Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 33. Senat | Entscheidungsdatum | 26.04.2013 | |
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Aktenzeichen | L 33 R 369/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 56 Abs 1 SGB 6, § 56 Abs 2 SGB 6, § 57 SGB 6, § 149 Abs 5 SGB 6, § 128 Abs 1 S 1 SGG |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 geändert.
Die Beklagte wird entsprechend ihrem Anerkenntnis vom 26. April 2013 unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 verurteilt, im Versichertenkonto des Klägers für die Erziehung der am 05. Mai 2002 geborenen Tochter J J vom 01. Mai 2004 bis zum 31. Mai 2005 Kindererziehungszeiten und vom 01. Mai 2004 bis zum 29. Februar 2008 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, für den Kläger rückwirkend Kindererziehungszeiten (KEZ) sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (KBZ) für die Erziehung seiner Tochter J J vorzumerken.
Der 1950 geborene Kläger ist mit der 1971 geborenen und seit April 2001 in B lebenden Beigeladenen verheiratet. Am 05. Mai 2002 wurde ihre gemeinsame Tochter J geboren.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2002 wies die Datenstelle der Rentenversicherungsträger die Beigeladene darauf hin, dass bei einer gemeinsamen Erziehung des Kindes durch eine übereinstimmende Erklärung von Mutter und Vater des Kindes die Erziehungszeiten untereinander aufgeteilt werden könnten. Weiter hieß es, diese Zeiten könnten mit Wirkung für künftige Kalendermonate und für zwei Kalendermonate rückwirkend dem anderen Elternteil zugeordnet werden.
Mit Schreiben vom 27. April 2008, bei der Beklagten eingegangen am 09. Mai 2008, bat die Beigeladene um Vormerkung von drei Jahren KEZ in ihrem Versicherungskonto.
Am 16. Mai 2008 ging bei der Beklagten ein Fax des Klägers vom gleichen Tag ein, mit dem dieser beantragte, die KEZ und die KBZ für seine Tochter J in seinem Versicherungsverlauf zu berücksichtigen, da er überwiegend seine Tochter erzogen habe. Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 legte der Kläger einen von ihm ausgefüllten Antrag auf Feststellung von KEZ/KBZ wegen Kindererziehung bei der Beklagten vor. Nach den dortigen Angaben war die Tochter J gemeinsam mit dem anderen Elternteil erzogen worden, was von der Beigeladenen mit ihrer Unterschrift bestätigt wurde. Weiter legte er eine Erklärung über die Zuordnung von KEZ/KBZ bei gemeinsamer Erziehung vor, die von ihm und der Beigeladenen unterschrieben worden war. Danach sollten die KEZ für die Tochter J von Mai 2002 bis April 2005 dem Kläger zugeordnet werden. Außerdem sollten die KBZ für J von Mai 2002 bis April 2012 ebenfalls dem Kläger zugeordnet werden.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2008 lehnte die Beklagte die Vormerkung von KEZ für den Kläger für die Zeit vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005 ab, weil eine rückwirkende Zuordnung nur für längstens zwei Kalendermonate vor Abgabe der übereinstimmenden Erklärung zulässig sei. Ferner lehnte sie die Vormerkung von KBZ für die Zeit vom 05. Mai 2002 bis zum 29. Februar 2008 mit gleicher Begründung ab. Über die Zeiten könne vorerst nur bis zu dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt entschieden werden.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Beklagte sei vom Standesamt über die Geburt der Tochter J informiert worden. Er selber habe am 20. Mai 2002 beantragt, dass ihm die KEZ zu seinem Rentenkonto angerechnet werden sollten. Eine Erklärung über die alleinige Anrechnung der KEZ zu seinem Rentenkonto, ausgefertigt von der Beigeladenen, habe diesem Antrag beigelegen.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass die angegebene Beantragung nicht im Versicherungskonto des Klägers dokumentiert war, bat sie den Kläger, die Antragsbestätigung vom 20. Mai 2002 zu übersenden. Darauf gab der Kläger an, dass er eine solche Bestätigung nicht zur Hand habe.
Mit Schreiben vom 20. November 2008 hat der Kläger zunächst Untätigkeitsklage bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Nach Zurückweisung des Widerspruchs durch die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 hat der Kläger die Klage umgestellt und beantragt, die KEZ und KBZ für seine Tochter J in seinem Versicherungskonto vorzumerken. Zwar habe die Beigeladene mit Schreiben vom 27. April 2008 bei der Beklagten beantragt, ihr die KEZ anzurechnen. Dies habe jedoch auf einer Fehlinformation der Beklagten beruht, so dass die Beigeladene diesen Antrag zwischenzeitlich widerrufen habe. Er hat außerdem geltend gemacht, er habe sein Originalschreiben vom 20. Mai 2002 per Post und am selben Tag zwischen 18:44 und 18:54 Uhr per Fax an die Beklagte gesandt. Eine Sendebestätigung liege ihm nicht mehr vor. Zudem habe er nochmals am 03. Juni 2002 per Fax einen entsprechenden Antrag an die Beklagte gesandt.
Die Beklagte hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, dass die vom Kläger behaupteten Anträge vom 20. Mai und 03. Juni 2002 weder in der Akte des Klägers noch in der Akte der Beigeladenen vorlägen. Auch sei zu keinem Zeitpunkt vor dem tatsächlich dokumentierten Antrag aus dem Jahr 2008 eine entsprechende Vormerkung einer gemeinsamen Erklärung des Klägers und der Beigeladenen in den jeweiligen Versicherungskonten vorgemerkt. Fax-Sendeberichte würden im Übrigen lediglich für sechs Monate aufbewahrt.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 22. März 2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung von KEZ vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005 sowie von KBZ vom 05. Mai 2002 bis zum 29. Februar 2008 für die Erziehung der Tochter Ja, denn eine entsprechende Beantragung durch den Kläger sei für Mai 2002 bzw. Juni 2002 nicht nachgewiesen. Die gemeinsame Erklärung des Klägers und der Beigeladenen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>) sei erst im Mai 2008 gestellt worden. Da die übereinstimmende Erklärung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 5 und 6 SGB VI rückwirkend nur für bis zu zwei Monate vor Abgabe der Erklärung erfolgen könne, sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Vormerkung von KEZ insgesamt abgelehnt habe. Den Zugang entsprechender Anträge bereits im Jahr 2002 habe der Kläger nicht belegen können. Dies gelte gemäß § 57 Satz 1 SGB VI entsprechend auch für die KBZ, weshalb die Beklagte zutreffend die Vormerkung solcher Zeiten bis zum 29. Februar 2008 abgelehnt habe.
Am 30. April 2012 ist die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) eingegangen. Gemäß § 56 Abs. 2 SGB VI sei eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen habe. Er sei bei der Geburt der Tochter 52 Jahre alt und arbeitslos gewesen. Die Beigeladene sei 31 Jahre alt gewesen und habe zunächst in einem privaten Haushalt, dann in einem Lebensmittelbetrieb, später in einem Reinigungsunternehmen gearbeitet und sich aus tatsächlichen Gründen nicht um die Erziehung der Tochter kümmern können. Arbeitsverträge existierten seines Wissens nach nicht. Sie habe werktags schon früh gegen 5 oder 6 Uhr die Wohnung verlassen und sei erst gegen 17 oder 18 Uhr zurück gekommen. Auch am Wochenende habe er die Erziehung der Tochter übernommen, denn die Beigeladene sei fast jeden Samstag ganztätig einkaufen gegangen bzw. habe sich Geschäfte angeschaut. Selbst am Sonntag sei sie selten zu Hause gewesen, denn sonntags habe sie oft ihre Freunde besucht, die Tochter jedoch nicht mitgenommen. Vielmehr habe er sich fürsorglich um seine Tochter gekümmert, sei mit ihr spazieren gegangen, habe sie gefüttert, gebadet und die Windeln gewechselt, denn er habe ja Zeit gehabt. Dies gelte auch für die KBZ. Auch heute noch gehe die Beigeladene einer Tätigkeit als Reinigungskraft nach und müsse früh das Haus verlassen, weshalb er sich allein um seine Tochter kümmere. Welcher Elternteil sich um das Kind kümmere, entziehe sich dem Einfluss des Gerichts. Allein die Eltern hätten zu bestimmen, wer sich um die Erziehung kümmere. Es sei daher irrelevant, ob ein Antrag auf Zuordnung der KEZ gestellt worden sei. Die Tochter sei erst zum 01. April 2006 für eine tägliche Betreuungszeit von fünf bis sieben Stunden in einer Kindertagesstätte angemeldet und bald darauf wieder abgemeldet worden. Er verweist u. a. auf die Erklärung über die Zuordnung von KEZ/KBZ zum Antrag der Beigeladenen auf Feststellung von KEZ/BEZ vom 14. März 2009.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 zu verpflichten, für die Erziehung der am 05. Mai 2002 geborenen Tochter J J vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005 Kindererziehungszeiten und vom 05. Mai 2002 bis zum 29. Februar 2008 Berücksichtigungszeiten vorzumerken.
Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats die Versicherungsverläufe vom 14. Juni 2012 für den Kläger und vom 06. Juli 2012 für die Beigeladene zur Gerichtsakte gereicht. Aus letzterem ergibt sich, dass für die Beigeladene erstmals ab dem 01. Mai 2004 bis zum 28. Februar 2005 Versicherungszeiten wegen geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung vermerkt sind. Daran schließt sich bis zum 31. Oktober 2007 eine Pflichtbeitragszeit wegen Beschäftigung neben einer Pflichtbeitragszeit bei ALG-II-Bezug an, gefolgt von einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung bis zum 29. Februar 2008. Für die Zeit vor dem 01. Mai 2004 sind keine Versicherungszeiten vorgemerkt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2013 folgendes Anerkenntnis abgegeben:
Die Beklagte erkennt an, dass für die Erziehung der am 05. Mai 2002 geborenen Tochter J J im Versicherungskonto des Klägers folgende Zeiten vorgemerkt werden: vom 01. Mai 2004 bis zum 31. Mai 2005 Kindererziehungszeiten, vom 01. Mai 2004 bis zum 29. Februar 2008 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Darüber hinaus verpflichtet sich die Beklagte, auch die Zeit vom 01. März 2008 bis zum 04. Mai 2012 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung im Versicherungskonto des Klägers vorzumerken. Die Beklagte wird hierüber einen Bescheid erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Senat hat Meldeauskünfte betreffend den Kläger und die Beigeladene sowie eine Auskunft der AOK Nordost vom 22. April 2013 zu den Versicherungszeiten der Beigeladenen eingeholt. Ferner sind 5 Bände Leistungsakten des JobCenter Marzahn-Hellersdorf betreffend den Kläger beigezogen worden.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 17. Juli (tatsächlich: 17. August) 2012 und 16. August 2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die den Kläger betreffende Verwaltungsakte (VSNR) der Beklagten sowie die die Beigeladene betreffende Verwaltungsakte (VSNR) der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin durch Urteil entscheidet (§ 155 Abs. 3, 4 SGG), ist zulässig, aber soweit sie über das von der Beklagten am 26. April 2013 abgegebene Anerkenntnis hinausgeht, unbegründet und evtl. teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009, mit dem die Beklagte u. a. die Vormerkung der Zeit vom 01. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005 als KEZ sowie der Zeit vom 05. Mai 2002 bis zum 29. Februar 2008 als KBZ abgelehnt hat, ist jedenfalls betreffend die Zeiträume vom 01. Juni 2002 bis zum 30. April 2004 (KEZ) bzw. vom 05. Mai 2002 bis zum 30. April 2004 (KBZ) nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Zeiträume ab dem 01. Mai 2004 bis zum 31. Mai 2005 bzw. ab dem 01. Mai 2004 bis zum 29. Februar 2008 hat die Beklagte den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Das sozialgerichtliche Verfahren ist trotz dieses Teilanerkenntnisses der Beklagten auch bezüglich der genannten Zeiträume nicht erledigt, da der Kläger das Anerkenntnis nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 101 Abs. 2 SGG angenommen hat. In derartigen Fällen ist gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 307 Zivilprozessordnung (ZPO) auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil möglich (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 125 Randnummer 3f), welches gemäß § 313b Absatz 1 ZPO zwar weder eines Tatbestandes noch der Entscheidungsgründe bedarf, die hier jedoch im Hinblick auf den weiteren streitigen Zeitraum letztlich nicht entfallen können.
Streitgegenständlich ist ferner nur der Zeitraum bis zum 29. Februar 2008, denn nur insoweit hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 eine Entscheidung getroffen.
Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach seiner Versendung nicht widersprochen hat. Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen u. a. Kindererziehungszeiten und Berücksichtungszeiten wegen Kindererziehung (§§ 54 Abs. 1, 56, 57 SGB VI).
Gemäß § 56 Abs 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind tatsächlich und gänzlich ohne Mitwirkung anderer Elternteile allein erzogen hat (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VI, Randnr. 32 zu § 56 sowie Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Randnr. 26 zu § 56 SGB VI). Haben hingegen mehrere Elternteile das Kind erzogen, ohne dass sie „gemeinsam“ erzogen haben, ist nach Satz 9 die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind „überwiegend“ erzogen hat. Haben aber Eltern ihr Kind – im Regelfall: aufgrund der ihnen gemeinsam zustehenden elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB) – „gemeinsam“ erzogen, wird die Erziehungszeit (ggf. aufgeteilt nach Kalendermonaten – Satz 4 bis 8) nur einem von ihnen zugeordnet (Satz 2), wobei sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen können, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (so weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25.02.1992 – 4 RA 34/91 – BSGE 70, 138,141). Eltern, die beide zusammenwirkend ihr Kind erziehen, können in Ausübung ihrer grundrechtlich geschützten Elternverantwortung den Umfang und die Wertigkeit ihrer Erziehungsbeiträge selbst festlegen und deshalb auch durch übereinstimmende Erklärung bestimmen, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Der Rentenversicherungsträger hat dies hinzunehmen. Liegt eine wirksame Erklärung der Eltern nicht vor, bestimmt sich die Zuordnung nach § 56 Abs. 2 Satz 8 und 9 SGB VI. Maßgeblich ist Satz 9, wonach die Erziehungszeit demjenigen Elternteil zuzuordnen ist, der das Kind überwiegend erzogen hat. Lediglich wenn die Erziehungsanteile entweder in etwa gleichgewichtig waren, eine überwiegende Erziehung somit nicht feststellbar ist oder sich für die Frage, ob eine überwiegende Erziehung vorlag, ein non liquet ergibt, greift die Regelung des § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI ein, nach der die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen ist (vgl. Urteil des BSG vom 16. Dezember 1997 -4 RA 60/97- SozR 3-2600 § 56 Nr. 10; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 08. Juni 2007 – L 1 R 1788/05 – in juris; Urteil des BSG vom 17. April 2008 – B 13 R 131/07 R – in juris).
Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§ 57 Satz 1 SGB VI).
Ist eine übereinstimmende öffentlich-rechtliche (Willens-)Erklärung überhaupt nicht, nicht übereinstimmend oder nicht rechtswirksam abgegeben, hat nach dem Grundsatz des § 56 Abs 2 Satz 9 SGB VI im Verwaltungsverfahren der Versicherungsträger (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>), im Streitfall das Gericht (§§ 103, 106 SGG) zu ermitteln, wer dann das Kind nach objektiven Gesichtspunkten überwiegend erzogen hat (vgl. hierzu das Urteil des BSG vom 31. August 2000 – B 4 RA 28/00 R – in juris). Im Hinblick auf den einer objektiven Tatsachenfeststellung kaum zugänglichen inneren Lebensbereich beider Elternteile – regelmäßig der Familie – ist im Wesentlichen an die Erklärungen der Elternteile anzuknüpfen und diese der Entscheidung zugrunde zu legen. Soweit der Kläger aus von ihm behaupteten Tatsachen Rechte bzw. Ansprüche herleiten will, sind diese Tatsachen nachzuweisen. Der Nachweis einer behaupteten Tatsache ist erbracht, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 128 Rdnr. 3b).
Die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung der gemeinsam erziehenden Eltern ist im geltenden Recht des § 56 Abs 2 Satz 4 bis 6 SGB VI grundsätzlich nur mit Wirkung für künftige Kalendermonate und nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung vorgesehen. Da hier – wie das SG bereits zutreffend in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat – für die streitigen Zeiträume keine rechtswirksame übereinstimmende Erklärung des Klägers und der Beigeladenen vorliegt, kommt eine Zuordnung der Kindererziehungszeit an ihn (als Vater) nur dann in Betracht, wenn er das Kind allein oder überwiegend erzogen hat (vgl. u. a. die Urteile des BSG vom 31. August 2000 - B 4 RA 28/00 R – a. a. O. sowie vom 17. April 2008 – B 13 R 131/07 R – in juris).
Zur Überzeugung des Senats (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) kann auf dieser Grundlage der Kläger die Berücksichtigung der Kindererziehungszeit im Zeitraum vom 01. Juni 2002 bis zum 30. April 2004 bzw. der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung im Zeitraum vom 05. Mai 2002 bis zum 30. April 2004 (KBZ) zu seinen Gunsten nicht verlangen, denn weder lässt sich die alleinige noch die überwiegende Erziehung der am 05. Mai 2002 geborenen Tochter J durch ihn (als Vater) in diesen Zeiträumen feststellen.
Der Kläger hat die Tochter J nicht allein erzogen, dies ergibt sich bereits aus dem Vortrag des Klägers und den Angaben der Beigeladenen, die selber in der Erklärung vom 20. Mai 2008 angegeben haben, die Tochter gemeinsam erzogen zu haben. Der Kläger und die Beigeladene haben überdies seit der Geburt des Kindes mit diesem eine häusliche Gemeinschaft gebildet, so dass der Kläger nicht „alleinerziehend“ war. Es ist schließlich von dem gesetzlichen Regelfall des gemeinsamen Sorgerechts auszugehen.
Der Begriff der gemeinsamen Erziehung ist im Gesetz nicht definiert. Er ist nicht gleichbedeutend mit einem gleichmäßigen Beitrag zur Erziehung. Den Eltern ist vielmehr überlassen, in welchem Ausmaß und in welcher Intensität sie sich der Erziehung widmen. Dies haben der Staat und seine Untergliederungen hinzunehmen nicht die Gewichtung ihrer Erziehungsbeiträge durch Zu- oder Aberkennung von Pflichtversicherungszeiten zu honorieren oder für unbeachtlich zu erklären (vgl. BSG SozR 3 – 2200 § 1227 a Nr. 7). Etwas anderes gilt erst dort, wo das Gesetz wie in § 56 Abs. 2 S. 9 ausdrücklich an die überwiegende Erziehung anknüpft. Für die Annahme einer gemeinsamen Erziehung genügt, wenn die Elternteile einvernehmlich und zeitgleich an der Erziehung ihres Kindes mitwirken, auch wenn die Beteiligung eines Elternteils etwa aus Gründen der Berufsausübung nur gering ist. Die häusliche Gemeinschaft mit dem Kind ist ein gewichtiges Indiz für eine gemeinsame Erziehung. Möglich ist jedoch auch eine Erziehung durch einen Elternteil, der nicht in dem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebt, zusammen mit dem anderen Elternteil. Es können auch mehr als zwei Elternteile ein Kind gemeinsam erziehen, wie z. B. leibliche Eltern und Stiefelternteil. Nehmen die Eltern gesetzliche Leistungen für die Erziehung des Kindes in Anspruch, die voraussetzen, dass sich der Elternteil, der sich der Erziehung des Kindes widmet, einer Erwerbstätigkeit nicht nachgeht, mit der eine Pflichtversicherungszeit in der Rentenversicherung begründet werden könnte, wie z. B. Erziehungsgeld/Elterngeld oder Erziehungsurlaub, ist das Merkmal der gemeinsamen Erziehung nicht anders zu beurteilen als bei der sonstigen Rollenverteilung zwischen Erwerbstätigkeit und Versorgung von Familie und Haushalt ohne die Sozialleistungen. Die gleichzeitige Ausübung einer verspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit hindert weder an der gleichzeitigen Erziehung noch am Erwerb von KEZ. Auch das Zuordnungsrecht der Eltern ist damit nicht beschränkt (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Randnr. 26 f. zu § 56 SGB VI).
Nach diesen Maßgaben ist es dem Kläger nicht gelungen, nachzuweisen, dass er die Tochter in den noch streitigen Zeiträumen überwiegend erzogen hat. Insoweit ist erheblich, in wessen Haushalt das Kind aufgenommen war/ist und wer sich in zeitlich größerem Umfang dem Kind gewidmet hat bzw. widmet; nicht erheblich ist hingegen, welcher Elternteil erzieherisch den größeren Einfluss ausgeübt hat/ausübt (vgl. hierzu die Urteil des BSG vom 31. August 2000 - B 4 RA 28/00 R – und vom 17. April 2008 – B 13 R 131/07 R – jeweils a. a. O.). Aus § 56 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 SGB VI ergibt sich, dass die kleinste zu berücksichtigende Zeiteinheit der Kalendermonat ist, so dass eine monatliche Betrachtung geboten ist.
Gegen eine überwiegende Erziehung spricht bereits die sich aus den Versicherungsverläufen des Klägers und der Beigeladenen ergebende Tatsache, dass zwar der Kläger in den streitigen Zeiträumen – wie von ihm angegeben – keiner Beschäftigung nachgegangen ist, die erst seit April 2001 in Deutschland aufenthältliche Beigeladene jedoch zunächst auch nicht. Ausweislich ihres Versicherungsverlaufs hat sie bis einschließlich 30. April 2004, d. h. ungefähr zwei Jahre nach der Geburt der gemeinsamen Tochter, keine Beschäftigung ausgeübt. Erst ab dem 01. Mai 2004 hat sie eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen.
Soweit der Kläger also vorträgt, die Beigeladene habe den ganzen Tag gearbeitet, entspricht dies nicht den Tatsachen. Jedenfalls bis zum 01. Mai 2004 ist der klägerische Vortrag schlicht unplausibel, zumal im Regelfall bei einer häuslichen Gemeinschaft davon auszugehen sein dürfte, dass die Mutter das Kleinstkind überwiegend versorgt. Insbesondere während der Mutterschutzfristen, in denen ein Arbeitsverbot besteht, ist i. d. R. davon auszugehen, dass eine überwiegende Erziehung durch den Vater nicht vorlag (vgl. Löns in Kreikebohm, Kommentar zum SGB VI, 3. A. 2008, Randr. 11 zu § 56). Der Kläger hat auch keinerlei Belege dafür vorgelegt, dass die Beigeladene abweichend vom Versicherungsverlauf vor dem 01. Mai 2004 tatsächlich beschäftigt war. Sein weiterer Vortrag zur Freizeitgestaltung an den Wochenenden stellt eine bloße Behauptung dar und belegt bei Arbeitslosigkeit beider Elternteile keineswegs eine überwiegende Erziehung durch den Kläger.
Die sich bezüglich der Zeiträume vom 01. Juni 2002 bis zum 30. April 2004 (KEZ) bzw. 05. Mai 2002 bis zum 30. April 2004 (KBZ) aus § 56 Abs 2 Satz 8 und 9 SGB VI ergebende und im Zweifel die Mutter bevorzugende Regelung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (vgl. das Urteil des BSG vom 17. April 2008 – B 13 R 131/07 R – in juris).
Nach alldem war die Berufung, soweit sie über das Anerkenntnis vom 26. April 2013 hinausgeht, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Ausmaß des Erfolgs des Rechtsschutzbegehrens des Klägers.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.