Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Kapazitätserweiterung; Standardauslastungsfaktor; witterungsabhängiger...

Kapazitätserweiterung; Standardauslastungsfaktor; witterungsabhängiger Betrieb; KWK-Anlage; wärmegeführt


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 18.04.2013
Aktenzeichen OVG 12 S 38.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 9 Abs 4 ZuG 2012, § 9 Abs 5 ZuG 2012, Anh 4 Abschn 1 ZuG 2012, Anh 4 Abschn 2 Nr 3 ZuG 2012

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 194 081,65 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt, soweit die Zuteilung aufgrund der im Streit befindlichen Bestimmung des maßgeblichen Standardauslastungsfaktors um 79 379 Berechtigungen geringer als beantragt vorgenommen wurde, hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss die Auffassung vertreten, dass der auf § 123 Abs. 1 VwGO gestützte Eilantrag weder mit dem Hauptantrag noch mit einem der Hilfsanträge begründet sei. Der Antragstellerin stehe ein sicherungsfähiger Anordnungsanspruch nicht zu. Sie habe nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Zuteilung für die Produkte Wärme und Strom nach Maßgabe der geltend gemachten 7 500 Vollbenutzungsstunden zu haben statt nach Maßgabe von 6 381 Stunden, welche die Antragsgegnerin der Zuteilung zugrunde gelegt habe.

Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.

Ohne Erfolg macht sie geltend, die in Anhang 4 Abschnitt I des ZuG 2012 für „Sonstige KWK-Anlagen“ vorgesehenen 7 500 Vollbenutzungsstunden bildeten den Anlagenbetrieb solcher Anlagen bereits ab, eine darüber hinausgehende Kürzung der Vollbenutzungsstunden widerspreche dem gesetzgeberischen Konzept des Standardauslastungsfaktors und sei rechtlich unzulässig. Gemäß Anhang 4 Abschnitt II Nr. 3 ZuG 2012 kann die zuständige Behörde die Anzahl der Vollbenutzungsstunden nach Abschnitt I entsprechend reduzieren, sofern die tatsächlich mögliche Produktionsmenge aufgrund beschränkter Weiterverarbeitungskapazitäten, durch Einschränkungen der für den Absatz der Produktionsmenge erforderlichen technischen Infrastruktur oder durch witterungsabhängigen Anlagenbetrieb nicht erreicht wird. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die Befugnis der zuständigen Behörde zur individuellen Anpassung der maßgeblichen Anzahl der Vollbenutzungsstunden auf sämtliche in Abschnitt I des Anhangs genannten Tätigkeiten, mithin auch auf „Sonstige Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen“ (vgl. den den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bekannten Beschluss des Senats vom 17. April 2013 – OVG 12 S 26.13).

Zwar ging, wie die Antragstellerin betont, die Begründung des Gesetzentwurfs zum Anhang 4 des ZuG 2012 davon aus, dass für die Berechnung des Standardauslastungsfaktors grundsätzlich die in Abschnitt I für die unterschiedlichen Tätigkeitskategorien genannten Vollbenutzungsstunden maßgeblich sind (BT-Drucks. 16/5240 S. 28). Bereits der Gesetzentwurf sah daneben jedoch für die zuständige Behörde die Möglichkeit vor, die in Abschnitt I festgelegte Anzahl von Vollbenutzungsstunden unter den Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 3 dieses Anhangs zu reduzieren (a. a. O. S. 14). Dem im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat dagegen geäußerten Einwand, die in Anhang 4 Abschnitt I festgelegten Standardwerte bildeten bereits den Branchendurchschnitt ab und ließen für individuelle Anpassungen keinen Raum (BR-Drucksache 276/07 (Beschluss), S. 10), ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Vielmehr hat er sich der Gegenerklärung der Bundesregierung angeschlossen, welche die Notwendigkeit und Systemgerechtigkeit der Anpassung in Einzelfällen hervorgehoben hat (BT-Drucksache 16/5617, Anlage 3, S. 13). Anhaltspunkte dafür, dass „Sonstige Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen“ von der Anpassungsmöglichkeit nach Abschnitt II Nr. 3 des Anhangs 4 ausgenommen sein sollen, wie die Antragstellerin meint, lassen sich weder dem Wortlaut der Regelung noch seiner Genese entnehmen; eine solche Ausnahme wäre sachlich auch nicht gerechtfertigt.

Soweit das Verwaltungsgericht von einem witterungsabhängigen Betrieb der streitgegenständlichen GuD-Anlage ausgegangen ist, bietet das Beschwerde-vorbringen gleichfalls keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Zu der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe erstinstanzlich selbst vorgetragen, dass die Anlage im Winter mehr Wärme erzeuge als im Sommer (BA S. 6), verhält sich die Beschwerde nicht. Ein von der Witterung unabhängiger Anlagenbetrieb ist unter diesen Umständen mit dem bloßen Hinweis, dass Produktionsschwankungen viele Gründe haben könnten, nicht glaubhaft gemacht. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf die sechsmonatige Heizperiode (Oktober bis März) einen witterungsunabhängigen Betrieb zu belegen; ein ganzjähriger Betrieb schließt den Einfluss von Witterungsfaktoren nicht aus. Den weitergehenden Einwand, dass das technische und genehmigungsrechtliche Potential der Anlage in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen, nicht aber wegen der Witterung bislang nicht ausgeschöpft worden sei, hat zu Recht bereits das Verwaltungsgericht nicht als durchgreifend angesehen. Soweit sich die Antragstellerin dabei auf die Möglichkeit eines reinen Kondensationsbetriebs der Anlage bezieht, hat es zutreffend darauf verwiesen, dass eine eigenständige, von der Wärmeproduktion und der Witterung unabhängige Stromproduktion seit der Inbetriebnahme der Kapazitätserweiterung nicht dargetan sei. Dass es sich bei Strom, wie von der Antragstellerin geltend gemacht, um ein an sich „jahreszeitunabhängiges Produkt“ handelt, vermag eine entsprechende Darlegung nicht zu ersetzen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin steht auch § 9 Abs. 4 Satz 1 ZuG 2012 der Kürzung der Zuteilung für die Stromproduktion nicht entgegen. Danach erfolgt bei Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eine Zuteilung nach Absatz 1 der Norm unter Zugrundelegung einer technisch vergleichbaren Anlage zur ausschließlichen Erzeugung von Strom und mechanischer Arbeit; daneben erfolgt eine Zuteilung nach Absatz 1 der Norm unter Zugrundelegung einer technisch vergleichbaren Anlage zur ausschließlichen Erzeugung von Wärme. Daraus resultiert eine Privilegierung von KWK-Anlagen insoweit, als bei der Zuteilung für die Produktion von Strom und Wärme jeweils der Emissionswert in Ansatz zu bringen ist, den eine technisch vergleichbare Anlage zur ausschließlichen Erzeugung von Strom oder Wärme nach Anhang 3 Teil A Abschnitt I des ZuG 2012 beanspruchen könnte, obwohl tatsächlich im gekoppelten Anlagenbetrieb eine effizientere Brennstoffausnutzung möglich ist. Das rechtfertigt indes nicht, zusätzlich für die Stromproduktion einer wärmegeführten Anlage eine überhöhte Auslastung zugrunde zu legen. Grundsätzlich besteht die Kürzungsmöglichkeit nach Anhang 4 Abschnitt II Nr. 3 des ZuG 2012 auch für die im Abschnitt I der Regelung aufgeführten Kondensationskraftwerke. Dass bei diesen tatsächlich in der Regel ein witterungsabhängiger Betrieb nicht erfolgt und daher diese tatbestandliche Voraussetzung der Kürzungsregelung in der Regel nicht erfüllt ist, hindert ihre Anwendung auf in Kraft-Wärme-Kopplung betriebene und wärmegeführte Anlagen zur Stromproduktion hingegen nicht.

Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren nicht dargetan, dass der Kürzung auf 6 381 Vollbenutzungsstunden eine unzutreffend restriktive Prognose der Antragsgegnerin zugrunde liegt. Auf deren Bitte vom 25. März 2011 um Angaben dazu, ob die Kapazitätserweiterung wärme- oder stromgeführt betrieben wird, teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Mai 2011 lediglich mit, die Anlage könne wärme- oder stromgeführt betrieben werden, der Einsatz hänge von den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Die Nachfrage der Antragsgegnerin, ob die Anlage witterungsabhängig betrieben werde (Schreiben vom 22. Februar 2012), beantwortete sie ebenfalls allein mit dem Hinweis, die Anlage könne „vom vollen KWK-Betrieb bis hin zum vollen Kondensationsbetrieb gefahren werden“ (Schreiben vom 16. März 2012). Im Zuteilungsantrag vom 17. August 2010 gab sie demgegenüber noch an, die Anlage „arbeite vollständig im Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb“ (S. 13 des Formantrages). Vor diesem Hintergrund hat die Antragsgegnerin zu Recht um eine nähere Erläuterung gebeten und, nachdem eine solche ausgeblieben ist, anhand des ihr aufgrund des Emissionsberichtes 2011 bekannten Brennstoffeinsatzes in den Monaten während der Heizperiode und denjenigen außerhalb der Heizperiode auf einen witterungsabhängigen Betrieb geschlossen.

Der insoweit erhobene Einwand, jedenfalls hinsichtlich der Zuteilung für die Stromproduktion hätten keine Nachweise vorlegt werden müssen, um eine ungekürzte Zuteilung zu erhalten, greift nicht durch. Der Anlagenbetreiber hat gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 7 ZuV 2012 auch Angaben über etwaige Beschränkungen im Sinne von Anhang 4 Abschnitt II Nr. 3 des ZuG 2012 zu machen (vgl. zur Zumutbarkeit solcher Angaben die bereits genannte Gegenerklärung der Bundesregierung, a. a. O.). Die DEHSt als zuständige Behörde hat diese Angaben gemäß § 15 Satz 1 ZuG 2012 zu überprüfen und kann, sofern Anhaltspunkte für einen witterungsbedingten Anlagenbetrieb gegeben sind, von der Kürzungsmöglichkeit nach Anhang 4 Abschnitt II Nr. 3 des ZuG 2012 Gebrauch machen. Sie hat hierzu eine Prognose zu erstellen, ist dabei jedoch nicht etwa auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannten Umstände beschränkt. Denn der Anlagenbetreiber hat keinen Anspruch auf eine ihn möglichst begünstigende Prognose, auch wenn sich bereits im Zuteilungsverfahren zeigt, dass diese die Realität nicht widerspiegelt.

Die danach von der Antragsgegnerin ermittelte Anzahl von 6 381 Vollbenutzungsstunden greift die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht an. Mit Blick auf die Menge der berichteten Emissionen in 2011 (460 789 t CO2) und 2012 (493 318 t CO2) gegenüber den zugeteilten Berechtigungen (470 554 Berechtigungen ohne Berücksichtigung der Kapazitätserweiterung in 2011 und 946 446 Berechtigungen einschließlich der Zuteilung für die Kapazitätserweiterung in 2012) ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die Prognose der Antragsgegnerin den tatsächlichen Betrieb der Kapazitätserweiterung zu Lasten der Antragstellerin falsch abbildet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat legt unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung nunmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt den Streitwertbeschluss im Verfahren BVerwG 7 C 18.11, S. 22 f. der Urteilsabschrift) und der geänderten Streitwertpraxis des Verwaltungsgerichts in Verfahren, in denen ein Anspruch auf Mehrzuteilung von Berechtigungen geltend gemacht wird, der Bemessung des Streitwertes den börsennotierten Preis eines Zertifikats zum Zeitpunkt der Einleitung des Rechtszuges vor dem Oberverwaltungsgericht (§ 40 GKG) zu Grunde. Die Antragstellerin begehrt im Beschwerdeverfahren die Mehrzuteilung von 79 379 Berechtigungen; zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerde lag der börsennotierte Preis eines Zertifikats der Handelsperiode 2008 bis 2012 bei 4,89 Euro (EEX vom 27. März 2013). Danach ergibt sich ein Streitwert von 388 163,31 Euro, der für das vorliegende Eilverfahren nur zur Hälfte (194 081,65 Euro) anzusetzen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).