Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 23.11.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 S 141.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 3 Abs 1 GG, Art 21 Abs 1 GG, § 5 Abs 1 PartG, § 7 PartG |
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Oktober 2011 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach § 146 Abs. 4 VwGO zulässig und begründet. Er weist gegenüber der Antragstellerin zu Recht auf die wirksame Beschränkung der Raumvergabe an politische Parteien durch die in § 2 Abs. 4 der Nutzungs- und Entgeltordnung zum Ausdruck kommende Verwaltungspraxis des Bezirksamts T… von Berlin hin. Hiernach hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Der Anspruch auf Raumvergabe folgt aus dem in Art. 21 Abs. 1 und Art. 3 GG gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien. Gemäß § 5 Abs. 1 ParteiG, der Ausfluss dieses Grundsatzes ist, sollen für den Fall, dass ein Träger öffentlicher Gewalt Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt, alle Parteien gleich behandelt werden. Das bedeutet, dass die Antragstellerin, sofern nicht eine sachlich begründete Ausnahme in Betracht kommt, ebenso wie andere Parteien zur Nutzung der in Betracht kommenden Räume zuzulassen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2007 - 2 BvR 447/07 -, BVerfGK 10,363 = juris Rn. 3).
Der Antragsgegner macht geltend, politischen Parteien das G…im Rahmen der Verfügbarkeit …zur Nutzung für Parteiveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, jedoch gemäß § 2 Abs. 4 der bezirklichen Nutzungs- und Entgeltordnung nur für Veranstaltungen der im Bezirk gebildeten Kreisverbände oder Bezirksgruppen.
Diese Einschränkung der Raumvergabe - in Zusammenschau mit dem weiteren, vom Antragsgegner schriftsätzlich erwähnten Vorbehalt, die Veranstaltung müsse auf den „Zuständigkeitskreis“ des Kreisverbandes oder der Bezirksgruppe bezogen sein - ist wirksam. Da der Antragsgegner nicht von vornherein verpflichtet ist, politischen Parteien überhaupt Räumlichkeiten zur Durchführung von Veranstaltungen zu überlassen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 5), darf er auch eine beschränkte Überlassung an Parteien vorsehen und die Nutzung auf bestimmte Zwecke beschränken, soweit dies generell geschieht und alle Parteien gleich behandelt werden. Weder § 5 PartG noch Art. 21 GG gebieten, dass der eröffnete Zulassungsanspruch umfassend sein muss und nicht auf bestimmte Nutzungen beschränkt werden darf. Die Entscheidungsfreiheit des Antragsgegners, in welchem Umfang er politischen Parteien Zugang gewährt, wird grundsätzlich nur durch das Willkürverbot begrenzt, das eine Raumvergabepraxis ausschließt, die im Verhältnis zu der Situation, die sie regeln soll, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 12. April 2001 - 3 BS 10/01 -, NVwZ 2002, 615 = juris Rn. 9).
Die Erwägung des Antragsgegners, die Räumlichkeiten des Bezirks nur dann für Parteiveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, wenn kommunale Angelegenheiten verfolgt werden, indem sowohl die Gliederungsebene der Partei als auch der Zweck der Veranstaltung einen örtlichen Bezug hat, ist im vorgenannten Sinne frei von Willkür (vgl. auch OVG Weimar, Beschluss vom 16. September 2008 - 2 EO 490/08 -, LKV 2009, 139 = juris Rn. 37 ff.). Die Kriterien ermöglichen eine verlässliche, nachvollziehbare Abgrenzung nach der veranstaltenden Gliederungsebene der jeweiligen Partei sowie dem ortsbezogenen Charakter der Veranstaltung. Sie schließen im Übrigen nicht (gerade) die Antragstellerin von der Raumvergabe aus, die im Gegenteil laut dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners für die Wahl des Kreisvorstands am 14. Dezember 2011 einen Raum im R… nutzen kann. Soweit § 2 Abs. 4 der Nutzungs- und Entgeltordnung im Ergebnis der Nutzung bezirklicher Räumlichkeiten durch solche politischen Parteien entgegensteht, die nicht über einen Kreisverband oder eine Bezirksgruppe verfügen, kann die Antragstellerin, die einen Kreisverband gebildet hat und die Überlassung an ihren Bundesverband begehrt, den etwaigen Mangel der Verwaltungspraxis wegen fehlender Betroffenheit in eigenen Rechten nicht rügen.
Die tatsächliche Verwaltungspraxis des Antragsgegners weicht nicht von seinen Vorgaben ab. Die von der Antragstellerin beanstandete Überlassung des G… am 23. November 2010 an die SPD erfolgte an deren Kreisverband T… und betraf mit der Forderung nach Lärmschutz bei Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg ein auf den Bezirk, namentlich dessen südliche Teile, bezogenes Thema. Die CDU-Wahlkampfveranstaltung im G… am 6. September 2011 wurde durch den Kreisverband T… dieser Partei ausgerichtet und hatte die auch den Bezirk betreffende Sicherheitslage in Berlin zum Gegenstand. Dass an beiden Veranstaltungen überörtlich tätige Politiker mitgewirkt haben, nimmt ihnen nicht den Bezug zum „Zuständigkeitskreis“ der veranstaltenden Parteigliederung. Es ist örtlichen Gruppierungen von Parteien, die um Mitglieder oder Wähler werben, unbenommen, ihre Veranstaltungen durch Redner von außerhalb „aufzuwerten“, wenn sie sich dadurch eine größere Attraktivität versprechen. Das vermittelt der betreffenden Veranstaltung noch keinen überörtlichen Charakter (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 3 B 33/09 -, NVwZ-RR 2009, 533 = juris Rn. 22).
Nach alledem hat der Bundesverband der Antragstellerin keinen Anspruch auf Durchführung eines Bundesparteitags im G…, da er nicht zu den gemäß der Verwaltungspraxis begünstigten Kreisverbänden oder Bezirksgruppen gehört.
Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, wo sie ihren Bundesparteitag durchführen könne, wenn es rechtlich möglich sei, ihren Bundesverband von der Nutzung bezirks- und landeseigener Räumlichkeiten auszuschließen, ist schon deswegen unergiebig, weil sie keine dahingehende Verwaltungspraxis des Landes Berlin bzw. anderer Berliner Bezirke aufzeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).