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Unwirksames Anerkenntnis - Antragstellung - Bindungswirkung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 29.08.2012
Aktenzeichen L 18 AL 196/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 124 SGB 3, § 127 SGB 3, § 117 SGB 3, § 118 SGB 3, § 77 SGG

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1951 geborene Kläger war vom 1. Oktober 1984 bis 31. März 2006 bei der D C AG in der Fertigung tätig. Am 12. Dezember 2005 schloss der Kläger mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2006 mit Zahlung einer Abfindung iHv 271.289,- € beendet wurde. Am 5. Januar 2006 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg zum 1. April 2006.

Mit Bescheid vom 18. April 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. April 2006 bis 23. Juni 2006 ruhe, da eine Sperrzeit eingetreten sei, weil der Kläger das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag selbst gelöst habe. Der Leistungsanspruch mindere sich um 135 Tage. Mit weiterem Bescheid vom 18. April 2006 machte die Beklagte geltend, dass der Leistungsanspruch auf Alg darüber hinaus bis zum 31. März 2007 ruhe, da der Kläger eine Entlassungsentschädigung iHv 271.289,- € erhalten habe. Mit Bescheid vom 20. April 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2007 bis 15. Mai 2008 Alg iHv 63,- € täglich. Mit dem gegen die Verhängung der Sperrzeit am 27. April 2006 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Kürzung der Anspruchsdauer wäre zu vermeiden gewesen, wenn er bei Antragstellung darauf hingewiesen worden wäre, dass die Antragstellung erst nach einem Jahr möglich sei. Hätte er den Antrag später gestellt, wäre keine Sanktion und keine Anspruchsminderung von zwölf Wochen eingetreten.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2006 zurück und führte im Wesentlichen aus, der Anspruch auf Alg ruhe für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalte und, ohne einen wichtigen Grund zu haben, das Arbeitsverhältnis löse. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe betrage zwölf Wochen. Da der Kläger zum 31. März 2006 durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag am 14. Dezember 2005 das Beschäftigungsverhältnis gelöst habe, trete die Sperrzeit ein und die Sperrzeit ziehe eine Anspruchsverkürzung von 135 Tagen nach sich. Mit der bei dem Sozialgericht (SG) Berlin (- S 64 AL 1847/06 -) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren, Alg für 540 Tage zu beziehen, weiter. In der mündlichen Verhandlung am 23. April 2008 erklärte die Beklagte sich bereit, den Kläger im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er sich erst am 1. April 2007 arbeitslos gemeldet und Alg beansprucht. Der Kläger nahm dieses „Anerkenntnis“ an und die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit daraufhin für erledigt.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 und Bescheid vom 19. Mai 2008 teilte die Beklagte ihm mit, dass der Anspruch auf Alg erneut geprüft worden sei und als Zeitpunkt der Antragstellung nunmehr der 1. April 2007 zugrunde gelegt worden sei. Bei Umsetzung des Anerkenntnisses ergebe sich unter Berücksichtigung der veränderten Rahmenfristen nach §§ 124, 127 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) nunmehr ein Alg-Anspruch ab 1. April 2007 im Umfang von nur 360 Tagen bis 30. März 2008. Die Verlängerung der Rahmenfrist nach § 434r SGB III komme dem Kläger nicht zugute, da er nicht die Höchstzahl von Versicherungszeiten in der maßgebenden Rahmenfrist erfüllt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2008 zurück und führte aus, die ab dem 1. April 2007 gewährte Anspruchsdauer von zwölf Monaten sei nicht zu beanstanden. Die Gewährung beruhe auf dem vor dem SG Berlin am 23. April 2008 abgegebenen Anerkenntnis, welches von dem Kläger angenommen worden sei. Danach sei der Kläger so zu stellen, als habe er sich am 1. April 2007 arbeitslos gemeldet und Alg beansprucht. Gemäß § 127 SGB III bestehe danach ein Anspruch auf Alg für zwölf Monate unter Berücksichtigung der erweiterten dreijährigen Rahmenfrist vom 1. April 2004 bis 31. März 2007. In dieser Rahmenfrist seien 24 Monate Versicherungspflichtzeiten nachgewiesen, da der Kläger bis zum 31. März 2006 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Eine Rahmenfrist von fünf Jahren könne nicht zu Grunde gelegt werden. Der Kläger sei auch nicht benachteiligt, da er die aus der Anspruchsverkürzung resultierende Überzahlung für die Zeit vom 1. April 2008 bis 15. Mai 2008 nicht zu erstatten habe.

Das SG Berlin hat die auf Gewährung von Alg für die Zeit ab 1. April 2007 im Umfang von 540 Tagen gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Mai 2011 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Alg für mehr als 360 Tage. Bei regulärer Inanspruchnahme der Leistung ab dem 1. April 2006 hätte er die Leistung erhalten, die ihm auch vor der Verkürzung der Rahmenfrist zugestanden habe. Der Kläger könne nicht so gestellt werden, als sei er zum 1. April 2007 betriebsbedingt ausgeschieden. Ein Verstoß gegen das Altersdiskriminierungsgesetz läge nicht vor, denn gerade der ältere Arbeitnehmer solle nur dann vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden dürfen, wenn dies nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehe. Im Ergebnis werde der Kläger auch durch das Anerkenntnis nicht benachteiligt, denn er habe aufgrund der ursprünglichen Berechnung der Anspruchsdauer Alg erhalten. Die aufgrund der Neuberechnung geringere Anspruchsdauer habe ihn nicht benachteiligt, da er die daraus resultierende Überzahlung nicht habe erstatten müssen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seine Schriftsätze vom 26. Oktober 2011 und 7. Februar 2012 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2011 und unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 19. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008 zu verurteilen, ihm ab 1. April 2007 Arbeitslosengeld für die Dauer von 540 Tagen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten, die Akte des SG Berlin - S 64 AL 1847/06 – und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, dh hinsichtlich der begehrten Aufhebung des Bescheides vom 19. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008, begründet. Soweit der Kläger eine Leistungsklage auf Gewährung von Alg über den 15. Mai 2008 hinaus für weitere 135 Tage (540 Tage abzüglich bereits geleisteter 405 Tage) erhoben hat, ist die Berufung nicht begründet und war zurückzuweisen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg über den 15. Mai 2008 hinaus. Maßgebend für den ihm zustehenden Alg-Anspruch ist nach wie vor der – im Hinblick auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten im Verfahren – S 64 AL 1847/06 - bestandskräftige und die Beteiligten und das Gericht bindende (vgl § 77 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) Bewilligungsbescheid vom 20. April 2006. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008, der dem bindenden Bescheid vom 20. April 2006 entgegensteht, ohne diesen rechtswirksam aufzuheben, ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Ausgehend von einer Antragstellung zum 1. April 2006 hatte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 20. April 2006 für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 15. Mai 2008 Alg bewilligt. Dieser bindende Bescheid hat weiterhin Bestand, da er nicht wirksam geändert bzw aufgehoben worden ist. Zwar hat die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 19. Mai 2008 den (bisherigen) Bewilligungsbescheid „gemäß § 48 SGB X“ geändert, „weil wesentliche Veränderungen“ in den maßgebenden Verhältnissen eingetreten seien, und zwar dahingehend, dass nunmehr ein Alg-Anspruch (erst) ab 1. April 2007 (nur) bis 30. März 2008 bestehe. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist jedoch nicht ersichtlich. Denn eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die dem Bescheid vom 20. April 2006 zugrunde lagen, ist nicht eingetreten. Insbesondere die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren – S 64 AL 1847/06 – am 23. April 2008 abgegebene Erklärung stellt keine derartige Änderung in den wesentlichen Verhältnissen dar.

Letztlich sollte der Kläger aufgrund des „Anerkenntnisses“ der Beklagten so gestellt werden, als habe er sich erst zum 1. April 2007 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Ein prozessual wirksames Anerkenntnis und damit eine wesentliche Änderung iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind hierin jedoch nicht zu sehen.

Nach § 101 Abs. 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs "insoweit" den Rechtsstreit in der Hauptsache. Bereits aus dieser Formulierung geht hervor, dass es auch ein Teilanerkenntnis geben kann, das den geltend gemachten Klageanspruch nicht vollständig umfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich insoweit um einen teilbaren (prozessualen) Anspruch (Streitgegenstand) handelt (st Rspr, Bundessozialgericht - BSG vom 21. November 1961 - 9 RV 374/60 = SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSG vom 6. Oktober 1964 - 10 RV 583/62 = KOV 1966, 17; BSG vom 13. Mai 2009 - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, Rn 12; BSG vom 22. September 2009 - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, Rn 10). Ein Anerkenntnis liegt vor, wenn die Beklagte einseitig und ohne Einschränkung erklärt, die vom Kläger begehrte Rechtsfolge werde "ohne Drehen und Wenden" zugegeben (vgl BSG vom 21. November 1961 - 9 RV 374/60 = SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSG vom 29. April 1969 - 10 RV 12/68 – juris – Rn 20 f; BSG vom 27. Januar 1982 - 9a/9 RV 30/81 – juris - Rn13; BSG vom 21. September 1983 - 4 RJ 63/82 – juris - Rn 30; BSG vom 22. Juni 1989 = BSGE 65, 160, 164 = SozR 1200 § 44 Nr 24 S 64; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 101 Rn 20; Masuch/Blüggel, SGb 2005, 613 f); im begrifflichen Gegensatz dazu steht der (Prozess-)Vergleich, der unter beiderseitigem Nachgeben den Rechtsstreit beenden soll (BSG vom 21. September 1983 - 4 RJ 63/82 – juris – Rn 30).

Ob ein Anerkenntnis abgegeben wurde, ist bei Zweifeln durch Auslegung der abgegebenen Erklärungen zu ermitteln. Im Einzelfall kann ein Beteiligter ein Anerkenntnis iS des § 101 Abs. 2 SGG auch ohne die Verwendung der entsprechenden Bezeichnung ("Anerkenntnis" bzw "anerkennen") abgeben. Die Erklärung muss aber stets gekennzeichnet sein durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen wird. Erforderlich ist, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt (vgl BSG vom 27. Januar 1982 - 9a/9 RV 30/81 - juris RdNr 14; BSG vom 21. September 1983 - 4 RJ 63/82 – juris – Rn 30).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Beklagte im Vorprozess im Termin am 23. April 2008 kein Anerkenntnis bzw Teilanerkenntnis abgegeben hatte. Die Beklagte hat gerade keine Rechtsfolge anerkannt, sondern lediglich ein Tatbestandselement. Gegenstand eines Anerkenntnisses iS von § 101 Abs. 2 SGG kann, wie bereits dargestellt, nur der prozessuale Anspruch oder ein abtrennbarer Teil des Anspruchs, also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement sein (vgl BSG vom 22. Juni 1989 = BSGE 65, 160, 164 = SozR 1200 § 44 Nr 24 S 64)Die von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen über den für das Verfahren maßgebenden Tatsachenstoff binden die Gerichte, die gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden, nicht (vgl BSG, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 58/08 R- juris).

Die Beklagte hat somit im Ergebnis nicht den erhobenen prozessualen Anspruch des Klägers, nämlich die Zahlung von Alg für 540 Tage, anerkannt, sondern nur, dass der Kläger so gestellt werde, als habe er den Antrag erst am 1. April 2007 gestellt und sich auch erst an diesem Tag arbeitslos gemeldet. Etwas anderes ergibt sich weder aus der Erklärung der Beklagten noch aus dem Sitzungsprotokoll. Dass der Kläger möglicherweise bei der Annahme des „Anerkenntnisses“ davon ausgegangen war, dass er bei einer Antragstellung und Arbeitslosmeldung zum 1. April 2007 einen Anspruch auf Alg für 540 Tage haben werde, ändert daran nichts. Die Beklagte hat letztlich nur ein Einvernehmen mit dem Kläger im Hinblick auf zwei Tatbestandsvoraussetzungen für einen Alg-Anspruch erzielt, ohne dass sich daraus prozessuale Auswirkungen für das damals zur Entscheidung berufene SG wie auch nun für den Senat ergaben bzw ergeben. Beendet wurde der Rechtsstreit – S 64 AL 1847/06 – daher auch nicht durch das angenommene „Anerkenntnis“, sondern durch die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten.

Da die Beklagte somit nicht befugt war, den Bewilligungsbescheid vom 20. April 2006 zu ändern bzw aufzuheben, durfte ein diesem Bescheid entgegen stehender, dh den Verfügungssatz des Bescheides vom 20. April 2006 zu Lasten des Klägers ändernder Bewilligungsbescheid nicht ergehen. Der insoweit ergangene Bescheid vom 19. Mai 2008 ist daher rechtswidrig und war aufzuheben.

Der Kläger kann auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht so gestellt werden, als habe er sich erst am 1. April 2007 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Denn die Antragstellung zu einem späteren Zeitpunkt führte lediglich dazu, dass die Dauer des Alg-Anspruchs noch kürzer wäre als bei der ursprünglichen Antragstellung zum 1. April 2006. Denn innerhalb der um ein Jahr verlängerten Rahmenfrist (vgl § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) lägen dann lediglich 24 Monate Versicherungspflichtzeiten vor mit der Folge, dass sich ein Alg-Anspruch von (nur) 12 Monaten gemäß § 127 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung ergeben hätte. Dies war seitens des Klägers nicht gewollt. Eine entsprechende Beratung wäre gerade eine Falschberatung gewesen. Der Kläger konnte ungeachtet dessen, dass dies ohnehin nachteilig für ihn gewesen wäre, seinen Alg-Antrag im Nachhinein auch nicht auf den 1. April 2007 verschieben. Denn er konnte nur bis zur Entscheidung über den Anspruch – hier erstmals durch Bescheid der Beklagten vom 20. April 2006 - bestimmen, dass der Alg-Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll (vgl § 118 Abs. 2 SGB III). Dies hatte der Kläger aber ersichtlich nicht getan.

Ungeachtet der Bindungswirkung des Bescheides vom 20. April 2006 ergibt sich eine längere Anspruchsdauer auch nicht nach § 434r SGB III. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist, wenn ein Anspruch mit einer dem Lebensalter des Arbeitslosen entsprechenden Höchstanspruchsdauer nach § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung am 31. Dezember 2007 noch nicht erschöpft ist, die Anspruchsdauer bei Arbeitslosen, die vor dem 1. Januar 2008 das 50. Lebensjahr vollendet haben, auf 15 Monate, bei Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, auf 24 Monate zu verlängern. Dem Kläger, der seinerzeit das 55. Lebensjahr vollendet hatte, war mit Bescheid vom 20. April 2006 abzüglich der Minderung von 135 Tage indes bereits die Höchstanspruchsdauer von 540 Tagen zuerkannt worden. Eine weitere Erhöhung kam somit ohnehin nicht in Betracht.

Durch die Aufhebung des Bescheides vom 19. Mai 2008 bleibt es bei den bindenden Regelungen des Bescheides vom 20. April 2006. Der Kläger hat insoweit auch bereits Alg für 405 Tage, dh vom 1. April 2007 bis zum 15. Mai 2008, erhalten. Die Beklagte hat die „Überzahlung“ vom 1. April 2008 bis 15. Mai 2008 von dem Kläger nicht zurückgefordert, da sie die Auffassung vertreten hat, dass der Kläger Vertrauensschutz genieße. Eine Verurteilung zur Leistung ist daher nicht erforderlich, da der Höchstanspruch in dem Bescheid vom 20. April 2006 bereits festgestellt wurde und die entsprechenden Leistungen an den Kläger erfolgten. Die auf Gewährung von weiterem Alg gerichtete Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.