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Entscheidung 15 WF 194/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 21.06.2010
Aktenzeichen 15 WF 194/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Zossen vom 22. April 2010 – 9 F 38/09 – wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass sich die Wirkung der der Antragsgegnerin im Verfahren 6 F 336/04 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Zossen mit Beschluss vom 10. August 2004 bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf das vor dem Amtsgericht Zossen geführte Verfahren 9 F 38/09 erstreckt.

Die Gebühr nach KVFam Nr. 1912 wird nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Ehe der Parteien wurde in dem Verfahren 6 F 336/04 mit am 2. November 2004 verkündetem Urteil geschieden; die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt und zugleich gem. § 2 Abs. 1 VAÜG ausgesetzt. Für jenes Ehescheidungsverfahren hat das Familiengericht der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 10. August 2004 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Mit Beschluss vom 18. November 2009 hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG von Amts wegen wiederaufgenommen. Nachdem das Familiengericht den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 12. April 2010 durchgeführt hatte, hat die Antragstellerin für das Versorgungsausgleichsverfahren um Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Das Familiengericht hat der Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe versagt, weil die rückwirkende Bewilligung für ein bereits abgeschlossenes Verfahren nicht in Frage komme. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Antragsgegnerin hat es nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat – allerdings aus einem anderen als dem vom Amtsgericht angeführten Grund - keinen Erfolg.

Das Verfahrenskostenhilfegesuch ist unzulässig und deshalb im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden. Für das mit Beschluss vom 18. November 2009 wiederaufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren ist der Antragsgegnerin bereits mit Beschluss vom 10. August 2004 Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Weitergehende Ansprüche gewährt auch die Verfahrenskostenhilfe nicht, so dass kein Rechtsschutzbedürfnis für deren Bewilligung bestand. Da das Familiengericht bei seiner - im Ergebnis zutreffenden Entscheidung - nicht davon ausgegangen ist, dass sich die für das Ehescheidungsverfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf das abgetrennte Folgesacheverfahren über den Versorgungsausgleich erstreckt, war diese Wirkung auf die Beschwerde der Antragsgegnerin klarstellend festzustellen.

Die für das Scheidungsverbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe erstreckt sich nach den im Zeitpunkt ihrer Bewilligung geltenden Vorschriften kraft Gesetzes auf die Folgesache Versorgungsausgleich (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6 i.V.m. § 624 Abs. 2 ZPO).

Dass diese mit Urteil vom 2. November 2004 gem. § 2 Abs. 1 VAÜG ausgesetzt und die Ehe unter Auflösung des Verbundes vorab geschieden worden ist, ändert an der Rechtswirkung der bewilligten Prozesskostenhilfe nichts. Die Aussetzung des Versorgungsausgleichs hatte nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht (§ 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG) zur Folge, dass in entsprechender Anwendung des § 628 Abs. 1 ZPO der Scheidungsverbund aufgehoben wurde; das abgetrennte Verfahren über den Versorgungsausgleich blieb indes Folgesache (Zöller/Philippi, 27. Aufl. Rnr. 18 zu § 628 ; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Rnr. 11 zu § 628), d.h., Entscheidungen konnten nur für den Fall der Ehescheidung ergehen, wurden erst mit Rechtskraft des Scheidungsausspruchs wirksam (Zöller/ Philippi, a.a.O., Rnr 32a zu § 623), und die Wirkungen vor Abtrennung vorgenommener Verfahrenshandlungen, insbesondere die der Prozesskostenhilfebewilligung blieben bestehen (OLG Dresden FamRZ 2002, 1415). Lediglich hinsichtlich anderer Folgesachen, insbesondere Umgang, elterliche Sorge oder Unterhalt, war gem. §§ 623 Abs. 2, 626, 629 Abs. 3 ZPO eine Abtrennung vom Scheidungsverbund und Fortführung als selbstständige Familiensachen mit der Folge möglich, dass ihr Eventualverhältnis zur Entscheidung über die Ehesache entfiel, eine Entscheidung mithin unabhängig von der Rechtskraft der Ehescheidung beantragt werden und ergehen konnte. Diese Änderung des Klageziels hatte in solchen Fällen zur Folge, dass die für die Folgesache bewilligte Prozesskostenhilfe nicht auch für die abgetrennte selbstständige Familiensache fortwirkte.

Die Abtrennung des Verfahrens über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich und seine Fortführung als selbstständige Familiensache war indes nicht statthaft. Dies war mit Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs nicht vereinbar. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs setzte gem. §§ 1587 Abs. 1, 1318 Abs. 3 BGB die Beendigung der Ehe voraus. Eine unabhängig vom Ausgang des Ehescheidungsverfahrens zu treffende Entscheidung war deshalb nicht zulässig.

Daran hat sich mit Inkrafttreten des VersAusglG und des FamFG zum 01.09.2010 nichts geändert. Gem. § 1 Abs. 1 VersAusglG ist die rechtskräftige Beendigung der Ehe Voraussetzung für einen Versorgungsausgleich. Diese Bedingung findet auch in dem ab 01.09.2009 geltenden Verfahrensrecht ihren Niederschlag. Gem. § 137 FamFG ist das Verfahren über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich Folgesache, in der eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist. Das Versorgungsausgleichsverfahren bleibt gem. § 137 Abs. 5 S. 2 auch dann Folgesache, wenn es aus dem Scheidungsverbund abgetrennt worden ist (Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., Rnr. 26 zu § 137). Betrifft die Abtrennung mehrere Folgesachen, bleibt gem. § 137 Abs. 5 S. 2, 2. Hs FamFG der Restverbund unter ihnen bestehen, es sei denn, es handelt sich um eine der in § 137 Abs. 3 FamFG genannten Folgesachen, die nach Abtrennung als selbständige Familiensache fortgeführt wird (§ 137 Abs. 5 S. 2 FamFG).

Verfahren über den Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht aus dem Verbund abgetrennt worden sind, verlieren ihren Charakter als Folgesache auch nicht dadurch, dass sie nach Maßgabe des ab 01.09.2010 geltenden neuen Rechts fortgeführt werden. Zwar regelt die - im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erst nachträglich eingefügte - Übergangsnorm des Art 111 Abs. 4 FGG-RG, dass auf Versorgungsausgleichsverfahren, die am 01.09.2010 aus dem Scheidungsverbund abgetrennt sind oder danach abgetrennt werden, das ab dem 01.09.2010 geltende Recht anzuwenden ist und alle abgetrennten Folgesachen danach als selbstständige Familiensachen fortgeführt werden. Es würde indes dem Wesen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs widersprechen - nämlich die in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte nur im Falle der Scheidung auszugleichen - diese Übergangsregelung so auszulegen, dass alle davon erfassten Versorgungsausgleichsverfahren ihren Charakter als Folgesache verlieren und damit das Eventualverhältnis der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zur Ehescheidung entfiele (so aber Götsche, FamRZ 2009, 2047 (2051); Schneider, AGS 2009, 517 (518); Keske, FPR 2010, 78 (85); Kemper, FPR 2010, 69 (73); OLG Naumburg, Beschluss v. 04.03.2010 – 8 WF 33/10 – Zit. juris). Ein solches – dem Wesen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich widersprechendes - Verständnis hat der Gesetzgeber der Übergangsvorschrift des Art 111 Abs. 4 FGG-RG auch nicht unterlegt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Ds 16/11903, S. 62) war vielmehr beabsichtigt, einen „... Gleichlauf zu der in § 48 VersAusglG enthaltenen Übergangsregelung“ herzustellen. Die Regelung zielte darauf ab, „dass neues Verfahrensrecht auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 01. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach diesem Zeitpunkt abgetrennt werden, Anwendung findet.“ Die Fortführung dieser Verfahren als selbstständige Familiensachen sollte nicht etwa ihren Charakter als Folgesachen berühren; Die Regelung dient vielmehr der Klarstellung, dass die Anwendung neuen Rechts „auch dann gilt, wenn die Versorgungsausgleichsfolgesache gemeinsam mit anderen Folgesachen aus dem Verbund abgetrennt wird.“ Dann - so die Intention des Gesetzgebers - sollte nur der „Restverbund“ der abgetrennten Folgesachen entfallen und jede der abgetrennten Folgesachen als „selbstständiges Verfahren ... fortgeführt“ werden.

Dann aber erstreckt sich die Wirkung der nach altem Recht (§§ 114 f., 624 Abs. 2 ZPO) für den Versorgungsausgleich bewilligten Prozesskostenhilfe auch auf das nach neuem Recht fortzuführende Folgesacheverfahren Versorgungsausgleich.

Der Senat lässt nach § 70 Abs. 1, 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zu, da dies angesichts der von dieser Entscheidung abweichenden Rechtsprechung des OLG Naumburg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl gleichartiger Fälle auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO.