Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 22.01.2015 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 16.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 8 EMRK, Art 2 Abs 1 GG, Art 6 GG, § 11 Abs 1 AufenthG, § 54 Nr 5a AufenthG, § 55 Abs 1 AufenthG, § 55 Abs 2 Nr 8a AufenthG, § 56 Abs 1 AufenthG |
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Juli 2008 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der 1961 geborene Kläger ist libanesischer Staatsangehöriger. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen libanesischer Herkunft verheiratet, aus der Ehe gingen sieben, im Zeitraum von 1996 bis 2012 geborene Kinder hervor, die mit Ausnahme der ältesten Tochter ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die Eheleute sind getrennt. Die Ehefrau lebt jedenfalls seit dem Jahr 2014 zusammen mit der ältesten Tochter und einer weiteren Tochter, die derzeit fünf oder sechs Jahre alt ist, in Berlin; der 2012 geborene jüngste Sohn ist im September 2014 in Berlin verstorben. Die anderen vier Kinder leben bei dem Kläger im Libanon.
Nach seinem Studium der Islamwissenschaften an der Islamischen Universität Medina reiste der Kläger 1985 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 27. März 1986 erteilte ihm die Deutsche Botschaft in Nikosia/Zypern ein – zunächst auf die Dauer eines Jahres begrenztes – Visum zwecks Aufnahme einer Tätigkeit als Prediger in der Islamischen Gemeinde Düsseldorf. Seit Mai 1991 war er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Ab Oktober 1992 war der Kläger als Imam der A.-Moschee in Berlin-Neukölln tätig, seit 1993 war er zudem Vorstandsvorsitzender des Trägervereins der Moschee „I…)“.
Die von dem Kläger 1995 beantragte Einbürgerung lehnte die damalige Senatsverwaltung für Inneres mit Bescheid vom 30. Juli 1998 unter Hinweis auf das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG ab. Die hiergegen erhobene Klage (VG 2 A 98.98 / OVG 5 N 65.02) blieb erfolglos. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes rechtfertigten tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass der Kläger als Prediger der A.-Moschee in Freitagsgebeten vor allem in den Jahren 1996 und 1997 den Einsatz terroristischer Mittel der „Hizb Allah“ im Kampf gegen israelische Truppen im Südlibanon gut geheißen und dadurch Bestrebungen verfolgt bzw. unterstützt habe, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, nämlich das Verhältnis zu Israel, gefährdeten. Ebenso habe er in diesen Predigten öffentlich zur Gewaltanwendung aufgerufen (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28. Mai 2002 – VG 2 A 98.98 -, UA, S. 5 ff.).
In den Jahren 2002 und 2003 leitete der Generalbundesanwalt strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung (Az. 2 BJs 11/03-5) bzw. wegen des Verdachtes der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida (Az. 2 BJs 91/02-5) gegen den Kläger ein, die er im März 2007 bzw. im Mai 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts einstellte.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2005 verfügte der Beklagte die Ausweisung des Klägers. Zuvor war dem Kläger, der 2003 mit seiner Familie in den Libanon zurückgekehrt war und der bis November 2004 im Rahmen vorübergehender Aufenthalte in Berlin noch Predigten in der A.-Moschee gehalten hatte, bei einem Einreiseversuch am 4. Mai 2005 nach Aushändigung eines entsprechenden Anhörungsschreibens die Einreise in die Bundesrepublik verweigert und seine Zurückschiebung nach Beirut veranlasst worden. Den hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss von selben Tage (VG 27 A 127.05) zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einreise glaubhaft gemacht, da seine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG infolge seiner nicht nur vorübergehenden Ausreise erloschen sei (Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 4. Mai 2005 – VG 27 A 127.05 -, EA, S. 2 f.).
Zur Begründung der Ausweisung verwies der Beklagte auf § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG. Der Kläger habe in den Freitagsgebeten vom 15. Oktober 2004, 29. Oktober 2004 und 12. November 2004 terroristische Taten im Rahmen der Konflikte im Nahen Osten und im Irak gebilligt. Die von dem Kläger gepriesenen und zu Helden verklärten Mujahidin seien, was allgemein bekannt sei, Anhänger von Organisationen wie der Hamas, Ansar-al-Islam oder Al-Qaida, die für den Jihad gegen Juden und Amerikaner einträten und beinahe tagtäglich Anschläge auf unschuldige Menschen verübten. Die Äußerungen des Klägers könnten nur im Sinne eines Billigens der Taten von Selbstmordattentätern und eines Werbens dafür verstanden werden, diese Taten zu unterstützen und nachzuahmen. Damit habe der Kläger in schwerwiegender Art und Weise Bestrebungen gebilligt, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen geeignet seien, die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik – hier deren Verhältnis zu Israel und den USA - zu beeinträchtigen. Auch seien, da der Kläger als jahrelang wirkender Prediger und Lehrer eine herausgehobene Stellung in der überwiegend palästinensischen Gemeinde erworben habe, die Äußerungen geeignet, Zuhörer zu aktiven Unterstützungsleistungen zu werben und damit auch, die in Israel und Palästina sowie im Irak bestehenden Konflikte in die Bundesrepublik hineinzutragen. Die in Bezug genommenen Äußerungen stünden nur exemplarisch für die fanatische und vom Hass geprägte Grundhaltung des Klägers nicht nur gegen Israel und die USA. Seit 1996 habe sich dieser bei seinen Freitagsgebeten offen gegen die Politik im Nahen Osten gewandt und dabei keinen Zweifel gelassen, dass er Gewalt als legitimes und einziges Mittel im Kampf gegen die von ihm benannten „Feinde des Islam“ – neben Israel und den USA auch die als Verräter bezeichneten herrschenden Regierungen der Länder des Nahen Ostens – befürworte. In diesem Zusammenhang nähmen der Jihad und das Märtyrertum eine zentrale Stellung ein. Im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens habe der Kläger auch nicht glaubhaft machen können, dass er sich von derartigen radikalen Ansichten distanziert habe. In der Gesamtschau könnten die Äußerungen des Klägers nicht als rein politische, vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Kritik gewertet werden. Der Kläger agiere mit seiner Hetze gegen die „Ungläubigen“ gegen alle „Feinde des Islam“. Aufgrund der langjährigen hasserfüllten Predigten stehe zu befürchten, dass er an seiner politischen Überzeugung auch weiterhin festhalten werde. Der Gefahr, dass er sich erneut einschlägig politisch betätige, solle durch die Ausweisung begegnet werden. Diese sei zudem auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Bundesrepublik ihr Territorium nicht als Plattform für gewalttätige oder gewaltbereite Auseinandersetzung missbrauchen lasse. Schutzwürdige Belange des Klägers seien nicht so gewichtig, dass die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik dahinter zurücktreten müssten. Der Kläger habe die Bundesrepublik mit seiner Familie bereits 2004 dauerhaft verlassen und verfüge auch nicht mehr über einen erforderlichen Aufenthaltstitel. Auch im Übrigen seien keine schützenswerten Bindungen an das Bundesgebiet erkennbar.
Der Kläger hat am 17. August 2005 Klage gegen seine Ausweisung erhoben. Er hat vorgetragen, dass er mit seiner Familie lediglich vorübergehend in den Libanon gezogen sei, nachdem sein damals vierjähriger Sohn im Rahmen einer polizeilichen Hausdurchsuchung traumatisiert worden sei. Zudem habe seine Mutter krankheitsbedingt der Hilfe bedurft. Eine dauerhafte Umsiedlung sei dagegen nicht geplant gewesen. Dementsprechend habe er seinen Aufenthaltsstatus nicht verloren. Es sei weder klar, wer die von dem Beklagten in der Ausweisungsverfügung in Bezug genommenen Predigten gehört haben wolle, noch wer diese aus dem Arabischen übersetzt habe. Die zitierten Sätze seien aus dem Sinnzusammenhang gerissen, auch habe er einzelne Wörter nicht gesagt. Jedenfalls seien die Interpretationen des Beklagten haltlos. In den benannten Passagen würde die Hilfe Gottes angerufen, nicht die irgendwelcher Kämpfer. Das Wort „Mujahidin“ sei absichtlich einseitig und falsch übersetzt worden und beziehe sich tatsächlich auf die Gläubigen, die Tyrannei und Unrecht erdulden müssten. Der Kläger sei explizit gegen gewalttätige Auseinandersetzungen eingestellt und habe zu keinem Zeitpunkt zu terroristischen Aktivitäten aufgerufen oder dafür geworben. Zudem stehe ihm, da er mit seiner deutschen Frau und seinen deutschen Kindern zusammen lebe, besonderer Ausweisungsschutz zu.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Unter Vorlage eines Behördenzeugnisses der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz (im Folgenden: Verfassungsschutzbehörde) vom 17. April 2007, wonach eine langjährig zuverlässig berichtende nachrichtendienstliche Quelle, die in beiden Sprachen ausreichend sprachkundig und auf Grund ihres religiösen Hintergrundes auch fachlich in der Lage sei, die Predigten zu verstehen und richtig zu übermitteln, deren Inhalt berichtet habe, hat er vorgetragen, dass die in der angefochtenen Verfügung benannten Zitate Auszüge aus einer Reihe über Jahre hinweg gleichlautender Äußerungen darstellten. Diese dürften deshalb nicht isoliert betrachtet werden, die Ausweisung stütze sich auch auf die früheren Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde und auf die Einlassungen des Klägers im Einbürgerungsverfahren. Auch im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger habe es der Generalbundesanwalt als erwiesen angesehen, dass der Kläger eine islamistisch-fundamentalistische Gesinnung habe und Kontakte zu terrorverdächtigen Personen und der ebenfalls teilweise der Mujahidin-Szene zugerechneten A.-Stiftung unterhalten habe. In der Zusammenschau lasse sich jedenfalls eine lange und gefestigte Einbindung des Klägers in islamistische Kreise und eine entsprechende islamistische Grundüberzeugung feststellen. Für eine Abkehr des Klägers von seinen Überzeugungen lägen keine Anhaltspunkte vor, weshalb nach wie vor die Gefahr weiterer öffentlicher Betätigung im Sinne seiner politischen Vorstellungen bestehe und damit jedenfalls die spezialpräventive Motivation der Ausweisung.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23. Juli 2008 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von dem Beklagten zitierten Äußerungen des Klägers selbst bei deren Unterstellung als wahr nicht den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllten. In Betracht komme insoweit allein die Tatbestandsalternative des Billigens einer terroristischen Tat, wofür jedoch erforderlich sei, dass eine konkrete, in der Vergangenheit liegende Tat gebilligt werde. Hieran fehle es, da in den Äußerungen des Klägers vom Oktober 2004 ein entsprechend konkreter Bezug nicht erkennbar sei. Dieser dränge sich auch nicht assoziativ auf, zumal es in den genannten Krisengebieten im Herbst 2004 keine Terroranschläge von dem hier erforderlichen Gewicht gegeben habe. Auch sei der Begriff „Mujahidin“ mehrdeutig, die metaphorisch gehaltenen Bitten um ein Handeln gegen die „Feinde des Islams“ richteten sich an Gott. Gleiches gelte für die zitierte Predigt vom November 2004, die zudem, soweit der Kläger sich auf Vorgänge in Palästina und im Irak beziehe, lediglich politische Meinungsäußerungen enthalten habe. Äußerungen aus dem Jahr 1996 könnten die Ausweisung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil ein möglicher Ausweisungsgrund insoweit mittlerweile verwirkt sei.
Zur Begründung seiner von dem Senat zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, dass die Bitte um göttlichen Schutz für die Mujahidin als Billigung ihrer Taten gewertet werden müsse. Dabei könne kein Zweifel bestehen, dass der Kläger den Begriff „Mujahidin“ im militanten Sinne gebraucht habe, was sich schon aus dem konkreten Zusammenhang mit den bezeichneten Krisengebieten, aber auch aus der für die Zuhörerschaft erkennbaren Zugehörigkeit des Klägers zum islamistischen Spektrum ergebe. Die A.-Moschee werde von den Berliner Sicherheitsbehörden dem islamistisch-salafistischen Spektrum zugeordnet und sei jedenfalls bis 2004 u. a. aus Geldern der A.-Stiftung finanziert worden. Die Äußerungen des Klägers wiesen auch Verbindungen zu konkreten Terrorakten auf, so aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs am deutlichsten zu der Geiselnahme von Beslan/Tschetschenien am 1. September 2004. Hinzu komme, dass der Kläger mit seinen Äußerungen auch für terroristische Taten geworben habe. Die Schutzbitten für die Mujahidin bewerteten deren Handeln in einer Weise, die die Bereitschaft der Zuhörer wecke, deren Kampf zu unterstützen. Gleiches gelte für das Voraussagen oder Erbitten göttlicher Strafen für die „Feinde des Islam“, die schon im Hinblick auf ihre Äußerung im unmittelbaren Zusammenhang mit den wertgeschätzten Taten der Mujahidin nicht als bloße Bitten an Gott zu verstehen seien. Die Eignung derartiger Äußerungen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, ergebe sich mit Blick auf die inzwischen verschärfte Sicherheitslage im Bundesgebiet. Die Bundesrepublik liege, besonders durch das deutsche Engagement in Afghanistan und da sie zu den Unterstützern Israels und der USA zähle, im unmittelbaren Zielspektrum islamistisch-terroristischer Gruppierungen. Verstärkt versuchten diese zudem, in Deutschland aufgewachsene Muslime und Konvertiten zu radikalisieren und zu rekrutieren, wofür insbesondere das Internet und Predigten benutzt würden. Es sei davon auszugehen, dass auch Äußerungen wie die hier in Rede stehenden des Klägers dieses die Begehung von terroristischen Taten begünstigende Klima geschaffen und aufgeheizt hätten. Da seine – nicht nur vereinzelten, sondern seit 1996 mehrfachen und gleichgearteten - Äußerungen elementare Grundinteressen der Bundesrepublik beeinträchtigten, komme ihnen auch ein besonderes Gewicht i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu. Neben der Verteidigung hierdurch gefährdeter außenpolitischer Interessen im Hinblick auf mögliche terroristische Anschläge in Krisengebieten und auf alliierte Einrichtungen sei die Ausweisung auch erforderlich gewesen, um der Gefahr zu begegnen, dass diese Konflikte – etwa durch aus den Krisengebieten zurückkehrende gewaltbereite Kämpfer – in das Bundesgebiet hinein getragen würden, zumal es inzwischen auch hier zu konkreten islamistischen Gewalttaten gekommen sei. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger nach den Ermittlungen des Generalbundesanwaltes bei Muslimen in ganz Deutschland als Autorität und in Teilen der internationalen terroristischen Szene nachweislich als Kontakt- und Vertrauensperson gegolten habe, wie etwa seine festgestellten Kontakte zu zwei Mitgliedern der sog. Hamburger Zelle belegten. Dass eine Wiederholung des für die Ausweisung Anlass gebenden Verhaltens ernsthaft drohe, ergebe sich aus dem Verhalten des Klägers vor und nach Erlass der angefochtenen Verfügung. Schon mit seinen Äußerungen in Predigten des Jahres 1996, die Gegenstand des Einbürgerungsverfahrens gewesen seien, habe der Kläger den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG und sogar den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllt, indem er öffentlich zur Gewaltanwendung aufgerufen und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet habe. Auch nach seiner Ausweisung habe der Kläger vom Libanon aus weiterhin Aufgaben eines Imam in der A.-Moschee wahrgenommen. So habe sich auf deren Homepage ein Hinweis auf seine Telephonnummer befunden, über die Gläubige mit ihm in Kontakt hätten treten können. Zudem seien dort Predigten des Klägers aus den Jahren 2007 und 2008 abrufbar gewesen, in denen dieser weiterhin anti-westliche, antisemitische und gewaltorientierte Positionen vertreten habe. Im März 2009 seien vor Beginn des Freitagsgebetes in der A.-Moschee CDs mit zwei Predigten des Klägers verteilt worden, in denen er erneut den bewaffneten Kampf der Mujahidin billige und dafür werbe und zum gewaltsamen Sturz arabischer Regierungen aufrufe. Ebenso enthielten Predigten des Klägers aus dem Jahr 2011, die ebenfalls über die Homepage der A.-Moschee abrufbar gewesen seien, in einer Reihe von Passagen extremistische Inhalte, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllten, insbesondere indem der Kläger unter Hinweis auf Hizb Allah und Hamas für die Errichtung einer sunnitischen Widerstandsbewegung gegen Israel geworben habe. Im Hinblick hierauf stehe der anlassgebende Ermessensausweisungsgrund in seinem Gewicht dem des Regelausweisungsgrundes der Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 54 Nr. 5a AufenthG in nichts nach. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, dass ohne Weiteres davon auszugehen sei, dass der Kläger unmittelbar nach seiner Wiedereinreise erneut Ausweisungsgründe erfüllen würde, müssten dessen – gering zu bewertende - private Interessen und die seiner deutschen Familienangehörigen zurückstehen. Diesen sei zuzumuten, die familiäre Lebensgemeinschaft außerhalb der Bundesrepublik oder räumlich getrennt fortzusetzen. Eine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse sei, wie die langjährig verdeutlichte anti-westliche Grundhaltung des Klägers zeige, trotz seines langen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht erfolgt und nicht zu erwarten, zumal er sich nunmehr schon seit vielen Jahren nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte. Ohnehin habe der Kläger, der erst als Erwachsener in das Bundesgebiet eingereist und mit der arabischen Sprache und den Gepflogenheiten im Libanon vertraut sei, noch familiäre Verbindungen zu seinem Herkunftsland, wie auch die Übersiedlung der Familie in den Libanon 2004 zeige. Ebenso sei die Ausweisung aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Durch sie werde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Billigen und Bewerben terroristischer Taten und insbesondere Gewaltaufrufe gegen Israel in Deutschland nicht geduldet würden.
Durch seine Äußerungen in den Internetpredigten des Jahres 2011 habe der Kläger zudem den Tatbestand einer Regelausweisung gemäß § 54 Nr. 5a AufenthG erfüllt. Mit diesen vertrete er eine salafistische, in letzter Konsequenz auf die Errichtung eines islamischen Staatswesens gerichtete Überzeugung im klaren Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Da das Gedankengut des Klägers ein erhebliches Radikalisierungspotential für Muslime berge, die über das Internet jederzeit auf die Predigten zugreifen könnten, gefährde er auch die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik. Ebenso habe er öffentlich zur Gewaltanwendung aufgerufen. Auch insoweit übe der Beklagte sein im Hinblick auf § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG bestehendes Ermessen zu Lasten des Klägers aus, da schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorlägen und ein Ausnahmefall nicht ersichtlich sei.
Nachdem der Beklagte hinsichtlich einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung zunächst einen Zeitraum von 13 Jahren für angemessen erachtet hatte, erweiterte er diesen Zeitraum in der mündlichen Verhandlung auf 18 Jahre, wobei für den Fristbeginn auf den 30. Januar 2004 abzustellen sei. Es bestünden schwerwiegende öffentliche Interessen an der Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet. Zwar sei zu berücksichtigen, dass er in familiärer Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsbürgern lebe. Durch seine Predigten habe er jedoch schwerwiegende, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdende Ausweisungsgründe verwirklicht, ohne dass zwischenzeitlich ein Sinneswandel festzustellen sei. Daher sei davon auszugehen, dass er sich zukünftig vergleichbar äußern werde. Ein Überschreiten der gesetzlichen Höchstfrist von fünf Jahren sei auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt, da von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, was insbesondere für den Gewaltaufruf gegen Israel gelte. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass der Kläger eine dauerhafte Rückkehr in das Bundesgebiet erklärtermaßen nicht beabsichtige und hier auch weder wirtschaftlich noch sozial integriert sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 23. Juli 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom 21. Juli 2005 unter Aufhebung der auf den 31. Januar 2017 verfügten Befristung mit sofortiger Wirkung zu befristen.
Er tritt dem Vortrag des Beklagten entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass er derzeit nicht beabsichtige, dauerhaft nach Deutschland zurückzukehren. Die behaupteten Äußerungen aus den Jahren 1996 und 2004 seien weder belegt noch gegen ihn verwendbar. Originalfassungen der Gebete lägen nicht vor, die Sprachkompetenz der nachrichtendienstlichen Quelle werde nicht belegt. Zudem seien seine Äußerungen vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konflikts zu verstehen und als legitime politische Meinungsäußerungen zu betrachten. Wer seine Predigten der Jahre 2007, 2008 und 2011 auf die Homepage der A.-Moschee eingestellt habe, sei ihm nicht bekannt. Er sei zu keiner Zeit mit dem Gesetz in Konflikt geraten, weshalb die von dem Beklagten erfolgte Befristung der Ausweisung auf 13 Jahre völlig unverhältnismäßig sei. Auch bedeute weder die Aufhebung der Ausweisung noch eine kürzere Befristung ihrer Wirkungen ohne weiteres, dass er wieder in die Bundesrepublik einreisen könne. Seine für die Ausweisung in Bezug genommene religiöse und politische Betätigung sei angesichts moderner Kommunikationsmittel andererseits ohnehin nicht durch ein Einreiseverbot zu verhindern.
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 hat der Beklagte eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 18. Januar 2013 hinsichtlich der gerichtlich angefragten Nennung des Namens des V-Mann-Führers/der V-Mann-Führerin übersandt.
Am 30. Januar 2013 hat in der Sache ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in deren Ergebnis der Senat beschlossen hat, Beweis hinsichtlich der von dem Beklagten behaupteten, durch Behördenzeugnisse der Verfassungsschutzbehörde vom 11. Juli 2001, 30. Januar 2002 und 25. Juli 2011 sowie einen Vermerk des Landeskriminalamtes vom 24. Januar 2003 dargelegten Äußerungen des Klägers durch Beiziehung diese belegender Akten zu erheben. Daraufhin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. April 2013 teilweise geschwärzte Unterlagen der Verfassungsschutzbehörde und des Landeskriminalamtes sowie hinsichtlich der geschwärzten Teile eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 16. April 2013 übersandt. Seinen daraufhin gestellten Antrag gemäß § 99 Abs. 2 VwGO hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 zurückgenommen.
Unter Hinweis auf die lebensbedrohliche Erkrankung seines jüngsten Sohnes hatte der Kläger im August 2013 bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Betretenserlaubnis gestellt. Im Rahmen der diesbezüglich von ihm angestrengten gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren (VG 3 L 573.14 V/OVG 7 S 56.14 und VG 27 L 360.14/OVG 7 S 53.14) sind die dortigen Antragsgegner verpflichtet worden, dem Kläger eine auf 72 Stunden begrenzte Betretenserlaubnis und ein entsprechendes Visum zu erteilen. Daraufhin hat der Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2014 eine entsprechende Erlaubnis erteilt. In der Begründung des Bescheides hat er darauf hingewiesen, dass die Wirkung der am 21. Juli 2005 verfügten Ausweisung im Verwaltungsstreitverfahren auf den 31. Januar 2017 befristet worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung war.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Die Ausweisungsverfügung vom 21. Juli 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er hat auch keinen Anspruch auf die von ihm hilfsweise begehrte Befristungsregelung. Die von dem Beklagten verfügte Befristung ist rechtmäßig, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlagen der Ausweisung sind §§ 54 Nr. 5a, 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8a i. V. m. § 56 Abs. 1 Satz 2, 3 und 5 AufenthG. Der von dem Beklagten darüber hinaus in Bezug genommene Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG ist dagegen schon deshalb nicht verwirklicht, da sich die zu Grunde gelegten Äußerungen des Klägers nicht, wie erforderlich, gegen Teile der Bevölkerung der Bundesrepublik richten.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ausweisungsverfügung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dies gilt auch bei Ermessensausweisungen und hat zur Folge, dass bei der Anfechtung einer Ausweisung entscheidungserhebliche neue Tatsachen bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind. Damit korrespondierend trifft die Ausländerbehörde die Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Verfügung. Hält die Behörde trotz nachträglicher Änderungen an ihrer Verfügung fest, muss sie bei einer Ermessensausweisung ihre Ermessenserwägungen entsprechend anpassen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 – 1 C 45/06 -, juris Rn. 12, 18 ff.). Insofern sind hier vor allem das Verhalten des Klägers nach Erlass der angefochtenen Verfügung, durch das weitere Ausweisungstatbestände verwirklicht werden, und die Änderungen seiner familiären Verhältnisse zu berücksichtigen.
a) Bereits in seiner Ausweisungsverfügung vom 21. Juli 2005 hat sich der Beklagte zu Recht auf § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8a AufenthG gestützt. Seine Erwägungen hat er im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zutreffend ergänzt und aktualisiert.
Gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8a AufenthG kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht in einer Weise billigt oder dafür wirbt, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Die Norm soll es ermöglichen, „geistigen Brandstiftern“ so frühzeitig wie möglich zu begegnen. Angesichts der schwerwiegenden Folgen erfordert dies belastbare Feststellungen und eine Aufarbeitung der tatbestandlichen Einzelelemente (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2005 – 2 BvR 485/05 -, juris Rn. 29; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Oktober 2009 – 7 A 10165/09 -, juris Rn. 31).
Der Kläger hat sich bereits in Predigten des Jahres 1996 in einer Weise geäußert, die den Tatbestand des Billigens terroristischer Taten und des Werbens dafür erfüllt.
Bei terroristischen Taten im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG handelt es sich um bewaffnete und planmäßig vorbereitete schwere Gewaltanschläge gegen eine unbegrenzte Vielzahl von Personen aus dem Untergrund zur Verbreitung von allgemeiner Unsicherheit und Schrecken mit dem Ziel, die bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2012 – OVG 3 B 2.11 -, juris Rn. 37). Billigen bedeutet das Gutheißen einer Tat, also die Kundgabe von Zustimmung, dass die Tat begangen worden ist, mit der sich der Ausländer moralisch hinter den Täter stellt. Dabei muss es sich um in der Vergangenheit liegende Taten handeln, während für eine Tat wirbt, wer mit der Absicht handelt, die Bereitschaft eines anderen zu wecken oder zu stärken, eine in der Zukunft liegende, nicht notwendigerweise konkretisierte Tat zu begehen oder zu fördern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2012 – OVG 3 B 2.11 -, juris Rn. 38).
In seinen Predigten im Rahmen des Freitagsgebetes vom 15. März 1996 und vom 25. Oktober 1996 hat der Kläger terroristische Taten gebilligt und dafür geworben. Hinsichtlich des von ihm propagierten „Kampfes für ein islamisches Palästina“ erklärte er am 15. März 1996:
„Die Hizb Allah kämpft richtig und zeigt uns beispielhaft, wie man mit unseren Feinden umgehen muss. Noch während dieses schändlichen Gipfels haben sie die Juden angegriffen, um Rache für den Tod von Ayash und Khalkali zu nehmen.“
In dieser Predigt kritisierte der Kläger den am 13. März 1996 begonnenen Anti-Terrorismus-Gipfel in Ägypten und insbesondere die Teilnahme führender arabischer Politiker hieran, während er die zur gleichen Zeit erfolgten Raketenangriffe der Hizb Allah auf Nordisrael, die schließlich Auslöser der am 11. April 1996 von Israel gegen den Libanon begonnenen 16tägigen Operation „Früchte des Zorns“ waren, als richtigen und beispielhaften Kampf würdigte. Dadurch stellte er sich nicht nur moralisch hinter die mit terroristischen Mitteln kämpfende Hizb Allah, sondern warb durch seine Parteinahme hierfür in Abgrenzung zum Agieren der um Entspannung bemühten arabischen Regierungen auch für das Begehen gleichgearteter Taten („beispielhaft“). Gleiches gilt für die Würdigung des am 26. Oktober 1995 ermordeten Führers der Terrororganisation „Palästinensischer Islamischer Jihad“ (PIJ) Fatih Shakaki, der als Hintermann einiger Selbstmordbombenattentate gilt und den der Kläger in seiner Predigt vom 25. Oktober 1996 als Märtyrer und Vorbild bezeichnete. Indem der Kläger anlässlich des Jahrestages der Ermordung Shakakis erklärte, dass „dieser Märtyrer allen Muslimen ein Vorbild sein“ und dass „aus diesem Grunde der Kampf für den Islam auf der ganzen Welt weitergehen“ müsse, billigte er dessen terroristisches Wirken und warb für das Fördern und Begehen gleichartiger Taten.
Es steht zur vollen Überzeugung des Senates im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fest, dass der Kläger die genannten Äußerungen getätigt hat.
Die Äußerungen basieren auf Berichten von Vertrauenspersonen der Verfassungsschutzbehörde. Deren zeugenschaftliche Vernehmung ist ebenso wie die ihrer V-Mann-Führer/in aufgrund der Sperrerklärungen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nicht möglich. Dem daraus resultierenden Beweisnotstand ist auf der Ebene der konkreten Beweiswürdigung Rechnung zu tragen, wobei es insofern ohne Bedeutung ist, dass ein Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO hier nicht durchgeführt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 6 C 22/12 -, juris Rn. 16 ff.). Das Tatsachengericht hat die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig auszuschöpfen und die ihm zugänglichen Tatsachen sämtlich in seine Sachwürdigung einzubeziehen. Bleiben danach Tatsachen unaufklärbar, ist dies unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast angemessen zu würdigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 6 C 13/07 -, juris Rn. 29 f.).
Eine Aufklärung, ob die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde die Ausweisung rechtfertigen, muss daher maßgeblich anhand der vorliegenden Unterlagen erfolgen. Dabei genügen „schlichte“ Behördenzeugnisse, die sich in pauschalen Behauptungen erschöpfen und nicht durch Angabe konkreter, eine Einschätzung der Verlässlichkeit ermöglichender Tatsachen untermauert werden, allein regelmäßig nicht, um dem Tatrichter die volle Überzeugung von der Wahrheit substantiiert bestrittener Tatsachenbehauptungen zu vermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 6 C 13/07 -, juris Rn. 31). Hier liegen neben dem die benannten Äußerungen darlegenden Behördenzeugnis vom 11. Juli 2001 aufgrund des Beweisbeschlusses des Senates vom 30. Januar 2013 jedoch auch die Unterlagen der Verfassungsschutzbehörde vor, auf denen das Behördenzeugnis basiert. Zwar wurden diese entsprechend der Sperrerklärung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 16. April 2013 teilweise geschwärzt, die im Behördenzeugnis vom 11. Juli 2001 wiedergegebenen Äußerungen der Predigten vom 15. März 1996 und vom 25. Oktober 1996 werden durch die Quellenberichte jedoch belegt. Aus diesen ergibt sich, dass die Vertrauensperson an den jeweiligen Freitagsgebeten selbst teilgenommen hat und über diese berichtet und dabei die zitierten Äußerungen des Klägers mitgeteilt hat.
Die Verfassungsschutzbehörde hat in ihrem von dem Beklagten vorgelegten Schreiben vom 2. September 2013 erklärt, dass im Zeitraum 1996 bis 2004 mehrere V-Personen aus der A.-Moschee berichtet hätten. Es handele sich ausnahmslos um V-Personen, die über Jahre hinweg erprobt worden und langjährig für den Berliner Verfassungsschutz tätig (gewesen) seien. Sie seien sowohl in der deutschen als auch in der arabischen Sprache ausreichend sprachkundig und auf Grund ihres religiösen Hintergrundes fachlich in der Lage, die Predigten zu verstehen und richtig zu übermitteln. Die Zuverlässigkeit der V-Personen und der Wahrheitsgehalt der von ihnen mitgeteilten Informationen seien regelmäßig im oberen Bereich des Bewertungsrahmens eingeordnet worden, was nur dann erfolge, wenn die mitgeteilten Informationen in wesentlichen Einzelheiten mit anderen bereits vorliegenden Erkenntnissen zum selben Sachverhalt übereinstimmten oder sich in das bisherige Bild einfügten oder zumindest der möglichen Tendenz oder bekannten Tätigkeit des Objektes entsprächen. Erkenntnisse, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der V-Personen oder am Wahrheitsgehalt der Informationen begründeten, lägen nicht vor.
Aufgrund dieser substantiierten Darlegung bestehen keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Glaubhaftigkeit und Verlässlichkeit der Informationen der Verfassungsschutzbehörde und der Glaubwürdigkeit der V-Personen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die in Rede stehende Äußerung in der Predigt vom 15. März 1996 nur durch den Bericht der Vertrauensperson VP Nr. 1 bestätigt wird, während die Vertrauensperson VP Nr. 2, die ebenfalls an diesem Freitagsgebet teilgenommen hat, diese Äußerung nicht wiedergibt. Bei den Berichten handelt es sich ersichtlich um zusammenfassende, nicht notwendig in jeder Hinsicht vollständige Wiedergaben der Predigten, wobei keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in diese etwa auch vom Kläger nicht getätigte Aussagen eingeflossen sein könnten.
Der Kläger selbst hat die Äußerungen lediglich pauschal bestritten. Damit vermag er der hier anzustellenden Gesamtwürdigung nicht substantiiert entgegenzutreten.
Unabhängig davon stehen die benannten Äußerungen ihrem Charakter und Aussagegehalt nach in einem stimmigen Kanon der von dem Kläger 1996 gehaltenen Predigten, in denen dieser immer wieder den „Kampf gegen die Feinde des Islam“ propagierte. Ausweislich der vorliegenden Berichte der Vertrauenspersonen hat der Kläger etwa im Freitagsgebet am 8. März 1996 über die Bereitschaft, sein Leben zu opfern, gesprochen und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass ein derartiges Opfer beispielsweise dann möglich sei, wenn Ungläubige, die Gott verflucht hätten, eine Strafe bekommen müssten. Am 5. April 1996 erklärte er, dass alle Politiker Schwindler und Diebe seien, die sich zum Ziel gesetzt hätten, gegen den Islam vorzugehen und ihn einzudämmen. Im anschließenden Gebet rief er Allah um Hilfe, damit diese ungläubigen Politiker und Könige getötet würden. Die im Sommer 1996 von den Berliner Behörden angeblich beabsichtige Schließung und Räumung der A.-Moscheestellte der Kläger in seinen Predigten vom 12. Juli 1996 und vom 16. August 1996 propagandistisch und publizitätsträchtig als „Kampfansage des Westens gegen den Islam“ dar.
Die Äußerungen fügen sich darüber hinaus auch in das durch die übrigen Erkenntnisse – insbesondere aus den strafrechtlichen Ermittlungen und den Erkenntnismitteilungen des Bundesnachrichtendienstes und der Verfassungsschutzbehörde aus sog. offenem Aufkommen sowie den hier vorliegenden Auszügen der Predigten der Jahre 2007 bis 2011 – konsequent vermittelte Bild des Klägers als eines Imam, der in seinen Predigten und öffentlichen Äußerungen den „Kampf für den Islam“ im Wege des militanten Jihad propagiert und mit terroristischen Bestrebungen sympathisiert. So enthalten insbesondere die in der beigezogenen Ausländerakte des Klägers (Bl. 258 ff. AA II) dokumentierten Einstellungsbeschlüsse des Generalbundesanwaltes vom 8. März 2007 (2 BJs 11/03-5, Seiten 11 und 17) und vom 28. Mai 2008 (2 BJs 91/02-5, Seite 3) hinsichtlich der (auch) gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie das beigezogene Urteil des Berliner Kammergerichts vom 6. April 2005 – (1) 2 StE 1/04-5 (1/04) – (Seiten 9 und 41 des Entscheidungsabdruckes) in der Strafsache gegen G. konkrete Feststellungen darüber, dass der Kläger während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Kontakte zu Personen des terroristischen Spektrums, etwa der sog. Hamburger Zelle um die Attentäter des 11. September 2001, hatte. Zu G., der 2003 nachweislich einen Sprengstoffanschlag in Deutschland geplant und hierfür bereits erhebliche Vorbereitungen getroffen und der seit dem Frühjahr 1998 regelmäßig die A.-Moschee besucht hatte, bestand hiernach ein enges Vertrauensverhältnis. Ebenso verfügte der Kläger über gute Beziehungen zur wahhabitisch ausgerichteten A.-Stiftung, die bis zu ihrer Schließung im Oktober 2004 im Verdacht stand, zur Finanzierung des Terrorismus beigetragen zu haben und deshalb mit Verordnung (EG) Nr. 951/2002 der EU-Kommission vom 3. Juni 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama Bin Laden, dem Al Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen (Abl. L 145, S. 14), in die Liste derjenigen Organisationen aufgenommen wurde, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden. Die entsprechenden Feststellungen des Generalbundesanwaltes im Einstellungsbeschluss vom 8. März 2007 (2 BJs 11/03-5, Seite 12) werden durch den zum hiesigen Verfahren beigezogenen Grundbuchauszug hinsichtlich des Grundstückes H…straße in Berlin-Neukölln, auf dem sich das Gebäude der A.-Moschee befindet, und ein an den Kläger und dessen Bruder gerichtetes Dankschreiben der A.-Stiftung vom 16. Dezember 2000 bestätigt. Hieraus ergibt sich, dass die Stiftung am Erwerb des Moschee-Grundstückes beteiligt war und diesen auch finanzierte.
Vergleichbare Äußerungen enthalten auch die Predigten der nachfolgenden Jahre, die im Zeitraum von 2007 bis 2011 über die Homepage der A.-Moschee abrufbar waren bzw. in einem Fall auch per CD verteilt wurden. So propagierte der Kläger insbesondere in den Predigten des Jahres 2011, die dem Senat in längeren wörtlich übersetzten Auszügen vorliegen, nicht nur die Gründung eines islamischen Staatswesens und die Herrschaft Allahs und der Scharia (Predigt 10, Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 3 ff.), sondern forderte explizit eine „sunnitische Widerstandsbewegung, die Israel bekämpft, genauso wie Hizb Allah Israel bekämpft“ (Predigt 9, Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 10 f.). An gleicher Stelle heißt es auch, dass die Sunniten auf der Seite von Hizb Allah seien, wenn deren Ziel die Bekämpfung von Israel sei. Die von dem Kläger bereits im Einbürgerungsverfahren aufgestellte Behauptung, in seiner Moschee gebe es keine positive Einstellung zur Hizb Allah, weshalb er die in Rede stehende Äußerung in der Predigt vom 15. März 1996 nicht getätigt haben könne, vermag auch im Hinblick hierauf nicht zu überzeugen. Vielmehr unterscheidet der Kläger ersichtlich zwischen deren gegen Israel gerichteten terroristischen Bestrebungen und den Kampfhandlungen, die sich gegen Sunniten richten, wenn er erklärt: „Wenn sie (die schiitische Hizb Allah) Israel bekämpfen, kämpfen wir mit, aber wenn sie die Waffe gegen uns richten, hätten wir auch eine Waffe, um uns selbst zu verteidigen“ (Predigt 9, Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 11). Diese in ihrem Inhalt eindeutigen Äußerungen aus dem Jahr 2011 hat der Kläger nicht bestritten. Die vorliegenden Auszüge lassen in hinreichendem Maße erkennen, in welchem Kontext sie erfolgten. Die Bezeichnung spezifischer arabischer Begriffe im Original – etwa „Ungläubiger“ (arabisch: „kafir“, S. 5), „Jihad auf dem Wege Allahs“ (arabisch: „Jihad fi-sabili llah“, S. 6) oder „islamische Gemeinschaft“ (arabisch: „Umma“, S. 7) - und die Kennzeichnung unverständlicher Passagen (S. 9) und zitierter Koran-Suren (S. 4 f) sprechen für die Fachkundigkeit und Verlässlichkeit der Übertragung ins Deutsche.
Auch die vorliegenden aktuellen Erkenntnisse bestätigen dieses Bild. Nach der Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 21. Oktober 2013, die sich auf Erkenntnisse aus sog. offenem Aufkommen, vor allem auf mehrere über das Internet zugängliche Quellen stützt, liegen Hinweise dafür vor, dass der Kläger den bewaffneten Widerstand in Syrien durch die Bereitstellung von Waffen, Material und Geldern unterstützt und mit der Terrororganisation Jabhat al-Nusra (JaN) in Verbindung gebracht wird. Der Vermerk der Verfassungsschutzbehörde vom 26. August 2013 nimmt Bezug auf mehrere deutsche und internationale Medienberichte, denen zufolge der Kläger mittlerweile eine Führungsperson der salafistischen Bewegung im Libanon darstelle, den Kampf der sunnitischen Milizen in Syrien aktiv unterstütze und im April 2013 in einer Fatwa öffentlich zum Jihad aufgerufen habe. In ihrem Vermerk vom 29. Dezember 2014 verweist die Verfassungsschutzbehörde u. a. auf einen französischsprachigen Artikel von Médiarama vom 30. Oktober 2013, wonach der Kläger in einem Interview gedroht habe, in die Verteidigung seines Stadtteils Extremisten des Al-Qaida-Netzwerkes – etwa Jihadisten des IS und der JaN – einzubeziehen. Laut eines Artikels der libanesischen Tageszeitung An-Nahar vom 27. Oktober 2014 habe die JaN bestätigt, dass der Kläger mit ihr in Verbindung getreten sei.
Der Beklagte durfte die genannten Äußerungen des Jahres 1996 in seine Ausweisungsentscheidung einbeziehen; eine Verwirkung ist, anders als das Verwaltungsgericht meinte, insoweit nicht gegeben. Denn dies setzte voraus, dass der Beklagte entgegen Treu und Glauben über einen längeren Zeitraum untätig geblieben wäre, obwohl ihm ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, das Vorliegen von Ausweisungsgründen geltend zu machen, und dass der Kläger infolge dessen darauf hätte vertrauen dürfen, dass ihm diese Äußerungen nicht mehr zu Last gelegt würden, und sich tatsächlich darauf eingerichtet hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 4 C 2.00 -, juris Rn. 45). Ausweisungsgründe dürfen unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer deshalb nur dann und solange entgegengehalten werden, als sie noch aktuell und nicht verbraucht sind bzw. die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 – 1 C 26.03 -, juris Rn. 21). Angesichts des Einbürgerungs- und der staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren fehlt es hier sowohl an einer treuwidrigen Untätigkeit des Beklagten, der den Ausgang dieser auch für eine Ausweisung relevanten Verfahren abwarten durfte, als auch an einem schützenswerten Vertrauen des Klägers, dass die zuständigen Behörden aus seinen Äußerungen keine Konsequenzen ziehen würden.
Auch mit den von dem Beklagten in dem angefochtenen Bescheid in Bezug genommenen Äußerungen des Jahres 2004 hat der Kläger den Tatbestand des Billigens und Werbens i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllt. Dies gilt jedenfalls für die Predigten vom 15. Oktober 2004 und vom 29. Oktober 2004, die dem Senat durch das Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 25. Juli 2011 und die hierzu auf den Beweisbeschluss vom 30. Januar 2013 übersandten Unterlagen vorliegen. Die darin enthaltenen Äußerungen des Klägers,
„Gott schütze die Mujahidin (in) Tschetschenien, Palästina und im Irak. Gott wird dafür sorgen, dass die Feinde des Islams in die Hölle kommen; er wird sie schwach und hilflos machen“ (Predigt vom 15. Oktober 2004),
sowie
„Gott schütze unsere Mujahidin in Palästina und im Irak, Gott lasse bitte einen Tornado über alle Feinde des Islam hinwegfegen, mache sie kaputt und zerstöre sie bitte“ (Predigt vom 29. Oktober 2004),
stellen eine deutliche Parteinahme und Unterstützung terroristischer Kämpfer in den genannten Krisengebieten dar. Dabei ist insbesondere die Wertung des Beklagten nicht zu beanstanden, dass der Kläger den Begriff „Mujahidin“ hierbei in einem militanten Sinne – also als „Gotteskrieger“, der im militanten Jihad für den Sieg des Islam kämpft und fällt - verwendet habe und auch so von seinen Zuhörern verstanden worden sei. Zu beachten ist insoweit, dass § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG bei mehrdeutigen Äußerungen im Hinblick auf die durch Art 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit auszulegen ist und andere mögliche, nicht völlig fern liegende Deutungen als die vom Gericht zugrunde gelegte zuvor mit schlüssigen Gründen auszuschließen sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2012 – OVG 3 B 2.11 -, juris Rn. 28 m. w. N.). Hier überzeugt es jedoch insbesondere im Hinblick auf die Bezugnahme des Klägers auf damals maßgebliche Krisengebiete und Zentren terroristischer Anschläge sowie die unmittelbare Verbindung der Fürbitten mit kriegerisch-aggressiven Verwünschungen der „Feinde des Islam“ nicht, wenn dieser behauptet, er beziehe sich tatsächlich nur auf die Gläubigen, die Tyrannei und Unrecht erdulden müssten. Zudem belegt ein Vergleich mit der Predigt vom 12. November 2004, in der der Kläger ausweislich des vorliegenden Quellenberichtes der Verfassungsschutzbehörde erklärt hat, dass er „zum Schutz der Menschen in Falludsha bzw. im gesamten Irak und für die Menschen in Palästina gebetet“ habe, dass er in den hier in Rede stehenden Predigten nach Wortwahl und Kontext einen deutlich militanten Ton gewählt und mit den „Mujahidin“ gerade die Akteure terroristischer Anschläge gewürdigt hat. Die Benennung Tschetscheniens – zu Recht verweist der Beklagte auf die seinerzeit ein breites Echo hervorrufende Geiselnahme von Beslan am 1. September 2004 -, Palästinas und des Irak konkretisiert zudem die von dem Kläger gebilligten Taten hinreichend, insbesondere ist davon auszugehen, dass sich der seinerzeit aktuell-politische Bezug der hierfür offenen Zuhörerschaft aufdrängte.
Soweit der Beklagte zur Begründung seiner Verfügung darauf verweist, dass der Kläger durch sein Verhalten im weiteren Verlauf des Verfahrens erneut Ausweisungsgründe gesetzt habe, ist auch dies rechtlich nicht zu beanstanden. Jedenfalls durch seine Äußerungen in den Predigten des Jahres 2011 erfüllt der Kläger den Tatbestand des Werbens für terroristische Taten gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG. In seiner Predigt 9 kritisiert er die Vernachlässigung des Jihad, den er als die Fähigkeit bezeichnet, „Feinde zu bekämpfen und (…) Widerstand zu leisten“, propagiert das „Recht auf den Widerstand gegen Israel“ und erklärt:
„Wir wollen eine sunnitische Widerstandsbewegung, die Israel bekämpft, genauso wie Hizb Allah Israel bekämpft.“ (Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 10 f.)
Gerade diese Bezugnahme auf die Hizb Allah zeigt, dass der Kläger nicht lediglich politisch zum israelisch-palästinensischen Konflikt Stellung bezieht, sondern zur Durchsetzung seiner politischen Ziele die Anwendung terroristischer Mittel befürwortet und dafür wirbt. Bereits zuvor personifiziert er den von ihm verwendeten Begriff des Widerstands mit dem Zusatz „HAMAS und den Leuten des Jihad“ (Predigt 9, Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 6). Der Begriff des Jihad wiederum erschließt sich aus Kontext der Predigten in einem militanten Sinne, wenn der Kläger etwa in seiner Predigt 10 erklärt: „Manche Leute haben den Weg des Jihad eingeschlagen. Sie sagen: Ich bekämpfe solange die ungerechten Herrscher und diejenigen von den Amerikanern, die sie eingesetzt haben, bis die Sache zu einem Ende kommt“ (Behördenzeugnis der Verfassungsschutzbehörde vom 30. Juli 2012, S. 3).
Die durch diese Äußerungen erfolgte Tatbestandsverwirklichung ist dem Kläger auch ungeachtet des Umstandes, dass er sich zu dieser Zeit nicht im Bundesgebiet aufhielt, zuzurechnen. Die Predigten waren durch ihre Einstellung auf der Internetseite der A.-Moschee für Gläubige in der Bundesrepublik verfügbar. Dabei kann dahin stehen, wer für diese Einstellung unmittelbar verantwortlich zeichnete. Denn der Kläger, der jahrelang als Imam an der Moschee tätig gewesen war, unterhielt ersichtlich auch nach seiner Ausreise enge Kontakte zur … . Nachdem er im Jahr 2004 zunächst noch vorübergehende Aufenthalte in Berlin dafür genutzt hatte, selbst in der Moschee zu predigen, stand er auch nach seiner Ausweisung jedenfalls bis ins Jahr 2009 hinein durch seine auf der Homepage der Moschee veröffentlichte Telephon- und Faxnummer für Fragen der Gläubigen zur Verfügung. Dies lässt auch für die Folgezeit den Schluss zu, dass er die Veröffentlichung seiner Predigten zumindest gebilligt hat, zumal er selbst nicht behauptet, dass die Veröffentlichung entgegen seinem Willen erfolgt sei.
Die Äußerungen sind auch, wie nach § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erforderlich, geeignet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Maßgeblich ist, ob die begründete Besorgnis besteht, dass in Personen die Bereitschaft zur Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geweckt oder verstärkt wird, was voraussetzt, dass die Äußerungen von denen, an die sie gerichtet sind, ernst genommen werden und geeignet sind, Wirksamkeit zu entfalten. Da der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG Äußerungen und Handlungen erfasst, die das friedliche Zusammenleben gefährden, muss die Störung zudem aktuell sein, also einen Bezug zur Gegenwart haben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2012 – OVG 3 B 2.11 -, juris Rn. 25; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Oktober 2009 – 7 A 10165/09 -, juris Rn. 32; zum Ganzen auch Discher in: GK-AufenthG § 55 Rn. 1081 ff.).
Das ist hier der Fall.
So lässt sich den in Bezug genommenen Quellenberichten der Verfassungsschutzbehörde entnehmen, dass die Predigten des Klägers anlässlich der in der islamischen Religionsausübung wichtigen Freitagsgebete stets eine große Zuhörerschaft fanden und die Moschee mit ca. 1.000 Gläubigen regelmäßig überfüllt war. Zur Predigt vom 15. März 1996 weist eine Anmerkung der Vertrauensperson VP Nr. 1 darauf hin, dass sich nach dem Gebet viele Muslime dahingehend geäußert hätten, dass der Kläger ihnen heute aus der Seele gesprochen habe. Auffallend sei gewesen, dass der Kläger den Anti-Terrorismus-Gipfel in einem von ihm ungewohnt scharfen Ton angegriffen habe. Auch die Vertrauensperson VP Nr. 2 hat zu dieser Predigt mitgeteilt, dass der Kläger sie sehr laut, explosiv und sehr erregt vorgetragen habe. Viele Teilnehmer des Gebetes hätten die Ausführungen später „als zurecht“ bezeichnet. Ähnliche Vermerke finden sich auch zu den Predigten des Jahres 2004. So berichtet die Vertrauensperson zur Predigt vom 15. Oktober 2004 von weitgehend positiven Reaktionen. Die Gläubigen seien froh gewesen, dass der Kläger wieder einmal in Berlin gewesen sei und zu ihnen gesprochen habe. Zur Predigt vom 29. Oktober 2004 heißt es: „(Dem Kläger) gelang es erneut, eine positive Stimmung unter den Gläubigen zu erzeugen. Er gilt nach wie vor als ein konzilianter Redner. Viele Leute glauben jedes Wort von ihm“.
Dies lässt erkennen, dass die Äußerungen des Klägers einen erheblichen Wirkungskreis hatten und geeignet waren, bei seinem Zuhörerkreis die Bereitschaft zu fördern, den militanten und terroristischen Kampf gegen Israel als „Feind des Islams“ zu unterstützen. Im Hinblick auf seine wachsende Popularität und Bedeutung ist davon auszugehen, dass auch die auf der Internetseite der A.-Moschee abrufbaren Predigten eine große Anzahl Gläubiger erreichten und deshalb ein ebenfalls hohes Radikalisierungspotential in sich bargen. Da insbesondere der im Fokus der Predigten stehende israelisch-palästinensische Konflikt nach wie vor besteht, weisen die Äußerungen auch den erforderlichen Gegenwartsbezug auf.
b) Unabhängig davon hat der Kläger auch den Tatbestand einer Regelausweisung gemäß § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht.
Hiernach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (1. Alternative) oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht (2. Alternative).
Zu weitreichend erscheint zwar die Auffassung des Beklagten, dass der Kläger schon deshalb eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. die Sicherheit der Bundesrepublik darstelle, weil er dem politischen Salafismus zuzurechnen sei und dieser in letzter Konsequenz die Errichtung eines universellen islamischen Staatswesens anstrebe. Entsprechende konkrete Bestrebungen sind den Äußerungen des Klägers, der hinsichtlich des von ihm propagierten Kampfes gegen die „Feinde des Islams“ maßgeblich Israel sowie herrschende arabische Politiker ebenso wie die Demokratiebewegungen des sog. Arabischen Frühlings kritisiert, nicht zu entnehmen und können ohne hinreichende Anhaltspunkte auch nicht unterstellt werden. Ebenso wenig war dem Kläger nach den Feststellungen des Generalbundesanwaltes trotz der belegten Kontakte etwa eine Beteiligung an dem von G. in Deutschland geplanten Sprengstoffanschlag nachzuweisen.
Mit seinen Predigten des Jahres 2011 zur Wiederbelebung des militanten Jihad in der arabischen bzw. sunnitischen Gemeinschaft und zur Errichtung einer sunnitischen Widerstandsbewegung, „die Israel genau so bekämpft, wie die Hizb Allah Israel bekämpft“, hat der Kläger aber jedenfalls in politischer Zielsetzung öffentlich zur Gewaltanwendung im Sinne von § 54 Nr. 5a 2. Alt. AufenthG aufgerufen. Entgegen der von ihm in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung beschränken sich seine Äußerungen dabei nicht lediglich auf eine politisch legitime Verteidigungsbereitschaft, was insbesondere seine Bezugnahmen auf Terrororganisationen wie die HAMAS und Hizb Allah belegen. Seine auch im Bundesgebiet verbreiteten Predigten beeinträchtigen die von § 54 Nr. 5a AufenthG geschützte staatliche und gesellschaftliche Grundordnung der Bundesrepublik, indem sie zur Radikalisierung hier lebender Muslime beitragen und diese zur Teilnahme am bewaffneten Kampf auffordern. Unabhängig von der seitens des Beklagten benannten Rückkehrerproblematik erscheint dabei schon die Anwesenheit gewaltbereiter Terrorhelfer, die sich etwa im Bundesgebiet für ihre Teilnahme am „sunnitischen Widerstand“ organisieren und vorbereiten, geeignet, eine Gefahr für inländische Rechtsgüter zu begründen.
c) Allerdings genießt der Kläger besonderen Ausweisungsschutz. Dieser kommt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG einem Ausländer zu, der mit einemdeutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt. Insofern hat der Beklagte zutreffend in seine während des laufenden Verfahrens aktualisierten Erwägungen eingestellt, dass der Kläger zwar nicht mit seiner mittlerweile von ihm getrennt lebenden deutschen Ehefrau, aber mit seinen deutschen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, wobei sich jedenfalls seine jüngste Tochter A. im hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung absehbar auf Dauer im Bundesgebiet aufhält. Dies hat gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann. Erforderlich ist, dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Ob das den Ausweisungsanlass bildende Verhalten diesen Tatbestand erfüllt, ist im Wesentlichen eine Frage des Einzelfalles und unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2009 – 1 C 2/08 -, juris Rn. 14).
Dabei können ungeachtet der in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG enthaltenen gesetzlichen Vermutung schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch im Hinblick auf den von dem Kläger verwirklichten Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG gegeben sein, wenn dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2009 – 1 C 2/08 -, juris Rn. 16). Erfolgt die Ausweisung - wie hier primär - aus spezialpräventiven Gründen, müssen zudem Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Eine lediglich entfernte Möglichkeit weiterer Störungen genügt nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2009 – 1 C 2/08 -, juris Rn. 16).
Gemessen hieran ist vom Vorliegen schwerwiegender Gründe i. S. von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auszugehen. Die den Tatbestand der §§ 55 Abs. 2 Nr. 8a, 54 Nr. 5a AufenthG erfüllenden Predigten des Klägers, in denen dieser als Imam und also in herausgehobener Stellung terroristische Taten gebilligt und dafür geworben hat, erstrecken sich über einen erheblichen Zeitraum. Besonderes Gewicht kommt ihnen auch durch die wiederholte ausdrückliche Bezugnahme auf maßgebliche terroristische Organisationen des Nahen Ostens zu, was die besondere Gefährlichkeit und Brisanz seines Wirkens unterstreicht. Dass er sich hiervon gelöst und insbesondere von terroristischen Bestrebungen abgekehrt hätte, ist nicht im Ansatz ersichtlich. Vielmehr bestehen ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger, der wie dargelegt inzwischen in der arabischen Welt eine populäre Person und religiöse Instanz ist und dem Kontakte zu terroristischen Organisationen und entsprechende Unterstützungshandlungen nachgesagt werden, auch in Zukunft vergleichbare Äußerungen drohen. Insofern ist auf die zunehmende Radikalisierung des Klägers zu verweisen, die den hier vorliegenden Äußerungen wie der Vielzahl an internationalen Medienberichten anschaulich zu entnehmen ist, die in den Vermerken des Landeskriminalamtes vom 27. August 2013 und der Verfassungsschutzbehörde des Beklagten vom 26. August 2013 und 29. Dezember 2014 sowie in der Behördenerklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 21. Oktober 2013 zusammengestellt und ausgewertet wurden. So berichtete neben den bereits zitierten Presseberichten zum Beispiel die Online-Ausgabe des Tagesspiegels in einem Artikel vom 23. August 2013 über den Kläger als „radikalen Scheich, der bereits im Frühjahr 2011 zum Sturz von Syriens Präsident Baschar al Assad aufrief und seitdem regelmäßig junge sunnitische Libanesen zum heiligen Krieg in Syrien“ anstachele. Die Internetseite al-akhbar berichtete am 11. März 2013 über die Finanzierung von Milizen durch den Kläger, ebenso ist einem Artikel der Zeitschrift Al-Diyar vom 6. Juni 2013 zu entnehmen, dass in einem Lager des Klägers Waffen einer salafistischen Gruppierung gelagert worden sein sollen. Im August 2013 wurde dieser nach Angaben der Internetseiten alquds und nna-leb.gov von einer Delegation hochrangiger Vertreter der Terrororganisation PIJ besucht. In einem Artikel der englischsprachigen Internetseite Sada vom 9. Januar 2014 wird der Kläger als „die wichtigste salafistische Persönlichkeit Tripolis‘“ bezeichnet, die wiederholt libanesische Sunniten dazu aufgerufen habe, sich an den Kämpfen in Syrien zu beteiligen.
Dass der Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren um die von ihm begehrte Betretenserlaubnis im vergangenen Jahr erklärt hat, er beabsichtige nicht, in Deutschland erneut eine berufliche Tätigkeit auszuüben und sei bereit zuzusichern, auf jegliche Art von religiöser Betätigung als Imam im Bundesgebiet zu verzichten, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass er Entsprechendes im vorliegenden Verfahren nicht angeboten hat, stellte eine solche „Zusicherung“ letztlich keine verlässliche Gewähr dafür her, dass der Kläger – gerade im Hinblick auf die hervorgehobene Position, die er inzwischen bekleidet - nicht erneut öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften vergleichbare Äußerungen tätigte. Auch dass der Kläger gegenwärtig selbst nicht beabsichtigt, wieder dauerhaft seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu nehmen, ist schon deshalb ohne Belang, weil ihm auch im Jahr 2004 nur vorübergehende Besuche genügten, um als Imam in der A.-Moschee zu predigen.
Die – gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare – Ermessensausübung des Beklagten, die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG auch den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5a AufenthG einzubeziehen hat, ist nicht zu beanstanden. Sein schon in der angefochtenen Ausweisungsverfügung betätigtes Ermessen hat der Beklagte im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zulässig gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt und aktualisiert (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2009 – 1 C 2/08 -, juris Rn. 27) und dabei auch die Kriterien des § 55 Abs. 3 AufenthG berücksichtigt. Dass er neben § 55 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG auch Nr. 8b als erfüllt angesehen hat, steht dem nicht entgegen, da beide Alternativen Handlungsformen der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens beschreiben und die Bestimmung in Nr. 8 deshalb einen einheitlichen Ausweisungsgrund betrifft.
Der Beklagte hat zu Gunsten des Klägers die relativ lange Dauer seines rechtmäßigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik und den Umstand eingestellt, dass seine Kinder (bis auf die älteste Tochter) über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen und dass die jüngste Tochter im Bundesgebiet lebt. Andererseits hat er darauf verwiesen, dass der Kläger erst als Erwachsener eingereist ist und also nicht nur die arabische Sprache spricht, sondern auch mit den Verhältnissen im Libanon vertraut und zudem mit seiner Familie 2003 aus eigener Entscheidung dauerhaft dorthin zurückgekehrt ist, so dass seine Aufenthaltserlaubnis erlosch. Dass der Beklagte angesichts dessen die privaten Belange des Klägers gegenüber dem durch die von dem Kläger konkret ausgehende Wiederholungsgefahr erheblichen öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als weniger schutzwürdig erachtet, ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Hinweis darauf, dass es angesichts der anti-westlichen Grundhaltung des Klägers, aus der heraus dieser etwa der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den herrschenden Moralvorstellungen ablehnend gegenüber steht, zudem an dessen wirklicher Integration in die hiesigen Verhältnisse mangelt. Insbesondere besteht infolge der Trennung der Eheleute die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau nicht mehr. Von seinen minderjährigen Kindern hält sich lediglich die jüngste Tochter im Bundesgebiet auf, während die anderen Kinder mit dem Kläger im Libanon leben, ohne dass nach seinem Vorbringen konkrete Rückkehrabsichten bestünden. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger nicht möglich bzw. zumutbar wäre, die Beziehung zu seiner jüngsten Tochter unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel sowie durch persönliche Kontakte außerhalb des Bundesgebietes zu pflegen, hat er nicht hinreichend vorgetragen. Angesichts des Umstandes, dass sich das Kind bereits (fast) im schulfähigen Alter befindet, drängt sich dies auch nicht auf, zumal sie den Kläger zusammen mit ihrer Mutter nach dem Tod ihres jüngeren Bruders im September 2014 im Libanon besucht hat. Dies spricht dafür, dass derartige Besuche zur persönlichen Kontaktpflege auch weiterhin möglich sein werden.
Die Ausweisung, deren Zweck noch nicht erfüllt ist, ist verhältnismäßig, was auch bei Bestehen eines besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 AufenthG zu prüfen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 -, juris Rn. 41 f.).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist eine Ausweisung verhältnismäßig, wenn sie sich als gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Ausländers einerseits und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung andererseits darstellt. In diese Abwägung sind insbesondere einzustellen die Art und Schwere des den Ausweisungsanlass bildenden Verhaltens des Ausländers, die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet, die seit dem den Ausweisungsanlass bildenden Verhalten verstrichene Zeit und das Verhalten des Ausländers während dieser Zeit, die Staatsangehörigkeit von der Ausweisung ggf. betroffener Personen, die familiäre Situation des Ausländers, insbesondere diejenige etwaiger Kinder, und die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bande mit dem Gastland und dem Bestimmungsland (vgl. EGMR, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 69735/01 (Chair) -, juris Rn. 57 ff.). Dementsprechend ist hier vor allem zu berücksichtigen, dass die Ausweisung im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet in den Schutzbereich der Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 6 Abs. 1 GG eingreift.
Diesen Anforderungen genügt die Ausweisung auch unter Berücksichtigung des grundsätzlich schützenswerten Verhältnisses des Klägers zu seiner im Bundesgebiet lebenden minderjährigen Tochter. Im Hinblick darauf, dass diese immerhin bereits (fast) im schulfähigen Alter ist und dass sie den Kläger zuletzt nach dem Tod ihres jüngsten Bruders im September 2014 mit ihrer Mutter im Libanon besucht hat, erscheinen in Abwägung mit der aktuell bestehenden Gefahr, dass der Kläger erneut und in vergleichbar gewichtiger Art und Weise Ausweisungsgründe verwirklicht, die mit seiner Fernhaltung vom Bundesgebiet verbundenen Einschränkungen der familiären Lebensgemeinschaft zumutbar. Den Kontakt zu seiner Tochter kann der Kläger zumutbar auch unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel sowie durch persönliche Besuche außerhalb des Bundesgebietes pflegen. Davon abgesehen hat der Kläger keine besonders schützenswerten familiären Bindungen mehr zum Bundesgebiet. Von seiner Ehefrau lebt er dauerhaft getrennt, seine übrigen minderjährigen Kinder halten sich bei ihm im Libanon auf, ohne dass konkrete Absichten bestünden, absehbar in die Bundesrepublik zurückzukehren.
2. Der auf eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung gerichtete Hilfsantrag des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die von dem Beklagten mit Bescheid vom 2. September 2014 bereits verfügte Befristung ist rechtmäßig.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Gemäß Satz 2 der Regelung wird ihm auch kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 bestimmt, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden, wobei die Frist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (vgl. hierzu ausführlich: BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19/11 -, juris Rn. 30 ff.). Fehlt es hieran, hat dies aber nicht zur Folge, dass die – als solche rechtmäßige – Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr ist im Fall einer gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen, wobei das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19/11 -, juris Rn. 39 f.).
Bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf einer prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts zu überprüfen bzw. bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19/11 -, juris Rn. 42).
Hier hat der Beklagte die Befristung der Wirkungen der Ausweisung im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verfügt. Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2012 hat er einen Befristungszeitraum von 13 Jahren für angemessen erklärt, beginnend mit dem Zeitpunkt der dauerhaften Ausreise des Klägers am 30. Januar 2004 und entsprechendem Fristende mit Ablauf des 30. Januar 2017. Dass der Beklagte hierdurch eine verbindliche Regelung treffen wollte und getroffen hat, ist der eindeutigen Formulierung in den Gründen der dem Kläger mit Bescheid vom 2. September 2014 erteilten Betretenserlaubnis zu entnehmen. Die dort getroffene Feststellung, „die Wirkung der Ausweisung im Verwaltungsstreitverfahren wurde auf den 31. Januar 2017 befristet“, lässt aus Sicht des insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizontes keine andere Schlussfolgerung zu.
Die Ausführungen des Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung zu einer um weitere fünf Jahre verlängerten Frist stehen dem nicht entgegen, da nicht erkennbar wurde, dass die ursprüngliche Befristungsregelung ist, über die die gerichtliche Entscheidung nicht zu Lasten des Klägers hinaus gehen kann, aufgehoben worden ist.
Die erfolgte Befristung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat der Beklagte auf das schwerwiegende öffentliche Interesse an der Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet verwiesen, das im Hinblick auf die erhebliche Wiederholungsgefahr nach wie vor besteht. Insofern erlauben insbesondere die Feststellungen hinsichtlich der zunehmenden Radikalisierung des Klägers und seine wachsende Popularität im islamistischen Spektrum die Annahme, dass sich der spezialpräventive Zweck der Ausweisung noch nicht erschöpft hat, zumal der Kläger auch nach seiner Ausreise wiederholt - bis jedenfalls in das Jahr 2011 -erneute Ausweisungsgründe gesetzt hat. Da von dem Kläger – wie dargelegt - weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, erscheint die Überschreitung der in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren auch unter Berücksichtigung der familiären Lebensgemeinschaft des Klägers mit deutschen Staatsangehörigen gerechtfertigt. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass mit seiner deutschen Ehefrau keine familiäre Lebensgemeinschaft mehr besteht und dass sich von seinen minderjährigen deutschen Kindern lediglich die jüngste Tochter im Bundesgebiet aufhält, während die anderen Kinder mit dem Kläger im Libanon leben, ohne dass nach seinem Vorbringen konkrete Rückkehrabsichten bestünden. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger nicht möglich bzw. zumutbar wäre, die Beziehung zu seiner jüngsten Tochter unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel sowie durch persönliche Kontakte außerhalb des Bundesgebietes zu pflegen, hat er, wie bereits dargelegt, nicht hinreichend vorgetragen und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. So spricht insbesondere der Umstand, dass seine Tochter ihn zusammen mit ihrer Mutter nach dem Tod des jüngsten Sohnes des Klägers im September 2014 im Libanon besucht hat, dafür, dass eine Kontaktpflege in dieser Form auch in Zukunft erfolgen kann.
Der Hinweis des Klägers darauf, dass er zu keiner Zeit strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, vermag demgegenüber für sich genommen nicht die Angemessenheit einer kürzeren Frist darzulegen. Dies steht der begründeten Feststellung, dass das den Ausweisungsanlass bildende Verhalten losgelöst von einer strafrechtlichen Relevanz jedenfalls von erheblichem Gewicht ist und aktuell fortwirkt, nicht entgegen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.