Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 04.06.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 11.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 19 FFG 2009, § 66a Abs 1 S 1 FFG 2009, § 66a Abs 1 S 2 FFG 2009, § 66a Abs 4 S 1 FFG 2009 |
Zur Frage der Abgabepflichtigkeit von auf Bildträgern (DVD) vermarkteten Pornofilmen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer filmförderungsrechtlichen Abgabe.
Die Klägerin vertreibt DVDs mit nach eigenen Angaben ausschließlich pornographischem Inhalt. Mit ihnen erzielte die Klägerin im Jahr 2010 einen Umsatz von rund 330.000 Euro.
Mit Bescheid der Filmförderungsanstalt - FFA - vom 30. März 2011 wurde die Klägerin für die Monate Januar und Februar 2011 zur Zahlung einer Filmabgabe in Höhe von 352,35 Euro herangezogen. Hiergegen legte sie Widerspruch mit der Begründung ein, die von ihr vertriebenen reinen Pornovideos seien keine Filme im Rechtssinne. Sie hätten keinen schöpferischen künstlerischen Handlungsrahmen und würden mit Pornodarstellern ohne Mitwirkung von Schauspielern hergestellt. Sie seien jedenfalls keine förderungsfähigen Filme, so dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Sonderabgabe nicht vorlägen, denn die Abgabe läge in keinem auch noch so entfernten mittelbaren Interesse der Klägerin. Die Pornovideos enthielten ausschließlich einzelne, in sich geschlossene, nicht zusammenhängende Filme (Szenen) mit separaten Laufzeiten von je etwa 20 Minuten, so dass die erforderliche Filmlänge von mehr als 58 Minuten nicht erreicht werde. Diesen Widerspruch wies die FFA mit der Begründung zurück: Auch Filme pornographischen Inhalts seien abgabepflichtige Filme im Sinne des Filmförderungsgesetzes. Dass die Klägerin keine Förderung erhalten könne, sei unerheblich. Kinobetreiber, die Unternehmen der Videowirtschaft und die Fernsehveranstalter bildeten eine homogene Gruppe, die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Abgaberegelung verfolgten Zweck stünde, so dass ihr auch eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden könne. Für die vom Gesetz für die Abgabepflicht verlangte Laufzeit komme es allein auf die Gesamtlaufzeit des Bildträgers, also der DVD insgesamt an.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen zur Erhebung der Filmabgabe der Videowirtschaft lägen vor. Auch pornographische Filme seien „Filme“ im Sinne der Vorschrift. Zwar komme es entgegen der Auffassung der FFA nicht auf die Lauflänge des Bildträgers insgesamt, sondern auf die einzelnen darauf enthaltenen Filme an. Die Gesamtlaufzeit dieser Filme betrage aber vorliegend mehr als 58 Minuten. Dass die von der Klägerin vertriebenen Pornovideos aus zahlreichen aneinander gereihten pornographischen Sequenzen (Filmteile) bestünden, die jede für sich genommen die erforderliche Laufzeit nicht erreichten, sei unerheblich. Denn die einzelnen Szenen seien aus Gründen der „Dramaturgie“ oder „Thematik“ bewusst zusammengeschnitten und als zusammenhängender einheitlicher Film anzusehen. Die gesetzlich vorgesehene ausnahmsweise Befreiung von der Abgabepflicht liege hier nicht vor, weil es sich um keine Filme aus dem Bildungs-, Hobby-, Ausbildungs- oder Tourismusbereich handele.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung, indem sie ihre Begründung aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft.
Die Klägerin und Berufungsklägerin hat schriftsätzlich beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den in erster Instanz gestellten Anträgen der Klägerin zu erkennen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte (zwei Bände) sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
I. Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil diese in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen Filmabgabe der Videowirtschaft ist § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG 2009. Nach dieser Vorschrift hat, wer als Inhaber der Lizenzrechte Bildträger, die mit Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten bespielt sind, in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermietung oder zum Weiterverkauf in den Verkehr bringt oder unmittelbar an Letztverbraucher verkauft (Programmanbieter), vom Nettoumsatz mit abgabepflichtigen Bildträgern eine Filmabgabe zu entrichten, wenn dieser 50.000 Euro im Jahr übersteigt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
a) Bei den von der Klägerin vertriebenen Pornovideos handelt es sich um Filme im Sinne des § 66a FFG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Begriff „Film“ im Sinne dieser Vorschrift weit zu verstehen. Er erfasst grundsätzlich jede Abfolge von bewegten Bildern, ohne dass es auf deren Inhalt oder Dauer ankommt. Das schließt insbesondere auch nicht programmfüllende Filme, die keine Kinofilme und nicht zur Aufführung in Filmtheatern bestimmt sind, ein (im Einzelnen: Senatsurteil vom 5. Juni 2013 - OVG 6 B 2.12 -, Rn. 20 bei juris). Auf das Vorbringen der Klägerin, wonach die von ihr vertriebenen Pornovideos keinen schöpferischen künstlerischen Handlungsrahmen hätten und ohne Mitwirkung von Schauspielern hergestellt würden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
b) Die von der Klägerin vertriebenen Filme weisen auch die erforderliche Laufzeit von mehr als 58 Minuten auf. Zwar ist für die Abgabepflicht nach § 66a Abs. 1 Satz 1 FGG - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht auf die (Gesamt-) Laufzeit des jeweiligen Bildträgers abzustellen, sondern grundsätzlich auf die Laufzeit der einzelnen darauf enthaltenen Filme; der Abgabepflicht unterliegen nämlich nur „Filme“ und nicht „Bildträger“, die eine Laufzeit von mehr als 58 Minuten aufweisen (Senatsurteil vom 5. Juni 2013, a.a.O., Rn. 21 ff. bei juris). Diese Laufzeit erreichen die auf den von der Klägerin vertriebenen DVDs enthaltenen Filme, die nach den unwidersprochenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts jeweils von identischer Machart sind und eine Laufzeit von jedenfalls mehr als 58 Minuten aufweisen. Der Umstand, dass sie nach den Angaben der Klägerin einzelne, in sich geschlossene, nicht zusammenhängende Filme (Szenen) mit separaten Laufzeiten von je etwa zwanzig Minuten enthalten, schließt die Annahme, sie erreichten die erforderliche Filmlänge von mehr als 58 Minuten, vorliegend nicht aus.
Die einzelnen Szenen werden ausweislich der DVD-Hüllen als einheitlicher Film präsentiert und auch als „ein“ Film vertreiben. Sie werden unter einem gemeinsamen Titel dargeboten, der gewissermaßen die thematische Klammer bildet und insofern mindestens teilweise auch offenbar gewisse Vorlieben und spezielle Interessen potenzieller Zuschauer ansprechen soll. Bereits das Verwaltungsgericht hat zu dieser Frage überzeugend ausgeführt, dass die spezielle Art und Weise oder der spezielle Ort der pornographischen Handlungen den „dramaturgischen Zusammenhang“ für die Zusammenstellung der Filmsequenzen bzw. Videoclips darstelle. Die Filmsequenzen seien gerade keine eigenständigen Filme etwa mit eigenem Vor- und Abspann. Sie seien auch nicht beliebig aneinandergereiht, sondern bewusst thematisch sowie mit Blick auf die Kundenakzeptanz mit einer Laufzeit von über 58 Minuten zusammengefasst. Die Einwände der Klägerin hiergegen rechtfertigen keine andere Einschätzung.
Der Umstand, dass es sich bei dem Kriterium „Kundenakzeptanz“ um ein merkantiles Moment handele sowie dass sich die Titel auf den streitgegenständlichen DVDs in „vulgär-pornographischen, der Verkaufswerbung dienenden Aussagen erschöpfen“, wie die Klägerin geltend macht, rechtfertigt keine andere Einschätzung, weil sie die allein in der Hand der Klägerin bzw. der jeweiligen Filmproduzenten liegende Präsentation der Filme nicht in Frage stellt.
Auch die von der Klägerin in Bezug genommene Rechtsprechung des Senats zu Bildträgern, die mehrere Folgen einer (Fernseh-) Serie enthalten, die zwar jede nicht für sich, insgesamt aber die Mindestlaufzeit von mehr als 58 Minuten erreichen, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Der Senat hat insoweit entschieden, dass bei auf DVDs vertriebenen Fernsehserien auf die Laufzeit der jeweils einzelnen Folge einer Serie für die Erhebung der Abgabepflicht nach § 66a FFG abzustellen ist (Urteile vom 5. Juni 2013 - OVG 6 B 2.12. -, Rn. 39 bei juris und - OVG 6 B 1.12 -, Rn. 34 bei juris). Das führt hier indes nicht weiter, weil eine Folge einer Serie nicht mit einer Szene aus einen der hier in Rede stehenden Filme vergleichbar ist.
Auf die weitere, von den Beteiligten im Hinblick auf die Senatsrechtsprechung diskutierte Frage, ob ein (einheitlicher) Film im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG ein „kinotaugliches Format“ voraussetzt, kommt es vorliegend nicht an. Mit diesem Begriff hat der Senat eine gewisse zeitliche Obergrenze für Filme im Blick gehabt (Senatsurteil vom 5. Juni 2013 -. OVG 6 B 2.12 -, Rn. 38 bei juris), um die es bei den vorliegenden Filmen, die eine Höchstlaufzeit von jeweils um die zwei Stunden haben, erkennbar nicht geht.
c) Die Klägerin ist Programmanbieter im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG, denn sie bringt die streitigen Bildträger als Inhaberin der Lizenzrechte in den Verkehr bzw. verkauft sie unmittelbar an Letztverbraucher. Zudem erreicht sie auch den für die Erhebung der Abgabepflicht erforderlichen Nettoumsatz von mehr als 50.000 Euro im Jahr. Nach § 66a Abs. 4 Satz 1 FFG ist für die Bestimmung der Umsatzgrenzen der Umsatz des Vorjahres zugrundezulegen. Diesen gibt die Klägerin für das Vorjahr der Abgabenerhebung, also im Jahr 2010, mit rund 330.000 Euro an.
2. Die demnach gegebene Abgabepflicht der Klägerin entfällt auch nicht im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 66a Abs. 1 Satz 2 FFG. Nach dieser Vorschrift sind von der Abgabepflicht Special-Interest-Programme aus dem Bildungs-, Hobby-, Ausbildungs- und Tourismusbereich sowie Bildträger ausgenommen, die mit aneinandergereihten und bebilderten Auszügen von Musikstücken bespielt sind. Ungeachtet der Frage, welche Anforderungen an die Erfüllung der tatbe-standlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift im Einzelnen zu stellen sind, unterliegt es nach Auffassung des Senats keinem vernünftigen Zweifel, dass der Gesetzgeber mit dem insoweit einzig als Ausnahmetatbestand überhaupt in Betracht kommenden Begriff „Hobby“ jedenfalls keine Privilegierung für die Pornoindustrie schaffen wollte. Sex ist kein Hobby im Sinne dieser Vorschrift.
3. Die Heranziehung der Klägerin zu der hier in Rede stehenden Sonderabgabe unterliegt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die sonderabgabenrechtlichen Vorgaben sind vorliegend eingehalten.
Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden. Die Gruppe muss zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck in einer beziehungsspezifischen Sachnähe stehen, aufgrund deren ihr eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Das Abgabenaufkommen muss außerdem gruppennützig verwendet werden(BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 u.1. -, EuGRZ 2014, S. 98 ff., Rn. 121 bei juris).
a) Die Klägerin gehört als Videoprogrammanbieterin im Sinne des § 66a Abs. 1 Satz 1 FFG zur homogenen Gruppe der Abgabepflichtigen (BVerfG, a.a.O., Rn. 31 bei juris). Dem Gesetzgeber stehen für die Gruppenbildung Spielräume zur Verfügung. Es ist grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn gleich ansehen will. Das gilt auch für die Frage, was hinsichtlich der Nähe zum Sachzweck als gleich oder ungleich anzusehen ist. Darüber hinaus steht dem Gesetzgeber auch bei der sonderabgabenrechtlichen Gruppenbildung die Befugnis zu, begrenzte Ungleichbehandlungen typisierend in Kauf zu nehmen. Schwierigkeiten der Abgrenzung und Erfassung erweitern diese Spielräume (BVerfG, a.a.O., Rn. 125 bei juris). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die ihm zustehenden Spielräume war der Gesetzgeber nicht gehalten, die Klägerin im Hinblick darauf, dass sie einer speziellen Sparte der Filmwirtschaft, nämlich der sog. Pornoindustrie, zuzurechnen ist, aus dem Kreis der Abgabepflichtigen auszunehmen.
b) Die Filmförderungsabgabe wird auch gruppennützig im vorbezeichneten Sinne verwendet (BVerfG, a.a.O., Rn. 149 ff. bei juris). Daran ändert nichts, dass die von der Klägerin vertriebenen Pornofilme grundsätzlich nicht förderungsfähig (vgl. § 19 FFG) sind und daher per se nicht in den Genuss der nach dem Filmförderungsgesetz verteilten Fördermittel kommen können. Gruppennützige Verwendung besagt nicht, dass das Aufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. -, BVerfGE 82, 159 ff., Rn. 95 bei juris). Das ist hier der Fall. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil daher in diesem Zusammenhang festgestellt, es komme nicht darauf an, ob einzelne Anbieter wegen des Inhalts ihrer Programme von der Förderung ausgeschlossen seien. Es liegt im eigenverantwortlichen Geschäftsbereich des jeweiligen Programmanbieters, welche Filme er in den Verkehr bringt oder verkauft. Ebenso wenig wie etwa ein Programmanbieter, der ausschließlich ausländische und damit ebenfalls nicht förderfähige Filme anbietet, den Ausschluss von der Förderfähigkeit gegen seine Abgabepflicht einwenden könnte, vermag dies die Klägerin, der es im Übrigen freisteht, förderfähige Filme in ihr Programmangebot aufzunehmen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.