Gericht | SG Cottbus 19. Kammer | Entscheidungsdatum | 05.10.2011 | |
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Aktenzeichen | S 19 AL 260/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 421g SGB 3 |
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2010 verurteilt, dem Kläger anlässlich der Einstellung des Arbeitnehmers P bei der Firma S ab 07.05.2010 eine Vermittlungsvergütung i.H.v. zunächst 1.000,00 Euro zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Streitwert wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins.
Die Beklagte stellte dem zu diesem Zeitpunkt mehrere Monate arbeitslosen und im ALG-I-Bezug stehenden Arbeitnehmer D P, geb. 1956, am 11.02.2010 einen Vermittlungsgutschein über 2.000,00 Euro mit einer Gültigkeit bis zum 10.05.2010 aus. Am 31.03.2010 nahm der Arbeitnehmer eine Beschäftigung bei der Firma Z, K W, auf, wofür er einen privaten Arbeitsvermittler nicht einschaltete; außerdem meldete sich der Arbeitnehmer am 31.03.2010 gegenüber der Beklagten in Arbeit ab, ohne nach dem diesbezüglichen Beratungsvermerk einen Hinweis auf einen evtl. Verlust der Gültigkeit des ihm ausgehändigten Vermittlungsgutscheins erhalten zu haben. Das Arbeitsverhältnis als Produktionshelfer/Hilfskraft war befristet bis zum 17.12.2010 (Arbeitsvertrag vom 30.03.2010). Nach Angabe des Arbeitnehmers sei es dann zu einem Missverständnis bzw. Vertrauensverlust seinerseits bezüglich der Schichteneinteilung gekommen. Zum 07.05.2010 wechselte er nahtlos – insbesondere ohne erneute persönliche Arbeitslosmeldung – in ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma S, L, dies auf Dauer/unbefristet als Mitarbeiter für Fach- und Hilfsarbeiten (Arbeitsvertrag vom 06.05.2010). Der Aufhebungsvertrag mit der Firma Z datiert unter dem 06.05.2010.
Nach der Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung der Firma S vom 01.07.2010 sei auf Vermittlung des Klägers ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitnehmer eingegangen worden. Der Vermittlungsvertrag zwischen Kläger und Arbeitnehmer datiert vom 08.04.2010.
Den Antrag des Klägers auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins zunächst in Höhe von 1.000,00 Euro vom 03.07.2010 bzw. 08.07.2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.07.2010 ab und wies den dagegen am 21.07.2010 eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2010 als unbegründet zurück. Die Beklagte ist der Auffassung, der Vermittlungsgutschein habe durch die (1.) Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers am 31.03.2010 bei der Firma Z seine Gültigkeit verloren. Da es sich bei dem Vermittlungsgutschein nicht um einen Verwaltungsakte handele, bedürfe er keiner Rücknahme oder Aufhebung gegenüber dem Arbeitnehmer, um seine Gültigkeit zu verlieren.
Mit seiner am 15.09.2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er macht geltend, das Beschäftigungsverhältnis sei auf seine Vermittlung hin am 07.05.2010 und damit innerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins vom 11.02.2010 bis zum 10.05.2010 begründet worden; es bestehe seitdem ununterbrochen. Der Vermittlungsgutschein habe seine Gültigkeit auch nicht verloren bzw. er habe auf eben diesen vertrauen dürfen; die Auffassung der Beklagten sei rechtswirrig.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2010 zu verurteilen, ihm anlässlich der Vermittlung des Arbeitnehmers D P in ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma S, L ab 07.05.2010 eine Vermittlungsvergütung i.H.v. zunächst 1.000,00 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid.
Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das Sozialgericht Cottbus zusätzlich beigezogen eine schriftliche Stellungnahme des Arbeitnehmers vom 25.03.2011.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und dem Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
I. Eine Beiladung des Arbeitnehmers konnte unterbleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (06.05.2006, B 7a AL 56/05 R, zustimmend etwa Peters-Lange, in: Gagel § 421g SGB III Randnummer 20f.) sowie ferner des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (22.02.2006, L 28 AL 166/03) hat der Vermittler einen eigenen öffentlich-rechtlichen gesetzlichen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten. Dem ist im Hinblick auf die Bedürfnisse der Praxis trotz fortbestehender erheblicher gesetzessystematischer Bedenken (dazu Sozialgericht Cottbus, 08.02.2005, S 19 AL 531/04) zu folgen. Daraus ergibt sich konsequenter Weise aber zugleich, dass hinsichtlich des Arbeitnehmers ein Fall der notwendigen Beiladung gemäß § 75 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, 1. oder 2. Alternative SGG nicht vorliegt (Sozialgericht Cottbus 20.01.2010, S 19 AL 294/08; BSG 23.02.2011, Az.: B 11 AL 11/10 R). Von einer einfachen Beiladung des Arbeitnehmers gemäß § 75 Absatz 1 Satz 1 SGG hat das Sozialgericht Cottbus im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidungen unter Abwägung der jeweiligen Interessen abgesehen.
II. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 12.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2010 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da ihm anlässlich der Vermittlung des Arbeitnehmers D P, geb. 1956, mit Wirkung ab 07.05.2010 und damit innerhalb der Gültigkeitsdauer des dem Arbeitnehmer am 11.02.2010 für die Zeit bis zum 10.05.2010 ausgestellten Vermittlungsgutscheins eine Vermittlungsvergütung in Höhe von zunächst 1.000,00 Euro zusteht. Der – siehe oben I. – eigene öffentlich rechtliche gesetzliche Zahlungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers hat gem. §§ 421 g, 296, 297 SGB III folgende Voraussetzungen: Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins; wirksamer schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierenden Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber dem Arbeitnehmer; Vermittlungstätigkeit mit erfolgreicher Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden während der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins. Vorliegend ist dem Arbeitnehmer am 11.02.2010 ein auch für den 07.05.2010 gültiger Vermittlungsgutschein ausgestellt worden; außerdem bescheinigte die Firma Spreewaldforum, Lübben, per 01.07.2010 die Vermittlungsaktivität des Klägers bezüglich einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Umfang von mindestens 15 Stunden pro Woche ab 07.05.2010; schließlich liegt per 08.04.2010 ein schriftlicher Vermittlungsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kläger vor.
Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, der dem Arbeitnehmer am 11.02.2010 ausgestellte Vermittlungsgutschein habe durch die (1.) Arbeitsaufnahme bei der Firma Z am 31.03.2010 seine Gültigkeit verloren ohne dass er der Rücknahme bzw. Aufhebung bedurfte, da es sich bei ihm nicht um einen Verwaltungsakt handele, konnte dem die Kammer nicht folgen. Zwar hat das Bundessozialgericht (06.04.2006, Az. B 7a AL 56/05 R) ausgeführt, dass es sich bei dem Vermittlungsgutschein nicht um eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X handelt. Nach der weiterentwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (06.05.2008, Az.: B 7/7a AL 8/07 R) sind die Voraussetzungen für die Erteilung des Vermittlungsgutscheins selbst wie insbesondere eine vorherige Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers unabhängig von der Rechtsnatur des Vermittlungsgutscheins im Rahmen des Abrechnungsverfahrens zwischen dem privaten Arbeitsvermittler und der Bundesagentur jedoch nicht mehr zu prüfen und darf sich der private Arbeitsvermittler auf die im Vermittlungsgutschein vorgesehene Gültigkeitsdauer verlassen. Dies kann nur bedeuten, dass es sich beim Vermittlungsgutschein um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt (ebenso Sächsisches LSG 18.03.2010, Az.: L 3 AL 19/09) der, sofern er nicht zumindest gegenüber dem Arbeitnehmer zurückgenommen bzw. aufgehoben wurde, weiter Grundlage für den eigenen öffentlich rechtlichen gesetzlichen Zahlungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers gegenüber der Beklagten bildet.
Ob im Hinblick darauf, dass der private Arbeitsvermittler keinen weitergehenden öffentlich rechtlichen gesetzlichen (Zahlungs-) Anspruch haben kann als der Arbeitnehmer, anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte dem Arbeitnehmer hier insbesondere anlässlich seiner Abmeldung in Arbeit am 31.03.2010 einen Hinweis auf den nach Auffassung der Beklagten eingetretenen Verlust der Gültigkeit des ihm am 11.02.2010 ausgestellten Vermittlungsgutscheins erteilt hätte, kann offen bleiben. Denn jedenfalls im Hinblick auf den hier auf Grundlage des Beratungsvermerks vom 31.03.2010 als nicht erteilt anzusehenden Hinweises ist es der Beklagten zu verwehren, dies auf Grundlage der ihr obliegenden Beratungs- und Hinweis- bzw. Schadensminderungs- und -vermeidungspflicht sich auf einen nach ihrer Auffassung eingetretenen Verlust der Gültigkeit des dem Arbeitnehmer am 11.02.2010 ausgestellten Vermittelungsgutscheins durch die (1.) Arbeitsaufnahme bei der Firma Z am 31.03.2010 gegenüber dem Arbeitnehmer und damit auch gegenüber dem hiesigen Kläger berufen zu können (vgl. Sächsisches LSG 15.09.2005, Az.: L 3 AL 286/04).
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
IV. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 13, 25 GKG nach der Bedeutung der Streitsache für den Kläger in Höhe der von der Beklagten ihm vorenthaltenen Vermittlungsvergütung.