anzunehmenden haben als Interesse der Mutter auszuscheiden, abgesehen davon, dass das Verwandtschaftsverhältnis zur väterlichen Seite ohnedies aufrechterhalten bleibt.

Inwieweit die Idee einer Volladoption nur als Fortsetzung nachehelicher Auseinandersetzungen um das Kind begreifbar sein soll, erschließt sich nicht. Die von der Anzunehmenden vorgebrachten Gründe einer zunehmenden Distanzierung zu ihrer leiblichen Mutter erscheinen dem Senat psychologisch unmittelbar einleuchtend und – nicht zuletzt in Ansehung ihrer Qualifizierung als unwichtig durch die leibliche Mutter noch im Beschwerdeverfahren – erfahrungsbasiert.

Die Anzunehmende verhält sich schließlich auch nicht widersprüchlich, wenn sie zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs zunächst, vor Wirksamwerden der Annahme, ihre Mutter als leibliche Verwandte auf Unterhalt in Anspruch nimmt (vgl. §§ 1751 Abs. 4, 1770 Abs. 3 BGB). Den Adoptionsantrag haben Annehmende und Anzunehmende bereits im Jahre der Volljährigkeit der Anzunehmenden gestellt und der Fortbestand der Unterhaltspflicht der leiblichen Mutter bis zur Wirksamen Adoption (§ 1770 Abs. 3 BGB) ist nicht ihnen anzulasten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1. S 1 FamFG.

Den Wert des Verfahrens setzt der Senat (§ 55 Abs. 3 S 1 Nr. 2 FamGKG) gemäß § 42 Abs. 2, Abs. 3 FamGKG auf 5.000 Euro fest.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 3 S. 1 FamFG).