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Entscheidung 10 UF 8/16


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 19.07.2016
Aktenzeichen 10 UF 8/16 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 10.12.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Mutter zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die beteiligten Eltern streiten um die elterliche Sorge für ihr gemeinsames Kind E… S….

Die Eltern des jetzt fünf Jahre alten Kindes waren nicht verheiratet. Aufgrund einer Sorgeerklärung steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu. Am 16.9.2014 trennten sich die Eltern voneinander und die Mutter zog mit E… aus der gemeinsamen Wohnung aus. Vor dem Amtsgericht Strausberg einigten sich die Eltern am 8.10.2014 (Az. 2.1 F 325/14) auf wöchentliche Umgangstermine, in geraden Wochen von Donnerstagnachmittag bis Montag früh und in ungeraden Wochen von Donnerstagnachmittag bis Freitag früh. Nach dem 24.10.2014 gewährte die Mutter, zunächst mit der Begründung, E… sei erkrankt, keinen Umgang mehr. Am 24.11.2014 erstattete sie gegen den Vater Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs des Kindes. Nachdem das Amtsgericht Strausberg im Verfahren 2.1 F 415/14 ein Glaubwürdigkeitsgutachten wegen dieses Vorwurfs eingeholt hatte, nach dessen Ergebnis keine Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch E… durch seinen Vater vorlagen, fanden seit dem 10.3.2015 zunächst begleitete Umgänge zwischen Vater und Sohn statt. Ab April 2015 einigten sich die Eltern auf 14tägigen, zunächst begleiteten, später unbegleiteten Umgang. Am 28.10.2015 zeigte die Mutter den Vater erneut bei der Polizei an, weil er E… misshandelt habe. Ab Anfang November 2015 befand sie sich mit E… für mehrere Wochen in einer Mutter-Kind-Kureinrichtung. Am 2.12.2015 kam er aufgrund einstweiliger Anordnung des Amtsgerichts in den Haushalt des Vaters.

Beide Eltern haben erstinstanzlich die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für E… auf sich beantragt.

Nach Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens und Anhörung aller Beteiligten, des Kindes und des Jugendamtes hat das Amtsgericht dem Antrag des Antragstellers unter Zurückweisung des Antrags der Antragsgegnerin entsprochen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter. Sie trägt vor:

Das der Entscheidung zugrundeliegende Sachverständigengutachten komme zu dem schwerwiegenden, für sie nachteiligen Ergebnis, dass der Vater deutlich besser erziehungsgeeignet sei als sie, die Mutter. Zum Gutachten sei ihr erstinstanzlich kein rechtliches Gehör gewährt worden. Dies zwinge zur Aufhebung des Beschlusses. Das Amtsgericht hätte die Ausführungen der Sachverständigen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen, weil die Sachverständige abgelehnt und der die Ablehnung zurückweisende Beschluss nicht rechtskräftig gewesen sei. Das Gutachten sei als Entscheidungsgrundlage ungeeignet, denn es weise gravierende Mängel auf.

Die Mutter beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und ihr die alleinige elterliche Sorge für E… zu übertragen.

Der Vater beantragt,

die Beschwerde der Mutter zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

E… hat, seit er beim Vater lebt, wöchentlich begleiteten Umgang mit der Mutter sowie einmal im Monat begleiteten Umgang mit seinen Großeltern mütterlicherseits.

Der Umgangsbegleiter hat über die Umgänge berichtet. Der Senat hat das Kind, die Eltern, die Verfahrensbeiständin und die Vertreterin des Jugendamts in einem Termin persönlich angehört. In diesem Termin hat die Sachverständige Sch… ihr erstinstanzlich erstattetes Gutachten mündlich erläutert. Auf den Anhörungsvermerk zu dem Senatstermin vom 21.6.2016 wird verwiesen. Zur Ergänzung des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Mutter ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist aber unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Amtsgericht hat die elterliche Sorge für E… zu Recht dem Vater allein übertragen. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter kommt nicht in Betracht.

Da die Voraussetzungen der § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Abs. 2 BGB nicht vorliegen, richtet sich die Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.

1. Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht kommt nicht in Betracht. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nur dann an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen werden, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat oder soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt bereits an einem Antrag auf Zurückverweisung. Zur Entscheidung des Senats ist auch eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung nicht notwendig. Auf die Frage, ob das erstinstanzliche Verfahren an Verfahrensfehlern litt, kommt es daher vorliegend nicht an.

2. Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Vor diesem Hintergrund ist eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen, die zunächst dahin geht festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Bejahendenfalls ist zu prüfen, ob die Übertragung gerade auf den Antrag stellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht (vgl. Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl., § 1671 Rn. 12). Diese Prüfung führt hier zur Übertragung der elterlichen Sorge für E… allein auf den Vater.

a) Eine gemeinsame elterliche Sorge kommt nicht in Betracht. Dem Wohl des Kindes entspricht es am besten, die bestehende gemeinsame Sorge der Eltern aufzuheben.

Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung und in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht (BVerfGE 107, 150; BVerfG, FamRZ 2004, 354; BGH, FamRZ 2008, 592; FamRZ 2011, 796). Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft sind unabdingbare Voraussetzung für ein elterliches Zusammenwirken in der Wahrnehmung der Verantwortung für das Kind. Fehlt es hieran, weil die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind und einander ablehnen, kann dies einer gedeihlichen gemeinsamen Sorge im Interesse des Kindes unzuträglich sein, weil nicht gewährleistet ist, dass die Ausübung gemeinsamer elterlicher Sorge hinreichend konfliktfrei verläuft. Tragen die Eltern ihre Uneinigkeit und ihren Zwist auf dem Rücken des Kindes aus, kann das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und unter Umständen sogar in seiner Entwicklung gefährdet werden (vgl. BVerfGE 127, 132).

Allerdings ist aufgrund des hohen sozialpolitischen Werts, der einer auch nach Trennung der Eltern verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge innewohnt (vgl. Senat, FamRZ 1998, 1047; KG, FamRZ 2000, 504), eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten (BGH, FamRZ 2008, 592), zumal es grundsätzlich dem Kindeswohl entspricht, wenn ein Kind in dem Bewusstsein lebt, dass beide Eltern für es Verantwortung tragen, und wenn es seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt erlebt. Die Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen über das tatsächliche Fehlen von Verständigungsmöglichkeiten nicht hinwegzuhelfen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität nicht verordnen lässt. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (vgl. BVerfGE 127, 132; BGH, FamRZ 2008, 592; OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 385, FF 2011, 326). Dies gilt unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist (vgl. BVerfG, FamRZ 2010, 1403; BGH, FamRZ 2008, 994; FamRZ 2008, 592; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8.9.2014 – 6 UF 70/14 –, Rn 22, juris). Letztlich kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat als ihre Aufhebung (BVerfG, FF 2009, 416; BGH, FamRZ 1999, 1646; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.5.2015 - 6 UF 18/15 –, Rn 15, juris).

An diesen Maßstäben gemessen ist die gemeinsame elterliche Sorge für E… aufzuheben. Zwischen den Eltern besteht ein tiefgreifendes Zerwürfnis. Die Mutter hat mehrfach gegen den Vater Strafanzeige erstattet. Kommunikationsprobleme sind offensichtlich, dementsprechend streben auch beide die alleinige elterliche Sorge an. Über den Umgang betreffende Fragen haben die Eltern in der Vergangenheit bereits mehrere gerichtliche Verfahren geführt. Eine Bereitschaft der Mutter zur Kommunikation und Absprache mit dem Vater hat die Sachverständige im erstinstanzlich eingeholten familienpsychologischen Gutachten (Seite 291 des Gutachtens), dessen Ergebnis sich der Senat anschließt, nicht feststellen können. Im Gutachten ist dazu ausgeführt, beide Eltern handelten durch Angst motiviert, was einen konstruktiven Austausch über den Aufenthalt des Kindes verunmögliche (Seite 132 des Gutachtens). Über das elterliche Verhalten gegenüber dem Kind herrscht keine Einigkeit. Insbesondere über die Gesundheitsfürsorge besteht zwischen den Eltern kein Einvernehmen. Die Mutter nimmt den Vater nicht als eine Person wahr, die das Wohl des Kindes gewährleisten kann. Beiden fehlt das Zutrauen in die Erziehungsfähigkeit des jeweils anderen. Dementsprechend sieht auch die Sachverständige in ihrem Gutachten keine Basis für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge. Es stehen wichtige Entscheidungen an. E… wird im Sommer 2017 eingeschult.

In Ansehung dessen kann die Prognose, dass die Eltern in der Lage sein werden, bei einem Dissens in Sachfragen gemeinsam am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen, objektiv nicht getroffen werden.

b) E… Wohl entspricht die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater am besten (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Bei der Frage, welchem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist, ist eine Abwägung nachfolgender Gesichtspunkte vorzunehmen, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1671 BGB Rn 83 f.):

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt,
- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,
- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung

(vgl. zum Ganzen Palandt/Götz, a.a.O., § 1671 Rn 27 ff., 38 ff.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn 52 ff., 64 ff., 68 ff., 78 ff.).

Der Senat ist bei der unter diesem Gesichtspunkt vorgenommenen Überprüfung zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Wohl des Kindes am besten entspricht, wenn der Vater die elterliche Sorge allein ausübt.

aa) Der Kontinuitätsgrundsatz spricht eher für den Vater. Vor ihrer Trennung haben beide Eltern Betreuungsaufgaben wahrgenommen. Nach der Trennung der Eltern Mitte September 2014 lebte E… bis Anfang Dezember 2015 im Haushalt der Mutter, die ihn im Wesentlichen betreut und erzogen hat. Seit Anfang Dezember 2015 lebt das Kind jedoch beim Vater, wobei der Senat im Ergebnis der Anhörungen der Beteiligten festgestellt hat, dass sich E… dort gut eingelebt hat. Die Verfahrensbeiständin hat auf der Grundlage eines Gesprächs mit dem Kind und mit dessen Kita-Erzieherin von E… Wunsch berichtet, weiterhin beim Vater wohnen und die Mutter sehen zu wollen sowie von seinem positiven Bericht über die jetzige familiäre Situation unter Einschluss von Vater, dessen Lebensgefährtin und deren Tochter. Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 20.6.2016 über die positive gesundheitliche und persönliche Entwicklung des Jungen seit seinem Wechsel zum Vater berichtet.

bb) Unter dem Gesichtspunkt der Bindungen des Kindes an seine Eltern lässt sich kein Vorrang zugunsten eines Elternteils feststellen. Die Sachverständige geht in ihrem Gutachten nachvollziehbar von gleichwertigen, sicheren Bindungen des Kindes an beide Eltern aus.

cc) Dem Willen des Kindes kommt im Hinblick auf sein Alter von knapp sechs Jahren keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass E… seinen jetzigen Lebensmittelpunkt beim Vater bevorzugt. Der Verfahrensbeiständin gegenüber hat er erklärt, alles solle so bleiben wie es gerade sei, nachdem er zunächst von sich aus auf ein Wechselmodell zu sprechen gekommen war, wie es mit der Tochter der Lebensgefährtin seines Vaters praktiziert wird. Auf Nachfrage hat E… dies dem Senat bei seiner persönlichen Anhörung bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Äußerung eine Willensbeeinflussung durch einen Elternteil zugrunde läge, sind nicht ersichtlich.

dd) Unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes ist dem Vater der Vorrang zu geben.

(1) Allerdings sind die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten bei beiden Elternteilen gegeben.

(2) Die Erziehungsmöglichkeiten sind weder beim Vater noch bei der Mutter im Hinblick auf Erwerbstätigkeiten oder gesundheitliche Dispositionen über das normale Maß hinaus eingeschränkt. Der Vater und die Zeugin T… haben im Senatstermin vom 21.6.2016 nachvollziehbar erläutert, wie E… Betreuung gesichert ist. Die Mutter hat bereits zuvor bewiesen, dass sie E… auch im Einklang mit einer – derzeit allerdings nicht ausgeübten – Erwerbstätigkeit betreuen und versorgen kann.

(3) Unter dem Gesichtspunkt der Erziehungsfähigkeit besteht jedoch ein deutlicher Vorrang des Vaters. Aus dem Ergebnis des Gutachtens ergibt sich eine deutlich bessere und uneingeschränkte Eignung des Vaters, seine Erziehungsverantwortung zum Wohle des Kindes auszuüben.

Die Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, der Umstand, dass E… nach Angaben der Mutter an Schlafstörungen gelitten habe, die über einen Zeitraum von sieben Monaten dazu führten, dass sich die Mutter für das Kind Schlafmittel verschreiben ließ, weise auf die Übertragung eigener Ängste auf das Kind hin. Dasselbe gelte für den Umstand, dass sie das Kind nicht habe beruhigen können, wenn es Angst gehabt habe, so dass sie sich monatelang nicht anders zu helfen gewusst habe, als ihm Schlafmittel zu verabreichen. E… Bericht von beißenden Schlafmonstern, welche die Mutter geschildert habe, weshalb er immer Angst habe, wenn seine Mutter nicht da sei, verdeutliche das Fehlen erzieherischer Kompetenzen bei der Mutter. Mit ihrem Verhalten löse sie bei dem Kind eher Angst aus und verstärkte diese, als sie ihm zu nehmen.

Die Mutter könne sich nicht, wie die Sachverständige überzeugend darstellt, in das kindliche Erleben einfühlen. Ihre teilweise dramatischen Berichte zum Verlauf der Umgänge und ihre – nicht belegbaren – Zuschreibung gewalttätigen Verhaltens und grausamer Absichten des Vaters belegten ihre fehlende Fähigkeit, dem Kind positives Erleben des Vaters und Traurigkeit wegen des Abschieds von ihm zuzutrauen. Ihre Handlungsstrategie, die Polizei in Situationen zu rufen, in denen mütterliche Fähigkeiten zur Reduktion seelischen Stresses erforderlich gewesen wären – etwa als sie E… am 17.10.2014 während eines Übernachtungsumgangs aufgrund der Äußerung des Kindes, zur Mutter zu wollen, unter Inanspruchnahme polizeilichen Beistandes vom Vater abgeholt habe – habe das Fehlen von Empathie belegt. Auch nach Beratungsgesprächen sei es ihr nicht gelungen, retrospektiv eine den kindlichen Bedürfnissen angemessene Verhaltensweise zu formulieren. Es sei ihr insgesamt nicht möglich gewesen, sich in die Bedürfnisse des Kindes einzufühlen und dessen Beziehungsbedürfnisse hinsichtlich des Vaters wahrzunehmen.

Im Gutachten ist weiter plausibel ausgeführt, die Ursachen der nach der Trennung aufgetretenen, von der Mutter beschriebenen massiven psychischen und physischen Belastungen des Kindes (gesundheitliche Probleme, Schlafstörungen, Einkoten, nächtliches Schreiben, Anklammern, Abwehr ärztlicher Untersuchungen) seien in den Einschränkungen ihrer Erziehungsfähigkeit (sh. oben, II. 1. b) dd) (3)zu suchen. Sie habe das Kind nach der Trennung vereinnahmt, indem sie den Vater von ihm ferngehalten habe. E… habe die Aufgabe übernommen, seine Mutter und ihre Ängste zu beruhigen, ihr etwa für den Fall ihrer Hilfebedürftigkeit seine Hilfe angeboten oder ihr seine Sorgen um die Mutter mitgeteilt und seine Bereitschaft, sie zu schützen (Seite 119 des Gutachtens). Zudem sei E… unter der Obhut der Mutter der Gefahr ausgesetzt worden, den Vater als wichtige, Halt gebende Bindungsperson zu verlieren und mit der den Vater ablehnenden Haltung von Mutter und Großmutter konfrontiert worden. Ihm seien Gefühle gegen den Vater suggeriert worden, die seinem eigenen Erleben widersprochen hätten (Misshandlungen durch den Vater) oder die er nicht habe überprüfen können (Absicht des Vaters, E… von der Mutter wegzunehmen). Die Mutter habe E… ihren Ängsten ausgesetzt und diese auf den Vater projiziert und dadurch für das Kind eine konfuse Situation geschaffen. Insgesamt habe die Mutter die trennungsbedingten Verlustängste des Kindes zu seiner Beeinflussung gegen den Vater genutzt und es mehrfach gezwungen, belastende Aussagen der Mutter bei verschiedenen Institutionen (Polizei, Kinderärztin, Kinderpsychiaterin) mitzuerleben. Gutachterlicherseits sei danach eine seelische Kindesmisshandlung festzustellen. Hierauf beruhe die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung unter dem beschriebenen Einfluss der Mutter.

Demgegenüber liegen nach den Ermittlungen der Sachverständigen keine belegbaren Fakten dazu vor, dass der Vater die elterliche Sorge anders als zum Wohl des Kindes ausüben könnte (Seite 135 des Gutachtens).

(4) Hinsichtlich der Förderkompetenz ist von einem Gleichrang beider Eltern auszugehen. Die Mutter hat im Senatstermin ihrer Auffassung Ausdruck verliehen, aufgrund ihrer Ausbildung besser als der Vater in der Lage zu sein, E… in gesundheitlicher und schulischer Hinsicht zu fördern und ihm ein großes soziales Umfeld zu bieten. Nach Auffassung des Senats findet diese Einschätzung angesichts des vom Vater geschilderten eigenen Engagements im Hinblick auf sportliche, gesundheitliche (psychologische Behandlung des Kindes) und soziale Aktivitäten indes keine Grundlage in der Realität.

(5) Hinsichtlich der Bindungstoleranz ergibt sich ein deutlicher Vorrang des Vaters. Denn mit der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass es der Mutter an der Bindungsintoleranz fehlt. Die Sachverständige führt insoweit nachvollziehbar aus, die Mutter habe E… nach der Trennung vereinnahmt, indem sie den Vater vom Kind ferngehalten habe. Es sei ihr, der Mutter, insgesamt nicht möglich gewesen, sich in die Bedürfnisse des Kindes einzufühlen und seine Beziehungsbedürfnisse hinsichtlich des Vaters wahrzunehmen. Die Mutter habe die autonome Entwicklung des Kindes mit dem Versuch beschränkt, seine Beziehung zum Vater zu korrumpieren, indem sie es zwang, gegen seinen Vater auszusagen und seine Liebesgefühle zum Vater zu verheimlichen, um die eigenen Ängste zu beruhigen. Damit habe sie eine seelische Kindeswohlgefährdung herbeigeführt.

Demgegenüber habe sich der Vater trotz Falschbezichtigung durch die Mutter bindungstolerant verhalten. Er habe die Bedürfnisse des Kindes zur Mutter erkannt und sei bereit, diese wertzuschätzen und aufrechtzuerhalten (Seite 117 des Gutachtens). Dem entsprechen die Äußerungen des Kindes gegenüber der Sachverständigen, das bestätigte, der Vater würde nicht abwertend über die Mutter sprechen, was auch den Erfahrungen der Umgangsbegleiter entsprach (Seite 121 des Gutachtens).

(6) Die Sorgen der Mutter im Hinblick auf eine nicht ausreichende Versorgung des Kindes durch den Vater in gesundheitlicher Hinsicht oder seine Gefährlichkeit teilt der Senat nicht. Aus den Angaben des Kindes, der weiteren Beteiligten und des Jugendamtes ergibt sich, dass sich E… Gesundheitszustand positiv entwickelt und stabilisiert hat. Hinweise auf Versäumnisse des Vaters hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung des Kindes oder das Kind gefährdendes Verhalten haben sich nicht ergeben. Dasselbe gilt für die Annahme der Mutter, der Vater sei für das Kind gefährlich und gewalttätig. Belege hierfür haben sich trotz umfangreicher Ermittlungen im vorliegenden und auch schon im zum Aktenzeichen 2.1 F 415/14 geführten Verfahren vor dem Amtsgericht Strausberg nicht ergeben.

c) Der Senat legt das Gutachten der Sachverständigen Sch… seiner Entscheidungsfindung zugrunde. Er hat es hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Begründung, inneren Logik und Schlüssigkeit geprüft (vgl. BGH, FamRZ 2013, 288) und zu durchgreifenden Bedenken keinen Anlass. Das Gutachten sowie die Ausführungen der Sachverständigen im Senatstermin vom 21.6.2016 sind überzeugend, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Anhaltspunkte dafür, dass die Sachverständige nicht unparteiisch war oder es ihr an der erforderlichen Qualifikation oder Sachkunde fehlt, sind nicht gegeben und von der Mutter auch nicht substantiiert dargetan. Dafür, dass das Ergebnis ihrer Begutachtung auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhte, liegen nach dem Inhalt des Gutachtens und dem Ergebnis ihrer umfassenden Anhörung keine Anhaltspunkte vor.

aa) Die Ausführungen der Mutter im Schriftsatz vom 7.6.2015 begründen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens. Soweit sie im Gutachten wiedergegebene Angaben der befragten Personen korrigiert oder in Frage stellt, ist nicht ersichtlich, dass die Sachverständige in irgendeinem Fall im Kern von unzutreffenden oder lückenhaften Grundlagen ausgegangen wäre, die zur Fehlerhaftigkeit der für ihre Beurteilung erheblichen Tatsachengrundlage und damit zur Einschränkung der Verwertbarkeit des Gutachtens führen könnten. Die Sachverständige hat ihre Ermittlungen und Befunde umfassend offengelegt und damit die Tatsachengrundlage des Gutachtens transparent gemacht. Es ist nicht feststellbar, dass sie die Angaben oder Wertungen ihrer Auskunftspersonen ungeprüft übernommen und als wahr zugrunde gelegt hätte. Vielmehr hat sie die Angaben als Äußerungen der Befragten gekennzeichnet und sie auch zu den weiteren Ergebnissen ihrer Ermittlungen in Beziehung gesetzt. So führt sie aus, in welcher Weise sie etwa die Vorwürfe, die die Eltern wechselseitig erhoben hätten, hinsichtlich belegbarer Tatsachen untersucht hat (Seite 108 ff. des Gutachtens). Danach kann vorliegend der Umstand, dass die Mutter den Wahrheitsgehalt einzelner Feststellungen der Sachverständigen in Frage stellt, den Wert der Begutachtung nicht in Zweifel ziehen.

bb) Gegen die Heranziehung des Gutachtens spricht ferner nicht, dass die Sachverständige die Jugendamtsmitarbeiterin befragt hat, der die Mutter eine feindliche Gesinnung unterstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Wert des Sachverständigengutachtens durch diese Auffassung der Mutter beeinträchtigt werden könnte. Die Sachverständige hat insoweit nachvollziehbar ausgeführt, keine Anhaltspunkte für gegenseitige Beeinflussungen der befragten Personen zu haben, weil diese nach ihrer Einschätzung ihre persönlichen Eindrücke aus dem Kontakt mit den Eltern und dem Kind geschildert hätten. Die Ausführungen im Gutachten bestätigen dies. Denn sie lassen erkennen, dass die Befragten jeweils auf eigene Wahrnehmungen und Erfahrungen Bezug genommen haben.

cc) Im Rahmen der Erstellung eines psychologischen Gutachtens in einem familiengerichtlichen Verfahren bleibt es grundsätzlich dem Sachverständigen überlassen, auf welchem Weg und auf welchen Grundlagen er sein Gutachten erstellt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8.9.2014, a.a.O., Rn 41). Nach Maßgabe dessen greifen die methodischen Rügen der Mutter nicht durch. Insbesondere ist es der Sachverständigen überlassen, welche Methoden der Sachverhaltsermittlung und welche Testverfahren sie verwendet, sofern sie diese – wie hier – transparent macht und zu ihren übrigen Erkenntnissen in Bezug setzt (vgl. OLG Saarbrücken a. a. O.). Soweit die Mutter methodische Mängel bei der Begutachtung rügt, geht sie weder konkret auf die Maßstäbe ein, denen das Gutachten nicht gerecht werde, noch darauf, wie denn die Sachverständige richtigerweise hätte vorgehen sollen oder welche Fehlerquellen sich aus dem vermeintlich mangelhaften Vorgehen hätten ergeben können. Insbesondere soweit die Mutter die Verwendung von Suggestivfragen bei der Befragung des Kindes rügt, folgt der Senat der Auffassung der Mutter nicht, die Sachverständige habe mit der Formulierung ihrer Fragen zielorientiert Falschaussagen des Kindes induziert. In Ansehung der umfassend protokollierten Gespräche (S. 51 ff. des Gutachtens) zwischen der Sachverständigen und E… ist festzustellen, dass die Sachverständige unter anderem gezielt für die Erziehungsfähigkeit relevante Sachverhalte erfragt hat, von denen ihr insbesondere die Mutter zuvor berichtet hatte. Ohne die Benennung der erfragten Situationen wäre solches nicht denkbar. Dementsprechend lässt der Vortrag der Mutter auch nicht erkennen, wie die Sachverständige sonst das Kind hätte konkret befragen sollen. Eine Zielorientierung zum Nachteil der Mutter oder eine suggestive Wirkung lässt sich den Fragestellungen nicht entnehmen. Die Fragetechnik der Sachverständigen beeinträchtigt den Wert des Gutachtens danach nicht.

dd) Der Senat folgt der Mutter schließlich auch nicht darin, dass die Sachverständige falsche Schlussfolgerungen gezogen hätte. Sie hat die – teilweise einander sehr widersprechenden – Aussagen aller befragten Personen und ihre darüber hinaus gewonnenen Erkenntnisse nachvollziehbar beleuchtet, gewürdigt, zueinander in Beziehung gesetzt und aus der so gewonnenen Grundlage nachvollziehbare Schlüsse gezogen, die das Ergebnis ihres Gutachtens tragen.

d) Nach alledem fällt das Ergebnis der Abwägung aller Umstände zugunsten des Vaters aus, für den, wie dargestellt, unter den Gesichtspunkten der Erziehungsfähigkeit ein Vorrang festzustellen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

4. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 40 Abs. 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamGKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.