Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 09.08.2013 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 120/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 Nr 1 SGB 6, § 7a SGB 4, § 66 SGG, § 87 SGG |
Die Berufung des Beigeladenen zu 1) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 insoweit aufgehoben wird, als die Beklagte festgestellt hat, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. November 1999 aufgrund der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) nicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Im Streit ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der 1989 gegründeten Beigeladenen zu 2) ist der An- und Verkauf von Reifen jeder Art, die Montage von Reifen, Dienstleistungen jeder Art, die im Zusammenhang mit dem Handel und der Montage von Reifen anfallen, sowie der Handel mit Kfz-Zubehörteilen und die hiermit verbundenen Dienstleistungen. Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2) ist W H, der Vater des Beigeladenen zu 1) mit 49 v. H. der Anteile am Stammkapital der Gesellschaft. Weiterer Gesellschafter mit einem Anteil vom 51 v.H. am Stammkapital der Gesellschaft ist Herr E H, der Onkel des Beigeladenen zu 1).
Der Beigeladene zu 1) ist gelernter Industriekaufmann. Die Berufsausbildung schloss er im Jahre 1998 ab. Am 1. November 1999 nahm er bei der Beigeladenen zu 2) auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. November 1999 eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter auf. Nach § 2 Satz 1 dieses Arbeitsvertrages ist Aufgabe des „Arbeitnehmers die eigenständige Leitung des Großhandels.“ Nach § 2 Satz 2 des Vertrages „zählen hierzu Einkauf und Vertrieb von Pkw- und Motorradreifen, Außendienst und Personalentscheidungen. Für die Kündigung des Arbeitsvertrages gilt die gesetzliche Kündigungsfrist.“ 3.500,- DM wurden als „Monatsgehalt“ vereinbart. In § 3 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Vertragsparteien einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Den Urlaubszeitpunkt darf der Beigeladene zu 1) selbst festlegen. Nach § 4 des Arbeitsvertrages soll „das Vertragsverhältnis spätestens zum Ende des Monats, in dem der Arbeitnehmer sein 65. Lebensjahr vollendet oder in welchem dem Arbeitnehmer der Rentenbescheid des gesetzlichen Versicherungsträgers über die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der Erwerbsunfähigkeitsrente zugegangen ist“, enden.
Im Januar 2008 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung seines versicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) und die Erstattung der entrichteten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) „ab dem 1. 1. 1999 in keinem Beschäftigungsverhältnis stehe.“ Es bestehe „keine Sozialversicherungspflicht.“ Zur Begründung führte sie aus, dass der Beigeladene zu 1) gegenüber der Gesellschaft nicht weisungsgebunden sei. Die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Arbeitstätigkeit könne er frei bestimmen und gestalten. Er wirke bei der Führung des Betriebes aufgrund besonderer Fachkenntnisse mit. Aufgrund familiärer Rücksichtnahme bestehe ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu den anderen Geschäftsführern und den Gesellschaftern. Für das Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis fehle es am typischen Interessengegensatz. Dass der Beigeladene zu 1) bei Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung mangels Kapitalbeteiligt nicht stimmberechtigt sei, spiele keine Rolle. Der Bescheid, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, nach der „gegen diesen Bescheid binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Widerspruch möglich“ sei, wurde lediglich dem Beigeladenen zu 1) bekanntgegeben.
Im Anschluss übersandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 4. März 2008 den Antrag des Beigeladenen zu 1) mit seinen Unterlagen, aber ohne ihren Bescheid vom 24. Januar 2008, und bat um Abstimmung ihrer Rechtsauffassungen. Sie sei der Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) nicht abhängig beschäftigt sei. Es bestehe daher ab Tätigkeitsbeginn keine Rentenversicherungspflicht. Der Beigeladene zu 1) sei nicht weisungsgebunden. Er wirke bei der Führung des Betriebes aufgrund besonderer Fachkenntnisse mit. Für das Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis fehle es am typischen Interessengegensatz. Die Entscheidungen des Beigeladenen zu 1) seien für die Geschäftsabläufe ausschlaggebend.
Die Beklagte übersandte den Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) am selben Tag eine Kopie dieses Schreibens. Sie wies daraufhin, dass die „Entscheidung mit der (Klägerin) abzustimmen“ sei. Sie könne aber nicht, „wie von (den Bevollmächtigten) gewünscht, einem anderen Sozialversicherungsträger eine Widerspruchsfrist einräumen. Damit für den (Beigeladenen zu 1) zeitnah Rechtssicherheit (bestehe, sei) die (Klägerin) gebeten (worden), bis zum 21. März 2008 zu antworten.“
Die Klägerin antwortete mit Scheiben vom 14. April 2008. Sie stimme der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beklagten nicht zu. Es überwögen die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Der Arbeitsvertrag vom 1. November 1999 weise eine Anstellung als kaufmännischer Angestellter für einen begrenzten Sachbereich aus. Für den 21-jährigen Berufsanfänger handele es sich um eine „Anfängerstellung.“ Es sei lebensfremd, dass ein 21-jähriger Berufsanfänger „sofort als unabhängiger Mitarbeiter“ eingestellt werde.
Die Beklagte faxte den Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) dieses Schreiben am 22. April 2008 und teilte mit, dass sie „die Angelegenheit mit der (Klägerin) klären und (sie) auf jeden Fall benachrichtigen“ werde.
Mit Schreiben vom 23. April 2008 teilte die Beklagte die Klägerin mit, dass sie an ihrer „Entscheidung“, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. November 1999 nicht abhängig beschäftigt sei, festhalte. Der Beigeladene zu 1) habe eine Ausbildung zum Industriekaufmann erfolgreich absolviert und sei bereits für die Beigeladene zu 2) tätig gewesen, bevor er in die „Unternehmensführung eingestiegen“ sei. Somit handele es sich nicht um eine „Anfängerstellung“. Grundlage ihrer Entscheidung seien im Übrigen die „tatsächlichen Umstände der Tätigkeit (z. B. kein Weisungsrecht, Mitwirkung bei Führung des Betriebes etc.). Das Alter spiele dabei eine untergeordnete Rolle.“
Mit Mail vom 27. Mai 2008 baten die Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) die Beklagte „wg. Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge“ „um umgehende weitere Bearbeitung und Abgabemitteilung.“ Sie verwiesen auf das Schreiben der Klägerin vom 14. April 2008 und das Schreiben der Beklagten vom 23. April 2008. Eine Antwort der Klägerin sei bisher nicht eingegangen.
Daraufhin bat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juni 2008 um Mitteilung des Sachstandes. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 23. Juni 2008. Sie habe bereits mit Schreiben vom 14. April 2008 eine Stellungnahme abgegeben. Sie bat um „Erstellung einer rechtsmittelfähigen versicherungsrechtlichen Beurteilung.“ Mit am 25. Juni 2008 eingegangenem Schreiben vom 20. Juni 2008 bat die Beklagte die Klägerin um Überprüfung ihrer versicherungsrechtlichen Beurteilung vom 14. April 2008. Der Bevollmächtigte des Beigeladenen zu 1) habe sie bereits mehrfach kontaktiert und warte auf eine umgehende Entscheidung. Am 16. Juli 2008 übermittelte die Klägerin der Beklagten ihr Schreiben vom 23. Juni 2008 nochmals per Fax und wiederholte ihre Bitte nach „Erstellung einer versicherungsrechtlichen Beurteilung.“
Die Beklagte wandte sich daraufhin nochmals mit Schreiben vom 17. Juli 2008 an die Klägerin. Sie verwies auf eine Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des Beitragseinzuges. Dort sei beschlossen worden, dass in Fällen, in denen die Entscheidung auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und damit auf eine Beitragerstattung hinauslaufe könne, eine Abstimmung der betroffenen Krankenkasse und des zuständigen Rentenversicherungsträgers erfolgen sollte. Um eine gemeinsame Entscheidung im Sinne dieser Besprechung zu treffen, bat sie die Klägerin „ihre Entscheidung zu überdenken.“ In einem ausführlichen Schreiben vom 8. September 2008 erläuterte die Klägerin der Beklagten daraufhin nochmals ihre Rechtsauffassung und erinnerte mit Schreiben vom 25. November 2008 an die Übersendung einer versicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Schreiben blieben ohne Antwort.
Ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten wurden die Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) am 31. Juli 2008 und am 10. September 2008 von der Beklagten telefonisch über diesen Sachstand unterrichtet.
In einem Telefongespräch am 28. Januar 2009 erfuhr die Klägerin dann von der Beklagten, dass bereits ein Bescheid über den versicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) ergangen ist. Dieser Bescheid sei „versehentlich vor Abstimmung mit dem Rentenversicherungsträger am 24. Januar 2008 erlassen" worden. Noch am 28. Januar 2009 faxte die Beklagte der Klägerin eine Kopie des Bescheides vom 24. Januar 2008.
Hiergegen hat die Klägerin am 3. Juni 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass sie die Auffassung der Beklagten nicht teile, dass der Beigeladene zu 1) selbstständig und nicht als abhängig Beschäftigter nach § 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtig sei. Der Beigeladene zu 1) halte weder Anteile am Stammkapital der Beigeladenen zu 2) noch sei er als deren Geschäftsführer bestellt worden. Er sei bewusst nicht zum Mitunternehmer berufen, sondern als abhängig Beschäftigter zur Sozialversicherung angemeldet worden. Es handele sich um ein jahrelang gelebtes Beschäftigungsverhältnis, das nach einem Motivwechsel des Beigeladenen zu 1) rückwirkend als selbständige Tätigkeit dargestellt werden solle.
Der Beigeladene zu 1) ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei bereits unzulässig. Die Beklagte habe der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2008 ihre Entscheidung mitgeteilt. Bei diesem Schreiben handele es sich um einen Bescheid. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden. Selbst wenn der Klägerin der Bescheid der Beklagten erst Anfang 2009 bekannt gegeben worden sei, sei die Klage verfristet, da diese nicht innerhalb der Monatsfrist erhoben worden sei. Im Übrigen sei es der Klägerin verwehrt, sich auf die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu berufen. Die Klägerin könne nicht einerseits in der „Gemeinsamen Vereinbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger“ vom 21. November 2006 auf die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung bei der Bekanntgabe eines Bescheides ihr gegenüber verzichten, sich aber andererseits gegenüber dem Betroffenen auf dieses Versäumnis berufen und für sich die Anfechtungsfrist von einem Jahr in Anspruch nehmen. Dies sei grob rechtsmissbräuchlich.
Mit Urteil vom 10. Februar 2012 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 insoweit aufgehoben, als darin „die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt wurde“ und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) während seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) ab dem 1. November 1999 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage zulässig sei. Bei dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 23. April 2008 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Dieses Schreiben sei Teil der zwischen Klägerin und der Beklagten gewechselten Korrespondenz im Rahmen des Abstimmungsverfahrens zur Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1). Der Bescheid vom 24. Januar 2008 sei der Klägerin erst am „3. Februar 2009“ bekanntgegeben worden. Der Klägerin sei keine Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden, so dass nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG die Jahresfrist gelte. Die Berufung auf diese Jahresfrist sei nicht rechtsmissbräuchlich. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Klägerin und Beklagte die Geltung der Jahresfrist im vorliegenden Fall im kollosiven Zusammenwirken zu Lasten des Beigeladenen zu 1) herbeigeführt hätten. Dies sei erforderlich, um die Berufung auf die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG im konkreten Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen. Die Beklagte habe der Klägerin keinen gesonderten Bescheid erteilt, sondern ihr lediglich auf Aufforderung eine Kopie des dem Beigeladenen zu 1) bekanntgegebenen Bescheides übersandt. Sie habe daher der Klägerin „nicht bewusst keine Rechtsbehelfsbelehrung“ erteilt. Die Beklagte habe ihre Entscheidung auch nicht mit der Klägerin abgestimmt, sondern diese bereits vor Eröffnung des Abstimmungsverfahrens getroffen und nur dem Beigeladenen zu 1) bekannt gegeben. Rechtsmißbräuchlichkeit und ein Verstoß gegen Treu und Glauben lägen deshalb im vorliegenden Fall nicht vor.
Im Ergebnis habe die Beklagte auch die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Unrecht verneint. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Beigeladene zu 2) sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe mit der Beigeladenen zu 2) einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, der typische Merkmale einer Beschäftigung enthalte. Dieser Arbeitsvertrag werde auch gelebt. Der Beigeladene zu 1) erhalte ein monatlich festes Gehalt, welches in keiner Weise an die Gewinne der Beigeladenen zu 2) gebunden sei. Der Beigeladene zu 1) habe auch kein eigenes Unternehmensrisiko getragen. Er sei nicht an dem Unternehmen beteiligt. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die den Schluss zuließen, dass der Beigeladene zu 1) – wirtschaftlich gesehen – seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern wie für ein eigenes Unternehmen ausgeübt habe. Voraussetzung dafür sei, dass der Geschäftsführer in der GmbH „schalten und walten“ könne, wie er wolle, weil er die Gesellschaft persönlich dominiere oder sie wirtschaftlich von ihm abhängig sei, was insbesondere bei Familiengesellschaften in Betracht komme. Derartige einzelfallbezogene Umstände lägen hier jedoch nicht vor.
Gegen das dem Beigeladenen zu 1) am 28. Februar 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 28. März 2012. Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Klage unzulässig sei. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 sei der Klägerin „am 4. März 2008 mitgeteilt“ worden. Denn er habe die Beklagte aufgefordert. „zur Begrenzung der Anfechtungsklagefrist der Klägerin eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung über ihr einmonatiges Anfechtungsklagerecht zu erteilen.“ Zudem habe die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2008 mitgeteilt, dass es bei der Entscheidung, „dass der Beigeladene zu 1) seit 1. November 1999 in keiner abhängigen Beschäftigung stehe“ bleibe. Mit Fax vom 28. Januar 2009 sei der Klägerin der Bescheid schließlich nochmals zugestellt worden. Erst am 3. Juni 2009 und damit fast 1 ½ Jahre nach Bescheiderlass sei die Klage beim Gericht eingegangen. Bei der Beklagten sei auch ein Erstattungsantrag gestellt worden. Es stelle sich die generelle, bislang nicht beantwortete Rechtsfrage, ob bereits der Zugang der Erstattungsunterlagen bei der Beklagten fristauslösend gewesen sei.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) und die Beklagte haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Berufung ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 insoweit aufgehoben wird, als die Beklagte festgestellt hat, dass der Beigeladene zu 1) in der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig ist. Der Beigeladene zu 1) ist seit dem 1. November 1999 aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) in der Gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 rechtzeitig, innerhalb der Klagefrist, angefochten.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den richtigen Rechtsbehelf schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Es ist bereits fraglich, ob und wann der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 der Klägerin wirksam bekannt gegeben worden ist. Denn die Beklagte hat der Klägerin am 28. Januar 2009 lediglich eine Kopie ihres Bescheides an den Beigeladenen zu 1) vom 24. Januar 2008 gefaxt. Jedenfalls enthält dieser Bescheid nur eine für den Beigeladenen zu 1) zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung. Die Klägerin ist nicht oder jedenfalls nicht richtig über ihr Recht belehrt worden. Ihr gegenüber ist die Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend. Denn nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG bedarf es keines Vorverfahrens, wenn wie hier ein (Renten-)Versicherungsträger klagt. Die Klägerin hätte somit über die Möglichkeit der Klage mit der entsprechenden Frist belehrt werden müssen. Dies ist unterblieben.
Wegen der unterbliebenen bzw. unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung betrug die Klagefrist für die Klägerin deshalb ein Jahr seit Kenntnisnahme des Bescheides vom 24. Januar 2008. Dies erfolgte am 28. Januar 2009. Die Jahresfrist wurde durch die am 3. Juni 2009 erhobene Klage gewahrt.
Soweit der Beigeladene zu 1) vorträgt, dass die Beklagte der Klägerin bereits mit dem Schreiben vom 23. April 2008, der Klägerin am 29. April 2008 zugegangen, bekanntgegeben habe, dass der Beigeladene zu 1) nicht versicherungspflichtig ist, vermag der Senat diesem Vorbringen nicht zu folgen. Dieses Schreiben enthält keine abschließende Entscheidung. Ein Verfügungssatz (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Das Schreiben ist Teil des von der Beklagten eröffneten Abstimmungsverfahrens. Dies kommt bereits für den Adressaten dadurch zum Ausdruck, dass die Beklagte in diesem Schreiben daraufhin weist, dass „die versicherungsrechtliche Beurteilung mit dem zuständigen Rentenversicherungsträger abgestimmt werden soll.“ Auch der folgende Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Beigeladenen verdeutlicht für den Adressaten hinreichend, dass eine abschließende Entscheidung der Einzugsstelle, der Beklagten, noch aussteht. So weist die Beklagte in ihrem Schreiben vom 20. Juni 2008 auf die Eilbedürftigkeit der Sache hin, weil der „Rechtsanwalt (des Beigeladenen zu 1 sie) bereits mehrfach kontaktiert (habe) und auf eine umgehende Entscheidung (warte).“
Soweit der Beigeladenen zu 1) vorträgt, dass es der Klägerin verwehrt sei, sich auf die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zu berufen, vermag der Senat auch diesem Vortrag nicht zu folgen. Es ist auch unerheblich, ob die Klägerin als fachkundiger Rentenversicherungsträger und Behörde Kenntnis von der Klagemöglichkeit und der entsprechenden Frist hatte Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 66 RdNr. 12). Ebenso wenig wie bei anwaltlich vertretenen Klägern ist es bei rechtskundigen Behörden möglich oder geboten, den Wortlaut des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG dahingehend zu unterschreiten, dass eine tatsächliche Kenntnis von der gesetzlichen Klagefrist diese unabhängig von einer fehlerhaften Belehrung in Gang setzt (Urteil des Senats vom 26. April 2013 – L 1 KR 177/11 ZVW -). Zur Beurteilung der Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung als richtig oder unrichtig anzusehen ist, kommt es allein auf den objektiven Inhalt der Belehrung an und nicht auf die Person des Adressaten. Ob er durch die fehlerhafte Belehrung irregeführt wurde und deshalb die Frist versäumt hat, ist ohne rechtliche Bedeutung. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist schon dann unrichtig im Sinn von § 66 Abs 2 Satz 1 SGG, wenn auch nur die abstrakte Möglichkeit eines Irrtums bei dem Adressaten besteht (Urteil des BSG vom 25. Januar 1984 - 9a RV 2/83 -, veröffentlicht in Juris).
Im Hinblick hierauf kann auch nicht der Eingang des Erstattungsantrages des Beigeladenen zu 1) bei der Beklagten, der ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten nicht an die Klägerin weitergeleitet worden ist, weil erst das Abstimmungsverfahren durchgeführt werden sollte, den Beginn der Klagefrist auslösen.
Soweit die Anfechtungsfrist von einem Jahr nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG von dem Beigeladenen zu 1) beanstandet wird, weil er auf den Bestand des Bescheides vom 24. Januar 2008 vertraut habe, und das Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe mit Rechtsmittelbelehrung im Einzelfall nachweisbar kausal auf Vereinbarungen der Sozialversicherungsträger oder ihrer Spitzenverbände zurückzuführen sei, kommt nach Ansicht des Senats allenfalls eine Verwirkung des Klagerechts im Einzelfall in Betracht. Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Bloßer Zeitablauf genügt nicht. Es müssen besondere Umstände (Zeit- und Umstandsmoment) hinzutreten, die die späte Klageerhebung oder Rechtsmitteleinlegung als missbräuchlich erscheinen lassen. Verwirkung kommt insoweit in Betracht, wenn der Berechtigte gewusst hat oder hätte wissen müssen, das die Klage oder das Rechtsmittel möglich war und - bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt - der Beigeladene zu 1) darauf vertraut hat und vertrauen durfte, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend machen werde und das die Geltendmachung wegen unzumutbarer Nachteile gegen Treu und Glauben verstößt (Keller a. a. O., Vor § 60 RdNr. 14b).
Hier durfte der Beigeladene zu 1) nicht auf den Bestand des Bescheides der Beklagten vom 24. Januar 2008 vertrauen und er hat auch nicht auf den Bestand dieses Bescheides vertraut. Denn bis zur Klageerhebung war ihm nicht bekannt, ob und wann der Bescheid vom 24. Januar 2008 der Klägerin bekanntgegeben worden ist. Zudem war seinen Bevollmächtigten frühzeitig bekannt, dass die Beklagte den Bescheid vom 24. Januar 2008 ohne Einschaltung des betroffenen Rentenversicherungsträgers erlassen hat und dass die Beklagte bemüht war, die Zustimmung des Rentenversicherungsträgers nachträglich einzuholen. Denn die Bevollmächtigen des Beigeladenen zu 1) haben jeweils Durchschriften des Schriftwechsels des Beklagten mit der Klägerin vom 4. März 2008 erhalten, in dem die beteiligten Sozialversicherungsträger ihre jeweiligen Rechtsstandpunkte dargelegt haben. Die Beklagte hat zudem in dem Schreiben vom 4. März 2008 die Bevollmächtigten auf das Abstimmungserfordernis hingewiesen und ihre Bitte abgelehnt, dem Rentenversicherungsträger eine „Widerspruchsfrist einzuräumen.“ Auch in der Folgezeit, noch im September 2008 sind die Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1) auf deren Sachstandsanfragen hin von der Beklagten über den Stand des Verfahrens unterrichtet worden. Der Beigeladene zu 1) hat und konnte daher nicht eine schutzwürdige Vertrauensposition erwerben oder auf den Verlust der Anfechtungsmöglichkeit durch drittbetroffene Sozialversicherungsträger vertrauen.
Soweit der Beigeladene zu 1) auf die „Gemeinsame Vereinbarung zur Behandlung von Beitragsbescheiden durch die am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Versicherungsträger“ vom 21. November 2006 verweist und hieraus ein Verzicht des Rentenversicherungsträgers auf seine Klagemöglichkeit herleitet, kann der Senat offen lassen, ob dies zutrifft. § 36 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch schreibt jedenfalls für Verwaltungsakte eine Rechtsmittelbelehrung zwingend vor. Auf dieses Recht kann nicht einseitig oder einverständlich wirksam verzichtet werden.
Im Übrigen hat die Beklagte das in der zitierten Vereinbarung beschriebene Verfahren gerade nicht eingehalten. Das Unterbleiben einer möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Bescheides vom 24. Januar 2008 und die unterbliebene oder fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung gegenüber der Klägerin ist daher auch nicht nachweisbar kausal auf diese Vereinbarung zurückzuführen.
In dieser Vereinbarung heißt es unter 4.:
Abstimmung der Rechtsauffassung unter den Versicherungsträgern vor Erteilung eines Verwaltungsaktes
In besonders schwierigen Fällen (Ausnahmefällen), in denen nach umfassender Sachaufklärung durch den für die Entscheidung zuständigen Versicherungsträger
- zur versicherungsrechtlichen Beurteilung unterschiedliche Auffassungen vermutet werden (z.B. weil nach dem Sachverhalt die Kriterien für eine selbständige Tätigkeit und eine abhängige Beschäftigung in etwa gleichgewichtig erfüllt sind) und
- auf Versicherungsfreiheit oder eine nicht bestehende Versicherungspflicht entschieden werden soll,
kann die Einzugsstelle bzw. der Rentenversicherungsträger vor der Erteilung des Verwaltungsaktes eine mit dem beteiligten Fremdversicherungsträger abgestimmte Entscheidung herbeiführen. Im Abstimmungsverfahren sollen dem Fremdversicherungsträger der Entwurf des beabsichtigten Verwaltungsaktes und die entscheidungsrelevanten Unterlagen in Ablichtung zur Stellungnahme übersandt werden.
…
In besonders problematischen Fällen, in denen die Einzugsstelle um Überprüfung des zum Teil langjährigen Versicherungsverhältnisses von beschäftigten Familienangehörigen bzw. GmbH-Gesellschaftern angegangen wird und die Entscheidung möglicherweise auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit und damit auf eine regelmäßig durch die Rentenversicherungsträger vorzunehmende Beitragserstattung hinauslaufen könnte, sollte die Einzugsstelle – unabhängig davon, ob ein Beitragserstattungsanspruch ganz oder teilweise verjährt ist – vor einer abschließenden Entscheidung ihre begründete Auffassung mit dem für die Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV zuständigen Rentenversicherungsträger abstimmen. Der Rentenversicherungsträger kann ggf. in Zweifelsfällen auch erkennen, ob noch weitere Einzugsstellen in das Abstimmungsverfahren einzubeziehen sind, bei denen der Versicherte im Rahmen des zu beurteilenden Ver-sicherungsverhältnisses zuvor versichert war. Mit dieser Verfahrensweise werden nicht nur Sozi-algerichtsverfahren vermieden, sondern insbesondere auch dem häufigen Vorwurf begegnet, die Sozialversicherungsträger würden zur Überprüfung vorgelegte Versicherungsverhältnisse nicht einheitlich beurteilen (vgl. auch Punkt 10 der Niederschrift über die Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung von Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 22.06.2006).
Ein derartiger „problematischer Fall“ liegt im vorliegenden Fall vor. Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) seit dem 1. November 1999, also über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren. Die Beklagte vertritt insoweit die Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) in dieser Zeit selbständig war. Die Beklagte selbst hat in ihrem Schreiben vom 17. Juli 2008 unter Hinweis auf diese Passage der Vereinbarung die Klägerin gebeten, ihre „Entscheidung zu überdenken.“ Obgleich die Verfahrensweise der Beklagten für die Klägerin offensichtlich darauf abzielte, eine mit ihr abgestimmte Entscheidung zu treffen, konnte eine derartige Entscheidung tatsächlich gar nicht mehr herbeigeführt werden, weil die Beklagte bereits vor Eröffnung des Abstimmungsverfahrens den nicht abgestimmten Bescheid vom 24. Januar 2008 erlassen hatte.
Demgegenüber war der Beklagten bereits aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 14. April 2008 bekannt, dass diese ihre Rechtsauffassung nicht teilt. Die Klägerin hat in diesem Schreiben mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht die Gesichtspunkte überwögen, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen. Zu einer Klageerhebung zu diesem Zeitpunkt bestand auch kein Anlass. Denn aufgrund der Schreiben der Beklagten durfte und musste die Klägerin annehmen, dass die Beklagte noch keine abschließende Entscheidung getroffen hat, sondern sie sich noch im Abstimmungsverfahren befinden. Noch mit Schreiben vom 20. Juni 2008 und mit dem Schreiben vom 17. Juli 2008 bat die Beklagte die Klägerin ihre versicherungsrechtliche Beurteilung vom 14. April 2008 zu überprüfen und ihr das Ergebnis mitzuteilen. Dieser Bitte ist die Klägerin mit Schreiben vom 8. September 2008 nachgekommen. Erst nachdem eine Sachstandsanfrage der Klägerin vom 25. November 2011 ohne Antwort blieb, teilte die Beklagte in einem Telefonat am 28. Januar 2009 mit, dass eine abschließende Entscheidung bereits am 28. Januar 2008 ergangen sei. Das Abstimmungsverfahren war also lediglich eine Farce. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin den Eindruck erweckt, dass eine abgestimmte Entscheidung erzielt werden solle, tatsächlich hatte die Beklagte bereits eine einseitige Entscheidung getroffen und einen entsprechenden Bescheid erlassen, ohne jedoch die Klägerin hiervon zu unterrichten. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht ersichtlicht, dass sich aus der vorgenannten Vereinbarung einseitig eine Verschlechterung der Rechtsschutzmöglichkeit zu Lasten der Rentenversicherung ergeben könnte (Beschluss des BSG vom 17. März 2011 - B 12 KR 66/10 B -).
Die Klage ist auch begründet. Der Beigeladene ist aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) seit dem 1. November 2008 in der Gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2008 ist materiell-rechtlich rechtswidrig.
Nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind in der Gesetzlichen Rentenversicherung unter anderem versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufausbildung beschäftigt sind. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch ist eine Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die Tätigkeiten nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formalen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, so lange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R -, zitiert nach juris).
An diesen Grundsätzen gemessen erweist sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Beigeladene zu 1) als abhängige Beschäftigung. Der Senat sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt insoweit Bezug auf die überzeugenden Ausführungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und modifizierend ist allein Folgendes auszuführen:
Bei Familiengesellschaften ist entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers oder des Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetterselbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, RdNr. 32, veröffentlicht in Juris).
Der Beigeladene zu 1) war und ist nicht zum Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2) berufen worden. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war der Vater des Beigeladenen zu 1). Der Beigeladene zu 1) war und ist auch nicht Gesellschafter der Beigeladenen zu 2). Im Konfliktfall hätte sich der Beigeladene zu 1) daher nicht gegen die Gesellschafter durchsetzen können. Er hat damit keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft.
Die Berufung war daher hinsichtlich des Anfechtungsteils mit dem Maßgabetenor zurückzuweisen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid nicht die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) in der Gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt, sondern festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).