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GdB - Herabsetzung -Zeitpunkt


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 25.04.2013
Aktenzeichen L 13 SB 223/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9, § 48 SGB 10, VersMedV

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 80 auf 50.

Der Beklagte hatte bei dem 1950 geborenen Kläger, der an Lungenkrebs erkrankt war, mit Bescheid vom 7. Juni 2002 für die Behinderung Lungenerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung (bis April 2007) einen GdB von 80 festgestellt und ihm das Merkzeichen „G“ zuerkannt.

In dem November 2008 eingeleiteten Nachprüfungsverfahren hat der Beklagte den Befundbericht des den Kläger behandelnden Lungenarztes Dr. M eingeholt und nach dessen versorgungsärztlicher Auswertung mit Bescheid vom 19. Februar 2009 den Gesamt-GdB auf 40 herabgesetzt sowie dem Kläger das Merkzeichen „G“ entzogen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Am 20. März 2009 stellte er einen – bislang nicht beschiedenen - Verschlimmerungsantrag. Der Beklagte stellte mit Abhilfebescheid vom 8. September 2009 bei dem Kläger einen GdB von 50 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2009 wies er den Widerspruch im Übrigen zurück. Dieser Entscheidung legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Lungenerkrankung nach Ablauf der Heilungsbewährung, Lungenfunktionseinschränkung, chronische Bronchitis (40),
b) Depression (20).

Mit der bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, ihm weiterhin einen GdB von 80 zuzuerkennen.

Neben Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte hat das Sozialgericht das Gutachten der Arbeitsmedizinerin Dr. F vom 17. Mai 2011 eingeholt, die den Gesamt-GdB ab Oktober 2009 durchgängig mit 50 eingeschätzt hat. Die Sachverständige ist dabei von folgenden Behinderungen ausgegangen:

a) Lungenerkrankung nach Ablauf der Heilungsbewährung, chronische Bronchitis mit Lungenfunktionseinschränkung (40),
b) seelische Störung (20),
c) Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen (20).

Dem Gutachten folgend hat das Sozialgericht mit Urteil vom 10. November 2011 die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines GdB von 80 nicht mehr vorlägen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er bringt insbesondere vor, dass allein aus der Rezidivfreiheit nicht auf den Ablauf der Heilungsbewährung geschlossen werden dürfe. Sein Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, sondern vielmehr verschlechtert. Seine Behinderungen seien jeweils zu gering bewertet worden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Nervenarztes Dr. A vom 16. April 2012, der nach Untersuchung des Klägers dargelegt hat, dass die Bewertung dessen seelischen Leidens durch die Gutachterin Dr. F mit einem Einzel-GdB von 20 sich nicht retrospektiv falsifizieren lasse. Derzeit liege keine psychiatrische Störung vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2011 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2009 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 8. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als der Beklagte den bei ihm festgestellten GdB von 80 auf 50 herabgesetzt hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da der Kläger sich gegen die Herabsetzung des bei ihm ursprünglich mit Bescheid vom 19. Februar 2009 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 8. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2009 wendet, handelt es sich um eine Anfechtungsklage, bei welcher allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also hier auf die bei ihm im Oktober 2009 bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen, abzustellen ist. Spätere Verschlechterungen seines Gesundheitszustandes können deshalb in diesem Verfahren nicht verfolgt werden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens bei dem Kläger den Gesamt-GdB zutreffend auf 50 herabgesetzt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist. Hierbei sind die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung vorhanden gewesen sind, zu vergleichen.

Die von der Beklagten mit den hier angefochtenen Bescheiden aufgehobene Entscheidung über die Feststellung eines GdB von 80 ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Im Vergleich zu den im Zeitpunkt des Bescheides vom 7. Juni 2002 ist in den bestehenden Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn die bei dem Kläger im Jahre 2009 bestehenden Funktionsbehinderungen rechtfertigten keinen GdB in Höhe von 80 mehr.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ heranzuziehen.

Die ursprüngliche Bewertung der Behinderung „Lungenerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung“ mit einem Einzel-GdB von 80 ist nicht mehr möglich, da nach Ablauf der nach Entfernung eines malignen Lungentumors abzuwartenden fünfjährigen Heilungsbewährung (vgl. Teil B Nr. 8.4 Satz 3 der Anlage zur VersMedV) bei dem Kläger kein Rezidiv mehr aufgetreten ist.

Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. F im Gutachten vom 17. Mai 2011 bestanden bei dem Kläger im Oktober 2009 Funktionseinschränkungen der Lunge in Form einer restriktiven Ventilationsstörung sowie eine chronische Bronchitis mit obstruktiver Ventilationsstörung, die als dauernde Lungenfunktionseinschränkung geringen Grades mit einem Einzel-GdB von 40 – und damit mit dem höchsten Wert des nach Teil B Nr. 8.3 Abs. 1 der Anlage zur VersMedV bestehenden GdB-Rahmens von 20 bis 40 – zu bewerten sind.

Die Einschätzung der seelischen Erkrankung des Klägers durch die Sachverständige Dr. F als leichtere psychische Störung ist durch das von dem Senat eingeholte fachärztliche Gutachten des Nervenarztes Dr. A vom 16. April 2012 nicht in Frage gestellt worden. Die Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 bewegt sich am oberen Rand des in Teil B Nr. 3.7 Abs. 1 der Anlage zur VersMedV vorgegebenen GdB-Rahmens von 0 bis 20.

Unter Hinweis auf den Befundbericht der Onkologin W vom 9. April 2009, in dem eine antiarhythmische Therapie erwähnt wurde, hat die Sachverständige nachvollziehbar auf das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen im maßgeblichen Zeitpunkt – Oktober 2009 – geschlossen. Eine andauernde Leistungsbeeinträchtigung des Herzens hat sie nicht feststellen können. Der Senat folgt dem Vorschlag der Gutachterin, diese Behinderung mit einem GdB von 20, d.h. dem Mittelwert des nach Teil B Nr. 9.1.6 Satz 2 der Anlage zur VersMedV vorgesehenen Rahmens von 10 bis 30, zu würdigen. Der daneben bei dem Kläger bestehende Bluthochdruck in leichter Form wirkt sich hierbei nicht erhöhend aus, da er nach Teil B Nr. 9.3 Abs. 1 der Anlage zur VersMedV lediglich mit einem Einzel-GdB von 0 bis 10 zu bewerten ist.

Unter Berücksichtigung der einzelnen Behinderungen des Klägers war im Oktober 2009 der Gesamt-GdB als Ausdruck der Gesamtbeeinträchtigung mit 50 zu bilden. Liegen mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Der einzusetzende Einzel-GdB von 40 für das Lungenleiden des Klägers ist mit Rücksicht auf das mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertende Herzkreislauferkrankung auf insgesamt 50 anzuheben, da diese Behinderung sich nach den übereinstimmenden Feststellungen der gerichtlichen Gutachter auf die Leistungsfähigkeit zusätzlich negativ auswirkt. Die seelische Erkrankung des Klägers ist nicht geeignet, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Nach Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV ist es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dies ist vorliegend der Fall, da nach der Einschätzung der Sachverständigen Dr. F, der sich der Senat anschließt, die Gesamtbehinderung des Klägers durch den intermittierend vorhandenen seelischen Störungskomplex nicht weiter verstärkt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.