Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 15 T 73/12


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 19.06.2012
Aktenzeichen 15 T 73/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30.4.2012, 4 XIV 68/12, angeordnete Freiheitsentziehung rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Kosten seiner Rechtsverteidigung werden für beide Rechtszüge der Beteiligten auferlegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin griff den Betroffenen am 30.4.2012 gegen 15.30 Uhr im Bahnhof xxx auf. Er war nicht im Besitz eines Passes oder Aufenthaltstitels.

Nachdem eine EURODAC-Anfrage ergeben hatte, dass der Betroffene zuvor in xxx um Asyl nachgesucht hatte, ordnete die Antragstellerin seine Ingewahrsamnahme an und verfügte seine Zurückschiebung nach xxx. Auf die Zurückschiebungsverfügung vom 30.4.2012 (Bl. 5 d.A.) wird Bezug genommen.

In der polizeilichen Vernehmung zu seiner Einreise erklärte der Betroffene, dass er von xxx kommend nach xxx eingereist sei, um hier einen Asylantrag zu stellen. Seinen Pass habe er weggegeben. In xxx sei er nie gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsprotokoll vom 30.4.2012 (Bl. 18 d.A.) Bezug genommen.

Am selben Tag beantragte die Beteiligte die Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung des Betroffenen bis zum 31.5.2012. Auf Bl. 1ff d.A. wird insoweit verwiesen.

Mit Beschluss vom 30.4.2012 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis längstens zum 31.5.2012 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Seiner hiergegen gerichteten Beschwerde vom 16.5.2012 hat es nicht abgeholfen und die Sache der Kammer mit Beschluss vom 31.5.2012 vorgelegt.

Nach Erlass der Haftanordnung hat der Betroffene beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Gewährung politischen Asyls beantragt. Nachdem seine Überstellung nach xxx u.a. daran gescheitert war, dass für die Ausreise erforderliche Dokumente nicht vorlagen, hat die Beteiligte den Betroffenen aus der Haft entlassen. Seit dem 8.6.2012 ist er unbekannten Aufenthalts. Er beantragt nun noch festzustellen, dass seine Haft rechtswidrig gewesen sei.

Auf Anfrage der Kammer hat die Beteiligte einen Aktenvermerk vom 14.6.2012 übersandt, in welchem die Beamten, die den Betroffenen vorgeführt haben, u.a. erklären, dass ihm der Haftantrag durch einen Dolmetscher übersetzt worden sei. Auf Bl. 141f d.A. wird hierzu Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Betroffenen ist statthaft und zulässig gemäß §§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, 429 Abs. 2, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63, 64 FamFG. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem Gericht eingelegt worden, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Auch nach Erledigung kann das Verfahren fortgesetzt werden, wenn der Betroffene - wie hier geschehen - einen entsprechenden Antrag stellt. Das erforderliche Rehabilitierungsinteresse liegt bei Freiheitsentziehungen vor (vgl. BGH FGPrax 2010, 154).

Die Haftanordnung war rechtswidrig, weil der Betroffene ist in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden ist. Es lässt sich nämlich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass ihm der Haftantrag zuvor vollumfänglich in seine Muttersprache übersetzt worden ist.

Die vollständige Übersetzung und Aushändigung des Haftantrags bilden die Voraussetzung dafür, dass ein Betroffener in die Lage versetzt wird, sich vollumfänglich zu den Angaben der Behörde zu äußern (vgl. BGH Beschl. v. 1.12.2011, V ZB 179/11; BGH FGPrax 2011, 257). Dass dies erfolgt ist, lässt sich der Akte nicht mit letzter Sicherheit entnehmen.

Soweit das Amtsgericht ihn ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.5.2012 lediglich „über den Zweck der Anhörung informiert“ hat, ist dies unzureichend (vgl. BGH Beschl. v. 30.3.2012, V ZB 196/11, juris).

Auch der nachträglich am 14.6.2012 von Mitarbeitern der Beteiligten frei von erläuternden Details gefertigte Aktenvermerk, nach welchem dem Betroffenen der Antrag durch einen Dolmetscher übersetzt worden sei, gebietet Zweifeln daran, dass dies in einer über den durch das Amtsgericht protokollierten Umfang hinausgehenden Weise vollumfänglich, insbesondere einschließlich der vollständigen Begründung erfolgt ist, nicht Schweigen.

Soweit im Fließtext des Haftantrags vom 30.04.2012 ausgeführt wird, dass dieser dem Betroffenen durch Dolmetscher eröffnet und ausgehändigt worden sei, handelt es sich offenkundig nicht um die Feststellung eines bereits erfolgten Ereignisses. Denn ein vollständiger, wirksamer Haftantrag war erst mit Leistung der Unterschrift rechtswirksam geworden, die zugleich bestätigen soll, dass der Antrag dem Betroffenen eröffnet worden sein soll. Zu diesem Zeitpunkt hat dem Betroffenen mit anderen Worten ein wirksamer Antrag noch gar nicht übersetzt worden sein können. Die Erklärung geht deshalb ins Leere, weil sie sich denknotwendig nur auf ein künftiges Ereignis bezogen haben kann, dessen Eintritt im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch ungewiss war.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 81 Abs. 1 FamFG.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,- € festgesetzt (§§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO).