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Entscheidung 3 WF 139/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 16.01.2014
Aktenzeichen 3 WF 139/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) - Familiengericht - vom 30.10.2013 dahingehend abgeändert, dass die Gerichtskosten durch die Beteiligte zu 1. und den Beteiligten zu 2. jeweils zur Hälfte getragen werden. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1. und 2. jeweils zur Hälfte; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Das am ….03.2013 geborene Kind E… P… beantragte, vertreten durch das Jugendamt des Landkreises … als Beistand, die Vaterschaft des Beteiligten zu 2. festzustellen. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Mutter habe angegeben, in der gesetzlichen Empfängniszeit ausschließlich mit dem Beteiligten zu 2. eine intime Beziehung gehabt zu haben. Dem Beteiligten zu 2. sei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, auf die er nicht reagiert habe.

Der Beteiligte zu 2. hat vorgetragen, er komme zwar als Vater in Betracht, habe aber Zweifel an seiner Vaterschaft, da die Beteiligte zu 1. während der Empfängniszeit auch mit einem Ex- Partner engen Kontakt gepflegt habe. Zudem habe er mit der Mutter ausdrücklich verabredet, dass er kein Kind möchte.

Das eingeholte Vaterschaftsgutachten ergab, dass die Vaterschaft des Beteiligten zu 2. - praktisch - erwiesen ist.

Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt; der Beteiligte zu 2. erkannte die Vaterschaft beim Jugendamt an.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Lübben vom 30.10.2013 wurden dem Beteiligten zu 2. die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, nach billigem Ermessen habe vorliegend der Beteiligte zu 2. die Kosten zu tragen, da er in dem Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Zur übereinstimmenden Erledigungserklärung sei es nur gekommen, weil der Beteiligte zu 2. nach Vorliegen des Vaterschaftsgutachtens die Vaterschaft vor dem Jugendamt anerkannt habe.

Gegen diese dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. am 04.11.2013 zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte zu 2. mit am 04.12.2013 beim Amtsgericht Lübben eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Es sei nicht gerechtfertigt, ihm sämtliche Verfahrenskosten aufzuerlegen. Er habe aufgrund der Gesamtumstände nicht sicher davon ausgehen können, dass nur er als Vater des Kindes in Frage komme.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Die isolierte Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache ist nach § 58 Abs. 1 FamFG beschwerdefähig (BGH, Beschluss vom 25.09.2013, VII ZB 464,12).

In der Sache ist die Beschwerde teilweise begründet.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach den Grundsätzen des § 81 FamFG. Dieser ist gemäß § 83 Abs. 2 FamFG auch bei der Erledigung der Hauptsache anwendbar. Es ist demnach eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen.

Vorliegend ist der Senat, unabhängig davon, ob, wie es von den Oberlandesgerichten mehrheitlich vertreten wird, die Ermessensentscheidung des Familiengerichts nur eingeschränkt darauf überprüfbar ist, ob das Amtsgericht sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, (vergl. z.Bsp. OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2012, 9 WF 147/12, FamRZ 2012, 1966; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.11.2012, 4 WF 259/12, FamRZ 2013, 1922; zum Meinungsstand siehe Gutjahr in: Hahne/Munzig, Beck OK FamFG, Edition 10, § 69, Rn 31), berechtigt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Das Amtsgericht hat seiner Ermessensentscheidung ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses allein die Erwägung zugrunde gelegt, dass der Beteiligte zu 2. ohne die Erledigung der Hauptsache voraussichtlich unterlegen wäre. Das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen kann aber im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 81 FamFG in einem Verfahren, das kein echtes Streitverfahren darstellt, sondern sich, wie es im Vaterschaftsfeststellungsverfahren der Fall ist, auf verwandtschaftliche oder persönliche Beziehungen gründet, allein nicht ausschlaggebend sein (vergl. Keske in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 81 Rn 19 unter Hinweis auf BTDrs 16/6308 S. 411; Zimmermann in: Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 81, Rn 48; Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 81, Rn 13). Insofern liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, der den Senat in jedem Fall dazu ermächtigt, selbst Ermessen auszuüben.

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird vertreten, dass es in Abstammungsverfahren für den Fall, dass dem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft in vollem Umfang stattgegeben wird und der Vater trotz Aufforderung nicht bereit war, die Vaterschaft kostenfrei urkundlich anzuerkennen, in der Regel der Billigkeit entspreche, dem Vater die gesamten Kosten (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten) aufzuerlegen (OLG München, Beschluss vom 29.11.2010, 16 UF 1411/10, FamRZ 2011, 923).

Nach einer anderen Auffassung entspricht es in Abstammungsverfahren grundsätzlich der Billigkeit, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, dem Vater aber die gerichtlichen Kosten aufzuerlegen sind, da er die Möglichkeit gehabt habe, seine Vaterschaft vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens anzuerkennen (OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2010, 15 UF 40/10, FamRZ 2010, 1840) bzw. das Entstehen der Kosten zu vermeiden, während die Mutter keine Möglichkeit habe, die Einleitung des Verfahrens und damit die Einholung eines (kostenträchtigen) Gutachtens zu vermeiden (OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.11.2011, 13 UF 148/11, FamRZ 2012, 733). Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist bei nachvollziehbaren Zweifeln des Vaters an der Vaterschaft innerhalb der Gerichtskosten eine Differenzierung zwischen den mit der Einholung des Abstammungsgutachtens verbundenen Auslagen und den sonstigen Gerichtskosten vorzunehmen. Während die sonstigen Gerichtskosten hälftig zu teilen seien, da keine der Parteien durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahrens gegeben habe, gelte dies für die Kosten des Abstammungsgutachtens nicht. Insoweit komme es auf ein grobes Verschulden des Vaters nicht an, da er die mit der Einholung eines Gutachtens verbundenen Kosten auch im Falle einer außergerichtlichen Klärung seiner Vaterschaft zu tragen gehabt hätte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.11.2012, 4 WF 259/12, FamRZ 2013, 1922).

Nach einer weiteren Ansicht entspricht es dagegen in der Regel der Billigkeit, dass in Vaterschaftsverfahren die - gesamten - Gerichtskosten von Vater und Mutter hälftig zu tragen sind und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, sofern nicht der Vater durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat (OLG Bamberg, Beschluss vom 07.11.2012, 2 UF 281/12; OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2012, 9 WF 147/12, FamRZ 2012, 1966; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.10.2010, II-1 WF 133/10, 1 WF 133/10, FamRZ 2011, 991; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.05.2011, II-1 WF 260/10, 1 WF 260/10, zitiert nach juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.09.2011, 8 WF 217/11, FamRZ 2012, 734; AG Sinsheim, Beschluss vom 22.04.2010, 21 F 282/09, FamRZ 2010, 1931).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Nach Auffassung des Senates entspricht es vorliegend der Billigkeit, den Beteiligten zu 1. und 2. die Gerichtskosten - einschließlich der Kosten des Abstammungsgutachtens - hälftig aufzuerlegen und von einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten abzusehen.

Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG, der Regelbeispiele für eine einseitige Belastung eines der Beteiligten mit den Verfahrenskosten nennt, sind vorliegend nicht einschlägig. Insbesondere hat der Beteiligte zu 2. nicht grob schuldhaft Anlass für das Verfahren gegeben. Er hatte jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisende, nachvollziehbare Zweifel an seiner Vaterschaft, da er nach seinem unwidersprochen gebliebenem Vortrag mit der Mutter verabredet hatte, keine gemeinsamen Kinder zu bekommen, so dass er keine Veranlassung hatte, seine Vaterschaft - mit den weitreichenden Folgen persönlicher und rechtlicher Art - anzuerkennen, bevor diese möglichst zweifelsfrei festgestellt worden war (vergl. OLG Brandenburg, a.a.O).

Allein der Umstand, dass der Beteiligte zu 2. das Verfahren nicht dadurch vermieden hat, dass er die Vaterschaft nicht vor Einleitung des Verfahrens anerkannt hat und er auch im Falle einer außergerichtliche Klärung der Vaterschaft die Kosten für ein etwaiges Gutachten hätte tragen müssen, rechtfertigt es nicht, ihm die gesamten Gerichtskosten oder jedenfalls die Kosten des Abstammungsgutachtens allein aufzuerlegen.

Einem potentiellen Vater, der berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft hat, kann nicht vorgeworfen werden, seine Vaterschaft erst im Rahmen eines gerichtlichen Vaterschaftsverfahrens klären zu lassen und das in diesem Verfahren eingeholte Gutachten abzuwarten. Dies ist nicht grob schuldhaft. Eine Verpflichtung des Vaters, vorgerichtlich auf eigene Kosten ein Gutachten erstellen zu lassen, besteht nicht. Würde man ihm dennoch die Kosten des Abstammungsgutachtens, welche regelmäßig den Hauptanteil der in einem Abstammungsverfahren entstehenden Kosten ausmachen, auferlegen, würde man sein Verhalten, ohne dass ihm ein grobes Verschulden vorzuwerfen ist, faktisch sanktionieren. Dies entspricht nicht der Billigkeit. Zudem ist im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch zu berücksichtigen, dass letztlich beide Eltern das Verfahren über eine Entscheidung über die Abstammung der Antragstellerin dadurch gleichermaßen veranlasst haben, dass sie innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit miteinander geschlechtlich verkehrt haben (OLG Düsseldorf, II 1- WF 260/10 a.a.O., AG Sinsheim, a.a.O). Dann erscheint es in der Regel auch gerechtfertigt, die Kosten eines solchen Verfahrens gleichmäßig auf beide Eltern zu verteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an den Kosten der ersten Instanz.

Die Rechtsbeschwerde war im Hinblick darauf, dass die Frage, wer die Kosten eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu tragen hat, umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).