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Beschwerde; vorläufiger Rechtsschutz; sofort vollziehbare Untersagungsverfügung; Titelverkauf; Ehrentitel einer US-amerikanischen kirchlichen Vereinigung ("Miami Life Development Church"); Verwechslungsgefahr mit akademischen Titeln; Bestimmtheitsgebot


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 05.07.2013
Aktenzeichen OVG 5 S 16.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 37 Abs1 VwVfG, § 125 Abs 2 S 1 HSchulG BE, § 125 Abs 1 S 1 Nr 4 HSchulG BE, § 132a StGB

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 145.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 7. Juni 2012 hat der Antragsgegner der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes untersagt, Gutscheine für Ehrendoktor- und Ehrenprofessorentitel der „Miami Life Development Church“ oder andere Titel, die Hochschulgraden, Hochschultiteln oder Hochschultätigkeitsbezeichnungen zum Verwechseln ähnlich seien, zum Kauf anzubieten. Zur Begründung gab er an, dass die Ehrendoktor- und Ehrenprofessorentitel der „Miami Life Development Church“, bei denen es sich allenfalls um kirchliche Würden handele, Hochschulgraden bzw. Hochschultiteln auch dann zum Verwechseln ähnlich seien, wenn sie in der von der Antragstellerin vorgesehenen Weise, nämlich in der Form „Dr. h.c.“ bzw. „Prof. h.c.“ in Verbindung mit dem „Fachbereich“ („of Alternative Health“, „of Religion“ etc.) und der Herkunftsangabe („MLDC Institute [USA]“) geführt würden. Ein durchschnittlicher, nicht genau prüfender Beurteiler könne angesichts der durchgehend englischsprachigen Bezeichnungen zu dem Schluss gelangen, dass es sich dabei um akademische Grade handele.

Mit Beschluss vom 4. September 2012 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Bescheid vom 7. Juni 2012 erhobenen Klage abgelehnt.

II.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat die auf § 125 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BerlHG gestützte Untersagungsverfügung als rechtmäßig angesehen und für die Frage, ob von einer Einrichtung vergebene Bezeichnungen Hochschulgraden bzw. Hochschultiteln zum Verwechseln ähnlich seien, angesichts des Schutzzwecks der Norm - nämlich die Allgemeinheit, in der Träger akademischer Titel nach wie vor ein erhöhtes Ansehen und damit auch Vertrauen genießen, vor der Verbreitung derartiger verwechslungsgeeigneter Bezeichnungen zu schützen - nicht wie beispielsweise im Marken- oder Wettbewerbsrecht auf den Gesamteindruck eines aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, sondern auf denjenigen eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters abgestellt. Daran gemessen seien die von der „Miami Life Development Church“ vergebenen Bezeichnungen, bei denen es sich unstreitig nicht um akademische Titel handele, Hochschulgraden bzw. Hochschultiteln i.S.d. § 125 Abs. 1 Satz 1Nr. 4 BerlHG zum Verwechseln ähnlich. So weise eine Vielzahl der für die Titelvergabe zur Auswahl stehenden „Fachbereiche“ auch bei Übersetzung in die deutsche Sprache eine deutliche Ähnlichkeit zu allgemein anerkannten wissenschaftlichen Fachbereichen auf (beispielsweise „Psychic Sciences“, die von einem flüchtigen Betrachter leicht mit „Psychologie“ verwechselt werden könnte) oder sei teilweise sogar teilweise mit diesen identisch (beispielsweise „Religious Science“ = „Religionswissenschaft“, die von einem durchschnittlichen Betrachter außerdem leicht mit Theologie verwechselt werden könnte). Einige wenige der „Fachbereiche“ besäßen zwar bei Übersetzung in die deutsche Sprache offensichtlich keine Ähnlichkeit zu allgemein anerkannten wissenschaftlichen Fachbereichen (beispielsweise „Exorcism“ = Teufelsaustreibung oder „Immortality“ = Unsterblichkeit); allerdings setze diese Beurteilung entsprechend differenzierte Englischkenntnisse voraus, über die der bloß durchschnittliche Betrachter hingegen nicht verfügen dürfte, weswegen auch insoweit eine erhebliche Gefahr der Verwechslung mit akademischen Titeln bestehe, weil bei bloß oberflächlicher Betrachtung gerade nicht ohne weiteres erkennbar sei, dass es sich bei den Titeln lediglich um „Phantasiegebilde“ bzw. „Scherzartikel“ handele.

Soweit die Beschwerde dem entgegenhält, dass es sich bei den „Fachbereichen“, auf die sich die angebotenen Ehrentitel der „Miami Life Development Church“ bezögen, angesichts ihres okkulten bzw. esoterischen Charakters klar erkennbar um nicht ernst zu nehmende Phantasiegebilde handele, die nach der (strafrechtlichen) Rechtsprechung zu § 132a StGB keinerlei Verwechslungsgefahr begründeten, vermag sie damit nicht durchzudringen. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen hat, dass für die Sanktionsnorm des § 132a StGB ein höherer Maßstab als für die Gefahrenabwehrnorm des § 125 Abs. 2 Satz 1 BerlHG anzulegen sein dürfte, verkennt sie, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts eine Vielzahl der für die Titelvergabe zur Auswahl stehenden „Fachbereiche“ bereits eine deutliche Nähe zu allgemein anerkannten wissenschaftlichen Fachbereichen aufweist, sodass insoweit von Phantasiegebilden keine Rede sein kann. Der Vorhalt der Beschwerde, es wäre im Einzelnen zu prüfen gewesen, ob „Fachbereiche“, die eine solche Nähe nicht aufweisen, als Phantasiebezeichnungen erkennbar seien, übersieht, dass das Verwaltungsgericht die Verwechslungsgefahr aus deren englischsprachigen Bezeichnungen abgeleitet hat, die durch den Eindruck, die Titel würden durch ein „Institut“ vergeben, noch verstärkt wird. Die sich hieraus ergebende Schwierigkeit, einen solchen Titel als Phantasiegebilde zu erkennen, offenbart im Übrigen die Beschwerde selbst, wenn sie der Bezeichnung „Dr. h.c. Parapsychology MLDC Institute (USA)“ von vornherein jegliche ernsthafte akademische Bedeutung absprechen will, obwohl zwei Universitäten in den USA immer noch parapsychologische Forschungseinrichtungen unterhalten (vgl. wikipedia.de „Parapsychologie“). Auch die These der Beschwerde, dass „Teile der Bevölkerung […] den Begriff des Instituts gerade nicht dem akademischen Bereich zuordnen [werden]“, ist nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr mit einem akademischen (Ehren-)Titel auszuschließen. Denn es ist gemeinhin bekannt, dass schon die Bezeichnung „Institut“, für sich betrachtet, Anlass zu der Vorstellung geben kann, es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Oktober 1986 - 1 ZR 157/84 -, juris Rn. 23; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 26. April 1990 - BReg 3 Z 167/89 -, juris Rn. 18).

Auch der Vorwurf, die Untersagungsverfügung sei unbestimmt, soweit der Antragstellerin darin untersagt werde, „andere Titel, die […] zum Verwechseln ähnlich sind“, zum Kauf anzubieten, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich eine hinreichende Bestimmtheit i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln - VwVfG - angenommen, weil sich aus der Zusammenschau mit dem übrigen Teil des Tenors und der Begründung des Bescheides, in der ausdrücklich auf die Ehrendoktor- und Ehrenprofessortitel der „Miami Life Development Church“ mit ihren unterschiedlichen Bezeichnungen Bezug genommen werde, für die Antragstellerin ohne weiteres ergebe, dass ihr neben dem Verkauf dieser Titel auch der Verkauf solcher Titel versagt werden solle, die - wie jene - bloß kirchliche Ehrentitel seien, auf Grund einer irreführenden englischsprachigen „Fachrichtungs“-Bezeichnung aber ebenfalls leicht mit akademischen Titeln verwechselt werden könnten. Eine derartige Erweiterung hat das Verwaltungsgericht auch deshalb als zulässig erachtet, weil neben der „Miami Life Development Church“ eine Vielzahl anderer kirchlicher Titelhandelsunternehmen vergleichbare Ehrendoktor- und Ehrenprofessorentitel mit teilweise identischen Bezeichnungen zum Kauf anböten, die damit ebenso geeignet seien, mit akademischen Titeln verwechselt zu werden. Angesichts des Bedeutungsgehalts des von der Beschwerde angegriffenen Verfügungsteils geht sowohl ihre Rüge, die Antragsgegnerin habe bewusst auf jedes konkrete Kriterium verzichtet, welches eine Bestimmung der „Verwechslungsfähigkeit“ zuließe, als auch ihr Einwand, das Verwaltungsgericht habe es für die Bejahung einer hinreichenden Bestimmtheit genügen lassen, dass in der Untersagungsverfügung beispielhaft ein englischsprachiger „Ehrentitel“ angesprochen worden sei, ins Leere. Der Hinweis der Beschwerde, der Antragsgegner habe in seinem Klageabweisungsantrag den Standpunkt vertreten, dass die Untersagungsverfügung nicht nur auf englischsprachige „Ehrentitel“ beschränkt sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil es im Rahmen des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit allein auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und nicht auf die des Antragsgegners ankommt. Soweit die Beschwerde schließlich darauf verweist, dass der Bundesgerichtshof bereits mehrfach Formulierungen wie „zum Verwechseln ähnlich“, „zum Verwechseln geeignet“ oder „verwechslungsfähig mit“ als zu unbestimmt angesehen habe, lässt sie offen, inwieweit diese zur Bestimmtheit von Unterlassungsanträgen im Namens- bzw. Wettbewerbsrecht ergangene Rechtsprechung auf die hier zu beurteilende, auf dem Gebiet des öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehrrechts ergangene Untersagungsverfügung anwendbar sein soll. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass der Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 1 VwVfG lediglich eine „hinreichende“, d.h. den Umständen nach angemessene Bestimmtheit erfordere und es aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr sowie der Praktikabilität des Verwaltungshandelns im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot ausreichend sei, eine größere Zahl von zu unterlassenden Handlungen unter Benennung konkreter Beispiele zu umschreiben. Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).