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Verrechnung - Aufrechnung - Ermessen - Anhörung - Bestimmtheit - Folgebescheide


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 05.12.2013
Aktenzeichen L 22 R 228/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 51 Abs 2 SGB 1, § 52 SGB 1, § 24 Abs 2 SGB 10, § 96 SGG

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2011 wird aufgehoben, und die Bescheide vom 5. April 2005, 12. April 2005 sowie 3. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 und die Bescheide vom 20. Februar 2007, 8. Juni 2007, 20. Mai 2008, 27. November 2008, 22. Mai 2009, 10. Dezember 2009, 18. Juni 2010, 20. Dezember 2010, 8. Juni 2011, 13. September 2012, 11. Dezember 2012 und 13. Juni 2013 werden insoweit aufgehoben, als in allen genannten Bescheiden Einbehalte vorgenommen wurden.

2. Die Beklagte zu 2) hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verrechnung der Altersrente der Klägerin mit Erstattungsforderungen der Beigeladenen wegen rechtswidrig geleisteter Arbeitslosenhilfe ab Mai 2005 sowie eine Aufrechnung.

Die 1945 geborene Klägerin bezieht aufgrund des Bescheides vom 17. November 2004 seit dem 1. Januar 2005 eine Altersrente für Frauen. Die Rentenhöhe betrug zum 1. Januar 2005 monatlich 593,27 EUR (brutto, netto: 537,20 EUR). Daneben bezieht die Klägerin seit April 2004 eine Witwenrente von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg in Höhe von zunächst 558,64 EUR brutto (netto: 505,85 EUR seit April 2004), sodann 301,99 EUR ab Juli 2004 (jeweils nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Weiterhin erhält die Klägerin zwei Betriebsrenten in Höhe von zusammen 159,91 EUR monatlich (57,62 EUR + 102,29 EUR). Die Klägerin erhält auch türkische Rentenleistungen. Jedenfalls im November 2004 lebte die Klägerin zumindest zeitweilig mit ihrem im Dezember 1986 geborenen Sohn, der zumindest zeitweilig über Einkommen (Halbwaisenrente) in Höhe von monatlich 104,01 EUR verfügte (Bl. 38 Akte AG Neukölln) und für den Kindergeld in Höhe von 154,- EUR monatlich gezahlt worden ist, zusammen in einem Haushalt.

Mit Schreiben vom 25.03.2004 erteilte die Beigeladene der Beklagten zu 1) die Ermächtigung zur Verrechnung gemäß § 52 SGB I i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I in Höhe von insgesamt 51.868,31 EUR. Dieser Gesamtforderung liegt der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2004 zugrunde, durch den die Beigeladene die für den Zeitraum vom 28. September 1998 bis zum 31. Oktober 2003 geleistete Arbeitslosenhilfe in Höhe von 41.848,07 EUR aufgehoben und die Erstattung verlangt hat, da die Klägerin wegen Vermögens in Höhe von etwa 90.000,00 EUR bei der türkischen Nationalbank nicht leistungsberechtigt gewesen sei. Zugleich forderte die Beigeladene mit derselben Begründung die Erstattung der geleisteten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 9.256,13 EUR und der Pflegeversicherungsbeiträge von 764,11 EUR. Der Bescheid der Beigeladenen vom 12. März 2004 ist bestandskräftig. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 teilte die Beigeladene mit, dass sich die Restforderung noch auf eine Höhe von 46.535,04 EUR (41.848.07 EUR Arbeitslosenhilfe, 4.686,97 EUR Krankenversicherungsbeiträge) belaufe.

Die Beklagte zu 1) hörte mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 die Klägerin zu einer beabsichtigten Verrechnung ihrer Altersrente mit der Forderung der Beigeladenen von insgesamt 46.535,04 EUR gemäß §§ 51 Abs. 2, 52 SGB I in Höhe von monatlich 358,05 EUR an. Bei der Berechnung des Verrechnungsbetrages sei die Höhe der Witwenrente mit berücksichtigt worden. Ein in der Verwaltungsakte befindlicher Bescheid vom 21. Januar 2005 ist ihr nicht bekannt gegeben worden.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2005 nahm die Beklagte zu 1) eine Neuberechnung der Altersrente der Klägerin ab dem 1. März 2005 vor. Die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert, weshalb die Rente neu zu berechnen gewesen sei. Die monatliche Rente betrage nunmehr brutto 593,27 EUR (netto: 537,20 EUR nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 45,98 Euro und 10,09 EUR). Es würden monatlich an die Beigeladene gezahlt 358,05 EUR. Somit verbleibe ein auszuzahlender Betrag von monatlich 179,15 EUR.

Mit Anhörungsschreiben vom 15. Februar 2005 teilte die Beklagte zu 1) mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 17. November 2004 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 nach § 45 SGB X hinsichtlich der Höhe zurückzunehmen und eine Erstattungsforderung von 105,60 EUR geltend zu machen. Sie erließ den Rentenbescheid vom 3. März 2005. Die Rentenhöhe betrug danach monatlich 554,38 EUR brutto (502,00 EUR netto); es würden monatlich an die Beigeladene gezahlt 358,05 EUR, so dass sich ab dem 1. April 2005 ein Zahlbetrag von 143,95 EUR ergebe. Wegen der Erstattung der festgestellten Überzahlung ergehe noch ein weiterer Bescheid. Auch der in der Verwaltungsakte befindliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.03.2005 wurde ihr nicht bekannt gegeben.

Durch Bescheid vom 5. April 2005 änderte die Beklagte zu 1) den bisherigen Bescheid über die Rentenhöhe ab Mai 2005 gemäß § 48 SGB X ab. Es sei zu prüfen gewesen, ob die bisherigen monatlichen Rentenbeiträge weiter zu zahlen seien. Im Mai verbleibe von der Rente von 554,38 EUR abzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung von 42,96 EUR und 9,42 EUR, einer Zahlung an die Beigeladene in Höhe von 217,25 EUR sowie einmaligen Einbehalts des zurückzufordernden Betrages in Höhe von 105,60 EUR ein Zahlbetrag von 179,15 EUR.

Durch weiteren Bescheid vom 12. April 2005 zog die Beklagte zu 1) für den Monat Juni 2005 einen Betrag von 322,05 EUR zugunsten der Agentur für Arbeit ab, so dass nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein Zahlbetrag von 179,15 EUR verblieb (554,38 EUR Rente brutto abzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 42,96 EUR und 9,42 EUR sowie des Einbehalts für die Beigeladene).

Mit Widerspruch vom 17. Mai 2005 gegen den Bescheid vom 5. April 2005 machte die Klägerin geltend, dass ihr durch die Abführung von 217,25 EUR an die Beigeladene lediglich ein Einkommen in Höhe von 179,15 EUR verbleibe. Mit diesem Betrag würde sie weit unter das Existenzminimum fallen und müsste wieder staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Sie gab Einkommen bis 30.06.2005 wie folgt an: eigenen Rente: 179,15 EUR, Witwenrente; 303,51 EUR, Kindergeld 154,00 EUR; Vermögen gab sie mit 49,14 EUR auf Konten an. Die Wohnungsmiete betrage 575,00 EUR. Sie habe Unterhalt für ihren Sohn als Naturalunterhalt zu leisten. Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 wurde durch die Beklagte zu 1) von der Klägerin eine Sozialhilfebedarfsberechnung angefordert.

Durch Bescheid vom 3. Juni 2005 teilte die Beklagte zu 1) mit, dass der Zahlbetrag der Rente von 554,38 EUR abzüglich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung von 42,96 EUR und 9,42 EUR sowie einer Zahlung an die Beigeladene in Höhe von 116,49 EUR ab dem 1. Juli 2005 nunmehr 383,01 EUR betrage.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 (Zugang 06. Juni 2006) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit dem Bescheid vom 5. April 2005 sei für Mai 2005 einmalig ein Einbehalt gemäß Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. März 2005 in Höhe von 105,60 EUR sowie eine Verrechnung mit der Forderung der Beigeladenen gemäß dem bindend gewordenen Bescheid vom 21. Januar 2005 in Höhe von 217,15 EUR vorgenommen worden, so dass nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein Zahlbetrag von 179,15 EUR zur Auszahlung gekommen sei. Die vorgenommene Verrechnung sei nach §§ 52, 51 SGB I rechtmäßig, insbesondere sei der Eintritt von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II durch die Verrechnung nicht nachgewiesen. Für April bis Juni 2005 hätten der Klägerin Einkünfte in Höhe von 1.007,15 EUR monatlich zur Verfügung gestanden (Altersrente in Höhe von 502,- EUR, Witwenrente in Höhe von 505,85 EUR), so dass nach Abzug eines Selbstbehalts von 685 EUR monatlich ein verrechenbarer Betrag von 322,15 EUR verblieben sei, der mit den Bescheiden vom 5. und 12. April 2005 verrechnet worden sei. Ab Juli 2005 habe sich das Einkommen auf 801,49 EUR monatlich reduziert (Altersrente in Höhe von 499,50 EUR zuzüglich Witwenrente in Höhe von 301,99 EUR), so dass nach Abzug des Selbstbehalts ein Betrag in Höhe von 116,49 EUR zur Verrechnung verbleibe, wozu auf den Bescheid vom 3. Juni 2005 verwiesen werde.

Mit ihrer Klage vom 6. Juli 2006 macht die Klägerin geltend, sie habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt, so dass die Verrechnung auch aus diesem Grunde nicht zulässig sei. Denn während des Insolvenzverfahrens seien Vollstreckungshandlungen unzulässig, § 89 InsO. Auch sei eine Verrechnung nach § 94 InsO mangels Gegenseitigkeit der Forderungen nicht zulässig. Den Entscheidungen des BSG vom 10.12.2003, B 5 RJ 18/03 R, und des BGH vom 29.05.2008, IX ZB 51/07, könne entnommen werden, dass der Umstand eines laufenden Verbraucherinsolvenzverfahrens im Sozialrecht Berücksichtigung finden müsse. Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit einer Verrechnung sei danach die Regelung des § 94 InsO, wonach eine Aufrechnungslage, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe, auch während dieses Verfahrens fortgesetzt werden dürfe. Jedoch wäre auch in diesem Falle die Aufrechnung nur in den durch die Insolvenzordnung vorgegebenen Grenzen des § 850c ZPO über das pfändungsfreie Einkommen zulässig; eine Kürzung der Rente unterhalb der Pfändungsfreigrenzen der ZPO sei unzulässig. Schließlich gelte für die Zulässigkeit der Aufrechnung eine Frist von 2 Jahren nach § 113 Abs 2 InsO ab Insolvenzeröffnung. Die Verrechnung sei danach nur bis zum 5. April 2007 und nur in den Grenzen des § 850c ZPO, die im Falle der Klägerin dauerhaft unterschritten seien, zulässig.

Auf wiederholte Aufforderung des Gerichts, den Verbleib des Vermögens bei der türkischen Nationalbank über ca. 90.000,- EUR, das zum Rücknahme- und Erstattungsbescheiden der Beigeladenen geführt hat, näher zur erläutern, hat die Klägerin zunächst lediglich angegeben, dass sie das Vermögen verbraucht habe. Auf Aufforderung des Gerichts, den Verbrauch detailliert darzulegen und mit Unterlagen zu belegen, hat die Klägerin vorgetragen, dass es hierauf nicht ankomme, da die Verrechnung schon aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig sei. Nähere Angaben zum Verbleib des Vermögens werde sie deswegen nicht machen. Auch werde sie keine näheren Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Prüfung, ob vorhandenes Einkommen dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II bzw SGB XII durch die Verrechnung entgegenstehe, machen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 6. September 2006 zum Aktenzeichen 36 IK 206/06 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2007 hat die Beklagte zu 1) die Rente der Klägerin ab dem 1. April 2007 neu berechnet und dabei einen Betrag von 111,16 EUR monatlich zur Zahlung an die Beigeladene ausgewiesen; mit Bescheid vom 8. Juni 2007 hat die Beklagte zu 1) die Rente der Klägerin ab dem 1. Juli 2007 neu berechnet und dabei einen Betrag von 115,43 EUR monatlich zur Zahlung an die Beigeladene ausgewiesen; mit Bescheid vom 20. Mai 2008 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) hat die Beklagte zu 1) die Rente der Klägerin ab dem 1. Juli 2008 neu berechnet und dabei einen Betrag von 122,01 EUR monatlich zur Zahlung an die Beigeladene ausgewiesen – dagegen hat die Klägerin Widerspruch mit Schreiben vom 27. Mai 2008 eingelegt; mit Bescheid vom 27. November 2008 hat die Beklagte zu 1) die Rente der Klägerin ab dem 1. Januar 2009 neu berechnet und dabei einen Betrag von 127,43 EUR monatlich zur Zahlung an die Beigeladene ausgewiesen; mit Bescheid vom 22. Mai 2009 hat die Beklagte zu 1) die Rente der Klägerin ab dem 1. Juli 2009 neu berechnet und dabei einen Betrag von 149,80 EUR monatlich zur Zahlung an die Beigeladene ausgewiesen.

Die Beklagte zu 2), die auf Grund der Rentenansprüche der Klägerin aus der Türkei zuständig ist, hat die Rente der Klägerin im laufenden Verfahren durch folgende Bescheide neu berechnet: Bescheid vom 10. Dezember 2009 ab dem 01.01.2010, vom 18. Juni 2010 ab dem 01.07.2010, Bescheid vom 20. Dezember 2010 ab dem 01.01.2011; dabei war stets ein Zahlbetrag für die Beigeladene von 149,80 EUR ausgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide in der Gerichtsakte Bezug genommen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 29. November 2010 hat die Beklagte die Bescheide vom 05.04.2005 und 12.04.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 insoweit aufgehoben, als damit für die Monate Mai und Juni 2005 eine Verrechnung über den Betrag von 277,31 EUR hinaus vorgenommen worden ist. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und die Klage auf Auszahlung der vollen Rente ohne Verrechnung im Übrigen weiter verfolgt.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2011 abgewiesen. Die Bescheide vom 21., 24. Januar und 2. März 2005 seien bestandkräftig geworden, so dass die Verrechnung bis einschließlich April 2005 nicht zulässiger Streitgegenstand in hiesigem Verfahren habe sein können. Dasselbe gelte für die veränderte Rentenhöhe infolge der Berücksichtigung der Zeit vom 28.09.1998 bis zum 31.10.2003 nur noch als Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug für die Rentenbezugszeit ab dem 01.01.2005 sowie die zugleich entschiedene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung über 105,60 EUR für den Rentenbezugszeitraum bis April 2005 durch den Bescheid vom 2. März 2005.

Umstritten sei, ob die Verrechnung durch Verwaltungsakt erfolgen müsse oder könne, oder ob sie durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung auszuüben sei. Die Kammer schließe sich nach eigener Prüfung der überzeugenden Auffassung des 13. BSG-Senats vom 05.02.2009 an.

Darüber hinaus liege vorliegend die Forderung der Beigeladenen in Höhe von insgesamt 46.535,04 EUR (41.848.07 EUR Arbeitslosenhilfe, 4.686,97 Krankenversicherungsbeiträge) EUR vor. Diese sei von der Beigeladenen gegenüber der Klägerin mit bestandskräftigen Bescheiden vom 12.03.2004 geltend gemacht worden. Durch die Schreiben der Beigeladenen vom 25.03.2004 und 26.01.2005 sei die Beklagte zu 1) auch wirksam und unter hinreichend bestimmter Bezeichnung der bestehenden Forderung der Beigeladenen zur Verrechnung ermächtigt worden. Unter Heranziehung des Ursprungsbescheides über die Verrechnung vom 21.01.2005 sei den streitgegenständlichen, hinsichtlich der erfolgten Verrechnungen hinreichend bestimmten Bescheiden zu entnehmen, aufgrund welcher konkret bezeichneten Forderung verrechnet werde. Einer Verrechnung stehe auch nicht entgegen, dass mit Beschluss vom 06.09.2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden sei. Denn das Insolvenzverfahren sei erst nach der Anmeldung des Verrechnungsersuchens der Beigeladenen bei der Beklagten zu 1) vom 25.03.2004 und nach dem Beginn der Verrechnung mit Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 06.09.2006 eröffnet worden. Die schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage führe dazu, dass eine Aufrechnung (Verrechnung) auch im Laufe des Insolvenzverfahrens weiterhin zulässig gewesen sei. Dazu verwies das Sozialgericht auf das BSG-Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 18/03 R, wonach der pfändbare Anteil des Rentenauszahlungsanspruchs des Versicherten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nach §§ 35, 36 Abs 1 InsO der Insolvenzmasse zuzurechnen sei, die Verrechnung aber nach §§ 113, 114 InsO weiterhin zulässig sei. Auch § 94 InsO stehe der Verrechnung nicht von vorneherein entgegen. Eine Verrechnung sei auch im laufenden Insolvenzverfahren – und auch außerhalb der Frist der §§ 113, 114 InsO – zulässig, soweit diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen stattfinde. Denn die Vorschriften der §§ 113, 114 InsO beträfen nur den pfändbaren Teil der Altersrente, da nur pfändbare Forderungen des Schuldners Vermögensbestandteil der Insolvenzmasse seien. Sämtliche von der Beklagten zu 1) vorgenommenen Verrechnungen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten nur den nicht pfändbaren Anteil des Einkommens der Klägerin betroffen, der mithin von diesen Vorschriften der Insolvenzordnung schon nicht erfasst wurde. Ein über den Betrag der maßgeblichen Pfändungsfreigrenze hinausgehendes Einkommen der Klägerin sei mangels konkreter Angaben der Klägerin danach für die Kammer nicht feststellbar. Im Klageverfahren habe die Klägerin, ohne nähere Angaben zu ihren persönlichen und ihren Einkommensverhältnissen zu machen, vorgetragen, dass ihr Einkommen unterhalt der Pfändungsfreigrenzen der ZPO liege.

Auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 SGB I, dass gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte aufgerechnet würden und durch die Verrechnung keine Hilfebedürftigkeit nach dem Zwölften oder dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs eintreten dürfe, lägen nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten zu 1) vom 29.11.2009 vor.

Hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe eine Verrechnung vorliegend zulässig gewesen sei, gehe das Gericht zudem davon aus, dass die Frage, wann eine Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 51 Abs. 2 2. HS SGB I eintrete, der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Denn der Formulierung des § 51 Abs. 2 2. HS SGB I könne nicht entnommen werden, dass die Berechnung der Hilfebedürftigkeit allein durch den SGB II bzw XII-Träger zu erfolgen habe und nur mittels einer Bescheinigung dieses Trägers nachgewiesen werden könne. Der Eintritt einer Hilfebedürftigkeit sei schon aufgrund der ungeklärten Vermögenslage der Klägerin nicht zu erkennen. Die Klägerin habe trotz wiederholter Aufforderungen nicht detailliert und unter Vorlage aussagekräftiger Unterlagen den Verbleib ihres im Zeitraum bis 2003 noch vorhandenen erheblichen Vermögens dargelegt. Schon davon, dass die Klägerin nur noch über Vermögen im Sine des § 90 Abs 2 SGB XII bzw. im Sinne des § 12 Abs 2 SGB II verfüge, vermöge sich das Gericht insofern nicht zu überzeugen. Auch sei eine weitere Aufklärung im Rahmen der Amtsermittlung ohne die entsprechenden Angaben der Klägerin nicht möglich. Angesichts der Höhe des Vermögens noch im Jahre 2003 (über 90.000 EUR) sei die pauschale Behauptung der Klägerin ohne weitere Konkretisierung und Vorlage aussagekräftiger Unterlagen über den tatsächlichen Verbrauch nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend. Einen Ermessensfehler könne die Kammer nicht zu erkennen. Die Überprüfung des Ermessens sei auf die Prüfung beschränkt, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten seien. Insbesondere dürfe das Gericht bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es erfolge keine Kontrolle der Zweckmäßigkeit der Entscheidung, sondern nur deren Rechtsmäßigkeit. Die streitgegenständlichen Verrechnungsbescheide enthielten unter Berücksichtigung des Ursprungsbescheides über die Verrechnung vom 21. Januar 2005 eine ausreichende Abwägung der maßgeblichen Interessen der Klägerin auf der einen Seite sowie der Versichertengemeinschaft auf der anderen Seite.

Mit der am 25. Februar 2011 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Insbesondere sei eine Aufrechnung nur innerhalb der durch die Insolvenzordnung vorgegebenen Grenzen zulässig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2011aufzuheben und die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 5. April 2005, 12. April 2005 sowie 3. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 und die Bescheide vom 20. Februar 2007, 8. Juni 2007, 20. Mai 2008, 27. November 2008, 22. Mai 2009, 10. Dezember 2009, 18. Juni 2010, 20. Dezember 2010, 8. Juni 2011, 13. September 2012, 11. Dezember 2012 und 13. Juni 2013 insoweit aufzuheben, als in allen genannten Bescheiden Einbehalte vorgenommen wurden.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge beider Beklagten, der Beigeladenen und eine Kopie der Akte zum Insolvenzverfahren der Klägerin am Amtsgericht Berlin-Neukölln, vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, die Protokolle und die Inhalte der vorliegenden Akten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Verfügungen über die Aufrechnung und sämtliche Verrechnungen sowie die jeweiligen Feststellungen der diese Einbehalte einberechnenden Auszahlungsbeträge in den angefochtenen Bescheiden beider Beklagten sind rechtswidrig, insbesondere weil der Anspruch der Klägerin auf pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB I bei Eingriff in die sozialen Richte der Klägerin durch jeden dieser Bescheide verletzt wurde. Daraus resultiert ein Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Bescheide in deren belastendem Umfange.

Richtige Klageart ist die hier erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Gegenstand des Rechtstreites sind belastende Verwaltungsakte mit dem Inhalt einer Aufrechnung und einander anschließender Verrechnungen. Mit der durch die Klage anzustrebende Aufhebung dieser streitgegenständlichen Verrechnungsverwaltungsakte und der Aufrechnung stünde fest, dass die auf- und verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an die Klägerin auszuzahlen wären (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R, RdNr 30).

Der Bescheid vom 5. April 2005 beinhaltete Verwaltungsakte über die Aufhebung der Verrechnung im bestandskräftigen Bescheid vom 3. März 2005, eine Verrechnung mit dem Betrag von 217,25 EUR, eine Aufrechnung mit dem Betrag von 105,60 EUR sowie über die Höhe des ab Mai 2005 laufenden Auszahlungsbetrages. Inwieweit der zeitliche Regelungsumfang des Bescheides nur auf Mai 2005 beschränkt war, ist für die Frage der Zulässigkeit unerheblich, zumal insofern der Bescheid vom 12. April 2005 den Bescheid vom 5. April 2005 für die Zeit ab Juni 2005 änderte. Die Folgebescheide enthielten Verwaltungsakte über Verrechnungen und wurden in direkter Anwendung von §§ 86, 96 SGG kraft Gesetzes Verfahrensgegenstand, denn es wurden jeweils frühere Verwaltungsakte geändert.

Nach § 31 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Im Geltungsbereich des SGB ist Verwaltungsakt daher jede sozialrechtliche Einzelfallregelung mit Außenwirkung, die sich im Verfügungssatz der entsprechenden Behördenerklärung zusammenfasst. Maßstab für die Auslegung einer Behördenäußerung, zur Klärung der Frage, ob sie einen Verfügungssatz im Sinne einer sozialrechtlichen Einzelfallregelung mit Außenwirkung enthält, ist der Empfängerhorizont (jeweils mwN: Mutschler in Kasseler Kommentar, 78. EL, 2013, § 31 SGB X, RdNr 21; Heße, Beck-Online-Kommentar, § 31 SGB X, Stand 01.09.2013, RdNr 18; Engelmann in von Wulffen: SGB X, 7. Aufl, § 31 SGB X, RdNr 26). Für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will, insbesondere ob und welche Regelung sie trifft. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Ermittlung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R). Zudem kann auf ihm beigefügte Unterlagen zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 06.02.2007, B 8 KN 3/06 R, RdNr 38 mwN).

Durch den Bescheid vom 5. April 2005 hat die Beklagte zu 1) den Rentenzahlbetrag und die damit verbundenen Regelungen, so auch die Auf- und Verrechnung, verfügt. Sie hat dazu unter Bezugnahme auf § 48 SGB X den Bescheid vom 3. März 2005 als letzten bisher die Rentenhöhe regelnden Bescheid, ohne diesen allerdings ausdrücklich zu erwähnen, aufgehoben. Dass die Beklagte zu 1) eine Aufhebungsentscheidung getroffen hat, ergibt sich aus dem Wortlaut des Bescheides und dem Verweis auf § 48 SGB X. Die Aufhebung betrifft allerdings nur die Verrechnungsentscheidung des Bescheides vom 3. März 2005, denn der Nettorentenbetrag von 502,00 EUR (wie auch die Bruttorentenhöhe und die Werte der Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung) wurde nicht abweichend geregelt, so dass insofern ein Regelungswille nicht erkennbar wird. Die Entscheidung über die Aufhebungsverfügung wurde von der Klägerin nicht angefochten, so dass diese nicht Streitgegenstand geworden ist. Dies gilt auch für die Festlegung des Auszahlungsbetrages, soweit dieser höher als im Bescheid vom 3. März 2005 war, die Klägerin also begünstigt hat.

Für den Geltungszeitraum des Bescheides vom 5. April 2005 hat die Beklagte zu 1) neben der Festsetzung der Höhe des Rentenauszahlungsbetrages und der Aufhebung der früher erklärten Verrechnung zwei Regelungen und damit Verwaltungsakte vorgenommen, die der Anfechtung mittels Klage zugänglich sind. Dies ist zum einen der Einbehalt von 217,25 EUR zugunsten der Beigeladenen, die einen Verrechnungsverwaltungsakt gemäß § 52 SGB I beinhalten soll. Zum zweiten enthält der Bescheid einen Aufrechnungsverwaltungsakt über den Betrag von 105,60 EUR.

In beiden Fällen handelt es sich um sozialrechtliche Einzelfallregelungen mit Außenwirkung (gegenüber der Klägerin) und nicht um bloße Mitteilungen oder öffentlich-rechtliche einseitige Willenserklärungen, die neben die eigentlichen Verfügungen des Bescheides treten würden. Während die Höhe der Nettorente im Bescheid konstant blieb gegenüber dem früheren Bescheid von März 2005, änderte die Beklagte zu 1) die Höhe des Einbehalts zugunsten der Beigeladenen und führte zusätzlich die Aufrechnung durch. Insofern erweisen sich gerade diese Gestaltungserklärungen der Beklagten zu 1) als Einzelfallregelungen, die über bloße Mitteilungen hinausgingen.

Dass die Beklagte zu 1) lediglich eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung ohne Qualität eines Verwaltungsaktes abgeben wollte, lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Solches hat sie weder ausdrücklich formuliert. Noch ergibt eine Auslegung einen derartigen Erklärungsgehalt. Zwar teilt die Beklagte zu 1) ebenfalls nicht ausdrücklich mit, dass es sich bei der Aufrechnung und Verrechnung um einen Verwaltungsakt handeln solle. Aber sie gestaltete das gesamte Schreiben als Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung aus, wählte also auch die äußere Form eines oder mehrerer Verwaltungsakte. Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist im Zweifel bei der Auslegung von Erklärungen im Rechtsverkehr anzunehmen, dass eine rechtmäßige Erklärung gemeint war (z.B. Heinrichs in Palandt: BGB, 64. Aufl., § 133 BGB, RdNr 24; BSG, Urteil vom 20.12.2001, B 4 RA 6/01 R, RdNr 43). Für die Verrechnung nach § 52 SGB I ist inzwischen höchstrichterlich geklärt, dass sie gegenüber dem Berechtigten einer Sozialleistung – sofern ein verwaltungsrechtlicher Vertrag nicht abgeschlossen wurde – durch Verwaltungsakt vorgenommen werden darf (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 31.08.2011, GS 2/10). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat. Unter diesen Umständen ist hier davon auszugehen, dass hinsichtlich des Einbehalts zugunsten der Beigeladenen die richtige Handlungsform des Verwaltungsaktes gewählt wurde, so dass insofern die Anfechtungsklage statthaft ist. Die Auslegung ergibt hier, dass die Beklagte zu 1) eine Verrechnungserklärung im Sinne des § 52 SGB I abgeben wollte, weil sie zwei Forderungen dergleichen Art (Geldforderungen), die der Klägerin ihr gegenüber und andererseits der Beigeladenen gegenüber der Klägerin zustanden, zum Erlöschen bringen wollte. Dies sind die grundlegenden Merkmale einer Aufrechnung nach § 52 SGB I. Auch die im Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 2004 angekündigte Verrechnung zugunsten der Beigeladenen spricht hier dafür, dass die Erklärung diesen Charakter haben sollte.

Die Erklärung zum Einbehalt der 105,60 EUR erweist sich ebenfalls als Verwaltungsakt. Die Auslegung ergibt zunächst, dass die Beklagte hier eine Aufrechnungserklärung abgeben wollte, weil sie einerseits den Begriff verwendet und andererseits auch zwei Forderungen dergleichen Art (Geldforderungen), die wechselseitig der Beklagten und der Klägerin zustanden, zum Erlöschen bringen wollte. Dies sind die typischen Merkmale einer Aufrechnung (§§ 51 SGB I, 387 BGB).

Auch bei der Aufrechnung nach § 51 SGB I, die von der Sozialbehörde gegenüber dem Sozialleistungsempfänger einseitig geäußert (also nicht durch verwaltungsrechtlichen Vertrag vereinbart) wird, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um einen Verwaltungsakt. Dabei folgt der Senat den Argumenten des Großen Senats des BSG zur Verrechnung (BSG, Beschluss vom 31.08.2011, GS 2/10), weil beide Gestaltungsrechte vom Gesetzgeber in einem engen Zusammenhang geregelt wurden. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass es sich um unmittelbar aufeinander folgende Vorschriften handelt, sondern auch daran, dass die Verrechnung sofern nicht die Abweichung vom Merkmal der Gegenseitigkeit betroffen ist, vollumfänglich die Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 51 SGB I teilt.

Zudem hat sich der Große Senat des BSG in weiten Teilen seiner Argumentation gerade auf die Merkmale der Aufrechnung gestützt (RdNr 15 bis 17). Geht man von einem Verständnis zur Durchführung der Aufrechnung durch einseitige Willenserklärung aus, so erfüllt diese alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt schon darin, dass die im Bescheid enthaltene (konkretisierte) Aufrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, indem sie diesen, soweit die Aufrechnungserklärung reicht, erlöschen lässt (BSG, Beschluss vom 31.08.2011, GS 2/10, RdNr 15 zur Verrechnung). Dass sich dies bereits aus dem Gesetz (§ 389 BGB) ergibt, ändert hieran nichts; die Rechtsfolge tritt jedenfalls ohne weiteren Umsetzungsakt ein (BSG ebd mwN), jedoch keinesfalls ohne die vom Gesetz zwingend verlangte Erklärung. Die herrschende Meinung sieht deshalb die Aufrechnungserklärung als Gestaltungserklärung an (Stürner in Jauernig, BGB, 14. Auflage 2011, § 388 BGB, RdNr 1; Schlüter in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 388 BGB, RdNr 1 mwN). Dass der Gesetzgeber bei der Normierung des Rechtsinstituts der Aufrechnung die zwingenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen vorgibt, nimmt der rechtsgestaltenden Wirkung der Erklärung nichts. Das Tatbestandsmerkmal „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ ist erfüllt, weil § 51 SGB I eine spezifische Gestaltung von Beziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht (BSG, Beschluss vom 31.08.2011, GS 2/10, RdNr 15 zur Verrechnung) und daher eine sozialrechtliche Gestaltung ist. Die Erklärung einer Aufrechnung nach § 51 SGB I durch die Behörde enthält schließlich eine Regelung, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht (BSG ebd mwN).

Überdies ist insbesondere der spezifisch sozialrechtliche Umstand zu berücksichtigen, dass die Sozialleistungsträger in den Fällen des Absatzes 2 der Vorschrift zu Aufrechnungen selbst dann befugt sind, wenn durch die Aufrechnung die Auszahlbeträge der Leistungen unter die Pfändungsfreigrenzen sinken oder die Aufrechnungsbeträge gar nur aus dem pfändungsfreien Bereich der Leistung gezogen werden. Insofern ist der Sozialverwaltung Ermessen (dazu unten) gerade auch in Wahrnehmung ihrer besonderen Fürsorgepflicht im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses angesichts eines weitergehenden Eingriffs eingeräumt und auferlegt, als er den Beteiligten des zivilrechtlichen Rechtsverkehrs ermöglicht ist. Diese besondere Eingriffssituation lässt es sachgerecht, ja sogar zwingend erscheinen, die Ermessensentscheidung über die Aufrechnung auch an die für Verwaltungsakte geltenden Voraussetzungen von Eingriffsverfügungen, insbesondere Anhörungs- und grundsätzlich auch die Begründungspflicht, zu binden.

Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes keiner über § 51 SGB I hinausgehenden Ermächtigung. Für die Aufrechnung (BSG ebd RdNr 16 mwN) hat das BSG lange Zeit mehr oder minder selbstverständlich angenommen, dass die Handlungsform des Verwaltungsakts gewählt werden darf. Es hat dabei eine unmittelbare Anwendung der §§ 387 ff BGB, die eine Durchführung der Aufrechnung oder der Verrechnung durch (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung nahelegen könnten, abgelehnt und stattdessen formuliert, die Vorschriften bzw Grundsätze des BGB seien (nur) entsprechend anwendbar (BSG ebd RdNr 16 mwN). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung eines SGB I (BT-Drucks 7/868, S 22) ist von demselben Verständnis getragen (BSG ebd RdNr 17). Darin wird hervorgehoben, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des SGB I gingen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des Bürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden seien, auch in das Sozialrecht (nur) ausstrahlten.

Der Große Senat des BSG hat weiter zutreffend auf die Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X verwiesen (RdNr 18): „dort ist ein Verzicht auf die Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes vorgesehen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird mithin stillschweigend vorausgesetzt. Dem widerspricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 42a Abs 2, § 43 Abs 4 SGB II mit Wirkung ab 01.04.2011 expressis verbis den Erlass eines (schriftlichen) Verwaltungsakts für die Aufrechnung vorgeschrieben hat.“

Dem Rechtsschutzbegehren ist mit der isolierten Anfechtungsklage ausreichend gedient (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R, RdNr 30). Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BSG, wonach mit der Aufhebung der streitgegenständlichen Verrechnungsverwaltungsakte feststeht, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Rentenempfänger auszuzahlen sind (BSG ebd). Durch die Aufhebung der Auf- bzw Verrechnungsverfügung lebt bei Auf- bzw Verrechnungen laufender Sozialleistungen nicht ein früherer ggf. bestandskräftiger Auf- oder Verrechnungsverwaltungsakt wieder auf, weil dieser mit der zugleich mit der Neuregelung der Auf- oder Verrechnung ergehenden Aufhebungsentscheidung erledigt wird, wobei diese Aufhebungsentscheidung – mangels Beschwer des Adressaten – nicht angefochten wird und auch nicht angefochten werden kann. Dies entspricht dem Charakter der Auf-/Verrechnung als sozialrechtliche Ermessensentscheidung, die bei jeder Neuregelung des Umfangs der Beträge eine erneute Ermessensbetätigung erfordert (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 85/09 R, RdNr 66f), die den gesamten Umfang der Ermessensentscheidung betreffen muss, wie auch die gerichtliche Kontrolle der Neuregelung der Auf-/Verrechnung die Ermessensausübung auf Ermessensfehler hin vollständig umfassen muss.

Die klageweise durchsetzbare Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Aufrechnung oder Verrechnung bringt damit automatisch die im Bewilligungsbescheid verfügte Leistung ohne die den jeweiligen Auszahlungsbetrag mindernden bzw das Erlöschen von Leistungsteilen bewirkenden Verfügungen voll zur Geltung. Mit der Aufhebung der Auf- bzw Verrechnung ist unmittelbar die rechnerische Korrektur der jeweiligen Verfügung über den Auszahlbetrag der Leistung verbunden, soweit er Streitgegenstand ist. Weil nur der belastende Teil der Bescheide angefochten wird, ist die Klägerin klagebefugt (§ 54 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGG). Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine die Anfechtung ergänzende Leistungsklage aus der bewilligenden und insofern – weil nicht angefochtenen – bindenden Verfügung besteht nur dann, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Behörde auf ihre Zahlungsverpflichtung nicht leisten würde.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 12. April 2005 sowie 3. Juni 2005, 20. Februar 2007, 8. Juni 2007, 20. Mai 2008, 27. November 2008 sowie 22. Mai 2009 und die von der Beklagten zu 2) erteilten Bescheide vom 10. Dezember 2009, 18. Juni 2010 sowie 20. Dezember 2010 in Anwendung der §§ 86, 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Kraft Klage sind im Berufungsverfahren ebenfalls die Bescheide der Beklagten zu 2) vom 8. Juni 2011, 13. September 2012, 11. Dezember 2012 und 13. Juni 2013 gemäß § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden. § 96 Abs 1 SGG schreibt in seiner seit 1. April 2008 geltenden Fassung vor: „Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.“ Eine Änderung von Verwaltungsakten liegt dann vor, wenn eine unbefristete Regelung vorgenommen worden war, deren Wirksamkeit im Zuge einer Neuregelung auf den Tag vor Inkrafttreten der neuen Regelung begrenzt und mit der neuen Regelung die zeitlich vorhergehende Verfügung für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Regelung aufgehoben wird. Eine solche Vorgehensweise führt zur Änderung des angefochtenen vorhergehenden Verwaltungsakts im Sinne von § 96 Abs 1 SGG und damit zur Einbeziehung in das bereits anhängige Klageverfahren zur begehrten Aufhebung der jeweils vorhergehenden Regelung (BSG, Urteil vom 22.11.2012, B 3 KR 19/11 R, RdNr 22 für Festbetragsfestsetzungen).

Die Bescheide, die nach dem Bescheid vom 5. April 2005 erteilt wurden, haben den mit Widerspruch und Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 5. April 2005 bzw die jeweils vorhergehenden Bescheide hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung begrenzt und hinsichtlich ihres inhaltlichen Regelungsgehaltes mit Wirkung für den neuen Geltungszeitraum ersetzt. § 96 SGG ist damit hinsichtlich seiner Tatbestandsvoraussetzungen unmittelbar erfüllt. Anders als im Urteil des BSG vom 7. Februar 2012 (B 13 R 85/09 R, RdNr 33) waren in den Bescheiden des vorliegenden Falls nicht jeweils andere Verrechnungszeiträume verfügt, denn die Verrechnungsentscheidungen waren stets für die Zukunft offen geregelt worden. Mit Erlass des jeweils neuen Verrechnungsbescheides wurde der vorherige Bescheid jeweils aufgehoben und nicht durch Zeitablauf oder auf sonstige Weise erledigt. Damit wurde jeweils der zeitliche Geltungsbereich der vorherigen Bescheide begrenzt, ihr Regelungsgegenstand aber auch inhaltlich durch die Neuregelung geändert. Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungsfolgebescheiden vom 12. April 2005 und den späteren Bescheiden der beiden Beklagten jeweils erfüllt. Auch bei diesen Folgebescheiden war der Ausweis des Einbehalts zugunsten der Bundesagentur nicht lediglich Mitteilung, sondern Regelung, weil sich die Beträge jedes Mal änderten, sie änderten die jeweils vorherigen Verrechnungsbescheide durch deren Aufhebung und die Regelung eines neuen Verrechnungsbetrages. Sofern (ausschließlich) in den Bescheiden vom 10. Dezember 2009, 18. Juni 2010 und vom 20. Dezember 2010 der Verrechnungsbetrag jeweils konstant blieb, kann offen bleiben, ob jeweils neue Verfügungen auf Grund einer Erledigung (auf sonstige Weise) der früheren Entscheidung durch die Rentenneufestsetzung – eben nur mit demselben Betrag - geregelt waren, so dass das bereits Gesagte zu gelten hätte, oder ob insofern lediglich wiederholende Verfügungen vorlagen, die dann das Schicksal der ersten Verrechnung mit nämlichem Verrechnungsbetrag teilen müssten. Die Anfechtungsklage gegen die in diesen Bescheiden geregelten Einbehalte ist daher ebenfalls zulässig.

Die Verfügungen der Beklagten über die Aufrechnung vom 5. April 2005 in Höhe von 105,60 EUR und die Verrechnungen zugunsten der Bundesagentur in den Bescheiden der Beklagten vom 5. April 2005, 12. April 2005 sowie 3. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 und die Bescheide vom 20. Februar 2007 und 8. Juni 2007, 20. Mai 2008, 27. November 2008, 22. Mai 2009, 10. Dezember 2009, 18. Juni 2010, 20. Dezember 2010, 8. Juni 2011, 13. September 2012, 11. Dezember 2012 und 13. Juni 2013 sind, soweit durch sie Einbehalte vorgenommen wurden, aufzuheben (vgl. § 42 Satz 1 SGB X), weil die Voraussetzungen nach §§ 51, 52 SGB I nicht erfüllt sind.

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagten - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also der Klägerin - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen – wie hier – kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1. Januar 2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

Die Bescheide waren zwar nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Aufrechnung und die Verrechnungen nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die auf-/Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dies wurde bereits ausgeführt). Es bestand jeweils auch eine Auf- bzw Verrechnungslage. Durch die Aufrechnung und die Verrechnungen wurde die Klägerin nicht hilfebedürftig. Jedoch hat die Beklagte rechtswidrig die monatlichen Rentenansprüche ohne Ermessensausübung durch Auf-/Verrechnung gekürzt. Diese Eingriffe in das soziale Recht der Klägerin wurden in den schriftlichen Bescheiden nicht begründet. Die Beklagte hatte insoweit auch nicht jeweils angehört. Die Ermessens- und Verfahrensfehler begründen die Ansprüche der Klägerin auf Aufhebung der bezeichneten Verwaltungsakte (vgl. § 42 Satz 1 und 2 SGB X).

Vorliegend bestand dem Grunde nach mit Beginn des Rentenanspruchs, konkret mit der Feststellung der jeweiligen monatlichen Nettorentenzahlungsansprüche objektiv eine Auf- bzw Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB). Eine solche ist gegeben, wenn der zur Auf- bzw Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Auf- bzw Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann (BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 55). Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen die Klägerin), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch der Klägerin aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 55 mwN).

Diese Voraussetzungen lagen hier für jeden der fraglichen Bescheide vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 25. März 2004 erfassten und gegen die Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von insgesamt 51.868,31 EUR waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche der Klägerin aus den insoweit jeweils bindenden Rentenbescheiden waren jeweils spätestens mir der jeweiligen Bestimmung der Nettorentenbeträge in den jeweiligen Rentenbescheiden wirksam entstanden und erfüllbar. Dies gilt auch für die Aufrechnung von 105,60 EUR. Dieser lag in bezeichneter Höhe eine Erstattungsforderung der Beklagten zugrunde, die durch den Rentenbescheid vom 3. März 2005 mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs bestandskräftig wurde. Insofern kommt es nicht darauf an, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. März 2005, wie er sich in den Akten der Beklagten zu 1) findet nach deren eigenen Vortrag (vom 22.10.2010 und dem Hinweis auf Seite 2 des Bescheides vom 03.03.2005 ganz unten, dass wegen der Erstattungsforderung ein weiterer Bescheid ergehen werde) nicht bekannt gegeben wurde. Denn der unangefochtene Bescheid vom 3. März 2005 regelt auf Seite 1 unmissverständlich, dass die Überzahlung von 105,60 EUR zu erstatten sei. Auch wenn diese Forderung nicht begründet wurde, war die entsprechende Verfügung nicht im Sinne von § 40 SGB X nichtig. Auch diese Forderung war bei Erlass des Bescheides vom 5. April 2005 bestandskräftig festgestellt und fällig.

Die Auf-/Verrechnungen erfolgten – selbst nach Vortrag der Klägerin – ausschließlich im unpfändbaren Bereich. Dies war jeweils zulässig, weil es sich jeweils um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen im Sinne von § 51 Abs 2 SGB I handelte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Leistungen tatsächlich zu Unrecht erbracht worden sind und die Aufhebungsbescheide inhaltlich und verfahrensrechtlich rechtmäßig waren. Insofern sind die Beteiligten und das Gericht an die Tatbestandswirkung der bindenden, nicht nichtigen Bescheide gebunden.

Durch die Auf- und Verrechnungen wurde die Klägerin nicht hilfebedürftig im Sinne des Grundsicherungsrechts nach dem SGB II und SGB XII. Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit hat durch die Sozialleistungsträger in eigener Verantwortung zu erfolgen. Inwieweit sie sich dabei der Unterstützung der Grundsicherungsbehörden bedienen, fällt in ihr Ermessen bei der Ausfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht nach §§ 20 ff SGB X. Angesichts der Unklarheit über den Verbleib ihres beachtlichen Vermögens, das zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der beigeladenen Bundesagentur führte, und der ausdrücklich vor dem Sozialgericht und auch im folgenden Verfahren erfolgten Verweigerung der notwendigen Mitwirkung zur Aufklärung der tatsächlichen Umstände einer Hilfebedürftigkeit kann sich der Senat eine Überzeugung von der Hilfebedürftigkeit nicht bilden. Weitere Ermittlungen waren insofern angesichts fehlender Mitwirkung und wegen der Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht der Klägerin nicht veranlasst. Die Beweislosigkeit geht angesichts der Regelungsstruktur des § 51 Abs 2 SGB I zu Lasten der Klägerin.

Der Senat kann offen lassen, ob die Aufrechnung und die Verrechnungen den Grenzen des Insolvenzrechtes unterlagen und deshalb nicht im verfügten Umfang zulässig waren, wie es die Klägerin meint. Gegen diese Ansicht sprechen die Ausführungen des BSG auch im zitierten Urteil vom 7. Februar 2012 (B 13 R 85/09 R). Diese Frage bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung, denn die Beklagten haben bei sämtlichen streitgegenständlichen Bescheiden nicht das ihnen gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen zweckentsprechend ausgeübt (§ 39 Abs 1 SGB I). Damit haben sie jeweils den Anspruch der Klägerin auf pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB I verletzt. Denn es fehlen bei jedem Bescheid Ausführungen, die eine Ermessensbetätigung für die Aufrechnung und die Verrechnungen erkennen lassen. Sollte tatsächlich eine Ermessensbetätigung jeweils stattgefunden haben, wofür sich für die hier streitgegenständlichen Bescheide auch keinerlei Anhaltspunkte aus den Verwaltungsvorgängen entnehmen lassen, wären die jeweils schriftlich ergangenen Verwaltungsakte über die Aufrechnung und die Verrechnungen ohne die erforderliche Begründung zu den relevanten Ermessenserwägungen (§ 35 Abs 1 Satz 3 SGB X) erteilt worden. Aus diesem Verfahrensfehler folgt ein Anspruch auf Aufhebung des jeweiligen Bescheides, soweit darin Einbehalte vorgenommen wurden.

Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht ebenso wie die Aufrechnung im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem „Kann“ in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sogenanntes „Ermessens-Kann“ (BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 65 mwN; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: „Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen …“).

Mit der Einräumung „echten Ermessens“ steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Auf- und Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können (BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 66). Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG). Nach § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung, welche nach Satz 1 bei schriftlichen Verwaltungsakten verpflichtend ist, von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 Satz 1 SGB X).

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für sämtliche hier streitgegenständliche Verwaltungsakte nicht erfüllt. Die Beklagten durften in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten. Sie haben eine pflichtgemäße und zweckentsprechende Ermessensbetätigung auch nicht im Widerspruchsbescheid oder im späteren Verfahren nachgeholt.

In sämtlichen steitgegenständlichen Bescheiden sind keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen und der Aufrechnung enthalten. Die Ausführungen in den Bescheiden geben keinen Hinweis darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen und bei der Aufrechnung um Ermessensentscheidungen handelte. Während sich noch in dem, allerdings nicht zugegangenen (siehe Schreiben der Beklagten vom 22.10.2010 und die Aussage der Klägerin im Protokoll des Erörterungstermins vom 09.02.2012), in der Verwaltungsakte befindlichen Bescheid vom 21. Januar 2005 ein – wenn auch nicht ausreichender – Satz zu einer Ermessensausübung findet, lassen sich noch nicht einmal derartige textbausteinmäßige Formulierungen, die auf eine Ermessensausübung oder entsprechende Interessenabwägungen hindeuten könnten, herauslesen. Auch in den Verwaltungsvorgängen lassen sich Hinweise auf eine Ermessensbetätigung und Abwägungsüberlegungen nicht feststellen.

Sowohl in dem Fall, dass die Beklagte bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsakte überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat als auch in dem Fall, dass sie ein betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet i.S. des § 35 Abs 1 S 3 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 71 mwN). Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2012 – B 13 R 85/09 R, RdNr 72); die Beklagten haben zu keinem Zeitpunkt der Klägerin irgendwelche Ermessensgedanken, geschweige denn hinreichend konkrete Interessenabwägungen offenbart, so dass insbesondere § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X nicht greift. Darauf konnte auch angesichts der Genese der Erstattungsforderung der Bundesagentur nicht verzichtet werden, denn die Ermessensentscheidung hätte die konkrete persönliche, insbesondere familiäre Situation der Klägerin berücksichtigen müssen (§ 33 Satz 1 SGB I), wozu Unterhaltspflichten gegenüber dem Sohn der Klägerin gehörten. Für die Zeiträume vor Juli 2005 ist die Beklagte zu 1) offensichtlich von einer zu hohen Witwenrente ausgegangen. Welche Auswirkungen die zwar bestandskräftige, aber rechtswidrige Herabsetzung der Altersrente durch den Bescheid vom 3. März 2005 auf die Aufrechnungs- und laufende Verrechnungsentscheidung haben soll, wird nicht nachvollziehbar. Insofern lässt sich nicht ohne weiteres annehmen, dass die Verfügungen über Auf- und Verrechnung offensichtlich rechtmäßig und auch angesichts der Genese der Forderungen der Beigeladenen ohne weitere Ermessensausübung mit den jeweils geregelten Beträgen zulässig gewesen wären.

Ob der Bescheid vom 5. April 2005 entgegen § 33 Abs 1 SGB X zu unbestimmt war, kann der Senat offenlassen. Bedenken ergeben sich insofern hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereichs der Verfügungen. Zwar schreibt die Beklagte zu 1) auf Seite 1 des Bescheides, dass die Altersrente der Klägerin „ab 01.05.2005“ neu berechnet werde und dass „ab 01.05.2005 monatlich laufend 179,15 EUR“ gezahlt würden und dass die Rente für den „jeweiligen“ Monat am Monatsende ausgezahlt werde, was für einen zum Ende hin zeitlich offenen Geltungszeitraum sprechen könnte. Auf Seite 2 verweist die Beklagte jedoch auf den einmaligen Einbehalt von 105,60 EUR und weiter: „Somit verbleibt für diesen Monat ein auszuzahlender Betrag von 179,15 EUR.“ Weiter unten weist die Beklagte zu 1) darauf hin, dass nach dem Monat der Aufrechnung des überzahlten Betrages die Rente in der monatlich zustehenden Höhe gezahlt werde. Welche Höhe das sein soll, wird in dem Bescheid nicht erwähnt, also auch nicht geregelt. Der auf Seite 1 verfügte Zahlbetrag entspricht genau dem für den Monat der Aufrechnung errechneten. Welche Regelung für die Folgemonate gelten soll, wird nicht deutlich, erschließt sich auch nicht aus anderen Bescheiden oder Anlagen und kann daher schwerlich Regelungsgehalt des Bescheides sein. Ob damit Regelungen über den Monat Mai hinaus (also „ab 01.05.2005 laufend“) oder nur für den Monat der Aufrechnung getroffen worden sein sollen, erscheint unklar. Dies muss aber im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen seines Ermessensausfalls und der Aufhebung durch den Folgebescheid vom 12. April 2005 für die Zeiträume ab Juni 2005, nicht abschließend geklärt werden.

Die Klage ist auch wegen fehlender Anhörung begründet.

Die Beklagte hat vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen über die Aufrechnung und die Verrechnungen die Klägerin jeweils nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X). Auch das Anhörungsschreiben vom 15. Februar 2005 enthielt hinsichtlich der Aufrechnung keine Anhörung. Dies könnte allenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens für den Bescheid vom 5. April 2005, nicht jedoch für die Folgebescheide bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt worden sein (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X). Soweit eine Nachholung im Widerspruchsverfahren lediglich hinsichtlich des Bescheides vom 5. April 2005 in Betracht kommt, wurden die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidungen, auf die sich die Klägerin im Rahmen der Anhörung hätte einlassen können, mangels Begründung nicht offengelegt, so dass eine Nachholung im Sinne von §§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2, 42 Satz 2 SGB X nicht angenommen werden kann. Allein die ausgefallenen und nicht wirksam nachgeholten Anhörungen begründen einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der angefochtenen Verfügungen nach § 42 Satz 2 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverteidigung der Klägerin.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorliegt.