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Entscheidung 24 Sa 1704/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 24. Kammer Entscheidungsdatum 22.01.2014
Aktenzeichen 24 Sa 1704/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.08.2013 – 58 Ca 7821/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, wie eine tarifliche Weihnachtszuwendung bei Teilzeitbeschäftigten anteilig zu berechnen ist.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien, auf welches der Tarifvertrag Nahverkehr Berlin (im Folgenden TV-N genannt) Anwendung findet, begann am 01.09.1981. Der Kläger arbeitete zunächst in Vollzeit. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten beträgt nach dem TV-N 36,5 Stunden.

Bezüglich der Weihnachtszuwendung und der Höhe einzelner tariflicher Leistungen von Teilzeitbeschäftigten enthält der TV-N folgende Regelungen:

„§ 7 – Teilzeitbeschäftigung

(…)

(2)

Bei nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmern sind die Leistungen nach § 5 Abs. 4 Unterabs. 1, § 6 Abs. 1, § 12 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 4 Satz 1 und § 12 Abs. 5 bis 6 und § 17 entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers zu bemessen. (…)

§ 17 – Weihnachtszuwendung

(1)

Alle vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfassten Arbeitnehmer, die am 31. Oktober eine Betriebszugehörigkeit (§ 4) von mindestens 12 Monaten besitzen und von Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres für mindestens vier volle Kalendermonate Entgelt nach § 6 erhalten haben, erhalten eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 1.200,00 EUR, zahlbar zum 15. November.

(…)“

Von September bis Ende November 2012 arbeitete der Kläger in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden.

Zum 15.11.2012 zahlte die Beklagte nach Maßgabe der am 15. 11. 2012 vertraglich geschuldeten Arbeitszeit von 25 Wochenstunden eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 821,92 EUR brutto (25/36,5 von 1.200) an den Kläger.

Nach Geltendmachung einer höheren Weihnachtszuwendung mit Schreiben vom 13.02.2013, 22.04.213 und 21.05.2013 verfolgt der Kläger seinen Anspruch mit der am 31.05.2013 bei Gericht eingegangenen Klage weiter.

Er meint, die von der Beklagten angewandte Stichtagsmethode sei bei der Berechnung der zeitanteiligen Weihnachtszuwendung von Teilzeitbeschäftigten nicht tarifgerecht. § 17 TV-N selbst regele nicht die Berechnung der Zuwendung für Teilzeitbeschäftigte. Diese richte sich ausschließlich nach § 7 Abs. 2 TV-N. Danach sei das Verhältnis der vereinbarten Arbeitszeit zur Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters maßgebend. Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Weihnachtszuwendung beeinflusse nicht die Berechnung der Höhe der Zuwendung bei Teilzeitbeschäftigten. Bezugszeitraum der Weihnachtszuwendung sei nach § 17 TV-N Oktober des Vorjahres bis September des laufenden Jahres. Dieser Zeitraum sei der Berechnung der anteiligen Vergütung gemäß § 7 Abs. 2 TV-N zugrunde zu legen. In diesem Bezugszeitraum habe er 11 Monate voll gearbeitet und könne deshalb 1.100,00 EUR verlangen. Zu addieren sei der anteilige Betrag der Weihnachtszuwendung für September 2012, in dem er nur 25 Stunden gearbeitet habe. Im Verhältnis zur Vollarbeit ergebe sich für September ein Betrag in Höhe von 68,49 EUR (100,00 ./. 26,5 x 25). Vom sich ergebenden Betrag in Höhe von 1.168,49 EUR sei der gezahlte Betrag in Höhe von 821,92 EUR abzuziehen, woraus sich die eingeklagte Differenz in Höhe von 346,57 EUR ergebe.

Hilfsweise sei der Zeitraum der letzten 12 Monate bis November 2012 zugrunde zulegen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 346,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 283,58 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vortags der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 22.08.2013 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben und die Berufung für die Beklagte zugelassen.

Gegen das ihr am 09.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.10.2013 Berufung eingelegt und diese am 08.11.2013 begründet.

Sie trägt vor: Aus den allein einschlägigen Vorschriften der §§ 17 Abs. 1 und 7 Abs. 2 TV-N lasse sich die Zuwendung ohne weiteres schnell und praktikabel berechnen. Da am 15. November 2012 die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit 25 Stunden betragen habe, habe sich die Zuwendung von 1.200,00 auf 821,92 EUR reduziert. Im umgekehrten Fall – Aufstockung der Arbeitszeit am Stichtag – erhielten die entsprechenden Arbeitnehmer die erhöhte Weihnachtszuwendung. Der Wortlaut der Tarifregelung spreche für die Abhängigkeit der Zuwendungshöhe vom Tätigkeitsumfang zu einem bestimmten Zeitpunkt. Eine Stichtagsregelung der Zuwendung für Teilzeitbeschäftigte sei zulässig. § 7 Abs. 2 TV-N sei nicht für die hier maßgebliche Frage anwendbar. Nicht nur die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung ermögliche eine an Sinn und Zweck der Weihnachtszuwendung orientierte Bemessung. Nach der Rechtsprechung des BAG rechtfertigten Gründe der Schnelligkeit und Praktikabilität ihrer Berechnung und Auszahlung die Bindung an einen Stichtagsmonat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist nicht begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass die Klage begründet ist, weil sich die Höhe der Weihnachtszuwendung eines Teilzeitbeschäftigten nicht nach der an einem bestimmten Stichtag vertraglich vereinbarten Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit richtet, sondern nach dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers im Zeitraum von Oktober des Vorjahres bis September der laufenden Bezugsjahres. Dies ergibt die Auslegung der aufgrund beiderseitiger kongruenter Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvorschriften der §§ 17 und 7 Abs. 2 TV-N.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über den hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B. BAG 23. September 1992 – 4 AZR 66/92– AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I 2 a der Gründe, m.w.N.).

b) Die Beklagte hat richtig erkannt, dass § 17 Abs. 1 TV-N ausweislich seines eindeutigen Wortlautes die Voraussetzungen des Weihnachtszuwendungsanspruches dem Grunde nach, die Höhe des Zuwendungsanspruchs für Vollzeitbeschäftigte und die Fälligkeit des Anspruches für Voll- und Teilzeitbeschäftigte regelt. Die Höhe der Weihnachtszuwendung für Teilzeitbeschäftigte ist hingegen in § 7 Abs. 2 TV-N-Berlin bestimmt. Dies ergibt sich aus dem ebenso eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift, die ausdrücklich bestimmt, dass bei nichtvollbeschäftigten Arbeitnehmern die Leistungen nach „ (…) § 17 entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmers zu bemessen“ seien. Die Tarifvertragsparteien haben damit für die in § 7 Abs. 2 TV-N-Berlin aufgeführten Leistungen das Pro-Rata-Temporis-Prinzip für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer normiert.

Eine besondere Regelung für Arbeitnehmer, die nicht während des gesamten Bezugszeitraumes von 12 Monaten unverändert Voll- oder in unverändertem Umfange Teilzeit arbeiten, findet sich in dem Tarifvertrag – anders als z.B. im TV-N-Bayern (vgl. hierzu BAG 14.11.2012 – 10 AZR 903/11 – NZA 2013, 634) nicht.

c) Damit war der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat, zu ermitteln.

aa) Eine systematische Betrachtung zeigt, dass das in § 7 Abs. 2 TV-N-Berlin normierte Pro-Rata-Temporis-Prinzip für keine der dort genannten Leistungen eine Stichtagsregelung vorsieht. Die nach den übrigen in § 7 Abs. 2 TV-N-Berlin genannten Vorschriften (§§ 5, 6 und 12 TV-N) zu gewährenden Leistungen beinhalten ebenfalls feste, überwiegend monatlich zu zahlende Geldbeträge. Sollten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für die Höhe dieser Leistungen in dem dort maßgeblichen Bezugszeitraum von überwiegend einem Monat für die Berechnung der Teilzeitquote bei einer Reduzierung der Arbeitszeit während des laufenden Monats die Verhältnisse zu einem bestimmten Stichtag maßgeblich sein, so hätte eine eindeutige, den Stichtag genau festlegende Regelung nahe gelegen. Stattdessen haben die Tarifvertragsparteien das Pro-Rata-Temporis-Prinzip ohne weitere Einschränkungen durch eine Stichtagsregelung vorgesehen. Hätte hiervon abweichend für die Weihnachtszuwendung aufgrund des längeren Bezugszeitraumes etwas anderes gelten sollen, so wäre zu erwarten gewesen, dass die Tarifvertragsparteien die Berechnung der Höhe der Weihnachtszuwendung nicht in § 7 Abs. 2, sondern in § 17 TV-N-Berlin geregelt hätten. Dies gilt umso mehr, weil der Wechsel von Voll- zu Teilzeit während des Bezugszeitraumes kein völlig ungewöhnlicher Vorgang sein dürfte und der TV-N-Bayern zeigt, dass die dortigen Tarifvertragsparteien diesen Fall bedacht und abweichend vom allgemeinen Grundsatz der Pro-Rata-Temporis-Zahlung für den Fall der Weihnachtszuwendung ausdrücklich eine Stichtagsregelung vorgesehen haben.

bb) Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch der teilweise synallagmatische Charakter der Weihnachtszuwendung. Die Tarifvertragsparteien haben die Zahlung der Zuwendung nicht allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses im Bezugszeitraum, sondern auch davon abhängig gemacht, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum mindestens für vier volle Kalendermonate Entgelt nach § 6 TV-N-Berlin erhalten hat. Die Zuwendung stellt sich daher zum Teil als zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit im Bezugszeitraum dar. Durch eine Stichtagsregelung würde in das Synallagma zwischen tatsächlich geleisteter Arbeit und der zusätzlichen Vergütung eingegriffen. Im Falle des Klägers führte eine verhältnismäßig kurze Zeit der Teilzeittätigkeit zu einer nichtproportionalen Verringerung seines Zuwendungsanspruches. Dies wäre zwar nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – wie dargestellt – tarifvertraglich zulässig, bedürfte aber einer hinreichend deutlichen tariflichen Regelung, weil hierdurch von der sonstigen Systematik sowie Sinn und Zweck der Sonderzuwendung abgewichen würde.

2. Über die Höhe des vom Kläger nach dem Pro-Rata-Temporis-Grundsatz nach Maßgabe der in seinem Arbeitsverhältnis im Bezugszeitraum geltenden regelmäßigen Arbeitszeit berechneten anteiligen Weihnachtszuwendung besteht zwischen den Parteien kein Streit.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

III. Die Revision war für die Beklagte gemäß § 72 Abs. 2 ZIff. 1 ArbGG zuzulassen.