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Berufung; Visum; Familiennachzug; Kind; China; Nachzug zu einem Elternteil; Personensorgerecht; Neufassung des § 32 Abs. 3 AufenhG; Anwendbarkeit auf Altfälle; keine Übergangsregelung; Altersgrenze; Doppelprüfung; Zweck der Neuregelung; Lebensunterhaltssicherung; ausreichender Wohnraum; Soll-Vorschrift


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 27.02.2014
Aktenzeichen OVG 2 B 14.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 124a Abs 2 S 1 VwGO, § 2 Abs 3 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 4 AufenthG, § 6 Abs 3 S 1 AufenthG, § 29 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 32 Abs 1 AufenthG, § 32 Abs 3 AufenthG, § 7 Abs 3 SGB 2, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11b SGB 2, § 20 Abs 5 SGB 2, § 10 SGB 5, § 5 WoBindG, § 27 WoFG

Leitsatz

Die Neuregelung des § 32 Abs. 3 AufenthG findet Anwendung auf noch nicht rechtskräftig beschiedene Altfälle, in denen der Antragsteller die jeweils maßgebliche Altersgrenze bereits vor Inkrafttreten der geänderten Regelung vollendet hatte.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. April 2011 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Remonstrationsbescheides des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Shanghai vom 18. Februar 2010 verpflichtet, dem Kläger ein Visum zum Familiennachzug zu seiner Mutter zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beider Instanzen, die diese jeweils selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der am 5. Oktober 1993 geborene Kläger, ein chinesischer Staatsangehöriger, begehrt ein Visum zum Familiennachzug zu seiner Mutter.

Die Ehe der Eltern des Klägers, ebenfalls chinesische Staatsangehörige, wurde im August 1997 im Wege einer freiwilligen Vereinbarung geschieden. Dabei vereinbarten diese, dass der Sohn von seiner Mutter ernährt und aufgezogen wird und der Vater monatliche Unterhaltszahlungen leistet. Im August 2006 heiratete die Mutter des Klägers in Shanghai den deutschen Staatsangehörigen J... und lebt seit Dezember 2008 in Deutschland. Nach dem Wegzug seiner Mutter wohnte der Kläger bis zu seiner Volljährigkeit bei den Eltern seiner Mutter in China.

Am 15. Juni 2009 beantragte der Kläger beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Shanghai die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu seiner Mutter. Dabei legte er eine „Erklärung über Änderung vom Recht auf Vormundschaft“ vom 5. Juni 2009 in chinesischer Sprache und in deutscher Übersetzung vor. Darin erklärte der Vater des Klägers sein Einverständnis damit, dass sein Sohn mit der Mutter in Deutschland zusammenkommen werde und dass die Mutter die Vormundschaft über den Sohn übernehme. Nachdem die damals zuständige Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg ihre Zustimmung verweigert hatte, lehnte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Shanghai die Visumerteilung ab. Hiergegen remonstrierte der Kläger. Mit Remonstrationsbescheid vom 18. Februar 2010 lehnte das Generalkonsulat die Visumerteilung erneut ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein alleiniges Sorgerecht der Mutter gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG nicht nachgewiesen sei.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. April 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 32 Abs. 3 AufenhG auf Erteilung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner Mutter, denn dieser habe nach dem anzuwendenden chinesischen Recht weder bei Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers noch zu einem späteren Zeitpunkt das alleinige Sorgerecht zugestanden. Nicht ausreichend sei, dass bei der Scheidung der Eltern bestimmt worden sei, dass der Kläger von seiner Mutter ernährt und aufgezogen werde („fuyang“), denn dem anderen Elternteil verblieben hiernach substanzielle Mitbestimmungsrechte. Die Mutter sei auch durch die zwischen den Eltern des Klägers im Juni 2009 abgeschlossene Vereinbarung nicht zu dessen Vormund bestellt worden. Aufgrund der vom Beklagten eingeholten Auskünfte des Deutsch-Chinesischen Instituts für Rechtswissenschaft vom 17. November 2010 und des Justizministeriums der Volksrepublik China vom 6. März 2009 stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Vormundschaft über ein Kind nach chinesischem Recht nicht durch Vereinbarung zwischen den Eltern übertragen werden könne. Nach § 32 Abs. 4 AufenthG komme eine Visumerteilung ebenfalls nicht in Betracht, denn eine besondere Härte, zu deren Vermeidung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Umstände des Einzelfalls erforderlich sei, liege nicht vor.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht im Wesentlichen geltend: Den vorliegenden Rechtsauskünften lasse sich nicht eindeutig entnehmen, dass in China die Vormundschaft über ein Kind nicht durch eine Vereinbarung zwischen den Eltern auf einen Elternteil übertragen werden könne, eine unklare bzw. insoweit geänderte Rechtslage und die Widersprüchlichkeiten der Rechtsauskünfte dürften nicht zu seinen Lasten gehen. Im Übrigen habe er alle Anforderungen erfüllt, die in den vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen Merkblättern sowie dem Remonstrationsbescheid genannt seien, und auf die dort gegebenen Hinweise vertraut. Außerdem habe die Beklagte in zahlreichen anderen Fällen Kindern den Nachzug nach Deutschland gestattet, in denen nur eine notarielle Erklärung des Kindesvaters vorgelegen habe; im Wege der Gleichbehandlung müsse auch ihm gestattet werden, nachzuziehen. Jedenfalls ergebe sich sein Anspruch aus der zum 6. September 2013 in Kraft getretenen Änderung des § 32 Abs. 3 AufenthG; diese Neuregelung sei der Absicht des Gesetzgebers entsprechend auch auf Altfälle wie den seinen anwendbar. Zudem liege eine besondere Härte nach § 32 Abs. 4 AufenthG vor. Er habe eine enge Beziehung zu seiner Mutter und zu seinem Stiefvater bestehe mittlerweile eine langjährige Vater-Sohn-Beziehung; sein leiblicher Vater habe sich nicht um ihn gekümmert. Zwar sei er von seinen Großeltern betreut worden, diese seien allerdings der Belastung nicht mehr gewachsen gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Remonstrationsbescheides des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Shanghai vom 18. Februar 2010 zu verpflichten, ihm ein Visum zur Familienzusammenführung mit seiner Mutter zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt darüber hinaus vor: Die Änderung des § 32 Abs. 3 AufenthG könne dem Kläger nicht zugutekommen. Zwar werde bei Nachzugsansprüchen von Kindern, die an eine Altersgrenze geknüpft seien, für die Einhaltung dieser Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen müssten aber spätestens im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben und auch im Zeitpunkt der Entscheidung erfüllt seien. Hierdurch solle verhindert werden, dass ein Kind nach rechtswidriger Ablehnung seines Antrags wegen Zeitablaufs seinen Rechtsanspruch verliere. Dem Kläger kämen im Falle einer Anwendung der Neuregelung aber zwei sich gegenseitig ausschließende rechtliche Vorteile zugute, nämlich sowohl die Fiktion der Einhaltung der Altersgrenze, die sich aber auf einen Zeitpunkt beziehe, zu dem die seinerzeit geltenden Voraussetzungen nicht eingehalten gewesen seien, als auch das Entfallen des Erfordernisses der Sorgerechtsübertragung. Dies habe der Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen. Es dürfe ferner nicht von durch den Kläger nicht beeinflussbaren Faktoren abhängen, ob die Neuregelung anwendbar sei; anders als anderen Antragstellern, deren Verfahren bereits abgeschlossen sei, käme dem Kläger in diesem Fall lediglich die lange Verfahrensdauer zugute. Darüber hinaus stehe ihr bei der Entscheidung nach § 32 Abs. 3 AufenthG n.F. Ermessen zu.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Mit Beweisbeschluss vom 4. April 2012 hat der Senat das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg (MPI) beauftragt, ein Sachverständigengutachten u.a. zu der Frage zu erstellen, ob nach chinesischem Recht bei Scheidung der Eltern die Vormundschaft für ein minderjähriges Kind durch eine notariell beurkundete Erklärung beider Eltern auf einen Elternteil übertragbar ist, sowie mit Verfügung vom 27. August 2012 um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Das MPI hat mit Schreiben vom 3. Mai 2012, 25. Juli 2012, 25. Oktober 2012 und 20. Dezember 2012 geantwortet. Auf die Bitte des Senats um Aktualisierung und Erläuterung der in der Auskunft vom 17. November 2010 getroffenen Einschätzung zur Übertragbarkeit der Vormundschaft unter Elternteilen hat das Deutsch-Chinesische-Institut für Rechtswissenschaften unter dem 25. Februar 2013 eine Rechtsauskunft erstellt. Das MPI hat zu dieser Rechtsauskunft mit Schreiben vom 6. Mai 2013 Stellung genommen. Wegen des Inhalts der eingeholten Auskünfte und Stellungnahmen wird auf die jeweiligen Schreiben Bezug genommen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge (3 Bände) verwiesen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn auf diese Möglichkeit ist er in der ordnungsgemäß bewirkten Ladung hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist unschädlich, dass sie schon am 16. Mai 2011 und damit vor der ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 18. Mai 2011 erfolgten Zustellung des vollständigen Urteils an die früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegt wurde. Wie dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2011 zu entnehmen ist, wurde das Urteil am Schluss der Sitzung verkündet. Die Bestimmung in § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO, der zufolge die Berufung, wenn sie vom Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung einzulegen ist, ist nicht etwa dahin zu verstehen, dass im Zeitraum zwischen Verkündung und Zustellung der Entscheidung eine Berufungseinlegung rechtlich noch nicht möglich ist; Zweck der Bestimmung ist es vielmehr, den Endtermin, bis zu dem die Einlegung des Rechtsmittels zulässig ist, und seine Berechnung zu regeln (vgl. zu § 115 Abs. 1 Satz 1 WDO BVerwG, Beschluss vom 26. September 2003 - 2 WDB 3.03 -, juris Rn. 3). Deshalb läuft bei einem Urteil das verkündet, aber noch nicht zugestellt worden ist, die Rechtsmittelfrist zwar noch nicht, das Rechtsmittel kann aber schon eingelegt werden, denn die Verkündung macht das Urteil rechtsmittelfähig (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: April 2013, Vorbemerkung § 124 Rn. 34).

II. Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Nachzug zu seiner Mutter, der angefochtene Remonstrationsbescheid ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage ist § 32 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AufenthG in der derzeit geltenden Fassung vom 29. August 2013. Hiernach soll einem Kind, das das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bei gemeinsamem Sorgerecht unter anderem dann eine Aufenthaltserlaubnis bzw. vor der Ausreise gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ein Visum zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden, wenn dieser Elternteil über einen der in Absatz 1 genannten Aufenthaltstitel verfügt und der andere Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes im Bundesgebiet erklärt hat. Zusätzlich müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 5, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) erfüllt sein.

1. Die Neufassung der Vorschrift, die abweichend von der bis 5. September 2013 geltenden Fassung des § 32 Abs. 3 AufenthG nicht mehr fordert, dass der in Deutschland lebende Elternteil das alleinige Personensorgerecht innehat, ist hier anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen, als es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. zuletzt Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 16.12 -, juris Rn. 8). Dies gilt im Grundsatz auch für den altersgebundenen Nachzugsanspruch von Kindern (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, - 1 C 32.08 -, juris Rn. 12). Bei Altfällen, bei denen der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bzw. der Visumantrag schon vor Eintritt der Rechtsänderung gestellt worden ist, ist somit das neue Recht anzuwenden, sofern nicht eine Übergangsregelung etwas anderes bestimmt (vgl. zu § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 - 1 C 8.09 -, juris Rn. 10). Denn nach den Vorgaben des intertemporalen Verwaltungsrechts erfassen Rechtsänderungen grundsätzlich alle bei ihrem Inkrafttreten einschlägigen Fälle, sofern nicht das Gesetz mit hinreichender Deutlichkeit etwas anderes bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2011 - 3 C 24.10 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Das Gesetz vom 29. August 2013 zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern, durch dessen Art. 1 Nr. 18 § 32 AufenthG neu gefasst wurde, enthält aber keine Bestimmung, der zu entnehmen wäre, dass die alte Fassung des § 32 Abs. 3 AufenthG weiterhin auf bestimmte noch offene Fälle Anwendung finden soll. Auch eine allgemeine Übergangsregelung gibt es nicht. Lediglich im Hinblick auf die unter Art. 1 Nr. 15 getroffene Neufassung von § 28 Abs. 2 AufenthG wurde in Artikel 1 Ziffer 31 des Gesetzes durch Anfügung eines Absatzes 8 an § 104 AufenthG eine Übergangsregelung getroffen, wonach die bis zum 5. September 2013 geltende Fassung von § 28 Abs. 2 AufenthG in bestimmten Fällen weiter Anwendung findet. Hieraus ist zu schließen, dass die alten Fassungen der sonst mit diesem Gesetz geänderten Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes nicht mehr anwendbar sein sollen.

Besondere Gründe des anzuwendenden materiellen Rechts gebieten es ebenfalls nicht, für die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage auf einen abweichenden Zeitpunkt abzustellen (vgl. für den Fall der rückwirkenden Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 11.08 -, juris Rn. 19). Hierbei verkennt der Senat nicht, dass in Fällen des an eine Altersgrenze geknüpften Anspruchs eines Kindes auf Familiennachzug für die Einhaltung der Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird und, sofern diese im Laufe des Verfahrens überschritten wird, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sowohl im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen haben müssen, also eine auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogene Doppelprüfung vorzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O.). Sinn dieser Rechtsprechung ist es, dem Kind einen entstandenen Rechtsanspruch trotz längerer Verfahrensdauer zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 1997 - 1 C 22.96 -, juris Rn. 20). Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass dieser Zweck eine Anwendung der Neuregelung auf anhängige Fälle, in denen die Antragsteller vor einer Änderung des § 32 Abs. 3 AufenthG das 16. Lebensjahr vollendet hatten, nicht rechtfertigt, weil nach der alten Rechtslage unter Umständen gar kein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsgenehmigung bestanden hat. Für eine Anwendbarkeit von § 32 AufenthG n.F. auch auf diese Fälle sprechen aber Sinn und Zweck der Neuregelung unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte. Mit der Neuregelung sollte „eine unbeabsichtigte und unerwünschte Benachteiligung von Kindern aus Drittstaaten, die das alleinige Personensorgerecht nicht kennen, gegenüber Kindern aus Drittstaaten, in denen es die alleinige Personensorge gibt“, aufgehoben werden (vgl. BT-Drs 17/13022, S. 21). Den Gesetzesmaterialien lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber sein Ziel der Aufhebung der Benachteiligung der genannten Gruppe von Kindern in zeitlicher Hinsicht nur eingeschränkt hätte umsetzen und Fälle wie den vorliegenden nicht hätte erfassen wollen. Vielmehr handelt es sich bei der Neufassung eher um eine Klarstellung, denn das Bundesverwaltungsgericht hatte zuvor entschieden, dass im Hinblick auf Herkunftsstaaten, die eine vollständige Übertragung der Personensorge auf eine Elternteil nicht kennen, eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliege, der Gesetzgeber vielmehr in Kenntnis dieser Problematik bewusst von einer Änderung des § 32 Abs. 3 AufenthG in der bis zum 5. September 2013 geltenden Fassung abgesehen habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beurteilung der Altersgrenze beim Kindernachzug steht dem nicht entgegen, denn die von der Beklagten angeführten Urteile vom 1. Dezember 2009 und vom 18. November 1997 treffen lediglich eine Aussage dazu, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Einhaltung der Altersgrenze abzustellen ist und welche Folgen für die Erfüllung der anderen Anspruchs-voraussetzungen zu ziehen sind, wenn die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten wird; zu der Frage, welches Recht anwendbar ist, verhalten sich die genannten Entscheidungen hingegen nicht (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. August 2005 - 7 B 24.05 -, juris Rn. 30). Ihnen lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Personen, die ihre Anträge als Minderjährige gestellt haben, bei Überschreiten der Altersgrenze von den begünstigenden Folgen einer Rechtsänderung ausgeschlossen sein sollten; das Bundesverwaltungsgericht hat dort lediglich festgestellt, dass Sachverhaltsänderungen, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, zugunsten des Betroffenen grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009, a.a.O.).

2. Die Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Visums liegen vor. Wie bereits dargelegt, ist in Fällen des an eine Altersgrenze geknüpften Anspruchs eines Kindes auf Familiennachzug für die Einhaltung der Altersgrenze auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen müssen sowohl im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen haben (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2009 a.a.O.).

a) Der Kläger erfüllt die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AufenthG in der derzeit geltenden Fassung für die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug.

aa) Der am 5. Oktober 1993 geborene Kläger hatte im Zeitpunkt der Visumantragstellung, dem 15. Juni 2009, das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet (vgl. § 32 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AufenthG).

bb) Die Mutter des Klägers verfügte sowohl am 5. Oktober 2009, dem 16. Geburtstag des Klägers, als auch am 27. Februar 2014 über einen gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel. Unter dem 8. Januar 2009 wurde ihr gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eine bis Juli 2010 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt, nunmehr besitzt sie nach Angaben der jetzt zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Harburg eine Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG.

cc) Der Vater des Klägers hatte vor der Beantragung des Visums zur Familienzusammenführung sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet erklärt (§ 32 Abs. 3 AufenthG n.F.). In der Erklärung über die Änderung der Vormundschaft vom 5. Juni 2009 hatte er ausgeführt, er sei einverstanden damit, dass der Kläger mit der Mutter in Deutschland „zusammenkommen wird“.

b) Die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind ebenfalls erfüllt.

aa) Sowohl zum Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers als auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht war der Lebensunterhalt des Klägers gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Das ist nach § 2 Abs. 3 AufenthG in der Regel der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richten sich sowohl die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens als auch der Unterhaltsbedarf bei erwerbsfähigen Ausländern und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB II -. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt wird, gilt jede Person im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) und hat im Regelfall einen Leistungsanspruch in Höhe dieses Anteils; demgemäß ist der Lebensunterhalt des Ausländers regelmäßig dann nicht gesichert, wenn der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, deren Mitglied er ist, nicht durch eigene Mittel bestritten werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 10 C 4.12 -, juris Rn. 25 f.).

(1) Die im Oktober 2009 gültigen monatlichen Regelleistungen nach dem SGB II betrugen für die Mutter des Klägers und ihren Ehemann gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II in der Fassung vom 10. Oktober 2007 i.V.m. der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1342) jeweils 323 €. Hinzu kommen die Regelleistungen für den Kläger (Altersstufe ab Vollendung des 15. Lebensjahres) gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 (Fassung vom 10. Oktober 2007), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II (Fassung vom 23. Dezember 2007) in Höhe von 287 €, der Gesamtbedarf beläuft sich also auf 933 €. Kosten für den Krankenversicherungsschutz des Klägers sind nicht zu berücksichtigen, denn er wäre gemäß § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der Fassung vom 10. Dezember 2008 mit der Verlegung seines Wohnsitzes nach Deutschland in der Krankenversicherung seines Stiefvaters familienversichert gewesen. Für die seinerzeit ebenfalls im Haushalt lebende Mutter des Ehemannes ist kein Bedarf in Ansatz zu bringen, weil sie gemäß § 7 Abs. 3 SGB II (Fassung vom 23. Dezember 2007) nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Familie des Klägers zählte. Es kann dahingestellt bleiben, ob, da die Mutter des Klägers mit ihrem Ehemann 2009 in Hamburg miet- und nebenkostenfrei bei dessen Mutter gewohnt hat, gemäß Punkt A.I.1.c der Fachanweisung der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg zum Ausländerrecht Nr. 1/2008 vom 8. August 2008 für Miet- und Betriebskosten der in der der Anweisung anliegenden Tabelle ausgewiesene Richtwert von 528,00 Euro für Kosten der Unterkunft für drei Personen zu berücksichtigen ist, der Bedarf sich mithin auf 1.461 € erhöht, denn die im Jahr 2009 vom Stiefvater des Klägers erzielten Einkünfte deckten diesen Bedarf. Er erzielte 2009 monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von durchschnittlich 1.998,85 € (GA 377 unten: Nettobetrag 23.986,24 €), ausbezahlt wurden durchschnittlich 1.814,32 € (GA 377 unten: Auszahlungsbetrag 2009 21.771,92 €). Da er seit 1999 eine Festanstellung bei seinem Arbeitgeber hat, ist von einem nachhaltig erzielten Einkommen auszugehen. Hiervon sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II in der Fassung vom 5. Dezember 2006 i.V.m. § 30 SGB II in der Fassung vom 14. August 2005 (100 + 210 =) 310 € in Abzug zu bringen, so dass ein anrechenbare Einkommen von über 1.500 Euro verbleibt.

(2) Die Regelleistungen für das Jahr 2014 (§ 20 Abs. 5 SGB II in der aktuellen Fassung i.V.m. der Bekanntmachung vom 16. Oktober 2013, BGBl I, S. 3875) belaufen sich auf je 353 € für die Mutter des Klägers und ihren Ehemann zuzüglich 313 € für den zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kläger, gesamt 1.019 €. Kosten für die Krankenversicherung des Klägers sind nicht zu berücksichtigen, weil er nach § 10 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB V in der aktuellen Fassung mit seinem Umzug nach Deutschland familienversichert ist. Hinzuzurechnen ist ein Betrag von 1.017,16 € an Aufwendungen für das Eigenheim, ohne dass es darauf ankommt, ob sämtliche der dort angegebenen Beträge in Ansatz zu bringen sind. Insgesamt beläuft sich der Bedarf somit auf 2.036,16 €. Auch dieser Bedarf ist durch das Einkommen des Stiefvaters des Klägers gedeckt. Im Jahr 2013 verfügte dieser über ein Nettogehalt von durchschnittlich 2.899,15 € (GA 429 unten: Nettobetrag 2013 34.789,95 €), ausbezahlt wurden monatlich im Durchschnitt 2.730,70 € (GA 429 unten: Auszahlungsbetrag 2013 32.768,47 €), im Januar 2014 erhielt er ein Nettogehalt von 2.435,10 Euro ausgezahlt. Hiervon ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, § 11b Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II in der aktuellen Fassung ein Betrag von (100 + 230 =) 330,00 Euro in Abzug zu bringen, so dass ein Einkommen von mindestens 2.100 Euro verbleibt.

bb) Für den Kläger stand zudem sowohl im Oktober 2009 als auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausreichender Wohnraum zur Verfügung (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Hierzu bestimmt § 2 Abs. 4 AufenthG, dass nicht mehr gefordert wird, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten sozialen Mietwohnung genügt (Satz 1). Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt (Satz 2). Damit ist stets ausreichend Wohnraum, der dem Sozialwohnungsstandard entspricht. Nicht mehr ausreichend ist andererseits Wohnraum, der den auch für Deutsche geltenden, in den Wohnungsaufsichtsgesetzen der Länder festgelegten Anforderungen nicht genügt. Zu den Anforderungen an eine öffentlich geförderte soziale Mietwohnung verweist § 5 WoBindG in seiner seit 2002 geltenden Fassung auf § 27 Abs. 4 WoFG, der im Wesentlichen zu Grunde legt, dass die maßgebliche Wohnungsgröße von den Ländern bestimmt wird. Da § 2 Abs. 4 AufenthG einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt, ist letztlich entscheidend darauf abzustellen, in welcher Weise die jeweilige Verwaltungspraxis diesen Spielraum ausschöpft (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. März 2010 - OVG 3 B 9.08 -, juris Rn. 27).

Die bereits zitierte Fachanweisung Nr. 1/2008 verweist auf die vom Bundesministerium des Inneren erlassenen Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU. Gemäß 2.4.2 dieser Hinweise ist ausreichender Wohnraum unbeschadet landesrechtlicher Regelungen stets vorhanden, wenn für jedes Familienmitglied über sechs Jahren 12 m² Wohnfläche zur Verfügung stehen und Nebenräume (Küche, Bad, WC) in angemessenem Umfang mitbenutzt werden können. Nach Nr. 2.4.3 der Hinweise sind bei der Berechnung im Falle einer abgeschlossenen Wohnung die Nebenräume einzubeziehen, eine Unterschreitung dieser Wohnungsgröße um etwa 10 % ist unschädlich. Demgemäß ist ausreichender Wohnraum für vier Personen vorhanden bei einer Mindestwohnfläche von ca. 45 m². Wie dem vom Kläger eingereichten Mietvertrag zu entnehmen ist, haben seine Mutter und ihr Ehemann in Hamburg bei dessen Mutter in einem Reihenhaus mit 3 2/2 Zimmern gewohnt. Auch wenn in dem Mietvertrag die Wohnfläche nicht aufgeführt wird, ist schon angesichts der Anzahl der Zimmer davon auszugehen, dass dieses Haus über eine Wohnfläche von über 45 m² verfügt.

Im Kreis Harburg, wo die Mutter des Klägers nunmehr gemeinsam mit ihrem Ehemann lebt, wird für einen Haushalt mit drei Haushaltsangehörigen eine Wohnung bis zu 75 m² als angemessen angesehen (vgl. Nr. 7.1 Buchst. a der Richtlinie zur Durchführung der Sozialen Wohnraumförderung in Niedersachsen, Fassung vom 5. April 2012 - Nds.MBl. Nr.17/2012 S.335). Ausweislich des zu den Gerichtsakten gereichten Schreibens der Hamburger Sparkasse vom 11. Mai 2010 verfügt das von der Mutter des Klägers und ihrem Ehemann errichtete und bewohnte Wohnhaus über eine Wohnfläche von 150 m², bietet demnach ausreichend Wohnraum für eine Aufnahme des Klägers.

cc) Der Kläger erfüllt ferner die Passpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Bei der Beantragung des Visums verfügte er über einen bis zum 23. August 2011 gültigen Reisepass, in der mündlichen Verhandlung hat er die Kopie eines bis zum 16. Februar 2022 gültigen Passes vorgelegt.

dd) Sonstige Versagungsgründe für die Erteilung des begehrte Visums (vgl. etwa § 5 Abs. 1a, Abs. 2, Abs. 3 AufenthG) sind nicht ersichtlich.

3. Einem Anspruch des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Visums steht schließlich nicht entgegen, dass die Vorschrift des § 32 Abs. 3 AufenthG als Soll-Vorschrift gefasst ist. Eine solche Regelung gestattet eine Abweichung von der gesetzlichen Regel nur in atypischen Ausnahmefällen, in denen das Festhalten an diese Regel auch unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 -, juris Rn. 36). Ein atypischer Fall ist dann anzunehmen, wenn Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ausnutzung des Nachzugsrechts bestehen, etwa der Nachzugsantrag kurz vor Vollendung des 16. Lebensjahres gestellt wird und das Kind bis dahin keinen Bezug zu Deutschland und dem hier lebenden Elternteil hatte (BT-Drs. 7/13022, S. 21). So liegt der Fall hier nicht. Zwar hat der Kläger erst am 15. Juni 2009, somit ca. dreieinhalb Monate vor Vollendung des 16. Lebensjahres das begehrte Visum beantragt. Allerdings hatten seine Mutter und ihr Ehemann noch bis Dezember 2008 in China mit ihm zusammengelebt. Seine Mutter hatte sich zudem seit der Scheidung vom Vater des Klägers im Jahr 1997 allein um den Kläger gekümmert.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), waren ihre Kosten nicht der unterlegenen Beklagten aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Frage, wie vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Altersgrenze beim Kindernachzug Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind, wenn der Antragsteller bereits vor Eintritt der Rechtsänderung die jeweilige Altersgrenze überschritten hat, hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung und ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.