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Entscheidung 3 WF 101/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 26.09.2013
Aktenzeichen 3 WF 101/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen nicht vollständig versagt werden.

1.

Das Amtsgericht hat angenommen, die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese Einschätzung trifft nur eingeschränkt zu. Allerdings ist die Antragstellerin auch bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rn. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen –FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167) nicht, wie sie selbst annimmt, vollständig leistungsunfähig.

a)

Die Antragstellerin begehrt Abänderung eines am 15.1.2013 geschlossenen Vergleichs. Ihr Antrag ist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG zulässig, da sie Tatsachen vorträgt, welche die Abänderung rechtfertigen. Bei Abschluss des Vergleichs war die Antragstellerin noch erwerbstätig und erzielte unstreitig ein Nettoeinkommen von rund 1.717 €. Mit Rücksicht auf ein am …2013 geborenes Kind bezieht sie seit dem 20.6.2013 Elterngeld, geht einer Erwerbstätigkeit also nicht mehr nach.

Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, § 239 Abs. 2 FamFG. Bei Abänderung eines Vergleichs sind insoweit die Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, maßgebend (vgl. FamVerf/Schael, § 1 Rn. 329). Da Vergleichsgrundlage, wie ausgeführt, ein Einkommen der Antragstellerin aus Erwerbstätigkeit war, wird man ihr - anders als vom Amtsgericht angenommen - nicht vorhalten können, sie sei bei Abschluss des Vergleichs bereits schwanger gewesen, weshalb sie sich nun auf eine Abänderung nicht berufen könne. Die Geschäftsgrundlage, nämlich die Erwerbstätigkeit der Antragstellerin, ist mit der Geburt des weiteren Kindes und dem anschließenden Bezug von Elterngeld weggefallen. Die Schwangerschaft war noch nicht gleichbedeutend mit der Geburt des Kindes; ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Eltergeld bezogen wird, war bei Abschluss des Vergleichs auch nicht eindeutig absehbar. Von daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Antragstellerin bei Abschluss des Vergleichs zur Zahlung von Kindesunterhalt für die beiden aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder auf der Grundlage der damals tatsächlich gegebenen Leistungsfähigkeit verpflichtet hat.

b)

Schon wenn man von den derzeitigen tatsächlichen Einkünften der Antragstellerin ausgeht, ergibt sich nicht, wie von ihr geltend gemacht, eine vollständige Leistungsunfähigkeit.

Das von der Antragstellerin bezogene Elterngeld beläuft sich auf monatlich 1.021,86 €. Dieser Betrag ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin in vollem Umfang für Unterhaltszwecke einzusetzen. Auch unter Hinweis auf § 11 Satz 1 BEEG ist nicht ein Teilbetrag von 300 € unberücksichtigt zu lassen. Die von der Antragstellerin insoweit angeführte Rechtsprechung (BGH, FamRZ 2011, 97, 99 Rn. 29) ist vorliegend nicht einschlägig. In der genannten Entscheidung ging es um Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB. Vorliegend begehrt die Antragstellerin hingegen Abänderung eines auf Kindesunterhalt gerichteten Titels, der schon bei seinem Abschluss im Hinblick auf monatliche Zahlungen von 205 € für jedes der beiden der 2. Altersstufe angehörenden Kinder nicht den Mindestunterhalt gesichert hat. Der Schutz eines Sockelbetrages von 300 € gilt gemäß § 11 Satz 4 BEEG nicht unter anderem in den Fällen des § 1603 Abs. 2 BGB (vgl. auch Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 118). Vorliegend ist ein solcher Fall gegeben. Die Antragstellerin ist ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber unterhaltspflichtig und muss deshalb alle verfügbaren Mittel zu ihren und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Auszugehen ist vom tatsächlichen Elterngeld, auch wenn die Antragsgegner im Schriftsatz vom 25.7.2013 geltend gemacht haben, die Höhe des Elterngeldes beruhe auf einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin, bei der sie nicht voll-, sondern nur teilschichtig beschäftigt gewesen sei. Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich gemäß § 2 BEEG nach dem Einkommen, das vor der Geburt des Kindes tatsächlich erzielt worden ist. Ein Elterngeld auf der Grundlage eines fiktiven Erwerbseinkommens scheidet aus. Die Frage einer vorangegangenen nicht vollschichtigen Tätigkeit berührt die Frage, ob der Unterhaltsschuldner der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gemäß § 1603 Abs. 2 BGB genügt hat. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.7.2013 ist davon auszugehen, dass ihre damaligen tatsächlichen Einkünfte Grundlage des Vergleichs gewesen sind. Vor diesem Hintergrund ist bei summarischer Betrachtung davon auszugehen, dass der Antragstellerin nunmehr nicht der Vorwurf gemacht werden kann, aufgrund eines vorangegangenen Einkommens aus nicht vollschichtiger Tätigkeit nun ein zu geringes Elterngeld zu beziehen.

Setzt man vom Elterngeld - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - ihren Beitrag zur privaten Krankenversicherung ab, verbleibt ein bereinigtes Einkommen von rund 804 € (= 1.021,86 € - 217,43 €).

Bei der Frage der Leistungsfähigkeit ist der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrem Lebensgefährten, der der Vater des am …2013 geborenen Kindes ist, zusammenlebt, zu berücksichtigen. Dies kann entgegen der von den Antragsgegnern mit Schriftsatz vom 25.7.2013 geäußerten Auffassung allerdings nicht in der Weise geschehen, dass der Antragstellerin ein Wohnvorteil zuzurechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin, wie sie selbst geltend macht, Mietzahlungen an ihren Lebensgefährten leistet. Denn der Ansatz eines Wohnvorteils kommt grundsätzlich nur im Falle eines mietfreien Wohnens im eigenen Haus bzw. der eigenen Eigentumswohnung in Betracht (Nr. 5 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2013). Selbst wenn man unterstellte, der Lebensgefährte ließe die Antragstellerin mietfrei in seinem Haus wohnen, würde dies nicht zur Anrechnung eines Wohnvorteils auf Seiten der Antragstellerin führen können. Denn insoweit handelte es sich um eine freiwillige unentgeltliche Zuwendung, welche die Unterhaltspflichtige von einem Dritten erhielte und die regelmäßig nicht den Unterhaltsberechtigten zugute kommen sollte (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 708).

Das Zusammenleben der Antragstellerin mit ihrem Lebensgefährten ist aber unter dem Gesichtspunkt der durch die gemeinsame Haushaltsführung eintretenden Ersparnis zu berücksichtigen, wobei regelmäßig eine solche von 10 % in Ansatz gebracht werden kann (Nr. 21.5 der Unterhaltsleitlinien).

Da die Antragstellerin nicht erwerbstätig ist, beträgt der ihr zuzubilligende notwendige Selbstbehalt grundsätzlich 800 € (Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien). Nach Abzug von 10 % wegen der Haushaltsersparnis verbleiben 720 €.

Bei einem bereinigten Einkommen von rund 804 € ergibt sich eine Verteilungsmasse von 84 € (= 804 € - 720 € Selbstbehalt). Dieser Betrag ist hälftig auf die beiden der 2. Altersstufe angehörenden Antragsgegner zu verteilen, so dass auf jeden von ihnen 42 € entfallen. Das am …2013 geborene weitere Kind der Antragstellerin ist insoweit nicht zu berücksichtigen. Denn diesem Kind gegenüber erfüllt die Antragstellerin ihre Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB.

c)

Auch bei summarischer Betrachtung ist davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin nicht auf ihre tatsächlichen Einkünfte in Form des Elterngeldes zum Nachweis fehlender bzw. eingeschränkter Leistungsfähigkeit berufen kann. Vielmehr ist ihr ein fiktives Einkommen zuzurechnen.

Die Betreuung eines minderjährigen Kindes lässt die gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber einem anderen minderjährigen Kind grundsätzlich nicht entfallen (vgl. Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 275, 296, 440, 443, 446). Demzufolge besteht gegenüber dem Kind, das nicht betreut wird, grundsätzlich die Verpflichtung, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Soweit in einem solchen Fall geltend gemacht wird, es bestehe eine neue Partnerschaft, aus der ein Kind hervorgegangen ist, das nun betreut werden müsse, ist die sogenannte Hausmann-Rechtsprechung des BGH heranzuziehen (vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 275 ff.). Diese Rechtsprechung findet entsprechende Anwendung, wenn der Unterhaltspflichtige in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner zusammenlebt und ein aus dieser Beziehung stammendes Kind betreut (BGH, FamRZ 2001, 614 ff.; Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 297). Entschließt sich der Unterhaltspflichtige in der neuen Verbindung, das hieraus hervorgegangene betreuungsbedürftige Kind zu pflegen und zu erziehen, während der Partner einer Erwerbstätigkeit nachgeht, so ist diese Rollenwahl - unter Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall - dann zu akzeptieren, wenn sich der Familienunterhalt in der neuen Ehe dadurch, dass der andere Partner voll erwerbstätig ist, wesentlich günstiger gestaltet, als es der Fall wäre, wenn dieser die Kindesbetreuung übernehmen würde und der unterhaltspflichtige Elternteil voll erwerbstätig wäre (BGH, FamRZ 2001, 614, 615).

Hinsichtlich der Frage, ob die Rollenwahl gerechtfertigt ist, muss ein strenger, auf enge Ausnahmefälle begrenzter Maßstab gelten, der einen wesentlichen, den Verzicht auf die Aufgabenverteilung unzumutbar machenden Vorteil für die neue Familie voraussetzt (BGH, FamRZ 2001, 614, 616). Solches hat die Antragstellerin hier nicht dargelegt. Sie hat mit Schriftsatz vom 15.7.2013 selbst vorgetragen, ihr Lebensgefährte verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 €. Wenn sie ihrerseits bei Abschluss des Vergleichs noch über ein Nettoeinkommen von rund 1.717 € verfügt hat, ist nicht erkennbar, warum die gewählte Rollenwahl für das Einkommen der neuen Familie wesentliche Vorteile gegenüber einer Betreuung durch den Lebensgefährten bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit der Antragstellerin bietet.

Da somit die gewählte Rollenwahl unterhaltsrechtlich nicht zu akzeptieren ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Lebensgefährte, wenn seine alleinige Erwerbstätigkeit unterhaltsrechtlich zu akzeptieren wäre, es der Antragstellerin ermöglichen müsste, ihre häusliche Tätigkeit auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und grundsätzlich wenigstens eine Nebentätigkeit aufzunehmen, um auch zum Unterhalt der ersten Familie beitragen zu können (vgl. BGH, FamRZ 2001, 614, 616 f.).

Nach alledem war die Antragstellerin unterhaltsrechtlich gehalten, trotz der Geburt des weiteren Kindes ihre Erwerbstätigkeit nicht aufzugeben und sie nach Ablauf der Mutterschutzzeit fortzusetzen. Umstände, die dem entgegenständen, hat sie nicht dargelegt. Ihr ist daher weiterhin ein bereinigtes Einkommen von rund 1.413 €, wie es nach ihrem unbestrittenen Vortrag Grundlage des Vergleichs war, zuzurechnen.

Die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin auf der Grundlage dieses fiktiven Einkommens besteht, soweit dieses über dem notwendigen Selbstbehalt für Erwerbstätige von 1.000 € bzw. 900 € nach Abzug von 10 % Haushaltsersparnis liegt. Danach beläuft sich die Verteilungsmasse auf 513 € (= 1.413 € - 900 €).

Geht man von einer weiteren Verpflichtung der Antragstellerin zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus, ergibt sich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsschlusses insoweit, als sie einem weiteren Kind gegenüber barunterhaltspflichtig ist. Denn ihr Lebensgefährte würde durch die Betreuung des Kindes seiner Barunterhaltspflicht genügen, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Antragstellerin wäre allein barunterhaltspflichtig.

Demgemäß ist die Verteilungsmasse von 513 € auf drei Kinder zu verteilen, die beiden der 2. Altersstufe angehörenden Antragsgegner und das der 1. Altersstufe angehörende Kind der Antragstellerin aus der neuen Verbindung. Es hat eine Mangelverteilung zu erfolgen, bei der sich der Unterhalt für jedes der Kinder aus dem Einsatzbetrag, multipliziert mit der Verteilungsmasse und dividiert mit der Summe der Einsatzbeträge ergibt (vgl. Johannsen/Henrich/Graba, Familienrecht, 5. Aufl., § 1603 BGB Rn. 29). Einsatzbetrag für jedes der minderjährigen Kinder ist der Tabellenbetrag abzüglich anteiligen Kindergeldes (Nr. 24.2 der Unterhaltsleitlinien), mithin der Zahlbetrag. Dieser beläuft sich für die beiden noch der 2. Altersstufe angehörenden Antragsgegner jeweils auf 272 €. Für das weitere Kind der Antragstellerin ergeben sich insoweit 225 €. Die Summe der Einsatzbeträge beläuft sich auf 769 € (= 272 € + 272 € + 225 €). Im Wege der Mangelverteilung entfielen auf jeden der Antragsgegner rund 146 € (= 272 € Einsatzbetrag x 513 € Verteilungsmasse : 769 € Summe der Einsatzbeträge).

Nach alledem ist das Abänderungsbegehren der Antragstellerin auch bei Annahme eines fiktiven Einkommens zumindest teilweise erfolgversprechend, da sich die für die Antragsgegner titulierten Beträge auf jeweils 205 € belaufen. Angesichts einer Differenz von 59 € ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegeben, die eine Anpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage rechtfertigt.

2.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 94). Das Amtsgericht hat noch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Verfahrensführung aufzubringen, §§ 114 Satz 1, 115 ZPO. Dies wird das Amtsgericht nachholen und alsdann unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats über den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entscheiden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.