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Rundfunkbeitrag; Masterstudium; kein BAföG wegen Einkommens der Eltern; besondere Härte; Ungleichbehandlung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 08.02.2017
Aktenzeichen OVG 11 N 16.15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 Abs 1 Nr 5a RdFunkBeitrStVtr BE, § 4 Abs 6 S 1 RdFunkBeitrStVtr BE, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf unter 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit Bescheid vom 24. März 2014 und Widerspruchsbescheid vom 24. September 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Januar 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 5a RBStV, weil sie keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehe. Eine entsprechende (analoge) Anwendung der Tatbestände des § 4 Abs. 1 RBStV auf Personen, die ein niedriges Einkommen, aber keine der dort angegebenen Leistungen bezögen, sei ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für einen Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV lägen nicht vor. Auch ein sonstiger besonderer Härtefall sei nicht gegeben. Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittelvorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 -, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Daran fehlt es hier.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juli 2013, wonach ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebühren- bzw. -beitragspflicht aus Härtegründen bestehe, wenn die Einkünfte des auch vermögenslosen Abgabenschuldners unter dem sozialhilferechtlichen Regelsatz lägen, er aber kraft Gesetzes keinen Anspruch auf ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe (VG 27 K 35.13 – juris, Leitsatz, Rn. 18). Diese Entscheidung hat der Senat im Berufungsverfahren mit Urteil vom 15. Oktober 2015 (OVG 11 B 7.13 – juris) geändert und die zugrundeliegende Klage abgewiesen. Denn § 6 Abs. 3 RGebStV enthält keine allgemeine Härte-Auffangklausel. Nicht gemeint sind von vornherein diejenigen Fälle, die vom Normbereich des § 6 Abs. 1 RGebStV erfasst werden. Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV sollte für den einkommensschwachen Personenkreis eine "bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit" eröffnet werden, wobei die Befreiungstatbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten. Die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine Sozialhilfe erhalten, weil sie deren Voraussetzungen (noch) nicht erfüllen oder weil sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden. Mit der Intention des Gesetzgebers wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Landesrundfunkanstalten oder die für sie handelnde Gebühreneinzugszentrale das Vorliegen eines Härtefalles nach § 6 Abs. 3 RGebStV auch dann unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Einzelfall zu prüfen hätten, wenn keine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Situation vorliegt, sondern eine Bedarfslage, für die der Normgeber keine Befreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV gewähren wollte (BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011, – 6 C 34/10 – juris, Rn. 17 ff.; Beschluss vom 18. Juli 2008 – 6 B 1/08 – juris, Rn. 5 ff.; Senatsurteil vom 15. Oktober 2015 – OVG 11 B 7.13 - juris, Rn. 26 ff.; Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2016 – OVG 11 M 23.16 – juris, Rn. 4, und 23. Februar 2016 - OVG 11 M 34.15 – juris, Rn. 5). Für die Härtefallregelung in § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV gilt insoweit nichts anderes (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2016 – OVG 11 M 23.16 – juris, Rn. 4, und 23. Februar 2016 - OVG 11 M 34.15 – juris, Rn. 5).

Der Auffassung der Klägerin, § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV komme ein Auffangcharakter zu, kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Soweit die Klägerin beanstandet, § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV setze entgegen dem Prinzip der bescheidgebundenen Befreiung keinen Bescheid voraus, übersieht sie, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nicht wegen des Fehlen eines Bescheides verneint hat, sondern ausgeführt hat, die Lebenssituation der Klägerin als Studentin werde vom Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5a RBStV erfasst. Hiermit setzt sich die Klägerin nicht in der gebotenen Weise argumentativ auseinander.

Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass eine atypische Fallkonstellation vorliege, die eine besondere Härte im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV begründe. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Studierende, die wegen des anzurechnenden Einkommens ihrer Eltern keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, bewusst nicht von der Rundfunkbeitragspflicht befreien wollte. Dass es sich – wie die Klägerin geltend macht – bei dem von ihr absolvierten Masterstudiengang „Linguistik: Kommunikation – Variation – Mehrsprachigkeit“ um eine Zweitausbildung handele und ihre Eltern nicht unterhaltspflichtig seien, hat sie schon nicht schlüssig dargelegt. Vielmehr dürfte es sich angesichts des zeitlichen und fachlichen Zusammenhangs des Masterstudiums zu dem bereits erworbenen Bachelor of Arts Germanistik unterhaltsrechtlich um eine einheitliche Ausbildung handeln, bei der der Ausbildungsunterhaltsanspruch fortbesteht (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2011 – 10 UF 161/10 – juris, Rn. 15; OLG Celle, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 15 WF 17/10 – juris, Rn. 6; Palandt, BGB, § 1610 Rn. 33). Selbst wenn mit der Klägerin von einer Zweitausbildung auszugehen wäre, würde dies die Annahme eines besonderen Härtefalls nicht rechtfertigen, weil die speziellen Befreiungstatbestände nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 und 5a RBStV nicht erfüllt sind und der Gesetzgeber Auszubildenden, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gewähren wollte (Senatsurteil vom 15. Oktober 2015 – OVG 11 B 7.13 – juris, Rn. 28)

Auf das Vorbringen der Klägerin, sie verfüge lediglich über einen monatlichen Betrag von 275 Euro für ihren Lebensunterhalt, kommt es nach den obigen Ausführungen schon nicht an. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein besonderer Härtefall auch deshalb nicht ersichtlich ist, weil die Klägerin nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen von ihren Eltern mit über 800 Euro monatlich unterstützt wird und damit über ein Einkommen verfügt, das deutlich über dem BAföG-Höchstsatz (2014: 670 Euro; 2015: 735 Euro) liegt.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin weiter, das Prinzip der bescheidgebundenen Befreiung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit grundsätzlich mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist und nicht dadurch umgangen werden kann, dass einkommensschwache Personen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht erfüllen oder weil sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen, dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zugeordnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 6 B 1/08 – juris, Rn. 6 f.; Urteil vom 12. Oktober 2011 – 6 C 34/10 – juris, Rn. 21, 25 zu § 6 Abs. 3 RGebStV). Soweit der Beklagte – davon abweichend – einen Härtefall auch dann annehmen sollte, wenn Personen bewusst auf Sozialleistungen verzichten, sofern sie eine Bescheinigung der Sozialbehörde vorlegen, aus der ersichtlich ist, dass die Sozialbehörde den Anspruch auf eine Sozialleistung umfassend geprüft und bejaht hat, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen. Denn sie hat auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht bewusst verzichtet, sondern erfüllt deren Voraussetzungen nicht. Eine Bescheinigung über einen bestehenden BAföG-Anspruch bzw. einen anderen Sozialleistungsanspruch hat sie nicht vorgelegt. Eine vergleichbare Sachlage liegt daher schon nicht vor.

Das weitere Vorbringen, der Rundfunkbeitrag bedeute eine faktische Steuer für Haushalte, unabhängig von einer Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit, und hierdurch werde in die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, da sie sich diesem nicht entziehen könne, rechtfertigt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine nichtsteuerliche Abgabe, die die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit darstellt und im privaten Bereich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 – 6 C 6/15 – juris, Rn. 12, 25 ff). Die Rundfunkbeitragspflicht verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, da der Eingriff in ihre allgemeine Handlungsfreiheit durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und damit durch eine mit dem Grundgesetz formell und materiell in Einklang stehenden Rechtsgrundlage gedeckt ist (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Juni 2016 – 3 A 384/15 – juris, Rn. 12).

2. Aus den genannten Gründen weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigen würden.

3. Das Rechtsmittelvorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. zum Revisionsrecht: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit die Klägerin die Frage für klärungsbedürftig hält, „ob ein besonderer Härtefall entsprechend § 4 Abs. 6 RBStV gegeben ist, wenn ein Student ohne Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG im Rahmen seiner Zweitausbildung/Masterstudium monatlich über weniger Geld verfügen kann als der Regelbedarf für Sozialleistungen“, hat sie die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage schon nicht dargelegt. Entsprechendes gilt für die Frage, „ob es bei Studenten und Auszubildenden in jedem Fall für eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag eines Bescheides gemäß des § 4 Abs. 1 Nr. 5 RBStV bedarf“.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).