Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 20.01.2020 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 15 WF 148/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0120.15WF148.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 22. Februar 2019 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts Brandenburg an der Havel vom 21. Februar 2019 - 40 FH 1038/18 - aufgehoben.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die gemäß §§ 256, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 19. Aufl., § 256 Rn. 1) führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1.
Das Rechtsmittel ist zulässig.
a)
Die Beschwerdefrist von einem Monat ist gewahrt, § 63 Abs. 1 FamFG.
aa) Das Amtsgericht hat die öffentliche Zustellung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 185 ZPO bewilligt. Der entsprechende Aushang an der Gerichtstafel ist am 29.04.2019 erfolgt (Bl. 29). Gemäß § 188 S. 1 ZPO gilt das Schriftstück als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Damit ist hier von einer Zustellung am 29.05.2019 auszugehen. Die unter dem 30.05.2019 abgefasste Beschwerdeschrift ist am 11.06.2019 beim Amtsgericht eingegangen, also vor Ablauf der Monatsfrist am Samstag dem 29.06.2019 bzw. am Montag, dem 01.07.2019, vgl. § 222 Abs. 2 ZPO.
bb) Von einem früheren Ablauf der Beschwerdefrist im Hinblick auf eine etwa frühere Kenntnis des Antragsgegners von der Beschwerdeentscheidung auf Veranlassung des Antragstellers kann nicht ausgegangen werden.
Allerdings war die Anwendung von § 189 ZPO in Betracht zu ziehen. Ob diese Vorschrift eine Vorverlagerung des Laufs der Beschwerdefrist in Fällen einer bewilligten öffentlichen Zustellung ermöglicht, kann hier offenbleiben. Auch kann dahinstehen, ob eine etwa erfolgte Zustellung im Parteibetrieb die Heilung von Zustellungsmängeln ermöglicht, die bei der gebotenen Zustellung von Amts wegen aufgetreten sind (vgl. hierzu auch Zöller/Schulzky, ZPO, 32. Aufl., § 189 Rn. 3). Denn jedenfalls lässt sich ein tatsächlicher Zugang der angefochtenen Entscheidung vor dem aufgrund der öffentlichen Zustellung anzunehmenden Zustellungsdatum vom 29.05.2019 nicht feststellen.
Der Antragsteller hat auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 21.08.2019 (Bl. 67) angegeben, infolge eines Büroversehens könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Zahlungsaufforderung vom 03.04.2019 der gegenständliche Beschluss des Amtsgerichts in einfacher Kopie beigelegt war; man gehe aber davon aus, dass dies der Fall war und lediglich versäumt worden sei, die Entscheidung im Anlageverzeichnis aufzuführen. Letztlich kann dahinstehen, ob die an den Arbeitgeber des Antragsgegners in … gerichtete Zustellung vom 06.04.2019 neben einer Zahlungsaufforderung auch – wie vom Antragsteller vermutet – eine einfache Kopie der angefochtenen Entscheidung mit beinhaltet hat. Denn eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 189 ZPO ist nur möglich, wenn der Beteiligte das Dokument, das tatsächlich zuzustellen war, erhalten hat. Der Zugang eines inhaltsgleichen anderen Schriftstücks und damit auch die Übermittlung einer einfachen Kopie reicht nicht aus (Zöller/Schulzky, a.a.O., § 189 Rn. 4).
b)
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht ferner nicht entgegen, dass sie nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.
Zwar herrscht in Familienstreitsachen grundsätzlich Anwaltszwang, § 114 Abs. 1 FamFG. Der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG aber nicht in den Fällen des § 78 Abs. 3 ZPO, also in Bezug auf Verfahrenshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können. Hinsichtlich der Beschwerde in Ehesachen und Familienstreitsachen bestimmt § 64 Abs. 2 Satz 2 FamFG, dass die Einlegung zur Niederschrift der Geschäftsstelle ausgeschlossen ist. Im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist aber die Vorschrift des § 257 Satz 1 FamFG, wonach Anträge und Erklärungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können, lex specialis (OLG Brandenburg - 4. Familiensenat -, Beschluss vom 12.4.2012 – 13 WF 56/12, BeckRS 2012, 10032; OLG Brandenburg - 5. Familiensenat -, Beschluss vom 06.03.2013 - 3 WF 7/17, FamRZ 2014, 332; Keidel/Giers, a.a.O., § 257 Rn. 1; a.A. Maier, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 257 FamFG Rn. 3; Hütter/Kodal, FamRZ 2009, 917, 918).
c)
Schließlich beruft sich der Antragsgegner, wie in § 256 S. 1 FamFG vorgeschrieben, auf die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 - 4 FamFG. Denn er macht geltend, am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen zu sein, so dass er den nun mit der Beschwerde erstmals vorgebrachten Einwand fehlender Leistungsfähigkeit nicht früher habe anbringen können.
2.
Die Beschwerde ist begründet. Denn der Antragsgegner ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, so dass ein Unterhaltsfestsetzungsbeschluss im vereinfachten Verfahren gegen ihn nicht hätte ergehen dürfen.
Der Antragsteller hat zugleich mit Einleitung des Verfahrens beantragt, die Antragsschrift öffentlich zuzustellen. Dem ist das Amtsgericht, nachdem es eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes … eingeholt hatte, durch Beschluss vom 22.11.2018 (Bl. 14) nachgekommen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung lagen aber nicht vor. Damit ist dem Antragsgegner die Möglichkeit genommen worden, den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit gemäß § 252 Abs. 4 FamFG rechtzeitig vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses zu erheben, vgl. § 256 S. 2 FamFG.
Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung ist – zumindest wenn die Fehlerhaftigkeit der Zustellung für das Gericht erkennbar war – jedenfalls in dem Sinne unwirksam, dass sie die Zustellungsfunktion des § 188 ZPO nicht auslöst und dementsprechend keine Fristen in Lauf setzt (BGH, NJW 2017, 886 Rn. 33). So liegt es hier.
Eine öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO ist nur dann zulässig, wenn der Aufenthaltsort der Person, an die ein Schriftstück zuzustellen ist, unbekannt ist. Der Aufenthaltsort einer Partei ist unbekannt im Sinne des Gesetzes, wenn er nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt ist. Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen dem Gericht darzulegen (BGH, NJW 2017, 886 Rn. 37). Eine unergiebig gebliebene Anfrage beim Einwohnermeldeamt ist grundsätzlich nicht ausreichend (BGH, NJW 2012, 3582 Rn. 17). Zu weiteren Bemühungen des Antragstellers, den Aufenthaltsort des Antragsgegners zu ermitteln, hat das Amtsgericht offensichtlich keine Feststellungen getroffen, bevor es die öffentliche Zustellung bewilligt hat. Dies war aber geboten.
Der Antragsteller hat lediglich unter dem 31.07.2018 einen vom Bundesamt für Justiz erstellten Hinweis nach § 28 Abs. 1 S. 1 BZRG und eine Postzustellungsurkunde vorgelegt (Bl. 6 ff.). Das Amtsgericht hat dann noch – wie bereits angeführt – eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes … vom 19.11.2018 eingeholt (Bl. 11). Im Anschluss daran hat es sogleich die öffentliche Zustellung bewilligt. Damit haben aber weder der Antragsteller noch das Amtsgericht die vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung anzustellenden Nachforschungen in ausreichendem Umfang vorgenommen. Dazu zählt nämlich insbesondere auch die Nachfrage bei (ehemaligen) Arbeitgebern (vgl. Zöller/Schulzky, a.a.O., § 185 Rn. 4). Dass eine solche möglich war, zeigt der Umstand, dass es dem Antragsteller schon alsbald nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, nämlich am 06.04.2019, gelungen ist, die Zustellung einer Zahlungsaufforderung unter der Anschrift des Arbeitgebers des Antragsgegners zu bewirken. Nach alledem lagen – auch für das Amtsgericht erkennbar – die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung nicht vor.
Mithin war der Antragsgegner gehindert, den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit in der dem Gesetz entsprechenden Form – wie es auch in der Verfügung des Amtsgerichts vom 22.11.2080 (Bl. 13) zum Ausdruck kommt – zu erheben. Dies führt zur ersatzlosen Aufhebung des angefochtenen Beschlusses; dem Senat als Beschwerdegericht ist eine Entscheidung in der Sache verwehrt (vgl. Keidel/Giers, a.a.O., § 256 Rn. 11; Maier, a.a.O., § 256 FamFG Rn. 8). Die Rückgabe des Vorgangs an das Amtsgericht setzt den Rechtspfleger in den Stand, dem Antragsgegner die gebotenen Hinweise hinsichtlich der zulässigen Einwendungen und deren Form zu erteilen und nach Erhebung von Einwendungen durch den Antragsgegner gegebenenfalls dem Verfahren durch die nach §§ 254, 255 FamFG gebotenen Hinweise Fortgang zu geben (vgl. Wendl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 10 Rn. 685).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG, 20 FamGKG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.