Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 30.09.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 29.13, OVG 9 B 30.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 88 VwGO, § 155 VwGO, § 21 GKG, § 4 KAG BB, § 6 KAG BB |
In dem Verfahren OVG 9 B 29.13 (VG 8 K 746/07):
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. August 2012 wird unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen geändert. Der Gebührenbescheid vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2007 wird aufgehoben, soweit die Schmutzwasserentsorgungsgebühr 218,68 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
In dem Verfahren OVG 9 B 30.13 (VG 8 K 243/09):
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Oktober 2012 wird unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen geändert. Der Gebührenbescheid vom 13. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009 wird aufgehoben, soweit die Schmutzwasserentsorgungsgebühr 211,22 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jeweils zur Hälfte. Der Kläger und der Beklagte tragen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens ebenfalls jeweils zu Hälfte. Der Beklagte trägt überdies die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte; die weitere Hälfte der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wird wegen unrichtiger Sachbehandlung durch das erstinstanzliche Gericht nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Gebühren für die dezentrale Schmutzwasserentsorgung (Grubenentleerung).
Der Beklagte ist Verbandsvorsteher eines Wasser- und Abwasserzweckverbandes (Zweckverband). Der Zweckverband erließ Schmutzwasserentsorgungssatzungen vom
- 14. Dezember 2005 (in Kraft: 1. Januar 2006),
- 11. Januar 2010 (in Kraft: rückwirkend auf den 1. Januar 2010),
- 1. Juni 2011 (in Kraft: rückwirkend auf den 1. Januar 2007),
- 18. August 2011 (in Kraft rückwirkend auf den 1. Januar 2001) und vom
- 5. September 2012 (in Kraft: rückwirkend auf den 1. Januar 2001).
Alle Satzungen enthalten einen § 15 ("Gebührenmaßstab und Gebührensatz für die Entsorgung von Schmutzwasser aus abflusslosen Sammelgruben").
Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2007 zu einer Schmutzwasserentsorgungsgebühr für 2006 von 447,30 Euro heran; die Gebührenberechnung knüpft an den Frischwasserbezug an (90 m³ x 4,97 Euro/m³ = 447,30 Euro).
Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 13. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009 für 2008 zu einer Schmutzwasserentsorgungsgebühr von 422,45 Euro heran; die Gebührenberechnung knüpft wiederum an den Frischwasserbezug an (85 m³ x 4,97 Euro/m³ = 422,45 Euro).
Der Kläger hat gegen den Bescheid für 2006 unter dem Aktenzeichen VG 8 K 746/07 (OVG 9 B 29.13), gegen den Bescheid für 2008 unter dem Aktenzeichen VG 8 K 243/09 (OVG 9 B 30.13) Klage erhoben. Er hat gegen die Bescheide formale Einwände erhoben und unter Bezugnahme auf entsprechende Abfuhrbelege darauf hingewiesen, dass im Jahr 2006 nur 44 m³ und im Jahr 2008 nur 42,5 m³ Schmutzwasser von seinem Grundstück abgefahren worden seien. Im weiteren Verfahrensverlauf hat der Kläger jeweils schriftsätzlich mitgeteilt, dass er sich nur gegen die Gebührenerhebung hinsichtlich der Unterschiedsmenge zwischen dem bezogenen Frischwasser und dem abgefahrenen Schmutzwasser wende. In der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Bescheides für 2006 hat der Kläger gleichwohl volle Bescheidaufhebung beantragt. Das Verfahren hinsichtlich des Bescheides für 2008 hat das Verwaltungsgericht einmal in Anwesenheit, ein zweites Mal in Abwesenheit des Klägers mündlich verhandelt. Anträge sind nicht protokolliert worden.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 10. August 2012 (VG 8 K 746/07) hat das Verwaltungsgericht den Bescheid für 2006 vollumfänglich aufgehoben. Ihm mangele es an einer ausreichenden satzungsrechtlichen Grundlage. Die insoweit wegen ihrer Rückwirkung auf den 1. Januar 2001 maßgebliche Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 regele ausweislich des Wortlauts ihres § 15 Abs. 7 (wie ihre Vorgängersatzung vom 14. Dezember 2005) nur eine Gebühr von 4,97 Euro/m³ für das Sammeln und die Abfuhr des Schmutzwassers aus abflusslosen Sammelgruben, während in den Gebührensatz kalkulatorisch auch Kostenanteile für die Behandlung des abgefahrenen Schmutzwassers eingegangen seien. Dass die Gebühr auch für die Schmutzwasserbehandlung erhoben werden solle, lasse sich der Satzung indessen auch nicht durch Auslegung im Übrigen entnehmen.
Mit dem angegriffenen Urteil vom 10. Oktober 2012 (VG 8 K 243/09) hat das Verwaltungsgericht weiter auch den Bescheid für 2008 in vollem Umfang aufgehoben. Auch ihm mangele es an einer ausreichenden satzungsrechtlichen Grundlage. Zwar werde in § 15 Abs. 7 der ebenfalls auf den 1. Januar 2001 rückwirkenden Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 5. September 2012 geregelt, dass die Gebühr von 4,97 Euro/m³ unter anderem auch für die Behandlung des Schmutzwassers erhoben werde; indessen sei es unzulässig, den Gebührentatbestand insoweit rückwirkend zu erweitern.
Mit seinen vom erkennenden Senat zugelassenen Berufungen macht der Beklagte geltend: § 15 Abs. 7 der Schmutzwasserentsorgungssatzung 2012 regele unter anderem, dass für das Einsammeln, die Abfuhr, die Behandlung und die Beseitigung des Schmutzwassers aus abflusslosen Sammelgruben seit dem 1. Januar 2006 eine Gebühr von 4,97 Euro/m³ anfalle. Danach bestehe Übereinstimmung zwischen dem Gebührentatbestand und den Kostenpositionen, die kalkulatorisch in den Gebührensatz eingeflossen seien. Eine unzulässige Rückwirkung sei insoweit nicht gegeben. Unbeschadet dessen habe die Übereinstimmung auch schon bei der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 bestanden. Soweit § 15 Abs. 7 der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 nur das Sammeln und die Abfuhr, nicht aber die Behandlung des Schmutzwassers angesprochen habe, beruhe dies auf einem erkennbaren Redaktionsversehen, das im Wege der Auslegung zu korrigieren sei. Auch die Veranlagung des Klägers nach der vollen Frischwasserbezugsmenge sei nicht zu beanstanden. Zwar sei davon auszugehen, dass die Abfuhrbelege gerade im Falle des Klägers zumindest über das Jahr gesehen verlässliche Auskunft über die abgefahrene Schmutzwassermenge gäben. Dies sei aber unbeachtlich, weil der Kläger nicht mittels Gartenzählers oder sonst nachgewiesen habe, dass die Differenzmengen zwischen den in 2006 und 2008 bezogenen Frischwassermengen und den in diesen Jahren abgefahrenen Schmutzwassermengen auf einem ordnungsgemäßen Wassergebrauchsverhalten und nicht auf einem illegalen Entsorgungsverhalten beruhten. Ein solcher Nachweis sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität erforderlich. Es sei äußerst schwierig und aufwändig, Verletzungen des Benutzungszwangs in Bezug auf die dezentrale Schmutzwasserbeseitigung beizukommen. Angesichts dessen dürfe das Gebührenrecht keinen finanziellen Anreiz für eine Verletzung des Benutzungszwangs bieten. Ein solcher Anreiz lasse sich indessen nur vermeiden, wenn die Schmutzwasserentsorgungsgebühr nach dem Frischwassermaßstab bemessen und nur solche Abzüge zugelassen würden, die auf ein nachgewiesenermaßen ordnungsgemäßes Wasserverbrauchsverhalten und nicht auf ein illegales Entsorgungsverhalten zurückzuführen seien.
Der Beklagte beantragt jeweils,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die zulässigen Berufungen des Beklagten sind zum Teil begründet.
I.
In dem Verfahren betreffend den Bescheid für 2006 hat der Kläger zwar in der mündlichen Verhandlung einen vollen Aufhebungsantrag gestellt. Diesen Antrag hätte das Verwaltungsgericht teilweise abweisen müssen. Er ist wegen Teilbestandskraft des Bescheides unzulässig gewesen, soweit der Kläger die Gebühr für 2006 bereits akzeptiert hatte (Schriftsatz vom 29. Juni 2008). Dies betrifft die Gebühr für die unstreitig in 2006 abgefahrene Schmutzwassermenge (44 m³ x 4,97 Euro/m³ = 218,68 Euro).
II.
In dem Verfahren betreffend den Bescheid für 2008 hat der Kläger in der ersten mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt und ist in der zweiten mündlichen Verhandlung nicht zugegen gewesen. Hier musste das Verwaltungsgericht seinem schriftsätzlichen Vorbringen einen Antrag entnehmen. Dabei ist es unzulässigerweise über das Begehren des Klägers hinausgegangen (§ 88 VwGO), als es ebenfalls von einem vollen Aufhebungsantrag ausgegangen ist. Denn die Gebühr für 2008 hatte der Kläger ebenfalls bereits zum Teil akzeptiert (Schriftsatz vom 15. April 2009). Dies betrifft die Gebühr für die unstreitig in 2008 abgefahrene Schmutzwassermenge (42,5 m³ x 4,97 Euro/m³ = 211,22 Euro).
III.
Hinsichtlich der Gebühren für die Differenzmengen zwischen dem Frischwasserbezug und der Schmutzwasserabfuhr (2006: 90 m³ Frischwasser, 44 m³ Schmutzwasser, Differenzmenge 46 m³; 2008: 85 m³ Frischwasser, 42,5 m³ Schmutzwasser, Differenzmenge 42,5 m³) hat das Verwaltungsgericht die angegriffenen Bescheide demgegenüber zu Recht aufgehoben; sie sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die angegriffenen Bescheide ist die Urfassung des § 15 der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 5. September 2012 (Schmutzwasserentsorgungssatzung 2012 - SES 2012). § 15 Abs. 7 SES 2012 bestimmt ausdrücklich, dass die seit dem 1. Januar 2006 geltende Gebühr von 4,97 Euro/m³ nicht nur für das Sammeln und die Abfuhr, sondern auch für die Behandlung und die Beseitigung des Schmutzwassers erhoben wird. Die Rückwirkung der Schmutzwasserentsorgungssatzung 2012 auf die hier in Rede stehenden Veranlagungszeiträume ist insoweit nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich um eine echte Rückwirkung. Diese ist aber zulässig, weil der Satzungsgeber in der Sache nur eine Klarstellung dessen vorgenommen hat, was ohnehin galt. Dies kann das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg als insoweit ohnehin letztzuständiges Fachgericht auch feststellen und berücksichtigen (vgl. zu rückwirkenden Klarstellungen: BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - juris, Rdnr. 40 ff.). Soweit § 15 Abs. 7 der Vorgängersatzungen seinem Wortlaut nach jeweils den Eindruck erweckt hat, die Gebühr werde nur für das Sammeln und die Abfuhr des Schmutzwassers erhoben, hat in der Tat ein erkennbares Redaktionsversehen des Satzungsgebers vorgelegen, das ohne Weiteres im Wege der Auslegung zu bereinigen gewesen ist. Dies ergibt sich schon aus der Paragraphen-Überschrift, wonach es jeweils um eine Gebühr für die "Entsorgung" von Schmutzwasser aus abflusslosen Sammelgruben gehen sollte. Diese umfasst - gerade auch aus Sicht der Bürger - nicht nur das Sammeln und die Abfuhr, sondern auch die anschließende Behandlung und Beseitigung des Schmutzwassers; dass der Satzungsgeber diesen wesentlichen Teil der Entsorgung gebührenfrei lassen wollte, konnten die Bürger nicht ernstlich annehmen.
2. Indessen hat der Beklagte den in § 15 SES 2012 geregelten Gebührenbemessungsmaßstab nicht richtig angewandt, als er die Schmutzwassergebühren im Falle des Klägers jeweils nach der vollen Frischwasserbezugsmenge in 2006 (90 m³) und 2008 (85 m³) bemessen hat; vielmehr musste sich der Beklagte auf die Gebühren beschränken, die an die tatsächlichen Schmutzwasser-Abfuhrmengen in 2006 (44 m³) und 2008 (42,5 m³) anknüpfen.
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SES 2012 erhebt der Zweckverband Entsorgungsgebühren als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zur dezentralen Schmutzwasserentsorgung von den Grundstückseigentümern, deren Grundstücke an die dezentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sind. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SES 2012 bemessen sich die Entsorgungsgebühren bei der mobilen Entsorgung der abflusslosen Sammelgruben nach der Menge des Schmutzwassers, die der dezentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt wird. Diese Menge wird in § 15 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SES 2012 fingiert, und zwar unter anderem in Anknüpfung an den Frischwasserbezug: Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SES 2012 gilt als in die dezentrale öffentliche Schmutzwasseranlage gelangte Schmutzwassermenge unter anderem die dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zugeführte und durch Wasserzähler ermittelte Wassermenge, abzüglich der durch Gartenzähler festgestellten Wassermenge. Danach durfte der Beklagte bei der Gebührenbemessung zunächst von den vollen Frischwasserbezugsmengen in 2006 und 2008 ausgehen. Diese sind zwischen den Beteiligten unstrittig; auch verfügt der Kläger unstrittig nicht über einen Gartenwasserzähler.
b) Wie alle ihre Vorgängersatzungen bestimmt indessen auch die Schmutzwasserentsorgungssatzung 2012, dass die "so" errechnete Abwassermenge (d. h. die unter anderem auf Grund des Frischwasserbezugs fingierte Schmutzwassermenge) auf Antrag um die Wassermenge gemindert wird, die nachweislich von dem Grundstück der dezentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage nicht zugeführt wird (§ 15 Abs. 4 Satz 1 SES 2012).
Während der entsprechende Nachweis nach § 15 Abs. 5 Satz 2 der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 14. Dezember 2005 und § 15 Abs. 5 Satz 2 der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 1. Juni 2011 nur durch vom Zweckverband gesondert zugelassene Wasserzähler geführt werden konnte, hat der Zweckverband sein Satzungsrecht diesbezüglich schon mit § 15 der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 - rückwirkend auf den 1. Januar 2001 - gelockert und die entsprechenden Regelungen wortgleich in § 15 SES 2012 übernommen. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 SES 2012 gelten als Absetzungsmengen "insbesondere" Trinkwasserverbräuche ohne vergleichbaren Abwasseranfall, eine zulässige Nutzung des Trinkwassers zu Bewässerungszwecken sowie die wasserrechtlich zugelassene Verwendung des anfallenden Abwassers, soweit dieses Abwasser nicht in die öffentlichen Anlage gelangt. Darüber hinaus obliegt der Nachweis der in Abzug zu bringenden Mengen gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 SES 2012 zwar nach wie vor dem Grundstückseigentümer; er erfolgt nach dem Wortlaut der Bestimmung aber nur noch "im Regelfall" durch vom Zweckverband zugelassene gesonderte Wasserzähler, die der Grundstückseigentümer auf seine Kosten einzubauen und zu unterhalten hat. Im Übrigen trägt nach § 15 Abs. 5 Satz 3 SES 2012 der Antragsteller gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a KAG in Verbindung mit § 88 AO die Darlegungs- und Beweislast für die im Absetzungsantrag bezifferte Absetzungsmenge.
Den rückwirkend auch für die Veranlagungsjahre 2006 und 2008 geltenden Absetzungsregeln wird es nicht gerecht, dass der Beklagte den Kläger nach der vollen Frischwasserbezugsmenge veranlagt hat, obwohl - erstens - nach den Abfuhrbelegen in diesen Jahren nur 44 m³ und 42,5 m³ Schmutzwasser von dem Grundstück des Klägers abgefahren worden sind, - zweitens - der Beklagte die Aussagekraft der Abfuhrbelege (bei häufigen Abfuhren und auf das Jahr bezogen) schon generell für hoch hält und er - drittens - gerade im Falle des Klägers von einer besonders genauen Erfassung der jeweiligen Abfuhrmengen ausgeht, weil der Kläger bei den Fahrern der Entsorgungsfahrzeuge als besonders kritisch gelte. Mit Blick auf die vorstehend genannten Umstände hat der Kläger den ihm satzungsmäßig obliegenden Beweis dafür erbracht, dass der öffentlichen dezentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage von seinem Grundstück in 2006 nur 44 m³ und in 2008 nur 42,5 m³ Schmutzwasser zugeführt worden sind; diese Mengenangaben werden im Tatsächlichen vom Beklagten nicht bestritten, sondern erscheinen (auch) ihm als richtig.
Soweit der Beklagte meint, der Kläger habe den Beweis für die Absetzungsmengen gleichwohl durch einen geeichten und vom Beklagten abgenommenen Gartenwasserzähler nachweisen müssen, verkennt er, dass § 15 Abs. 5 Satz 2 und 3 SES 2012 den Beweis für das Vorliegen von Abzugsmengen nicht mehr strikt, sondern nur für den "Regelfall" an die Verwendung eines geeichten Abzugsmengenzählers bindet. Warum keine der danach zulässigen Ausnahmen gelten sollte, wenn sogar der Beklagte auch ohne Vorhandensein eines Abzugsmengenzählers vom tatsächlichen Vorhandensein bestimmter Abzugsmengen ausgeht, ist nicht nachvollziehbar.
Insoweit greift insbesondere nicht das Argument, es seien nur Abzugsmengen beachtlich, die auf einem legalen Wasserverbrauchsverhalten beruhten, was wiederum regelmäßig nur durch die Ergebnisse eines geeichten Abzugsmengenzählers belegt werden könne. Dieses Argument kann sich nicht auf § 15 Abs. 4 Satz 2 SES 2012 stützen. Diese Bestimmung zählt im Einzelnen zwar nur Absetzungsmengen auf, die auf einem zulässigen Wasserverbrauchsverhalten beruhen; sie ist aber gerade nicht abschließend, wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt. Überdies ist die schon in der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 erfolgte Lockerung der Regelungen zu den Absetzmengen erkennbar in Reaktion auf das Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juli 2011 - OVG 9 B 28.09 -, juris, erfolgt, das sich mit älterem Satzungsrecht des hier in Rede stehenden Verbands befasst hat. Zu den Kernaussagen des Urteils gehört es, dass der Maßstab für Benutzungsgebühren in Ansehung des § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG so ausgestaltet sein muss, dass zwar nicht in jedem Einzelfall, wohl aber im Großen und Ganzen gewährleistet sein muss, dass ein Mehr oder Weniger an Inanspruchnahme auch zu einem verhältnismäßigen Mehr oder Weniger an Gebühr führt und dass es dabei, was die Frage der Inanspruchnahme angeht, nur auf die tatsächliche Erfüllung des satzungsmäßigen Gebührentatbestandes und nicht auf Rechtmäßigkeitsfragen ankommt (a. a. O., Rdnr. 15). Nachdem der Zweckverband sein Satzungsrecht gerade mit Blick auf dieses Urteil geändert hat, ist nicht anzunehmen, dass der Satzungsgeber an dieser Kernaussage vorbei gehen wollte.
Soweit der Beklagte in Fällen wie denen des Klägers nicht auf einen Nachweis von Absetzungsmengen durch einen Absetzmengenzähler verzichten will, weil alles andere zu einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand führe, überzeugt dies nicht. Die Veranlagung zu Schmutzwassergebühren selbst wird nicht wesentlich dadurch erschwert, dass Absetzungsmengen nicht nur mit den Ergebnissen eines Absetzmengenzählers, sondern auch anders belegt werden können. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Absetzungsmengen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 SES 2012 nur auf einen fristgebundenen Antrag berücksichtigt werden müssen und Unsicherheiten insoweit zu Lasten des Grundstückseigentümers gehen, wie § 15 Abs. 5 Satz 2 und 3 SAS 2012 verdeutlicht. Bestehen erhebliche Unterschiede zwischen dem Frischwasserbezug und der Schmutzwasserabfuhr, darf sich der Beklagte bei Fehlen eines Absetzmengenzählers auch nicht etwa darauf beschränken, den Grundstückseigentümer nach der vollen Frischwassermenge zu Schmutzwassergebühren zu veranlagen und den Fall im Übrigen auf sich beruhen zu lassen; vielmehr muss er den Unterschieden nachgehen, weil er gehalten ist, die Einhaltung des Benutzungszwangs zu überwachen und gegebenenfalls durchzusetzen. Soweit sich der Beklagte dies dadurch erleichtern will, dass er Absetzungsmengen schon gebührenrechtlich nur auf der Grundlage der Ergebnisse eines Absetzmengenzählers berücksichtigen will und soweit er gebührenrechtlich keine Anreize für eine Missachtung des Benutzungszwangs schaffen möchte, verfolgt er Lenkungsziele, die zwar anerkennenswert sein mögen, aber keine Rechtfertigung dafür bilden, die Schmutzwassergebühr nicht nach der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung (§ 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 KAG) zu bemessen, obwohl sie gerade nur Gegenleistung für die Inanspruchnahme ist (§ 4 Abs. 2 Alternative 2 KAG; § 15 Abs. 1 Satz 1 SES 2012). Vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Ermächtigung erlaubt die Verfolgung von Lenkungszwecken keine Durchbrechung der Gebührenbemessungsvorschriften des Kommunalabgabengesetzes (vgl. m. w. N.: Kluge, in Becker u. a., KAG Bbg, Stand Februar 2013, Rdnr. 363 zu § 6 KAG).
Einer Veranlagung des Klägers nach den tatsächlichen Abfuhrmengen in den Jahren 2006 und 2008 steht hier schließlich nicht entgegen, dass der Kläger diesbezüglich keinen Antrag innerhalb der Monatsfrist des § 15 Abs. 5 Satz 1 SES 2012 gestellt hat. Eine rückwirkende Regelung von Antragsfristen ist nur zulässig, wenn die Betroffenen schon nach dem seinerzeitigen Satzungsrecht Anlass hatten, entsprechende Anträge zu stellen. Das war hier nicht der Fall, weil vor Bekanntmachung der Schmutzwasserentsorgungssatzung vom 18. August 2011 wesentlich strengere materielle Absetzungsvoraussetzungen galten, eine Antragstellung mit den Argumenten des Klägers also seinerzeit aussichtslos war.
Die Kostenentscheidung im Verfahren OVG 9 B 29.13 beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Kostenentscheidung im Verfahren OVG 9 B 30.13 auf § 155 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 21 GKG.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen jeweils auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist jeweils nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert in dem Verfahren OVG 9 B 29.13 wird unanfechtbar auf 447,30 Euro, der Streitwert in dem Verfahren OVG 9 B 30.13 unanfechtbar auf 422,45 Euro festgesetzt.