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Recht der freien Berufe einschl. Kammerrecht (z.B. Apotheker, Architekten, Ärzte, Tierärzte, Zahnärzte, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater,


Metadaten

Gericht VG Potsdam 6. Kammer Entscheidungsdatum 20.03.2012
Aktenzeichen 6 K 103/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 S 1 Nr 4 HeilBerG BB, § 2a Abs 1 Nr 9 HeilBerG BB, § 2a Abs 2 HeilBerG BB, § 2b Abs 1 HeilBerG BB, § 3 Abs 1 S 1 HeilBerG BB

Leitsatz

Die unterschiedliche Heranziehung von Doppel-Approbierten und von Doppelmitgliedern zum Beitrag der Landeszahnärztekammer ist ohne sachliche Rechtfertigung

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zum Kammerbeitrag 2008 der beklagten Landeszahnärztekammer unter Hinweis auf seine beitragspflichtige Mitgliedschaft in der Landeszahnärztekammer Berlin.

Der Kläger ist Zahnarzt in Berlin. Von Januar 2008 bis einschließlich Juni 2008 war er an einem Tag der Woche als Praxisvertreter des Zahnarztes ... in ... im Bezirk der Beklagten tätig. Seit Juli 2008 bildet er mit diesem und anderen Zahnärzten eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, innerhalb derer er weiterhin – in ähnlichem Umfang wie zuvor – auch im Bezirk der Beklagten tätig ist.

Mit Bescheid vom 30. November 2007 veranlagte die Beklagte den Kläger unter Einordnung in die Beitragsgruppe 1 zum Jahresbeitrag 2008 von 740 €. Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege auch ab April 2008 in Berlin; er arbeite nur zu einem Viertel in Brandenburg. Mit Änderungsbescheid vom 3. April 2008 veranlagte die Beklagte den Kläger unter Einordnung in die Beitragsgruppe 5 zum Jahresbeitrag 2008 von 490 €. Der Kläger erhob auch hiergegen Widerspruch.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 4. August 2008 veranlagte die Beklagte den Kläger unter Einordnung in die Beitragsgruppe 5 im ersten und in die Beitragsgruppe 1 im zweiten Halbjahr zum Jahresbeitrag 2008 von (245 € + 370 € =) 615 €. Der Kläger erhob auch hiergegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2008 zurückwies, dem Kläger zugegangen am 5. Januar 2009. Zur Begründung heißt es, nach der geltenden Beitragsordnung seien angestellte Zahnärzte in Beitragsgruppe 5 und niedergelassene Zahnärzte in die Beitragsgruppe 1 einzustufen. Eine Doppelt-Approbation liege ebenso wenig vor wie der Fall, dass der Kläger einer anderen Heilberufekammer in Brandenburg angehöre. Auch wenn er zeitlich nur eingeschränkt in Brandenburg tätig sei, könne er doch die Leistungen der Beklagten in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

Der Kläger hat am 20. Januar 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, seine Heranziehung zum vollen Kammerbeitrag verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Seine zusätzliche Mitgliedschaft bei der Beklagten falle angesichts der weiter bestehenden Mitgliedschaft bei der Zahnärztekammer Berlin kaum ins Gewicht. Die Zwangsmitgliedschaft in einer Selbstverwaltungskörperschaft wie der Beklagten sei zwar zulässig. Ein Beitrag dürfe aber nur erhoben werden zur Abgeltung eines besonderen Vorteils, der sich aus der Mitgliedschaft ergebe, und müsse deshalb das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz berücksichtigen. Ihm gereiche angesichts seiner Mitgliedschaft in der Berliner Kammer die Mitgliedschaft bei der Beklagten kaum zum Vorteil, die mit ihm auch kaum Mehrarbeit habe; das müsse die Beitragsordnung berücksichtigen. Er sei so zu behandeln wie Doppelt-Approbierte, also wie diejenigen, die auch einer anderen Heilberufekammer im Land Brandenburg angehören.

Er beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2008 aufzuheben, und

2. die Beklagte zu verpflichten, ihn beitragsfrei zu stellen, hilfsweise den Beitrag auf eine angemessene Höhe zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es komme nach der Beitragsordnung nicht auf den Umfang der jeweils ausgeübten Tätigkeit an. Das sei auch nicht praktikabel zu berücksichtigen. Der Vorteil der Mitgliedschaft komme dem Kläger zudem auch vollumfänglich zugute. Eine Weiterdifferenzierung der Beitragsordnung sei nicht möglich. Mit Doppelt-Approbierten sei der Kläger nicht vergleichbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.

1.

Die Klage ist im Punkt zu 1. zulässig und begründet. Der angefochtene Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Kläger ist zwar grundsätzlich beitragspflichtig. Seine Beitragsverpflichtung beruht auf § 1 der Beitragsordnung der Landeszahnärztekammer Brandenburg vom 9. Dezember 2008 (Zahnärzteblatt Brandenburg Ausgabe 6/2008, in Kraft nach § 7 seit dem 1. Januar 1992). Danach erhebt die Beklagte zur Erfüllung ihrer Aufgaben und zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes von den ihr angehörenden Zahnärztinnen und Zahnärzten Beiträge. Beitragspflichtig sind alle Kammerangehörigen gemäß § 26 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes.

Diese Bestimmungen haben ihre Grundlage in den §§ 1 Satz 1 Nr. 4, 3 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 und 26 Abs. 1 des Heilberufsgesetz (HeilBerG) vom 28. April 2003 (GVBl. I Nr. 7/2003 S. 126) in der Fassung der Änderung durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2006 (GVBl. I Nr. 16/2006, S.167), durch Artikel 2 des Gesetzes vom 11. Juni 2008 (GVBl. I Nr. 8/2008 S. 134/139, in Kraft seit dem 18. Juni 2008) bzw. nunmehr in der Fassung vom 26. Oktober 2010 (GVBl. I Nr. 33/2010 S. 4, in Kraft seit dem 1. November 2010). Nach § 1 Satz 1 Nr. 4 HeilBerG wird im Land Brandenburg als berufliche Vertretung der Zahnärztinnen und Zahnärzte die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Ihr gehören nach § 3 Abs. 1 HeilBerG unter anderem alle Zahnärzte an, die im Land Brandenburg ihren Beruf ausüben. Nach § 26 Abs. 1 HeilBerG erheben die Kammern zur Deckung ihres Finanzbedarfes von den Kammerangehörigen Beiträge; das Nähere regelt die Beitragsordnung.

Danach ist der Kläger als (auch) im Land Brandenburg tätiger Zahnarzt Mitglied der Beklagten und als solcher grundsätzlich beitragspflichtig. Bedenken gegen die Pflichtmitgliedschaft und die Beitragspflicht insbesondere in verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehen nicht (vgl. dazu ausführlich die vom Kläger in Bezug genommenen und eingereichten Urteile des VG Arnsberg vom 21. August 2009 –13 K 96/09, 13 K 97/09 und 13 K 98/09 –, je m. w. N.; OVG Münster, Urteil vom 2. August 2011 – 17 A 2220/09 –).

Die Heranziehung zum Beitrag in seiner konkreten Höhe ist jedoch rechtswidrig.

Die allein dem Wortlaut folgende Einordnung des Klägers in die Gruppen 1 bzw. 5 der Beitragsordnung ist rechtswidrig, soweit seine gleichzeitige Mitgliedschaft in der Zahnärztekammer Berlin keine Berücksichtigung findet. Sie verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser untersagt, Normadressaten anders zu behandeln, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung ihrem Maße nach rechtfertigen könnten. Entsprechend ist es unzulässig, ungleiche Sachverhalte ohne sachlich einleuchtende Gründe gleich zu behandeln. Daneben müssen Beitragssätze dem aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleiteten Äquivalenzprinzip genügen und folglich im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2002 – 6 B 73/01 – GewArch 2002, 206).

Die Beitragsordnung entspricht dem grundsätzlich. Sie unterscheidet in der Beitragstabelle – Anlage zu § 2 – insgesamt 12 Beitragsgruppen. Den höchsten Beitrag zahlen niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, den niedrigsten nicht tätige, den zweitniedrigsten diejenigen Kammerangehörigen, die ausschließlich Einkommen aus nichtzahnärztlicher Berufstätigkeit erzielen. Gänzlich beitragsfrei sind nach Nr. 10 der Anlage hingegen Zahnärztinnen und Zahnärzte, die aus Altersgründen oder Invalidität nicht mehr ihren Beruf ausüben und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgehen. Das macht deutlich, dass die Beitragsordnung den Beitrag der Kammerangehörigen an ihrem Einkommen ausrichtet, soweit es zahnärztlicher Tätigkeit zuzurechnen ist. Sie geht hierbei offenbar von der pauschalen Annahme aus, dass selbständige Zahnärztinnen und Zahnärzte ein höheres Einkommen erzielen als angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte, und so weiter. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit ist nach der erkennbaren Bildung der Beitragsgruppen hingegen unerheblich. Eine solche Anknüpfung an die vermutete Leistungsfähigkeit ist im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 15. März 2011 – 3 K 1671/05 –; siehe auch VG Münster, Urteil vom 10. Februar 2010 – 3 K 2222/08 –, MedR 2010, 314).

Allerdings verstößt die unverminderte Heranziehung des Klägers gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Heranziehung von Doppelt-Approbierten gegenüber den Mitgliedern in zwei Zahnärztekammern (Doppelmitglieder) erfolgt.

Nach Nr. 11 der Beitragstabelle zahlen Kammerangehörige, die als Doppelt-Approbierte einer anderen Heilberufskammer im Land Brandenburg angehören, den vollen Hauptbeitrag in der Kammer, in deren Bereich sie ihre überwiegenden Tätigkeiten ausüben. In der jeweils anderen Kammer wird der niedrigste Beitrag nach der Beitragsordnung gezahlt. Nach Nr. 12 zahlen hingegen doppelt approbierte Kammerangehörige als Fachärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie je den halben Beitrag der für sie zutreffenden Einstufung bei der Landesärztekammer und bei der Landeszahnärztekammer Brandenburg.

Die Beklagte zieht folglich zwei vergleichbare Personengruppen, nämlich die Doppelt-Approbierten und die Doppelmitglieder, in unterschiedlicher Weise zu Mitgliedsbeiträgen heran, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Die Doppelt-Approbierten werden, wie im Fall der Nr. 12, in der Regel Mitglied in der Zahnärztekammer und in der Ärztekammer sein; andere Konstellationen sind indes denkbar. Doppelmitglieder wie der Kläger sind Mitglieder in zwei Zahnärztekammern. Kennzeichnend für beide Gruppen ist, dass sie jeweils Mitglied in zwei berufsständischen Kammern sind. Insofern handelt es sich um vergleichbare Sachverhalte. Während aber die Doppelt-Approbierten nur 50 % des jeweiligen Beitragssatzes bzw., wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in dem der anderen Kammer zuzurechnenden Bereich liegt, nur den geringsten Beitrag von 60 € zahlen, ist eine Beitragsermäßigung für Doppelmitglieder nicht vorgesehen. Diese zahlen einen vollen, weiteren Beitrag. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Gruppe der Doppelt-Approbierten weniger Vorteile aus der Kammertätigkeit der Beklagten hätte als die Gruppe der Doppelmitglieder. Die unterschiedslose Heranziehung von Doppelmitgliedern verlässt zugleich das dargestellte System der Beitragsstaffelung deshalb, weil sie die aufgrund der Doppelmitgliedschaft verringerte – pauschale, vermutete – Leistungsfähigkeit anders als bei den übrigen Mitgliedern nicht berücksichtigt. Das wäre aber in Gestalt eines die Doppelmitglieder gesondert regelnden Beitragstarifs ebenso einfach möglich wie bei den Doppelt-Approbierten und den anderen Gruppen. Ein Abstellen auf den jeweiligen (etwa zeitlichen) Umfang der Tätigkeit ist dabei nicht erforderlich (vgl. zum Ganzen VG Münster ebd.).

2.

Im Punkt zu 2. ist die Klage unzulässig.

Der Kläger kann entgegen § 42 Abs. 2 VwGO nicht geltend machen, dass er durch die Ablehnung oder Unterlassung der von ihm begehrten Beitragsbefreiung (für 2008, § 88 VwGO) in seinen Rechten verletzt ist. Das von ihm geltend gemachte subjektive öffentlich-rechtliche Recht besteht schon objektiv nicht, das heißt unabhängig vom Vorliegen seiner Voraussetzungen im Einzelfall beim Kläger. Die Satzung sieht für den vom Kläger angeführten Fall keine Möglichkeit der Befreiung vor. Im Übrigen hat der Kläger das Begehrte nicht zuvor bei der Beklagten beantragt (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2009, Rdnr. 11 vor § 40 VwGO und § 42 VwGO Rdnr. 6).

Für die hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten, ihn in „angemessener“ Höhe heranzuziehen, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass die Festlegung des von den Mitgliedern jeweils zu entrichtenden „angemessenen“ Beitrages im Satzungsermessen der beklagten Selbstverwaltungskörperschaft liegt und nicht dem Gericht obliegt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 sowie 711 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Es ist jedenfalls für das hiesige Recht ungeklärt, inwieweit die Mitgliedschaft in einer weiteren berufsständischen Kammer bei der Beitragsbemessung Berücksichtigung finden muss.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt auf 1.230 €, wobei auf den Antrag zu 1. und zu 2. jeweils 615 € entfallen.