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Erlass einer einstweiligen Anordnung; (vorläufige) Erlaubnis zur Versicherungsberatung; Prozesskostenhilfe; Beschwerde; inländische juristische Person, GmbH; allgemeines Interesse an Rechtsverfolgung, nicht erkennbar; wirtschaftliches Eigeninteresse der Antragstellerin; keine Erfolgsaussichten; Anordnungsgrund; Vorwegnahme der Hauptsache; Abwarten der Hauptsachenentscheidung nicht unzumutbar


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 22.10.2014
Aktenzeichen OVG 1 M 48.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 116 S 1 Nr 2 ZPO, § 34e GewO, § 34d GewO

Leitsatz

An einer auf den Erlass einer nur vorläufig wirkenden einstweiligen Anordnung, die zudem auf einer summarischen Prüfung eines lediglich glaubhaft zu machenden Anordnungsanspruchs sowie auf einer Güter- und Interessenabwägung beruhen würde, kann - anders als am Ausgang eines Klageverfahrens, in dem die Möglichkeit besteht, die aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzlich zu klären - im Regelfall kein allgemeines Interesse im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO bestehen.

Tenor

Die Prozesskostenhilfebeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, für das außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 VwGO) mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr vorläufig eine Erlaubnis zur Versicherungsberatung nach § 34e Gewerbeordnung (GewO) zu erteilen, hilfsweise diese Tätigkeit vorläufig zu dulden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Antragstellerin kann als inländische juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG) u.a. nur dann Prozesskostenhilfe erhalten, wenn die Unterlassung ihrer Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 166 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Danach wäre Prozesskostenhilfe nur zu bewilligen, wenn ein allgemeines Interesses an der Verfolgung ihrer (angeblichen) Rechte feststellbar wäre. Ein solches Interesse wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens anspricht und soziale Wirkungen für die Allgemeinheit nach sich ziehen würde (vgl. nur Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 24. Februar 2014 - 2 W 8/13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Dies ist nicht erkennbar.

Abgesehen von der zutreffenden Annahme des Verwaltungsgerichts (BA, S. 2), dass das Eilverfahren vor allem dem wirtschaftlichen Eigeninteresse der Antragstellerin dient, kann an einer auf den Erlass einer nur vorläufig wirkenden einstweiligen Anordnung, die zudem auf einer summarischen Prüfung eines lediglich glaubhaft zu machenden Anordnungsanspruchs sowie auf einer Güter- und Inter-essenabwägung beruht, anders als an dem Ausgang eines Klageverfahrens, in dem die Möglichkeit besteht, Rechtsfragen grundsätzlich zu klären, im Regelfall kein allgemeines Interesse im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO bestehen. Anderes ist auch im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.

Die von der Antragstellerin ausdrücklich erwartete grundsätzliche und verfassungsrechtliche Klärung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit § 34e GewO und § 34d GewO, konkret zu den Auswirkungen der zwischen ihr und ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer bestehenden wirtschaftlichen Verflechtung auf die nach § 34e Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GewO zu wahrende wirtschaftliche Unabhängigkeit von Versicherungsberatern, ist in dem angestrengten Eilverfahren nicht zu leisten. Das nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erforderliche allgemeine Interesse kann jedoch - wenn überhaupt - nur an der vorgenannten rechtlichen Klärung in einem Klageverfahren und nicht an einer lediglich vorläufigen Regelung bestehen.

2. Die Beschwerde ist auch deswegen unbegründet, weil die Rechtsverfolgung der Antragstellerin jedenfalls mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die vorläufige Erweiterung von Befugnissen (hier der Erteilung einer Erlaubnis nach § 34e Abs. 1 Satz 1 GewO) stellt eine - wenn auch nur temporär geltende - Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache dar, die grundsätzlich unzulässig ist. Von diesem Verbot ist im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG lediglich dann eine Ausnahme geboten, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Rechtschutzsuchenden unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht. Daran fehlt es hier.

Da die Erfolgssausichten in einem etwaigen Klageverfahren bei summarischer Prüfung zu Gunsten der Antragstellerin bestenfalls als offen anzusehen sind, hängt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung maßgeblich davon ab, ob ein Zuwarten mit einer Hauptsachenentscheidung für die Antragstellerin unzumutbar wäre. Dies ist nicht der Fall.

Sofern sich die Antragstellerin auf ihre - ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung - zu besorgende Zahlungsunfähigkeit beruft, hat sie die dafür sprechenden tatsächlichen Umstände nicht schlüssig dargelegt; so soll etwa ihre Zahlungsunfähigkeit nach den Angaben in der Antragsschrift (S. 14) binnen vier Monaten eintreten; nach dem Prozesskostenhilfegesuch soll das liquide Kapital bereits innerhalb von zwei Monaten aufgebraucht sein. Abgesehen davon beruht das von dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Antragstellerin gewählte Geschäftsmodell, bei dem er als Versicherungsvermittler nach § 34d Abs. 1 GewO zusammen mit der Antragstellerin als Versicherungsberaterin nach § 34e Abs. 1 GewO beide Tätigkeitsfelder wirtschaftlich in einer Hand halten möchte, obwohl der Gesetzgeber diese offensichtlich trennen wollte, auf seiner eigenen Entscheidung einer „Umfirmierung“ und damit auf eigenem Risiko, wenn mit einer (noch) nicht erlaubten Geschäftstätigkeit vorzeitig begonnen werden soll. Vor diesen Hintergrund sowie angesichts der von der Antragsgegnerin befürchteten möglichen Gefahren für potentielle Versicherungskunden ist es der Antragstellerin zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).