Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 12.09.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 S 66.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 19 Abs 4 GG, § 123 VwGO, § 54 SchulG BE, § 55 SchulG BE, § 6 Abs 3 SekIV BE, § 6 Abs 4 SekIV BE |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Juli 2012 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller zu 1. zum Schuljahr 2012/2013 vorläufig in die Beethoven-Schule aufzunehmen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nur in dem tenorierten Umfang.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht jedenfalls das Verfahren für die Aufnahme von Schülern in die 7. Klasse des Schuljahres 2012/2013 nach den von der Schule festgelegten Kriterien … als rechtswidrig beanstandet. Dies gilt zumindest, soweit es die für Mathematik und Englisch eingerichteten Profilklassen betrifft.
Entsprechend den von der Schulkonferenz für den Fall der Übernachfrage nach §§ 56 Abs. 6 Nr. 2 SchulG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 bis 3 Sek I-VO beschlossenen Aufnahmekriterien wurden die Plätze bis zur Ausschöpfung des jeweiligen Kriterienkontingents auf die Bewerber zunächst nach der sich aus den letzten beiden Zeugnissen ergebenden Summe der doppelt gewichteten Noten für das jeweilige Profilfach Mathematik oder Englisch sowie der einfach gewichteten Note für das Fach Deutsch als „Grenzwert“ und sodann nach der Durchschnittsnote der Förderprognose als „Ranking“-Kriterium vergeben. Hierbei hat die Schule in Übereinstimmung mit den „Erläuterungen zu den Verfahrensschritten“ der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaften vom 3. Februar 2012 für jede eingerichtete 7. Klasse eine Liste gebildet, in welche alle Bewerber mit der jeweiligen ersten Fremdsprache (vgl. § 56 Abs. 4 SchulG) aufgenommen und entsprechend ihrer aufgrund der Aufnahmekriterien erlangten Rangstelle eingetragen wurden. Soweit mehreren den Grenzwert einhaltenden Bewerbern - wegen derselben Durchschnittsnote der Förderprognose - derselbe Rangplatz hätte zukommen müssen, ist unklar, nach welchen Kriterien der Rangplatz vergeben wurde. Die Bewerber wurden in der Reihenfolge ihrer auf diese Weise zugewiesenen Rangplätze einer bestimmten Klasse zugeteilt und von der Liste der übrigen Klassen gestrichen. Eine für den Bewerber etwa angegebene höhere Priorität für eine andere Klasse wurde lediglich dann berücksichtigt, wenn ein Bewerber in mehreren Listen mit gleichem Rang vermerkt war.
Bei diesem Verfahren wurde zu Unrecht der „interne Anmeldebogen“ außer Betracht gelassen, welcher nach den allgemeinen Vorgaben der Schule dem Anmeldebogen für die Sekundarstufe I (Jahrgangsstufe 7) beizufügen war. Mit dem „internen Anmeldebogen“ wurden alle Erziehungsberechtigten aufgefordert anzugeben, in welches der für die insgesamt fünf Klassen durchzuführenden „Aufnahmeverfahren“ ihr Kind einbezogen werden soll und hierbei die gewählten „Aufnahmeverfahren“ mit einer Rangstelle zu versehen. Dementsprechend erklärten die Antragsteller zu 2. und 3., dass der Antragsteller zu 1. an erster Stelle in das „Aufnahmeverfahren“ für die Mathematikklasse, an zweiter Stelle in das Verfahren für die Englischklasse und an dritter Stelle in das Verfahren für die Musikklasse einbezogen werden solle. Durch die der Anmeldung zwingend beizufügenden „internen Anmeldebögen“ hat die Schule im Rahmen ihres Organisationsermessens nach außen erkennbar eine Verfahrensweise festgelegt, welche subsidiär für diejenigen Bewerber zum Tragen kommen sollte, die die von der Schulkonferenz beschlossenen Aufnahmekriterien erfüllen. Sie hat den Bewerbern und ihren Erziehungsberechtigten zu erkennen gegeben, dass die angegebenen Prioritäten für die Zuweisung zu einer bestimmten Klasse ausschlaggebend sein sollten, wenn der Bewerber auf der Grundlage der Aufnahmekriterien in der bevorzugten Klasse zum Zuge kommen kann. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist trotz des abschließenden Kataloges des § 6 Abs. 3 Satz 1 Sek I-VO eine Berücksichtigung der für eine Schulklasse angegebenen Prioritäten im Aufnahmeverfahren jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sie - wie hier - der Vergabe nach Aufnahmekriterien nachgeordnet ist. Die durch den Antragsgegner vertretene Schule ist, wenn auch in weitaus geringerem Umfang, selbst danach verfahren, indem sie entsprechend den genannten Erläuterungen der Senatsverwaltung (nur) bei gleichem Rangplatz in mehreren Ranglisten die angegebene höhere Priorität berücksichtigte. Dadurch dass die Schule der Vergabe die Richtlinien der Senatsverwaltung zu Grunde legte und deshalb die auf den „internen Anmeldebögen“ erklärte Rangfolge der Klassen nur bei der in der Richtlinie aufgeführten Fallkonstellation berücksichtigte, hat sie sich in Widerspruch zu dem nach außen erkennbar festgelegtem Verfahren gesetzt und damit ermessensfehlerhaft gehandelt. Dies zeigt sich beispielsweise an der Zuweisung der bereits in dem angefochtenen Beschluss genannten Mitbewerberin Katja G. Diese Mitbewerberin hatte auf dem „internen Anmeldebogen“ die Profilklasse Englisch mit der ersten und die Profilklasse Mathematik mit der dritten Rangstelle versehen. Sie erfüllt die für beide Profilklassen jeweils festgelegte Notensumme von 12 und weist eine Förderprognose von 1,1 auf. In der Profilklasse Englisch mit einem Kriterienkontingent von 19 Plätzen gehen ihr auf der Grundlage der Auswahlkriterien nur acht Bewerber vor, welche eine Durchschnittsnote der Förderprognose von 1,0 aufweisen. Dennoch wurde sie der Profilklasse Mathematik zugewiesen, weil sie auf der entsprechenden Liste einen noch besseren Rangplatz inne hatte.
Anders als der Antragsgegner meint, scheitert der Anordnungsanspruch nicht daran, dass der Antragsteller nach den im Auswahlverfahren erstellten Listen selbst dann nicht in die Schule aufzunehmen gewesen wäre, wenn den in dem „internen Anmeldebogen“ angegebenen Prioritäten in dem dargelegten Maße Rechnung getragen worden wäre. Zwar trifft diese Annahme zu. Im Zeitpunkt des Aufnahmeverfahrens wären dem Antragsteller zu 1. bis zur Ausschöpfung des Kriterienkontingents Bewerber mit derselben ersten Priorität vorgegangen, welche ein besseres Testergebnis (Profilklasse Musik) erzielt hatten bzw. eine niedrige Durchschnittsnote der Förderprogrognose aufwiesen. Unter Zugrundelegung des Zeitpunktes des Aufnahmeverfahrens wären die Antragsteller durch den aufgezeigten Verfahrensfehler nicht in ihren Rechten verletzt. Jedoch muss der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob für die Aufnahme von Bewerbern, die einen zulässigen Rechtsbehelf eingelegt haben, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist, und, falls ja, ob sich in diesem Zeitpunkt die Rangstelle des Antragstellers zu 1. durch Weggänge oder durch das von dem Antragsgegner durchgeführte fehlerhafte Auswahlverfahren verbessert hat. Angesichts dessen, dass der Antragsteller zu 1. bei Zurückweisung seines vorläufigen Rechtsschutzbegehrens - ggf. nur bis zu einer anderweitigen Entscheidung über seine Klage - einer anderen Schule zugwiesen werden müsste, ist es nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten, seinen Anordnungsanspruch zu unterstellen.
Die Beschwerde hat indes insoweit Erfolg, als sie sich gegen den tenorierten Umfang der stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts wendet. Der Anspruch der Antragsteller kann, wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen, nur auf die Aufnahme in eine Schule - nicht jedoch in eine bestimmte Klasse - gerichtet sein (§§ 54, 56 SchulG). Allerdings ist der Anordnungsanspruch vorliegend auf die von den Antragstellern zu 2. und 3. in dem „internen Anmeldebogen“ aufgeführten Profilklassen für Mathematik, Englisch und Musik beschränkt. Denn sie haben auf die vorgedruckte Aufforderung hin, „Bitte streichen Sie die Aufnahmeverfahren, die für Ihr Kind nicht in Frage kommen“, die aufgeführte „Französichklasse“ und „Deutschklasse mit musisch-ästhetischem Profil“ durchgestrichen. Durch diese Streichung haben sie ihren Aufnahmeantrag dahingehend beschränkt, dass er keine Wirkung entfalten solle, falls lediglich eine Zuteilung in die Französischklasse oder die Deutschklasse mit musisch-ästhetischem Profil möglich wäre.
Bei der nach alledem gebotenen vorläufigen Aufnahme des Antragstellers zu 1. in die B… unter Zuweisung in eine der drei auf dem „internen Anmeldebogen“ nicht gestrichenen Profilklassen hat der Antragsgegner die dort angegebene Rangfolge in dem dargelegten Umfang zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).