Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 21. Senat | Entscheidungsdatum | 22.09.2011 | |
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Aktenzeichen | L 21 R 429/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 46 Abs 3 SGB 5, § 90 Abs 1 SGB 5, § 1578 BGB, § 1579 BGB |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der großen Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten der Klägerin.
Die 1934 geborene Klägerin bezog vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1993 Witwenrente nach ihrem ersten Ehemann, dem Versicherten MP. Am 1993 heiratete die Klägerin den im Januar 1925 geborenen, in B lebenden, KHch (im Folgenden: geschiedener Ehemann). Die Ehe wurde im Juni 2003 geschieden. Seit November 1994 bezieht die Klägerin von der Beklagten Altersrente; und zwar im Zeitraum vor dem 1. Juli 2003 in Höhe von 704,00 EUR monatlich. Ferner erhielt die Klägerin nach ihren Angaben eine private Unfallrente in Höhe von 141,00 EUR monatlich. Ihr geschiedener Ehemann bezog seit Januar 1992 von der Beklagten Rente und ab dem 1. März 1989 zunächst in der ehemaligen DDR eine Invalidenrente und dann von der Berufsgenossenschaft Unfallrente. In der Mitteilung zur Rentenanpassung zum 1. Juli 2002 ist für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2002 ein monatlicher Zahlbetrag von 1.124,21 EUR ausgewiesen und in der Mitteilung des Rentenservices bezüglich der Unfallrente für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2002 ein monatlicher Zahlbetrag von 479,80 EUR. Im Jahre 1990 ist dem geschiedenen Ehemann der Klägerin ein Grad der Behinderung von 60 zuerkannt worden.
Auf Antrag der Klägerin erstellte die Beklagte im Mai 2000 eine Probeberechnung im Hinblick auf wiederaufgelebte Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten und teilte im laufenden Text mit, dass infolge der Auflösung einer Ehe erworbene Unterhaltsansprüche anzurechnen seien.
Im Juli/August 2001 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann eine Trennungsvereinbarung, in der der Ehemann unter Punkt 3 verpflichtet ist, ab dem 1. August 2001 Trennungsunterhalt in Höhe von 735,00 DM - der gerundeten Hälfte der Einkommensdifferenz - an die Klägerin zu zahlen. Nach Einreichung der Scheidung beim Amtsgericht B im Mai 2002 erfolgte ein umfangreicher außergerichtlicher Schriftverkehr zwischen den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin und derjenigen ihres geschiedenen Ehemannes. In dem Schreiben vom 2. Oktober 2002 der damaligen Bevollmächtigten ihres geschiedenen Ehemannes heißt es u.a., dass dieser über ein Endvermögen von 101.908,00 DM verfüge. In der Anlage des Schreibens der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. Oktober 2002 heißt es, dass diese über ein Gesamtvermögen von 20.465,73 DM verfüge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die anwaltlichen Schreiben vom 20. September 2002, 2., 11., 18., 29. Oktober 2002, 4. November 2002, 2. Dezember 2002, 17., 25. Februar 2003, 3. März 2003 sowie vom 3. Juli 2003 verwiesen.
Die Ehe wurde 2003 vor dem Amtsgericht B - Familiengericht -‚ Az. 10 F 117/02, rechtskräftig geschieden. In der Sitzung am 12. Juni 2003 schlossen die Beteiligten einen Unterhaltsvergleich folgenden Inhalts: „1. der Ehemann zahlt vorerst an die Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von 357,80 € ab Rechtskraft der Ehescheidung bis einschließlich September 2003. 2. Nach Bewilligung der Geschiedenenwitwenrente für die Ehefrau fällt die Unterhaltsverpflichtung für den Ehemann weg. Die Ehefrau zeigt dem Ehemann unverzüglich die Bewilligung der Geschiedenenwitwenrente gegenüber an. 3. der für die Zeit nach dem 1.8.2003 gezahlte Unterhalt unterliegt dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Rückzahlung ist frühestens bei Nachzahlung der Geschiedenenwitwenrente fällig. “
Auf den Antrag der Klägerin von 27. Juni 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15. August 2003 große Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ab dem 1. Juli 2003 in Höhe eines Zahlbetrags von 300,36 EUR unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs in Höhe von monatlich 357,80 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 3. September 2003 Widerspruch ein und führte zur Begründung an, Unterhalt sei ihr nur für Juli 2003 gezahlt worden. Den Unterhalt für die Monate August und September 2003 habe sie - was unstreitig ist - zurückzahlen müssen. Ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch sei aus keinem der in § 1570 ff BGB gegebenen Tatbestände gegeben. Die Klägerin habe Einkünfte aus eigener Rente und aus Vermögen gehabt, sodass der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit zum Tragen komme. Lediglich um die Klägerin nicht in wirtschaftliche Not geraten zu lassen bzw. um diese nicht zu zwingen ihre Ersparnisse anzugreifen, habe sich der Ehemann nach langen Verhandlungen bereit erklärt, bis zur Zahlung der Geschiedenenwitwenrente Unterhalt zu zahlen, wobei er sich einen teilweisen Rückforderungsanspruch vorbehalten habe. Der geschiedene Ehemann der Klägerin habe nach dem Rentenbescheid aus dem Jahre 1992 Rente in Höhe von ca. 723 EUR bezogen, die Klägerin Rente in Höhe von ca. 710 EUR, die Unfallrente des geschiedenen Ehemannes dürfe gem. § 1610a BGB nicht berücksichtigt werden, sodass die Klägerin lediglich einen Unterhaltsanspruch von 6,50 EUR gehabt hätte. Ferner habe der geschiedene Ehemann einen erhöhten behinderungsbedingten Mehrbedarf gehabt. Mit dem Widerspruch begehrte die Klägerin daneben auch die Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten.
Die Beklagte half dem Widerspruch der Klägerin im Hinblick auf die Berücksichtung dieser weiteren rentenrechtlichen Zeiten mit Bescheid vom 26. Mai 2004 ab und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung heißt es, der geschiedene Ehemann der Klägerin habe ein weit höheres Einkommen als diese gehabt, sodass von einer Unterhaltsverpflichtung auszugehen sei. Die Beklagte sei auch berechtigt, bei der Berechnung der Witwenrente den anzurechnenden Anspruch in Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle selbst festzustellen, solange eine zivilgerichtliche Entscheidung über den Unterhaltsanspruch nicht vorliege. Demzufolge sei der im Vergleich genannte Unterhaltsbetrag von 357,80 EUR anzurechnen.
Mit ihrer am 10. September 2004 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie insbesondere angeführt, dass in dem gerichtlichen Vergleich kein Unterhaltsverzicht liege, sodass die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin habe sich nur deswegen auf den Vergleich eingelassen, weil ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann aus keiner zivilrechtlichen Norm gegeben gewesen sei. Die Unterhaltsvereinbarung sei lediglich kulanzweise erfolgt. Der geschiedene Ehemann sei auch nicht leistungsfähig gewesen. Es ergebe sich auch aus dem außergerichtlichen Schriftverkehr, dass ein Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann nicht realisierbar gewesen sei. Ferner sei die Beklagte auch nicht berechtigt gewesen, von den Werten der Düsseldorfer Tabelle auszugehen, ohne die konkreten Vermögensverhältnisse des geschiedenen Ehemannes der Klägerin hinreichend geprüft zu haben. Ferner bestünden Bedenken im Hinblick auf die Höhe der von der Beklagten angerechneten fiktiven Unterhaltsleistungen aus den Gründen der unterhaltsrechtlichen Schieflage. Des Weiteren sei die Witwenrente bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2005 hat die Beklagte die Witwenrente neu festgestellt. Sie hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann aus § 1571 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben habe. Das Maß bestimme sich nach § 1578 BGB. Die Festsetzung des Unterhaltsbetrags von 357,80 EUR sei in Anlehnung an den geschlossenen Vergleich festgelegt worden. In Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle betrage der Wert sogar 379,50 EUR. Die Unfallrente unterliege nicht der gesetzlichen Vermutung nach § 1610a BGB und sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Eine bestehende Leistungsunfähigkeit des geschiedenen Ehemannes sei nicht nachgewiesen. Dem Vorliegen eines verständigen Grundes für einen Unterhaltsverzicht widerspreche vorliegend der Passus in dem geschlossenen Unerhaltsvergleich, dass [der Unterhaltsanspruch] „nach Bewilligung der geschiedenen Witwenrente“ [entfalle].
Das Sozialgericht hat den geschiedenen Ehemann der Klägerin als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2007 (Gerichtsakte Bl. 205b f) verwiesen.
Mit Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG Berlin die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. August 2003 höhere Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten unter Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs in Höhe von monatlich 349,51 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistung von Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs. Die Klägerin habe vorliegend einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann in Höhe von 349,51 EUR monatlich gehabt; der Unterhaltsanspruch sei nicht gemäß § 1579 BGB ausgeschlossen gewesen.
Die Klägerin habe keinen verständigen Grund für den Abschluss der Unterhaltsvereinbarung gehabt. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich die Versuche, einen Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann durchzusetzen als unverhältnismäßig schwierig oder aussichtslos erwiesen hätten. Zwar gehe aus dem außergerichtlichen Schriftverkehr hervor, dass die Bevollmächtigten des geschiedenen Ehemanns der Ansicht waren, dass ein Unterhaltsanspruch aufgrund der ihrer Meinung nach aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung zu berücksichtigenden Witwenrente nicht bestehe. Der Klägerin wäre es jedoch zuzumuten gewesen, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass in diesem Fall die Scheidung unzumutbar lange hinausgezögert worden wäre oder ihr geschiedener Ehemann einer gerichtlichen Verurteilung zur Unterhaltsleistung nicht nachgekommen wäre. Schließlich rechtfertige es auch keine andere Beurteilung, dass die Klägerin bzw. ihre damaligen Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses gegebenenfalls irrtümlich davon ausgegangen seien, dass nach Bewilligung der Witwenrente aus rechtlichen Gründen kein Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann bestehen würde.
Gegen das ihr am 13. Februar 2008 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. März 2008 Berufung eingelegt, mit der sie das Begehren der Klägerin weiterverfolgen. Sie tragen vor, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin habe bereits deswegen nicht bestanden, weil die Ehe lediglich 7 ½ Jahre bestanden und die ehemaligen Eheleute jeweils eine eigene Wohnung besessen hätten. Die Einnahmen des geschiedenen Ehegatten der Klägerin seien somit nicht eheprägend gewesen. Ein Unterhaltsanspruch sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Ehegatten aufgrund der Beibehaltung der jeweils eigenen Wohnungen und des nur teilweisen Zusammenlebens ihre Lebenspositionen in der Ehe nicht aufeinander eingestellt und in wechselnder Abhängigkeit auf ein gemeinschaftliches Lebensziel ausgerichtet gehabt hätten. Bereits aus dem (Widerspruchs)schreiben der Fachanwältin für Familienrecht H H vom 10.09.2003 gehe hervor, dass ein durchsetzbarer Unterhaltsanspruch aus keinem der in den §§ 1517 ff. BGB festgeschriebenen Tatbeständen bestanden habe. Die Vereinbarung der Ehegatten habe auf einer reinen Kulanzentscheidung des geschiedenen Ehemannes basiert. § 90 Abs. 1 SGB VI beziehe sich lediglich auf realisierbare Unterhaltsansprüche und sei daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2003 in der Fassung des Bescheids vom 26. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2004 in der Fassung des Bescheids vom 9. Juni 2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ab dem 1. August 2003 höhere Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen
Die Klägerin habe eine Unterhaltsvereinbarung mit einem Unterhaltsverzicht ab Bewilligung der Witwenrente geschlossen, obwohl sie einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch nach § 1571 Nr. 1 BGB gegen ihren geschiedenen Ehemann i.H.v. 349,51 € monatlich gehabt hätte und es für den Abschluss dieser Vereinbarung keinen verständigen Grund gegeben habe. Dem Unterhaltsberechtigten sei es aber grundsätzlich zuzumuten, seine Ansprüche zu realisieren. Unterlasse er dies, rechtfertige ein fiktiver Unterhaltsanspruch die Anrechenbarkeit auf die Rentenzahlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens, die Gerichtsakte des AG B - Familiengericht - zum Geschäftszeichen 10 F 117/02 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu den Az. - die Klägerin betreffend -, (2 Bände) - den Versicherten betreffend - und - den geschiedenen Ehemann der Klägerin betreffend – sowie auf die Ablichtungen aus der Akte der M- und M-Berufsgenossenschaft (Az. ) Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Beratung und Entscheidung waren.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung den Rechtsstreit beraten und entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 143, 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist rechtmäßig. Die angefochtenen Bescheide sind in der Gestalt, die sie durch das angefochtene Urteil gefunden haben, rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistung von Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klage zulässig ist und insbesondere der Klageeingang am 10. September 2004 die Frist des § 87 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 5. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids gewahrt ist, weil bei dem am 10. August 2004 mit einfachem Brief abgesandten Widerspruchsbescheid gemäß § 85 Abs. 3 S. 1 SGG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch von einem Zugang am 13. August 2004 auszugehen ist.
Ebenfalls zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 46 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf Leistung von Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs gemäß § 90 Abs. 1 SGB VI besitzt.
§ 90 Abs. 1 SGB VI bestimmt, dass auf eine Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten Ansprüche auf Unterhalt nach dem letzten Ehegatten angerechnet werden. Dem Unerhaltsberechtigten ist es grundsätzlich zuzumuten, seine Ansprüche zu realisieren. Unterlässt er dies, rechtfertigt ein fiktiver Unterhaltsanspruch die Anrechenbarkeit auf die Rentenzahlung. Anders ist dies nur dann, wenn ein verständiger Grund für eine entsprechende Verfügung besteht, der insbesondere darin liegen kann, dass sich dahingehende Versuche als unverhältnismäßig schwierig oder aussichtslos erweisen oder wenn sich dadurch anderweitige schwerwiegende Nachteile für die Witwe ergeben. Wenn dies nicht der Falls ist, ist der Unterhaltsanspruch anzurechnen, der der Witwe ohne den Verzicht zustehen würde. Dabei ist auf die persönliche und wirtschaftliche Situation der Klägerin im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts abzustellen (siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Mai 1978, 4 RJ 79/77 sowie Urteil vom 1. Februar 1983, 4 RJ 101/91 sowie Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. November 2005, L 12 RJ 6/04).
Der Senat folgt in vollem Umfang der Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass die Klägerin eine Unterhaltsvereinbarung geschlossen hat, nach der ihr geschiedener Ehemann ab der Bewilligung der Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten nicht mehr zur Unterhaltszahlung an sie verpflichtet war, obwohl sie einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann in Höhe von 349,51 EUR monatlich hatte und es für den Abschluss dieser Vereinbarung keinen verständigen Grund gab.
Die vom Sozialgericht durchgeführten Ermittlungen des fiktiven Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann und die insoweit angestellten Berechnungen sind nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insofern in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Klägerin vermag mit ihrem Vorbringen aus dem Berufungsverfahren nicht durchzudringen, dass ein Unterhaltsanspruch schon deswegen nicht bestanden habe, weil die Einnahmen des geschiedenen Ehegatten der Klägerin aufgrund der Beibehaltung der jeweils eigenen Wohnungen und eines nur teilweisen Zusammenlebens nicht eheprägend gewesen seien.
Dieses Vorbringen wird vom Akteninhalt der Scheidungsakte des Amtsgerichts Bernau (10 F 117/02) widerlegt. In diesem geben nämlich die dortigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 an, dass die Eheleute seit Mai 2001 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebten und am 11. Juli 2001 die Klägerin aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei. Dies wurde auch im Scheidungsverfahren vom geschiedenen Ehemann bei der persönlichen Anhörung in der nicht-öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts B am 12. Juni 2003 so bestätigt.
Die Eheleute haben sich auch folgerichtig in der Trennungsvereinbarung darauf geeinigt, dass der Ehemann an die Ehefrau die gerundete Hälfte der Einkommensdifferenz, nämlich 735 DM monatlich, als Trennungsunterhalt zahlen werde. Ferner heißt es in der Trennungsvereinbarung, die Ehefrau habe ihre frühere Wohnung auch nach der Eheschließung noch behalten, diese Wohnung solle ihr zur alleinigen Nutzung verbleiben, die Ehewohnung solle dem Ehemann zur alleinigen Nutzung verbleiben.
Im Scheidungsverfahren haben ferner die Rechtsanwälte der Klägerin mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2002 gegen das seinerzeit von den Anwälten des geschiedenen Ehemannes vorgebrachte Argument, dass die Einnahmen des Ehemannes wegen der getrennten Wohnungen nicht eheprägend gewesen seien, vorgebracht, dass die Parteien bis zur Trennung im Sommer 2001 gemeinsam gewirtschaftet hätten. Das Zusammenleben habe 7 1/2 Jahre angedauert. Erst mit dem Auszug der Klägerin habe die Trennung begonnen. Die Ehefrau habe nach der Eheschließung ihre Wohnung in B nicht aufgegeben, weil beabsichtigt gewesen sei, dass die Ehegatten nach Aufgabe der Tätigkeit des geschiedenen Ehemannes beide gemeinsam nach B in die bequeme Neubauwohnung der Ehefrau umziehen würden. Letzteres wiederholte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Scheidungsverfahren mit weiterem Schriftsatz vom 2. Dezember 2002. Diesem Vorbringen ist von den Prozessbevollmächtigten des geschiedenen Ehemannes in der weiteren Folge der Scheidungsauseinandersetzungen nicht entgegengetreten worden.
Sofern die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Berufungsverfahren geltend machen, dass ein Unterhaltsanspruch der Klägerin aus grober Unbilligkeit gemäß § 1579 BGB ausgeschlossen gewesen sei, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Gemäß § 1579 BGB ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil 1. die Ehe von kurzer Dauer war oder 2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt oder 3. der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat oder 4. der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat oder 5. der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat oder 6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat oder 7. dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder 8. ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1-7 aufgeführten Gründe. Derartige Gründe sind offensichtlich weder nach Aktenlage gegebenen noch werden sie von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin dargelegt. Von einer lediglich kurzen Ehedauer im Sinne von § 1579 Nr. 1 BGB wird in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung allenfalls bei einer Ehedauer von unter drei Jahren ausgegangen (vergleiche Nachweise bei Palandt-Brudermüller, 69. Auflage, 2010, § 1579 Rn. 7). Die Frage, ob Einnahmen eines der Ehegatten eheprägend waren oder nicht ist entgegen der Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht im Rahmen des § 1579 BGB, sondern bei der Feststellung des Maßes des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 BGB zu prüfen.
Sofern die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, die Klägerin habe keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann besessen, verkennen diese, dass der Grundsatz, dass ein Unterhaltsanspruch, der nicht zu verwirklichen ist, auf die wiederaufgelebte Witwenrente nicht angerechnet werden darf, im vorliegenden Fall nicht greift. Dieser Grundsatz erfasst nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich solche materiell-rechtlich tatsächlich bestehenden Unterhaltsansprüche, deren Verwirklichung trotz gerichtlicher Geltendmachung und Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Vollstreckungsmöglichkeiten nicht gelingt (BSG Urteil vom 26. September 1975 - 12 RJ 248/74 SozR 2200 § 1291 Nr. 8; BSG Urteil vom 24. März 1965 – 1 RA 225/61 – Soz Entsch VI § 68 AVG n.F. Nr. 6; BSGE 22, 78 = SozR Nr. 10 zu § 1291 RVO; SozR Nr. 12 aaO; BSGE 27, 171 = SozR Nr. 22 aaO).
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht festgestellt, dass die Beteiligten vielmehr rechtsirrig davon ausgingen, dass ein Unterhaltsanspruch der Klägerin ab Erhalt der wiederaufgelebten Witwenrente nicht mehr gegeben sein würde. Insofern meinten damals alle Beteiligten, dass auf einen Unterhaltsanspruch nicht verzichtet worden sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 10. August 2007 hat der als Zeuge gehörte geschiedene Ehemann der Klägerin insoweit angegeben, es sei von Anfang an klar gewesen, dass sie, seine Noch-Ehefrau, keinen Anspruch mehr haben würde, wenn die Witwenrente bewilligt worden ist. Sie habe insofern nicht auf Unterhalt verzichtet. Dass die Beteiligten einen Unterhaltsanspruch – rechtsirrig – lediglich im Hinblick auf die erwartete Witwenrente der Klägerin für nicht gegeben angesehen hatten, erhellen auch – worauf ebenfalls bereits das Sozialgericht hingewiesen hat - die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Ehegatten gewechselten Schriftsätze. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2002 forderten die Rechtsanwälte des geschiedenen Ehemannes die Klägerin auf, Auskunft über ihren aktuellen Rentenwert zu erteilen, um überprüfen zu können, inwieweit sich an den Trennungsunterhaltspflichten ihres Mandanten Änderungen ergeben haben. (GA 140). Auf die Antwort der Rechtsanwältin der Klägerin, dass ein Antrag auf Geschiedenenwitwenrente erst nach Rechtskraft der Scheidung gestellt werden könne, teilten die Rechtsanwälte des geschiedenen Ehemannes mit Schriftsatz vom 25. März 2003 mit, dass sofern bereits vor Mai 2003 ein Witwenrentenbescheid der Klägerin zuteil werde, der geschiedene Ehemann nur bis zu diesem Zeitpunkt den bisher vereinbarten Unterhalt zahlen werde (GA 146).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Klägerin einen Unterhaltsanspruch deswegen nicht geltend gemacht hat, weil sie der unzutreffenden Auffassung war, ein solcher werde bei Erhalt der Rente nach ihrem vorletzten Ehemann nicht mehr bestehen. Sie und die übrigen Beteiligten im Scheidungsverfahren, d.h. ihr geschiedener Ehemann und die beiderseitigen Prozessbevollmächtigten waren damals der Auffassung, dass ab Erhalt der wiederaufgelebten Witwenrente ein Unterhaltsanspruch, auf den hätte verzichtet werden können, nicht mehr bestand.
Ein verständiger Grund, aufgrund dessen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs der Witwe nicht zuzumuten war und den die Witwe im Falle eines Unterhaltsverzichts darzulegen hat, ist somit nicht erkennbar. Im Prozess trägt jedoch die Witwe die objektive Beweislast für das Vorliegen diejenigen tatsächlichen Umstände, die zu der Beurteilung des Verzichtes als aus verständigem Grund erfolgt erforderlich sind (BSGE Urteil vom 24. Mai 1978 – 4 RJ 79/77 - BSGE 46, 193).
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.