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Personalratswahl; Wahlanfechtung; Anfechtungsbefugnis; Quorum; mindestens drei Wahlberechtigte; Verlust der Wahlberechtigung während des Wahlanfechtungsverfahrens


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) Entscheidungsdatum 11.12.2014
Aktenzeichen OVG 60 PV 18.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 12 Abs 1 PersVG BE, § 22 Abs 1 PersVG BE

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juni 2013 geändert. Der Antrag der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragsteller fechten die Wahl zum Personalrat der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Beteiligte zu 2) vom November 2012 an. Sie rügen unter anderem den Ausschluss derjenigen Lehrkräfte vom Wahlrecht, die mit weniger als der Hälfte ihrer Dienstzeit in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (im Folgenden: Senatsverwaltung) eingesetzt werden, wie z.B. die mindestens 400 Lehrkräfte, die gem. § 14 Abs. 1 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung von der Senatsverwaltung mit der Funktion eines/r Fachseminarleiters/in beauftragt worden sind. Die Beteiligte zu 1 hält die Festlegung einer Mindestgrenze einer Beschäftigung von mindestens der Hälfte der Arbeitszeit in der Senatsverwaltung zur Feststellung der Wahlberechtigung für geboten, um die Möglichkeit zur Wahl in mehreren Dienststellen zu vermeiden. Nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses am 3. Dezember 2012 waren 496 gültige Stimmen abgegeben worden.

Mit Beschluss vom 19. Juni 2013 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Wahl des Beteiligten zu 2 für ungültig erklärt und zur Begründung ausgeführt: Der Wahlvorstand habe § 12 Abs. 1 PersVG Berlin falsch angewendet, wonach alle Dienstkräfte wahlberechtigt sind, die am Wahltage das 16. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, dass sie infolge Richterspruchs das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, nicht besitzen. Das Recht, den Beteiligten zu 2 zu wählen, stehe danach auch Dienstkräften zu, die in mehreren Dienststellen verwendet würden, davon in der Senatsverwaltung mit weniger als der Hälfte ihrer Dienstzeit. Die Wahlberechtigung setze Beschäftigteneigenschaft und Dienststellenzugehörigkeit voraus. Dienststellenzugehörig sei der Beschäftigte, der in die Dienststelle eingegliedert sei. Dies sei der Fall, wenn er dort nach Weisungen des Dienststellenleiters an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirke. Für die Zuerkennung der Beschäftigteneigenschaft reiche es aus, dass die Tätigkeit in der Dienststelle nicht bloß vorübergehend und geringfügig sei. Unerheblich sei dabei, ob eine weitere Tätigkeit an einer anderen Stelle ausgeübt werde. Das Berliner Personalvertretungsgesetz schließe eine Wahlberechtigung zu mehreren Personalvertretungen nicht aus. Ein solches Verbot lasset sich nicht aus § 12 Abs. 2 PersVG Berlin herleiten. Gemäß dieser Vorschrift seien abgeordnete Dienstkräfte, Beamte im Vorbereitungsdienst und Dienstkräfte in entsprechender Ausbildung nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt. Die Gesetzesbestimmung sei nach den oben dargelegten Grundsätzen eine Ausnahme von der Regel, nicht etwa der spezielle Ausdruck einer generellen Regel. Es liege auch keine der Ausnahmen vor. Die in mehreren von der Beteiligten zu 1 geleiteten Dienststellen tätigen Dienstkräfte seien nicht in die Senatsverwaltung abgeordnet. Denn die Senatsverwaltung bilde im dienst- und organisationsrechtlichen Sinn eine einzige Behörde, die sich in die in § 5 Abs. 1 PersVG Berlin in Verbindung mit den Nrn. 1, 12 a bis c der Anlage genannten personalvertretungsrechtlichen Dienststellen gliedere. Die anteilig in mehreren dieser Dienststellen verwendeten Dienstkräfte seien in einer einzigen Behörde tätig. Die Befassung einer Dienstkraft mit Aufgaben einer anderen Dienststelle bedeutet dienstrechtlich nicht mehr als die Erweiterung der Aufgaben durch Zuweisung eines weiteren Dienstpostens. Angesichts der großen Zahl zu Unrecht nicht als wahlberechtigt erfasster Dienstkräfte liege die Auswirkung auf das Wahlergebnis auf der Hand. Die Kammer könne nach alledem offen lassen, ob weitere Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vorlägen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2, zu deren Begründung er vorbringt: Die Antragsteller zu 2 und 3 seien zwischenzeitlich aus Altersgründen aus der Dienststelle ausgeschieden, damit sei das notwendige Anfechtungs-Quorum von drei Wahlberechtigten nicht mehr erfüllt und der Antrag unzulässig geworden. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Die Antragsteller hätten nicht hinreichend dargetan, ob und ggf. wieviele Lehrkräfte aufgrund welcher personalrechtlichen Maßnahmen in der Senatsverwaltung eingegliedert worden und von der Wahl ausgeschlossen worden seien. Das habe auch die Fachkammer nicht geklärt.

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juni 2013 zu ändern und den Antrag der Antragsteller zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 1 schließt sich diesem Antrag an.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie entgegnen: Der Verlust der Wahlberechtigung im Laufe des Anfechtungsverfahrens lasse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Anfechtungsrecht nicht entfallen. Im Übrigen verteidigen sie den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist begründet.

Der Wahlanfechtungsantrag ist unzulässig (geworden). Die Antragsteller sind nicht (mehr) anfechtungsbefugt.

Nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin können mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder der Leiter der Dienststelle binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl des Personalrats oder einer Gruppe beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

Den Antragstellern zu 1 bis 3 standen zwar als bei der Senatsverwaltung tätigen Beschäftigten das Wahlrecht zum dortigen Personalrat und auch das Wahlanfechtungsrecht zu. Die Wahlberechtigung und damit auch die Wahlanfechtungsberechtigung der Antragsteller zu 2 und 3 ist jedoch entfallen, nachdem diese im Laufe des Beschwerdeverfahrens aus Altersgründen aus der Dienststelle ausgeschieden sind. Somit erfüllt der als wahlberechtigt verbleibende Antragsteller zu 1 nicht mehr das Quorum von drei Wahlberechtigten.

Wahlberechtigt im Sinne von § 22 PersVG Berlin ist nur, wer sowohl im Zeitpunkt der Wahl, um deren Anfechtung es geht, als auch im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Wahlanfechtung wahlberechtigt ist. Ist wegen Wegfalls der Wahlberechtigung bei auch nur einem von drei Antragstellern im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung das Quorum von drei Wahlberechtigten nicht mehr erfüllt, entfällt die Wahlanfechtungsberechtigung für alle drei Antragsteller. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen müssen. Auch die Antragsberechtigung im Beschlussverfahren ist eine Verfahrensvoraussetzung und muss deshalb noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Beschwerdeinstanz bestehen (zur vergleichbaren Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 21. November 1975 - 1 ABR 12/75 -, juris Rn. 18, vom 14. Februar 1978 - 1 ABR 46/77 -, juris Rn. 15, und vom 10. Juni 1983 - 6 ABR 50/82 -, juris Rn. 12; anders Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Dezember 1986 - 6 ABR 48/85 -, juris Rn. 23, im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [Beschluss vom 27. April 1983 - BVerwG 6 P 17.81 -, juris Rn. 19 ff., 22], wieder anders Beschluss vom 15. Februar 1989 - 7 ABR 9/88 -, juris Rn. 12 ff., 16; zur vergleichbaren Regelung in § 25 BPersVG Beschluss des 62. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. September 2013 - OVG 62 PV 20.12 -).

Das Merkmal der Wahlberechtigung im Sinne von § 22 PersVG Berlin ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht auf den Zeitpunkt der angefochtenen Wahl festgeschrieben. Die Wahlberechtigung eines Beschäftigter kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt festgestellt werden. Wahlberechtigt sind alle Beschäftigten einer Dienststelle, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, dass sie infolge Richterspruchs das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, nicht besitzen.

Ein zwingender systematischer Zusammenhang zu § 12 Abs. 1 PersVG Berlin, der die Wahlberechtigung an den Wahltag bindet, besteht nicht. So schreiben z.B. § 25 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin (Ausschluss eines Mitgliedes aus dem Personalrat oder Auflösung des Personalrats auf Antrag eines Viertels der Wahlberechtigten) und § 47 Abs. 2 PersVG Berlin (Einberufung einer Personalversammlung auf Wunsch eines Viertels der wahlberechtigten Dienstkräfte) ein Quorum unabhängig von einer Wahl oder einem Wahlzeitpunkt vor.

Sinn und Zweck der Wahlanfechtung sprechen für eine vom Wahltag unabhängige Wahlberechtigung als Verfahrensvoraussetzung. Das Quorum von mindestens drei Wahlanfechtungsberechtigten dient der Rechtssicherheit und soll der Wahlanfechtung eine gewisse Erfolgsaussicht geben. Nicht ein einzelner Beschäftigter soll zur Wahlanfechtung berechtigt sein, sondern nur eine Gruppe von mindestens drei wahlberechtigten Beschäftigten, die so weniger ihre Individualinteressen als einzelne Beschäftigte verfolgt als vielmehr stellvertretend ein kollektives Interesse der Belegschaft an einem ordnungsgemäßen Wahlablauf. Die Gruppe nimmt als eine nicht unbedeutende Minderheit das allgemeine Interesse an der Ordnungsgemäßheit der Personalratswahl wahr und repräsentiert es während des gesamten Wahlanfechtungsverfahrens. Diese Voraussetzungen sowohl für die prozessuale Einleitung und Weiterführung eines Beschlussverfahrens als auch für eine materiell-rechtlich günstige Entscheidung müssen daher in jedem Stadium des Verfahrens, also auch noch in der Beschwerdeinstanz vorliegen.

Auch wenn Gegenstand der Wahlanfechtung nicht die Verletzung subjektiver Rechte einzelner Beschäftigter ist, ist sie aber Anlass für die Wahlanfechtung. Dies folgt aus dem Repräsentationsgrundsatz. Auch im Wahlanfechtungsverfahren setzt eine Sachentscheidung voraus, dass der Antragsteller ein eigenes subjektives Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Unwirksamkeitserklärung der angefochtenen Personalratswahl hat. Dieses subjektive Rechtsschutzinteresse besteht für den anfechtenden Beschäftigten nur solange, wie er von dem nach seiner Ansicht gesetzwidrig gewählten Personalrat repräsentiert wird. Er muss nicht hinnehmen, dass er von einem aus seiner Sicht solchermaßen rechtswidrig zustande gekommenen Personalrat vertreten wird. Scheidet er jedoch aus der Dienststelle aus, kann sich die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Personalratswahl für ihn in der Zukunft nicht mehr auswirken. Nur diese zukünftige Auswirkung ist aber entscheidend, weil der Wahlanfechtungsantrag keine aufschiebende Wirkung hat, also alle bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Beschlussverfahren vom - vermeintlich fehlerhaft gewählten - Personalrat getroffenen Entscheidungen Bestand haben (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin). Es gilt hier nichts anderes als bei der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft als weitere Anfechtungsbefugte nach § 22 PersVG Berlin. Auch bei ihr muss das Erfordernis der Vertretung in der Dienststelle als Verfahrensvoraussetzung noch bis zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung bestehen (vgl. Richardi u.a., PersVR, 3. Aufl., Rn. 33 zu § 25).

Andere Auffassungen hierzu unterscheiden nicht hinlänglich zwischen der Wahlberechtigung nach § 12 Abs. 1 PersVG Berlin als einer materiellen Voraussetzung des Wahlzugangs und der Wahlberechtigung nach § 22 Abs. 1 PersVG Berlin als einer Sachentscheidungsvoraussetzung. Sie führen auch insoweit zu unschlüssigen Ergebnissen, als es in Anbetracht von Sinn und Zweck der Wahlanfechtung keinen Unterschied macht, ob der aus der Dienststelle ausgeschiedene Wahlanfechtende seinen unzulässig gewordenen Antrag zurücknimmt oder diesen Antrag - unzulässigerweise - weiterverfolgt.

Da das Bundesverwaltungsgericht gegen den o.g. Beschluss des 62. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Parallelvorschrift in § 25 BPersVG die Rechtsbeschwerde wegen Divergenz zugelassen (Beschluss vom 7. Februar 2014 - 6 PB 37.13 -, juris), über die Rechtsbeschwerde aber noch nicht entschieden hat (BVerwG 6 P 3.14, jetzt BVerwG 5 P 7.14), war auch im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerde zuzulassen.