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Versicherungspflicht als Landwirt


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 12.05.2010
Aktenzeichen L 22 LW 1/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 ALG

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers im Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 31. August 2007 als Landwirt nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Der 1983 geborene Kläger ist der Sohn des Landwirtes J R, der die DB betreibt, ein landwirtschaftliches Unternehmen mit einer Nutzfläche von 504,66 ha im Zeitraum 01. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002, von 519,57 ha im Zeitzraum 01. Januar 2003 bis 31. August 2004 und von 513, 94 in der Zeit seit 01. September 2004.Der Kläger war zum Zeitpunkt des 01. Juli 2002 bis zum 31. August 2007 Student an der Hochschule N. Danach übernahm er eine hauptberufliche Tätigkeit im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters.

Am 29. Juni 2002 schloss der Kläger mit seinem Vater einen „Vertrag über eine (atypische) stille Beteiligung“ (nachfolgend als „Vertrag“ bezeichnet). Darin ist ausgeführt, dass der Kläger beabsichtigt, sich „zur Stärkung des Unternehmenskapitals am Landwirtschaftsunternehmen des Inhabers mit Wirkung vom 01. Juli 2002 als „stiller Gesellschafter“ mit einer Einlage von 150.000 Euro, die bar zu erbringen war, zu beteiligen. Der Kläger erhielt seine Einlage von 150.000 Euro als Geschenk seines Vaters.

Die für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung wesentlichen Bestimmungen des Vertrages lauteten wörtlich wie folgt:

„§ 2 Inkrafttreten, Geschäftsjahr

1. Der Vertrag tritt ab dem 01.07.2002 in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

….

§ 3 Geschäftsführung

1. Die Geschäftsführung der Gesellschaft obliegt ausschließlich dem Inhaber.

2. Der Inhaber darf jedoch folgende Maßnahmen nur mit Zustimmung des stillen Gesellschafters vornehmen:

a) Änderung des Gegenstandes des Unternehmens und der Rechtsform;

b) Aufnahme weiterer stiller Gesellschafter;

c) Erwerb von oder Beteiligung an anderen Unternehmen oder eines Teils des Unternehmens;

d) Errichtung von Zweigniederlassungen;

e) An- und Verkauf und Belastung von Gründstücken im Einzelfall mit einem Wert von mehr als Euro 150.000 Euro;

f) Aufnahme von Krediten und Übernahme von Wechselverbindlichkeiten oder Bürgschaften im Einzelfall mit einem Wert von mehr als Euro 150.000;

g) Investitionen mit einem Anschaffungswert im Einzelfall von mehr als Euro 150.000;

3. Beabsichtigt der Inhaber die Vornahme einer der in Absatz 2 genannten Maßnahmen, so hat er dies dem stillen Gesellschafter mitzuteilen und ihn zur Erteilung seiner Zustimmung aufzufordern. Der stille Gesellschafter ist verpflichtet, unverzüglich Stellung zu nehmen.

4. Der stille Gesellschafter ist berechtigt, Einsicht in alle den genehmigungsbedürftigen Geschäften zugrunde liegenden Unterlagen zu nehmen. Liegt eine Stellungnahme des stillen Gesellschafters nicht innerhalb von zwei Wochen seit Übersendung der Anforderung vor, so gilt dies als Zustimmung; auf diese Rechtsfolge ist in der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme ausdrücklich hinzuweisen.

§ 4 Stellung des stillen Gesellschafters

1. Der stille Gesellschafter ist am Ergebnis, Vermögen und an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt. Die Beteiligungsquote bemisst sich nach § 9.

2. Das Vermögen der Gesellschaft wird unbeschadet der Tatsache, dass rechtlich kein Gesamthandsvermögen besteht, im Innenverhältnis wie gemeinschaftliches Vermögen behandelt. Insbesondere erstreckt sich die Beteiligung des stillen Gesellschafters auch auf den Vermögenszuwachs und die stillen und offenen Reserven der Gesellschaft.

§ 5 Informations- und Kontrollrechte

1. Dem stillen Gesellschafter stehen die im HGB und BGB festgelegten Kontrollrechte zu. Die Informations- und Kontrollrechte beziehen sich auch auf alle Bücher und Unterlagen, die zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dienen.

§ 9 Ergebnisbeteiligung

1. An dem gemäß § 8 ermittelten Ergebnis nimmt der stille Gesellschafter im Verhältnis des Wertes seiner Anlage zum Gesamtwert des Unternehmens des Inhabers teil. Der stille Gesellschafter ist am Jahresgewinn in der Regel in dem vorgenannten Verhältnis beteiligt.

2. Als obere jährliche Gewinnbezugsgrenze legen die Vertragspartner 20 Prozent des Einlagewertes des stillen Gesellschafters fest.

3. Verluste werden dem stillen Gesellschafter auch insoweit zugerechnet, als sie den Betrag seiner Einlage übersteigen.

§ 10 Entnahmen

1. Der stille Gesellschafter ist berechtigt, den seinem Privatkonto gutgeschriebenen Gewinnanteil zu entnehmen.

2. Der Inhaber kann die Auszahlung des Gewinnanteils bzw. die Abschlagszahlung ganz oder teilweise verweigern, soweit es die Liquiditätslage zwingend gebietet.

§ 13 Kündigung

Die Gesellschaft kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Ablauf eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

§ 14 Auseinandersetzungsguthaben

1. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft hat der stille Gesellschafter Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben, dass auf den Tag der Beendigung festzustellen ist.

2. Der Auseinandersetzungsanspruch setzt sich zusammen aus:

a) dem Saldo des unter Berücksichtigung von § 8 ermittelten Einlage-, Privat- und Verlustkontos;

b) dem seiner Beteiligungsquote entsprechenden Anteil des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven des Inhabers (Abs. 4). Ergibt sich ein negativer Betrag, so ist dieser nur bis zur Höhe eines negativen Privatkontos vom stillen Gesellschafter auszugleichen.

…“

Mit Bescheid vom 14. März 2006stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers für die Zeit ab 01. Juli 2002 als Landwirt zur Landwirtschaftlichen Alterskasse Mittel- und Ostdeutschland fest, da er als Mitunternehmer ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibe, welches die für die Versicherungspflicht notwendige festgesetzte Mindestgröße erreiche (Unternehmen der Landwirtschaft: 4,00 ha).

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 zurück: Der Einwand des Widerspruchsführers, er sei nur stiller Gesellschafter des Unternehmens seines Vaters, stehe der Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Alterskasse nicht entgegen. Ausweislich der vorgelegten Verträge sei der Kläger nicht nur am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, sondern habe ggf. auch Verluste zu tragen und verfüge über Befugnisse, bestimmte Entscheidungen der Gesellschaft mitzubestimmen. Der Kläger sei mithin Landwirt im Sinne von § 1 Abs. 2 ALG und unterliege als solcher kraft Gesetzes der Versicherungspflicht.

Hiergegen hat der Kläger am 14. September 2006 Klage beim Sozialgericht Frankfurt/Oder (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, dass er nicht versicherungspflichtig zur Landwirtschaftlichen Alterskasse sei. Er sei zwar als atypisch stiller Gesellschafter am landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters beteiligt. Seine Beteiligung sei aber rein „kapitalistisch“. Im Unternehmen selbst arbeite der Kläger selbst nicht mit, da er Student sei. Da er insoweit nicht hauptberuflich im Unternehmen tätig sei, seien die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 ALG nicht erfüllt. Er sei auch als Mitgesellschafter nicht versicherungspflichtig. Zwar sähen die §§ 4, 9 eine Beteiligung des Klägers am Ergebnis, Vermögen und an den stillen Reserven der Gesellschaft entsprechend der Einlage vor; auch am Gewinn sei er maximal mit 20 Prozent des Einlagewertes beteiligt, wobei Verluste ihm auch zugerechnet würden, wenn sie die Einlage überstiegen. § 14 Nr. 2 b des Gesellschaftsvertrages bestimme jedoch, dass ein negativer Betrag nur bis zur Höhe des negativen Privatkontos auszugleichen sei. Somit hafte der Kläger nur in Höhe seiner Einlage von 150.000 Euro und damit beschränkt. Die Gewinnbeteiligung allein begründe jedoch kein Risiko, weshalb der reine Geldgeber kein Unternehmer sei. Eine kapitalmäßige Beteiligung des Unternehmers sei letztendlich nicht anders zu beurteilen wie diejenige eines Darlehensgebers, mit der für eine stille Gesellschaft typischen Gestaltung, dass der zur Verfügung gestellte Kapitalstock nicht unbedingt kündbar und zurückzahlbar sei und die Verzinsung des Kapitals vom wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft abhänge. Einfluss auf die unternehmerische Leitung des Unternehmens habe der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, da die Geschäftsführung des Unternehmens ausschließlich beim Vater des Klägers liege (§ 3 Nr. 1 des Vertrages). Daran ändere auch nichts das Zustimmungserfordernis bei Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgingen, wie in § 3 Nr. 2 des Vertrages vorgesehen. Diese Vereinbarung sei üblich zum Schutz des stillen Gesellschafters und nicht gleichzusetzen mit einer unternehmerischen Leitung des Unternehmens. Deshalb werde nach der Rechtsprechung bei einer stillen Gesellschaft regelmäßig der Inhaber, also nicht der stille Gesellschafter, als Unternehmer angesehen. Soweit der Kläger den auf seinen Geschäftsanteil als stiller Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil dem Finanzamt gegenüber als Einkünfte nach § 13 Einkommensteuergesetz (EStG) deklariert habe, sei dies für den Rechtsstreit unbeachtlich.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 aufzuheben.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide bezogen und ergänzend unter Vorlage einer Auskunft des Finanzamtes Fürstenwalde vom 06. März 2007 vorgetragen, dass der Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 EStG steuerlich geltend gemacht habe und diese - in Höhe von 15.000 € für das Jahr 2002, 27.839 € für das Jahr 2003 und 27.839 € für das Jahr 2004 - auch so festgesetzt worden seien, was ihre Rechtsauffassung stütze.

Durch Urteil vom 21. August 2007 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, zur Überzeugung der Kammer handele es sich hier um einen Fall des § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG. Der Kläger sei atypischer stiller Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft und damit kraft Fiktion nur dann Landwirt, wenn er hauptberuflich im Unternehmen tätig sei. Satz 3 der Vorschrift greife ein, da der Kläger nicht unbeschränkt, sondern lediglich beschränkt hafte, wie sich aus § 14 Nr. 2 b des Vertrages (Haftung des Klägers in Höhe seiner Einlage im Fall der Beendigung der stillen Gesellschaft) ergebe. Dass dem Kläger auch insoweit Verluste angerechnet würden, als sie den Betrag seiner Einlage überstiegen, trete zur Überzeugung der Kammer zurück, da es sich hierbei um ein rechnerisches Ergebnis handele, der Kläger aber bei der Auseinandersetzung letztlich nur beschränkt hafte. Der Kläger sei auch nicht hauptberuflich im Unternehmen tätig, da er Student sei.

Gegen das der Beklagten am 13. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat diese am 10. Januar 2008 Berufung eingelegt und an ihrer bisherigen Ansicht festgehalten. Der Kläger unterliege seit 01. Juli 2002 der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr.1 ALG, wobei nicht § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG einschlägig sei. Denn diese Vorschrift betreffe nur den typischen stillen Gesellschafter, nicht den atypischen, der einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen könne und weit reichende Kontrollrechte habe. Ein Fall der atypischen stillen Gesellschaft, in der der Mitunternehmer ein Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative habe und am laufenden Gewinn und in stillen Reserven, insbesondere auch am Zuwachs der Vermögenssubstanz beteiligt sei, liege hier vor, wie sich aus §§ 3 Nr. 2, 4 Nr. 1, 5 Nr. 1, 6 Nr. 2, 9 Nr. 1 und Nr. 3 des Vertrages ergebe. Die Versicherungspflicht des Klägers ergebe sich insoweit aus § 1 Abs. 2 Satz 1, 2 ALG. Die Beurteilung des Klägers als Mitunternehmer werde auch dadurch getragen, dass der Kläger für die Zeit ab 2002 gemäß § 13 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und eben gerade nicht aus Kapitalvermögen versteuere. Im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung könne die Beurteilung eines Tatbestandes, hier die Beteiligung am landwirtschaftlichen Unternehmen in der Sozialversicherung, nur einheitlich mit der steuerlichen Bewertung erfolgen. Soweit vom Kläger der gesellschaftsrechtliche Gestaltungsspielraum benutzt werde, um steuerrechtliche Vorteile genießen zu können, müsse er auch deren sozialversicherungsrechtliche Folgen gegen sich hinnehmen. Es seien keine Gründe dafür erkennbar, den Sachverhalt sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich unterschiedlich zu bewerten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und festzustellen, dass für den Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 31. August 2007 keine Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse bestand.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, dass die Versicherungspflicht des Klägers ausschließlich nach § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG zu beurteilen sei. Da es sich bei der atypischen stillen Gesellschaft hier um eine reine Innengesellschaft nach den §§ 230 ff. HGB handele, schließe dies bereits mangels Außenwirkung eine Unternehmerschaft oder Mitunternehmerschaft aus. Die Annahme, dass der atypische stille Gesellschafter im Unterschied zum typisch stillen Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen könne und weit reichende Kontrollrechte habe, wie dies die Beklagte meine, sei unzutreffend. Im vorliegenden Fall habe er als atypischer stiller Gesellschafter gemäß § 3 des Vertrages nur Einfluss auf die Änderung der grundlegenden Struktur des Unternehmens, an welchem er beteiligt sei und an Geschäftsvorfällen, welche einen Wert von 150.000 Euro überstiegen. Dies sei kein wesentlicher Einfluss auf die Gesellschaft. Es seien im Übrigen auch gerade keine Gründe erkennbar, weshalb die sozialversicherungsrechtliche Betrachtung der steuerrechtlichen Wertung zu folgen habe. § 1 Abs. 2 Satz 3 ALG sei nicht einschlägig; die Vorschrift stelle – u.a. – ausdrücklich auf den beschränkt haftenden Gesellschafter einer Personen- und Handelsgesellschaft ab. Dies sei typischerweise der Kommanditist einer KG, welche einen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Der Kommanditist nehme entsprechend den Vorschriften des HGB umfänglich am Erfolg der Gesellschaft teil und habe ein weitgehendes Mitwirkungs- und Entscheidungsrecht, wenn auch nicht die Geschäftsführung. Der stille Gesellschafter nehme, ähnlich wie der Kommanditist, am Erfolg der Gesellschaft teil und habe im Regelfall kein Mitspracherecht. Der atypische stille Gesellschafter, so wie im vorliegenden Gesellschaftsvertrag vereinbart, genieße wesentlich geringere Rechte als der Kommanditist, da er nur in den in § 3 Satz 2 des Vertrages aufgeführten Fällen einen Zustimmungsvorbehalt habe. Einer der in § 3 Nr. 2 a bis e des Vertrages festgelegten Fälle der Zustimmung sei nicht aufgetreten. Mitwirkungs- und Kontrollrechte seien tatsächlich nicht wahrgenommen worden. Was die Gewinnanteile betreffe, sei mit seinem Vater verabredet gewesen, dass der Gewinn auf dem Privatkonto des Klägers stehen bleiben sollte, damit dieser bei der geplanten Übernahme des Betriebes Geldmittel zur Verfügung hätte.Der Kläger sei im Übrigen während seiner Studienzeit lediglich während der Semesterferien im Unternehmen tätig gewesen. Hierzu hat der Kläger eine Bescheinigung seines Vaters vorgelegt, wonach der Kläger in den Zeiträumen vom 21. bis 31. August 2002, 04. Juli bis 31 August 2003, 12. Juli bis 07. September 2004, 20. Juli 2005 bis 17. September 2005, 22. Juli 2006 bis 21. September 2006 und 24. Juli 2007 bis 31. August 2007 eine „kurzfristige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)“ als Erntehelfer ohne Leitungsfunktion ausgeübt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der bei gezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen S 4 KR 48/06 sowie der ebenfalls bei gezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (Aktenzeichen ) Bezug genommen, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es hat zu Recht auf die erstinstanzlich erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), soweit darin die Versicherungspflicht des Klägers für die Zeit ab 01. Juli 2002 bis 31. August 2007 festgestellt wurde. Auf diesen Zeitraum hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 19. Januar 2010 beschränkt. Der Senat legt den dortigen Antrag, festzustellen, dass für den Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 31. August 2007 keine Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse bestand, sachdienlich dahingehend aus, dass die Anfechtungsklage auf diesen Zeitraum beschränkt - und im übrigen zurückgenommen - wird, nachdem die Versicherungspflicht des Klägers ab 01. September 2007 als Landwirt durch seine hauptberufliche Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters vom Kläger nicht beanstandet wird.

Die Beklagte hat zu Unrecht eine Versicherungspflicht des Klägers zur Landwirtschaftlichen Alterskasse für den hier nach dem Berufungsantrag des Klägers allein noch streitigen Zeitraum vom 01. Juli 2002 bis zum 31. August 2007 - also für die Zeit seines Studiums an der Hochschule - angenommen. Der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht als Landwirt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 ALG versicherungspflichtig.

Versicherungspflichtig sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG Landwirte. Landwirt ist, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße (Abs. 5) erreicht.

Das der Beurteilung zugrunde liegende landwirtschaftliche Unternehmen, die D, ist ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft, das die Mindestgröße im Sinne des § 1 Abs. 5 ALG erreicht, wie von der Beklagten geprüft wurde und was vom Kläger auch nicht beanstandet worden ist.

Allerdings ist der Kläger nicht (Mit-)Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift. Unternehmer ist nach § 1 Abs. 2 Satz 2 ALG, wer seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der erkennende Senat folgt, hat hierzu Kriterien entwickelt:

So ist landwirtschaftlicher Unternehmer derjenige, der das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens bestimmt. Die in dem Unternehmen verrichtete Arbeit muss ihm zugerechnet werden können. Dies erfordert zwar nicht, dass der landwirtschaftliche Unternehmer selbst im Unternehmen körperlich mitarbeitet, also der Bodenbewirtschaftung eigenhändig nachgeht. Deren Ergebnis muss ihm aber unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereichen, wenn andere die auf Bodenbewirtschaftung gerichtete Tätigkeit für ihn ausführen. Unternehmer ist mithin derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht (BSG -, Urteil vom 23. September2004 - B 10 LW 13/02 R, abgedruckt in SozR 4-5868 § 1 Nr. 5 m.w.N.; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 4 RLw 4/93, abgedruckt in SozR 3-5850 § 1 Nr. 1 = BSGE 75, 241).

Unternehmer ist auch, wer die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich und persönlich unabhängig trifft und vom wirtschaftlichen Ergebnis den unmittelbaren Vor- oder Nachteil hat. Ein solcher Unternehmer übt selbständige Erwerbstätigkeit aus, solange auf den Geschäftsbetrieb gerichtete Handlungen in seinem Namen vorgenommen werden. Es kommt dann nicht darauf an, ob und in welcher Weise er sich nach außen oder innen am Geschäftsbetrieb tätig beteiligt. Vielmehr genügt es, dass er kraft seiner Unternehmerstellung den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag.Er kann deshalb auch das Geschäft durch andere betreiben lassen; solange er der Unternehmer bleibt, ist ihm der Geschäftsbetrieb als selbständige Erwerbstätigkeit zuzurechnen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1977 - 11 RA 6/77, abgedruckt in SozR 2200 § 1247 Nr. 19 = BSGE 45, 238).

Der Kläger ist zwar im landwirtschaftlichen Unternehmen tätig geworden. Denn wie er im Berufungsverfahren vorgetragen hat, hat er in den Semesterferien in der DB als Erntehelfer gearbeitet. Allerdings ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs.1 SGG) nicht davon überzeugt, dass der Kläger nach den Maßstäben des BSG im streitgegenständlichen Zeitraum als (Mit)Unternehmer der D B zu beurteilen ist.

Er hat das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens nicht (mit)bestimmt, die im Unternehmen verrichtete Arbeit kann ihm auch nicht zugerechnet werden, auch hat er die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen nicht (mit-) oder eigenverantwortlich getroffen. Seine Tätigkeit als Erntehelfer in den Semesterferien lässt für sich gesehen und auch nicht im Zusammenhang mit seiner Beteiligung gemäß dem Vertrag vom 29. Juni 2002 entsprechende Feststellungen zu.

Der Senat orientiert sich auch insoweit an der Rechtsprechung des BSG, wonach sich das Gesamtbild nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände. Ausgangspunkt der Beurteilung ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. November 1998; B 10 LW 10/97 R, m.w.N., zitiert nach juris).

Maßgebend ist danach der Vertrag vom 29. Juni 2002. Dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäftes (§ 117 BGB) abgegeben worden wären, liegen keine Anhaltspunkte vor. Eine formlose Abbedingung der Regelungen des schriftlichen Vertrages über die (atypische) stille Beteiligung durch schlüssiges Verhalten oder mündliche Abrede zwischen den Vertragspartnern ist nicht rechtswirksam erfolgt, denn nach § 15 Nr. 1 des Vertrages können Änderungen des Vertrages zwar im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen werden, bedürfen aber der Schriftform.

Der Vertrag begründet keine Rechte des Klägers für dessen eigenverantwortliche und persönlich unabhängige Tätigkeit im landwirtschaftlichen Unternehmen, die ihn insbesondere in die Lage versetzt hätten, die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen eigenverantwortlich zu treffen oder zumindest mitzubestimmen.

Eine Vertretungsmacht des Klägers ist nicht vereinbart worden. Regelungen für eine Haftung des Klägers für die vom Geschäftsführer begründeten Verbindlichkeiten sind im Vertrag nicht enthalten. § 3 des Vertrages sieht vor, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft ausschließlich dem Inhaber obliegt. Dass die ausschließliche Geschäftsführungsbefugnis des Inhabers gemäß § 3 Nr. 2 des Vertrages teilweise unter einem Zustimmungsvorbehalt des Klägers steht, begründet für diesen keine Möglichkeit, die für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens erforderlichen Willensentscheidungen eigen- oder mitverantwortlich zu treffen und das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens mit zu bestimmen oder auf seine Rechnung zu veranlassen.

So darf der Inhaber nach § 3 Abs. 2 des Vertrags folgende Maßnahmen nur mit Zustimmung des stillen Gesellschafters vornehmen: Änderung des Gegenstandes des Unternehmens und der Rechtsform, Aufnahme weiterer stiller Gesellschafter, Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen oder eines Teils des Unternehmen, Errichtung von Zweigniederlassungen, An- und Verkauf und Belastung von Grundstücken im Einzelfall mit einem Wert von mehr als 150.000 Euro, Aufnahme von Krediten und Übernahme von Wechselverbindlichleiten oder Bürgschaften im Einzelfall mit einem Wert von mehr als 150.000 Euro, Investitionen mit einem Anschaffungswert von mehr als 150.000 Euro. Darin kommt der Wille der Vertragspartner zum Ausdruck, wesentliche Rahmenbedingen des Betriebes nur einverständlich ändern zu wollen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um solche, die eine Änderung des Unternehmensgegenstandes sowie der wirtschaftlichen Substanz des Unternehmens – letzteres, soweit es um Werte über 150.000 Euro geht – und eine Ausweitung des Gesellschafterkreises auf weitere stille Beteiligungen von der Zustimmung des Klägers abhängig zu machen.

Diese Regelung bewirkt den Schutz des stillen Gesellschafters, da er die Rechtsstellung des Inhabers nach außen nicht begrenzen kann, und dient seiner Sicherung, ohne seinen Einfluss auf „das Tagesgeschäft“ zu ermöglichen.

Soweit dem Kläger Informations- und Kontrollrechte nach § 5 des Vertrages „im Umfang der im HGB und BGB festgelegten Kontrollrechte“ zustehen, handelt es sich um Ansprüche gegen den Inhaber, die keine unmittelbare Beteiligung an der Unternehmensführung bewirken.

Die fehlende Möglichkeit zur Einflussnahme auf das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens entspricht dem Alter und Erfahrungsstand des Klägers, der zum Zeitpunkt des Vertragschlusses gerade 19 Jahre alt war.

Die sonstigen Regelungen des Vertrages begründen keine Umstände, die Feststellungen zulassen, dass der Kläger das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens (mit) bestimmte, die für das Unternehmen erforderlichen Willensentscheidungen mit traf.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass hier im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung die Beteiligung des Klägers am landwirtschaftlichen Unternehmen seines Vaters nur einheitlich mit der steuerlichen Bewertung erfolgen könne, wobei aus der Tatsache, dass das Finanzamt Fürstenwalde für den Kläger für die Jahre 2002 bis 2004 Einkünfte nach § 13 EStG (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) festgesetzt habe, auch die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Klägers als Mitunternehmer folge, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist grundsätzlich unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden zu treffen (so bereits BSG, Urteil vom 5. April 1956, 3 RK 65/55, zitiert nach juris: Rz. 32.).

Der Kläger ist auch nicht versicherungspflichtig gemäß § 1 Abs.2 Satz 2 ALG. Die Vorschrift besagt: Beschränkt haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Mitglieder einer juristischen Person gelten als Landwirt, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig und wegen dieser Tätigkeit nicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind.

Ungeachtet der Frage, ob die vertraglich geregelte stille Beteiligung des Klägers von dieser Vorschrift erfasst ist, fehlt es bereits daran, dass er nicht hauptberuflich im streitgegenständlichen Zeitraum im landwirtschaftlichen Unternehmen gearbeitet hat. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die dargelegten Zeiten der Erntehilfe. „Hauptberuflich“ war er Student. Auf das Einkommen stellt die Vorschrift nicht ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es hierfür an den Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG fehlt.