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Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz einschl. Kostenerstattung für Gehwegüberfahrten


Metadaten

Gericht VG Potsdam 12. Kammer Entscheidungsdatum 07.10.2016
Aktenzeichen VG 12 K 2246/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 8 KAG BB

Tenor

Der Beitragsbescheid Nr. 20 vom 3. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2013 wird i.H.v. 1.654,44 € aufgehoben.

Der Beitragsbescheid Nr. 21 vom 3. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2013 wird in Höhe von 3.272,06 € aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Straßenbaubeitrag für den Ausbau der H... im Abschnitt zwischen der H... und der Putlitzer Straße.

Die Straße hatte vor diesem Ausbau eine gepflasterte Fahrbahn und mit Betonplatten und Kleinpflaster befestigte Gehwege. Der letzte grundhafte Ausbau dürfte vor dem 1. Weltkrieg erfolgt sein.

Aufgrund eines Beschlusses des Hauptausschusses der Stadt Perleberg vom 3. April 2008 ließ die Bekagte die H... in zwei Bauabschnitten ausbauen. Der 1. Bauabschnitt „K... bis einschließlich Sophien-/Reetzer- und Putlitzer Straße“ erstreckt sich vom Kreisverkehrsplatz bis zur Hamburger Straße Nr. 14. Der 2. Bauabschnitt ab „K... verläuft von der Hamburger Straße Nr. 14 bis zur Hamburger Torbrücke. Der 2. Bauabschnitt gliedert sich in einen nördlichen Teil (Hamburger Str. 14 bis Einmündung Lindenstraße) - von der Beklagten als Hauptverkehrsstraße bezeichnet - und einen südlichen Teil (Einmündung L... bis zur H...) - von der Beklagten als innerörtliche Hauptverkehrsstraße bezeichnet -. Mit dem Neubau der beiden Knotenpunkte Kreisverkehrsplatz und Einmündungsbereich Lindenstraße sollten die Verkehrsräume neu gestaltet und die Seitenräume straßenbegleitend neu gegliedert werden. Im nördlichen Abschnitt des 2. Bauabschnitts (H...) wurde die Fahrbahn in der Bauklasse III hergestellt. Im südlichen Abschnitt des 2. Bauabschnitts (L...) erfolgte der Ausbau der Fahrbahn in der Bauklasse IV. Im Kreuzungsbereich H... entstand ein Aufstellbereich für Linksabbieger. Mit der Umgestaltung des Knotenpunktes wurde der östliche Fahrbahnrand der H... wegen der Einmündung in Höhe H... um 7 m verlegt. Damit wurde das ungehinderte Einfahren von der südlichen Hamburger Straße in die nördliche Hamburger Straße unterbunden. An diesen aufgeweiteten Straßenbereich schließt sich in Richtung H... zu beiden Seiten der Hamburger Straße eine Grünfläche an. Im nördlichen Teil des 2. Bauabschnittes wurde ein beidseitiger kombinierter Geh- und Radweg angelegt, der über den Knotenpunkt Hamburger Straße/Lindenstraße in die Lindenstraße weitergeführt wird. Von der Lindenstraße bis zur Hamburger Torbrücke wurde ein beidseitiger Gehweg angelegt.

Die Abnahme dieser Baumaßnahme erfolgte am 16. November 2011.

Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke sowie der Flur der Gemarkung Perleberg, die im nördlichen Teil des 2. Bauabschnitts der H... liegen. Mit Bescheiden vom 3. Juli 2012 (Nr. 020 und Nr. 021) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. und 27. September 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Oktober 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Dezember 2013 zog die Beklagte den Kläger für das Flurstück zu einem Beitrag in Höhe von 8.428,73 € und für das Flurstück zu einem Beitrag in Höhe von 16.669,86 € heran. Dabei legte die Beklagte für beide Flurstücke den Faktor 1,75 für eine 2-geschossige Bebauung (1,25) zuzüglich eines Gewerbezuschlags von 0,5 zugrunde. Die Hamburger Straße wurde als Hauptverkehrsstraße eingeordnet.

Die Änderungsbescheide der Beklagten vom 23. Oktober 2013 beruhen auf der am 5. September 2013 mit Rückwirkung zum 1. Oktober 2011 geänderter Straßenbaubeitragssatzung der Stadt Perleberg. Diese Änderung war aufgrund des Ausgangs des von dem Kläger betriebenen Eilverfahrens (VG 12 L 41/13) erfolgt. Mit Beschluss vom 29. Mai 2013 hatte die erkennende Kammer die Regelung der Straßenbaubeitragssatzung der Stadt Perleberg vom 19. Oktober 2006 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 22. September 2011 zum Gewerbezuschlag wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Vorteilsprinzip für unwirksam befunden.

Der Kläger hat am 11. Oktober 2012 Klage erhoben. Er hält die Bescheide jedenfalls der Höhe nach für rechtswidrig.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, es sei bereits zweifelhaft, ob die Kommunalabgabengesetze der Länder und dementsprechend die Beitragssatzungen verfassungskonform seien. Diesbezüglich seien beim Bundesverfassungsgericht Verfahren anhängig. Außerdem seien weder die Bescheide noch die Klageerwiderung von den zuständigen Vertretern der Stadt Perleberg unterzeichnet. Sie seien deshalb unwirksam. Außerdem sei zu prüfen ob es zulässig sei, zwei Bescheide zu demselben Grundstück zu erlassen. Die Änderung der maßgeblichen Satzung sei willkürlich erfolgt. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Stadtverordneten in die Planung und Finanzierung im Rahmen der Interessenabwägung eingebunden worden seien. Es habe keine nach dem Gesetz erforderlichen wirtschaftlichen Vorteile durch die Straßenbaumaßnahme gegeben. Es liege auch kein Straßenausbau vor, sondern eine Instandsetzung mit einer qualitativen Verbesserung insbesondere der Straßendecke.

Der Eigenbeitrag der Stadt sei zu niedrig bemessen. Die Kosten seien vorrangig vom Bund, Land, Kreis und der Stadt zu tragen. Zudem bestünden Zweifel an den Kostenberechnungen für die tatsächlichen Baukosten. Unverständlich und nicht nachvollziehbar sei, wieso sich der Umrechnungsfaktor gegenüber dem Ursprungsbescheid erhöht habe.

Die beiden Flurstücke würden nicht überwiegend gewerblich genutzt. Bei dem Gebäude auf dem Flurstück 213/1 handele es sich um ein mietvertraglich genutztes zweigeschossiges Gebäude. In der oberen Etage befänden sich Wohnungen von 5 Mietern. Keiner der Mieter betreibe ein Gewerbe. In der unteren Etage befänden sich die Räume einer Ergotherapie. Die einzelnen Räume seien entsprechend der jeweiligen ergotherapeutischen Behandlungsarten eingerichtet und würden ausschließlich von einer Therapeutin genutzt. Das Gebäude auf dem Flurstück 213/2 werde mietvertraglich als Abstellhalle genutzt und habe nur ein Vollgeschoss. Auch die Parkfläche werde nicht gewerblich genutzt. Außerdem habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei den Flurstücken um ein Eckgrundstück handele.

Der Kläger beantragt unter Berücksichtigung seines Schriftsatzes vom 24. Oktober 2012 sinngemäß,

die Bescheide (Nr. 020 und Nr. 021) vom 3. Juli 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. und 27. September 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Oktober 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Dezember 2013 aufzuheben, soweit in dem Bescheid Nr. 020 ein Nutzungsfaktor von 175 v.H. statt 125 v.H. und im dem Bescheid Nr. 021 ein Nutzungsfaktor von 175 v.H. statt 100 v.H. berücksichtigt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die streitgegenständlichen Bescheide in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Oktober 2013 rechtmäßig seien. Die Beitragserhebung erfolge verfassungsgemäß und entsprechend den gesetzlichen Festlegungen. Mit der Klarstellung der bisherigen Satzungsregelungen zum Artzuschlag für eine gewerbliche oder gewerbeähnliche Nutzung sei eine willkürliche Erhebung ausgeschlossen worden. Die Beitragserhebung entsprechend den Satzungen. Sie gehöre zu den Geschäften der laufenden Verwaltung, die der Bürgermeister nicht persönlich oder in Abstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung ausführe. Daraus folge, dass alle Schreiben der Stadt Perleberg durch die Bediensteten im Auftrag des Bürgermeisters verfasst und unterschreiben würden. Die Entscheidung, zwei getrennte Bescheide zu erlassen, beruhe auf der Veranlagung von zwei Flurstücken des Klägers. Die Straßenbaubeitragssatzung sehe keine Eckgrundstücksermäßigung vor.

Die grundhafte Erneuerung der Hamburger Straße sei entsprechend den durch die Stadtverordneten beschlossenen Planungen durchgeführt worden. Die ausgebaute Hamburger Straße stelle, schon aufgrund ihres einheitlichen Ausbaus und dem damit einhergehenden einheitlichen Erscheinungsbild der Straße, eine Anlage dar. Die Fahrbahn sei einheitlich breit und verlaufe geradeaus. Der Regenwasserkanal sei ebenfalls durchgängig verlegt worden. Auf der gesamten Ausbaustrecke sei derselbe Typ von Leuchten verwendet worden. Die Grundsätze der Beitragsgerechtigkeit und das Willkürverbot stünden einer künstlichen Aufspaltung der Hamburger Straße in zwei Abschnitte entgegenstehen.

Der Eigenanteil der Stadt Perleberg richte sich nach der Einordnung der Hamburger Straße als Hauptverkehrsstraße und sei vorteilsgerecht. Auf die ausgereichten Fördermittel komme es nicht an, weil diese ausschließlich den durch die Gemeinde zu tragenden Anteil beträfen. Die Flächendifferenz zwischen den Vorausleistungsbescheiden und den Endbescheiden ergeben sich aus einer unterschiedlichen Ermittlungsmethode. Der wirtschaftliche Vorteil für die Flurstücke des Klägers liege in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Hamburger Straße.

Beide Flurstücke würden überwiegend gewerblich genutzt. Dies gelte auch für die vermietete „Abstellhalle“ und den von mehreren Gewerbebetrieben genutzten Parkplatz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (3 Hefter, 1 Ordner und 1 Rolle) sowie auf die Akten der Verfahren VG 12 L 41/13, VG 12 K 2405/12, VG 12 K 165/14 und VG 12 L 414/14 einschließlich der jeweiligen Beiakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden kann, weil er mit der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), ist zulässig. Sie ist auch in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Insoweit erweisen sich die Bescheide Nr. 020 und Nr. 021 vom 3. Juli 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. und 27. September 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Oktober 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Dezember 2013 als rechtswidrig. Im darüber hinausgehenden Umfang sind die Bescheide rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers leiden die Bescheide an keinem formalen Mangel. Sie sind zutreffend durch die Mitarbeiter des Bauamtes im Auftrag des Bürgermeisters unterzeichnet, denn die Erhebung von Abgaben ist Bestandteil der laufenden Verwaltung, die im Auftrag des Hauptverwaltungsbeamten durchgeführt wird. Zudem würde die vom Kläger angesprochene Beschränkung der Zuständigkeit zur Abgabe von Erklärungen für die Stadt auf den Bürgermeister und seinen Vertreter nach § 57 Abs. 2 S. 2 Kommunalverfassung für das Land Brandenburg nur für Erklärungen gelten, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Beklagte den Kläger durch zwei Bescheide zu Beiträgen herangezogen hat. Dadurch werden die maßgeblichen Flurstücke erfasst, bei denen es sich auch um Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts handeln dürfte.

Die Stadt Perleberg war berechtigt und verpflichtet bezogen auf ihr Stadtgebiet gemäß § 2 Abs. 1 KAG eine Satzung zu erlassen, mit der sie Straßenbaumaßnahmen über Beiträge finanziert, indem sie die Eigentümer, deren Grundstücke an der ausgebauten Straße anliegenden, anteilig zu Beiträgen heranzieht. Anders, als der Kläger meint, gibt es keine Pflicht zur Steuerfinanzierung des Straßenbaus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Januar 2013 - 1 BvR 1892/11 -, juris).

Die Bescheide beruhen auf § 8 KAG i. V. m. § 1 der Straßenbaubeitragssatzung der Stadt Perleberg vom 19. Oktober 2006 (SABS alt) in der Fassung der 2. Änderung vom 5. September 2013 (SABS). Die 2. Änderung bemisst sich Rückwirkung bis zum 1. Oktober 2011 bei und ersetzt damit insoweit die vergleichbare unwirksame Regelung in der ursprünglichen Straßenbaubeitragssatzung.

Die Straßenbaubeitragssatzung in der Fassung der 2. Änderung bildet eine taugliche Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Maßstab der Abgabe in § 5 Abs. 6 c) SABS durch die 2. Änderung vom 5. September 2013 rückwirkend zulasten des Klägers geändert worden ist. Zwar ist eine rückwirkende Inkraftsetzung einer belastenden Rechtsnorm nach dem aus Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes (GG) folgenden Rechtsstaatsprinzip nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig. Dies ist aber dann der Fall, wenn die geänderte Satzung eine unwirksame ersetzt oder eine unklare oder verworrene Regelung mit Rückwirkung ändert (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 261, 271; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 17. Mai 1990 - 2 A 500/88 -, NVwZ-RR 1991, 349; Becker u.a., Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, Stand: 08/16, § 2 Rn. 153 ff., m. w. N.), denn ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand einer unwirksamen oder unklaren Regelung besteht nicht. Vielmehr muss ein Bürger mit einer rückwirkenden Regelung rechnen, die es der Gemeinde ermöglicht, von der ihr durch Gesetz eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, eine Abgabe zu erheben.

Die in der ursprünglichen Satzung enthaltene Regelung zum Artzuschlag, wonach jegliche - auch die geringfügigste - gewerbliche Nutzung einen grundstücksbezogenen Artzuschlag auslöste, war nicht vorteilsgerecht, weil diese Verteilungsregelung in § 5 Abs. 6 c) SABS alt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das daraus folgende Gebot der Abgabengerechtigkeit nach § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG verstieß (dazu ausführlich Beschluss der Kammer vom 29. Mai 2013 - VG 12 L 41/13 –). Dieser Fehler ist durch die 2. Änderungssatzung nunmehr behoben.

Auch die in § 4 Abs. 2 Nr. 3 SABS enthaltenen Anteilssätze der Beitragspflichtigen für eine Hauptverkehrsstraße begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Die Festsetzung des Gemeindeanteils ist ein Akt gemeindlicher Rechtsetzung. Sie kann deshalb, wie jeder andere Gesetzgebungsakt, gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Kommunalabgabengesetz und das dadurch begründete Vorteilsprinzip bei der Ausübung ihres ortsgesetzgeberischen Ermessens gesteckten Rahmen über- oder unterschritten hat (vgl. Driehaus, Erschließung- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 34 Rn. 8). Dieser Rahmen ist durch die Regelungen in § 4 Abs. 2 Nr. 3 SABS eingehalten. Die prozentualen Anteile der Beitragspflichtigen an dem Aufwand für den Ausbau einer Hauptverkehrsstraße stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zum Gemeindeanteil und spiegeln den jeweiligen Vorteil angemessen wider. So entfällt bei der Fahrbahn auf die Anlieger lediglich ein Anteil von 20 v.H. . Dies erscheint gegenüber dem Anteil von 80 v.H., der wegen des Durchgangsverkehrs auf die Allgemeinheit entfällt, vorteilsgerecht.

Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass der Kläger ohne Eckgrundstücksvergünstigung zu Beiträgen für seine Flurstücke herangezogen wurde, denn die Straßenbaubeitragssatzung des Beklagten sieht - ohne Rechtsfehler - keine Eckgrundstücksvergünstigung vor. Die Entscheidung dazu, ob eine Straßenbaubeitragssatzung eine Ermäßigung gewährt, steht im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Er kann sich ohne Rechtsverstoß dazu entscheiden, von einer Ermäßigung - wie hier - gänzlich abzusehen, da eine zweite Erschließung einem Grundstück grundsätzlich einen zusätzlichen Vorteil bietet (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1976 – IV C 56.74 -, juris; Driehaus, a.a.O., § 18 Rn. 76 zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. auch Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Aufl., Rn. 590 m. w. N.).

Allerdings liegt den angefochtenen Bescheiden eine fehlerhafte Anlagenbildung zu Grunde. Entgegen der Annahme der Beklagten ist beitragspflichtige Anlage im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 2 KAG i.V.m. § 1 SABS nicht der Verlauf der Hamburger Straße von dem Kreisverkehr bis zur Hamburger Torbrücke.

Nach dem in § 1 SABS verwendeten weiten Anlagenbegriff (dazu: Becker u.a., a.a.O. § 8 Rn. 65 m.w.N.) bestimmt sich die maßgebliche Anlage allerdings grundsätzlich nach dem Bauprogramm der Kommune. Nach dem Beschluss des Hauptausschusses vom 3. April 2008 erfasst das Bauprogramm die gesamte Strecke zwischen dem Knotenpunkt Hamburger- /Reetzer- /Putlitzer Straße (Kreisverkehr) über den Knotenpunkt mit der Lindenstraße bis zur Hamburger Torbrücke. Die spätere Bildung von Ausbauabschnitten ändert daran nichts.

Für die Festlegung der Anlage durch das Bauprogramm ergeben sich aber Grenzen aus dem Willkürverbot (OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 23. März 2000 - 2 A 226/98 -, Mitt.StGBl.Bbg 2000, 213). Der Anlage muss eine erschließungsrechtliche Selbstständigkeit zukommen, so dass ein Erschließungsraum gebildet wird, der erkennbar eine Erschließungsfunktion für bestimmte Grundstücke erfüllt und der im Übrigen alle Grundstücke erfasst, denen durch die Ausbaumaßnahme annähernd gleiche Vorteile geboten werden (OVG Münster, Urteil vom 25. Januar 2005 - 15 A 5565/99 -, juris; Becker, a.a.O.). Daraus können sich Schranken für die Anlagenbildung beispielsweise durch die unterschiedliche Ausstattung der ausgebauten Straßenteile begründen (OVG Münster, Urteil vom 25. Januar 2005 - 15 A 548/03 -, juris). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Bauprogramm Anlagen zusammenfasst, die nach natürlicher Betrachtungsweise selbstständig sind (VG Potsdam, Urteil vom 15. November 2013 – 12 K 112/12 –, Rn. 17, juris). Maßgebend für die Entscheidung, ob eine Straße als eine einheitliche Erschließungsanlage zu behandeln ist oder ob sie in mehrere selbständige Einheiten zerfällt, ist das Erscheinungsbild der Straße, z. B. nach Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge und Straßenausstattung zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (BVerwG, Urteile vom 21. September 1979 - 4 C 55.76 - und 7. Juni 1996 - 8 C 30.94 -, juris; Driehaus, a.a.O., § 12 Rn. 11 m. w. N. zum Erschließungsbeitragsrecht).

Gemessen daran zerfällt die ausgebaute Anlage an dem Knotenpunkt Hamburger Straße/Lindenstraße in zwei selbstständige Teile. Ausweislich der Ausbauplanung und der vorgelegten Fotos wird der Kraftfahrzeugverkehr von dem Kreisverkehr (Knotenpunkt mit der Putlitzer Straße) in einer leichten Rechtskurve in die Lindenstraße geführt. Für einen unbefangenen Beobachter entsteht dadurch der Eindruck, dass es sich dabei ungeachtet des geänderten Straßennamens um einen einheitlichen Straßenzug handelt. Zur Weiterfahrt in den südlichen Teil der Hamburger Straße muss sich ein Verkehrsteilnehmer demgegenüber nach links einordnen um in den weiteren Verlauf der Hamburger Straße Richtung Süden einzubiegen. Auch von Süden über die Hamburger Torbrücke kommende Fahrzeuge werden durch die in diesem Bereich entstandene begrünte Ausbuchtung östlich der Fahrbahn so gelenkt, dass sie nach dem Eindruck der Verkehrsteilnehmer in eine andere Straße, den Straßenzug Hamburger Straße/Lindenstraße, einbiegen. Eine Fußgängerfurt unterstreicht den Eindruck, dass im Einmündungsbereich eine neue Straße beginnt. Demgegenüber treten die von der Beklagten angeführten Elemente, wie die einheitliche Straßenbeleuchtung und die – im Übrigen nicht sichtbare – einheitliche Regenwasserkanalisation zurück. Auch der einheitliche Name beider Teilstrecken ist ohne Bedeutung.

Der ausgebaute Teil der Hamburger Straße zerfällt aber auch deswegen in zwei selbstständige Anlagen, weil diese unterschiedliche Verkehrsfunktionen haben und damit den Anliegern unterschiedliche Vorteile bieten. Die Teilstrecke zwischen dem Kreisverkehr und der Lindenstraße ist, wovon die Bekagte zutreffend ausgeht, eine Hauptverkehrsstraße im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 3 SABS, da sie dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr und dem überörtlichen Durchgangsverkehr dient. Zusammen mit der Lindenstraße wird der von Norden kommende Durchgangsverkehr auf diesem Straßenzug in Richtung Süden um den Innenstadtkern herumgeführt. Die Teilstrecke der Hamburger Straße, die nach dem Knotenpunkt mit der Lindenstraße nach Süden führt, erschließt demgegenüber vor allem den von der Stepenitz umschlossenen Innenstadtkern und ist daher als Haupterschließungsstraße im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 SABS einzustufen. Sie dient der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen. Dem entspricht der Ausbau der nördlichen Strecke in der Bauklasse III, der südlichen in der Bauklasse IV. Die Satzung enthält in § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SABS für beide Straßenarten unterschiedliche Anteilssätze für die Anlieger, die die unterschiedlichen Vorteile wiedergeben.

Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2016 hat die Beklagte eine Alternativberechnung nach Maßgabe dieser Anlagenbildung vorgelegt. Die klägerischen Flurstücke grenzen an die Teilstrecke zwischen dem Kreisverkehr und dem Knotenpunkt mit der Lindenstraße.

Der Ausbau dieser Teilstrecke unterliegt nach § 8 Abs. 2 KAG der Beitragspflicht. Danach sind Beiträge Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwands u.a. für die Erneuerung und Verbesserung öffentlicher Straßen, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung, dienen. Der grundhafte Ausbau der Hamburger Straße stellt sich jedenfalls als Erneuerung dar. Er überschreitet in seinem Umfang auch eine Instandhaltung bzw. Unterhaltung der Straße bei weitem.

Eine Erneuerung einer (Teil-)Anlage liegt vor, wenn sie im Wesentlichen entsprechend dem Ausbauzustand wiederhergestellt wird, den sie unmittelbar nach ihrer ersten oder einer etwaigen weiteren Herstellung hatte, indem sie durch eine neue Anlage von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleicher Befestigungsart ersetzt wird. Eine beitragspflichtige Erneuerung setzt zum einen voraus, dass die betreffende Anlage verschlissen ist, das heißt, sich in einem schadhaften Zustand im Sinne einer Erneuerungsbedürftigkeit befindet, und zum anderen, dass die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist, die bei bestimmungsgemäßer Nutzung und ordnungsgemäßer Unterhaltung und Instandsetzung der betreffenden Straße erfahrungsgemäß zu erwarten ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. August 2007 - 9 N 148.05 -, juris).

An den Nachweis der Erneuerungsbedürftigkeit sind allerdings desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger die übliche Nutzungszeit überschritten ist. Hat diese Überschreitung ein erhebliches Maß angenommen, bedarf es für den Nachweis der Verschlissenheit keiner ins Einzelne gehenden Dokumentation mehr, vielmehr kann dann bereits aus dem bloßen Alter der Anlage auf deren Abgenutztheit geschlossen werden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23 November 2016 - 15 A 2582/15, juris-; st. Rspr. der Kammer, vgl. Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 12 L 672/08 -).

Mit einem Alter von weit über 50 Jahren war die übliche Nutzungsdauer der noch mit Granitpflaster bzw. Kleinpflaster befestigten Straße so erheblich überschritten, dass bereits deswegen auf einen Erneuerungsbedarf geschlossen werden kann. Damit ist es aber auch ohne Belang, ob die Beklagte regelmäßig Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten ausgeführt hat (vgl. Driehaus, a.a.O. § 32 Rn. 22). Angesichts des Alters der Anlage ist zu Gunsten des Beklagten zu vermuten, dass auch bei Durchführung dieser Arbeiten ein Erneuerungsbedarf bestanden hätte.

Durch die Erneuerung der Straße wird dem Kläger als Grundstückseigentümer auch ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 2 KAG geboten, denn er kann diese in Anspruch nehmen. Die Erneuerung einer Straße indiziert regelmäßig einen wirtschaftlichen Vorteil für das dadurch erschlossene Grundstück (Driehaus, a.a.O. § 29 Rn. 25).

Die Beitragspflicht ist mit der Bauabnahme am 16. November 2011 entstanden (§ 8 Abs. 7 S. 1 KAG).

Die Beklagte hat den beitragsfähigen Aufwand im Sinne von § 2 SABS zutreffend ermittelt. Dies ist auch vom Kläger nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Mit der Alternativberechnung vom 11. Januar 2016 hat die Beklagte den Aufwand ermittelt, der auf die hier maßgebliche nördliche Teilstrecke entfällt. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Der Anteil der Beitragspflichtigen an diesem Aufwand bemisst sich nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 SABS, da diese Teilstrecke, wie bereits ausgeführt, zutreffend als Hauptverkehrsstraße eingestuft wurde. Öffentliche Fördermittel waren § 8 Abs. 4 S. 7 KAG bei der Ermittlung der umlagefähigen Kosten nicht zu berücksichtigen.

Die in der Alternativberechnung vom 11. Januar 2016 enthaltene Verteilung des umlagefähigen Aufwands nach § 5 SABS ist nicht zu beanstanden. Dazu wird die Grundstücksfläche im Sinne von § 5 Abs. 2 SABS mit einem Vomhundertsatz entsprechend der Bebauung gemäß § 5 Abs. 3 SABS vervielfacht. Nach § 5 Abs. 5 a SABS ergibt sich dafür die Zahl der maßgeblichen Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich – wie hier – aus der Höchstzahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Überschreitet die nach der näheren Umgebung (§ 34 BauGB) zulässige Zahl der Vollgeschosse die auf dem Grundstück tatsächlich vorhandenen Zahl der Vollgeschosse, so ist die zulässige Vollgeschosszahl maßgeblich. Dies hat die Beklagte berücksichtigt. Nach der Umgebungsbebauung überwiegt eine zweigeschossige Bebauung. Auch bei geringer bebauten Grundstücken waren daher zwei Vollgeschossen zu Grunde zu legen. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob das Gebäude auf dem Flurstück 213/2 tatsächlich zwei Vollgeschosse aufweist. Nach der rechtmäßigen Satzungsregelung waren nach der Umgebungsbebauung ohnehin (mindestens) zwei Vollgeschosse zu berücksichtigen. Bei vier Grundstücken im Abrechnungsgebiet, deren Vollgeschosszahl darüber hinausreicht, wurde diese höhere Zahl zur Anwendung gebracht.

Die Beklagte hat sodann die Vomhundertsätze nach § 5 Abs. 3 SABS für die gewerblich genutzten Grundstücke, so auch für die Flurstücke des Klägers, zutreffend gemäß § 5 Abs. 6 c SABS um 50 v.H. erhöht. Grundstücke werden in diesem Sinne gewerblich, industriell oder in ähnlicher Weise genutzt, wenn diese Nutzung mehr als 1/3 der vorhandenen Geschossfläche übersteigt. Liegt eine derartige Nutzung ohne Bebauung oder zusätzlich zur Bebauung vor, gilt die tatsächlich so genutzte Fläche als Geschossfläche. Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers kommt es bei Grund-stücken gemäß § 5 Abs. 6 c SABS nicht auf die zulässige – wie bei lit. a und b -, sondern auf die tatsächliche Nutzung an.

Bei beiden Flurstücken des Klägers überschreitet die gewerbliche oder ähnliche Nutzung mehr als 1/3 der vorhandenen Geschossfläche. Hinsichtlich des Gebäudes auf dem Flurstück 213/1 hat der Kläger vorgetragen, dass die untere Etage durch eine Praxis für Ergotherapie genutzt wird. Dies ist eine gewerbliche Nutzung im Sinne der Satzung, auf den konkreten Umfang der Nutzung kommt es nicht an. Da sie sich über die gesamte Fläche eines Vollgeschosses erstreckt, betrifft sie auch mehr als 1/3 der Geschossfläche. Das Gebäude auf dem Flurstück 213/2 soll als „Abstellhalle“ vermietet sein. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem „Abstellen“ um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen wird auch die Freifläche vor dem Gebäude gewerblich genutzt, da sie als Parkplatz für mehrere Gewerbebetriebe vorgesehen ist. Die Fläche ist nach § 5 Abs. 6 c S. 2 SABS als gewerblich genutzte Geschossfläche einzubeziehen.

Nach der mithin anzuwendenden Alternativberechnung entfällt auf das Flurstück 213/1 der Flur 22 (Bescheid Nr. 020) ein Beitrag von 6.774,29 €, was zu einer Reduzierung gegenüber dem Änderungsbescheid vom 23. Oktober 2013 um 1.654,44 € führt. Auf das Flurstück 213/2 der Flur 22 (Bescheid Nr. 021) entfällt ein Beitrag von nunmehr 13.397,80 €, was zu einer Aufhebung des Änderungsbescheides um 3.272,06 € führt. Insoweit war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach waren die Kosten entsprechend dem Unterliegen bzw. Obsiegen des jeweiligen Beteiligten hälftig zu teilen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 9.552,44 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert bemisst sich nach der mit dem Klagebegehren in der Fassung des Schriftsatzes vom 24. Oktober 2012 erstrebten Reduzierung des Straßenbaubeitrags hinsichtlich beider Bescheide unter Berücksichtigung der Änderungsbescheide vom 23. Oktober 2013.