Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 23.01.2020 | |
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Aktenzeichen | 5 K 1464/18.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0123.5K1464.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992, § 60a Abs 2c AufenthG, § 60 Abs 5 AufenthG, Art 4 EUGrdRCh, § 60 Abs 7 AufenthG |
1. Einer fünfköpfigen Familie mit subsidiärem Schutz droht in Ungarn kein Verstoß gegen Art. 4 EUGR-Charta bzw. Art. 3 EMRK.
2. Die Versorgung mit Obdach, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe ist in Ungarn gewährleistet.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Kläger sind eine Familie afghanischer Staatsangehöriger bestehend aus Eltern (geboren 1982 und 1991) und drei Kindern, die 9, 7 und 2 Jahre alt sind. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zu 2., schwanger zu sein. Der Kläger zu 1. verfügt über keine Schulbildung und verrichtete vor seiner Einreise nach Europa Gelegenheitsarbeiten auf dem Bau. Die Klägerin zu 2. besuchte 5 Jahre eine Schule im Iran und war im Übrigen Hausfrau.
Ausweislich einer Mitteilung der ungarischen Dublin-Einheit stellten die Kläger zu 1. und 2. am 13. November 2017 in Ungarn Asylanträge und genießen dort seit dem 28. November 2017 internationalen (subsidiären) Schutz.
Am 27. März 2018 stellten die Kläger in Deutschland abermals Asylanträge.
Bei ihrer Anhörung gaben sie an, sich lediglich 17 Tage in Ungarn aufgehalten zu haben. Am 17. Tag habe man ihnen gesagt, dass sie anerkannt worden seien. Die Bedingungen in Ungarn seien nicht gut gewesen. Obwohl die Klägerin zu 2. schwanger gewesen sei und unter Epilepsie leide, habe sie keiner zum Arzt bringen wollen. In Deutschland lebten Schwestern der Kläger zu 1. und 2..
Die Beklagte lehnte die Asylanträge mit Bescheid vom 7. Juni 2018 mit Blick auf die Schutzgewährung in Ungarn als unzulässig ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten. Außerdem drohte sie den Klägern die Abschiebung nach Ungarn an und setzte für den Fall einer Klageerhebung eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 30 Tagen ab dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Ein Einreise-und Aufenthaltsverbot befristete die Beklagte auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Die Kläger haben gegen den Bescheid Klage erhoben.
Sie machen geltend, in Ungarn nicht die Gelegenheit zu haben, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Die Regierung Orban verfolge gegenüber Flüchtlingen eine restriktive Politik. Sie weigere sich, Flüchtlinge aufzunehmen und habe Ungarn zur
„migrantenfreien Zone“ erklärt. Die Kläger hätten in Ungarn schwerste Menschenrechtsverletzungen erlitten (Gewahrsam durch Polizei, Gewaltübergriffe durch Sicherheitskräfte, Vorenthaltung von Nahrung, „desaströse“ Aufnahmebedingungen, Fehlen von Sprachmittlern, Fehlen notwendiger medizinischer Betreuung während der Schwangerschaft). Ihre Abschiebung nach Ungarn sei mit Blick auf Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verboten. Die Kläger könnten in Ungarn nicht ihr Existenzminimum sichern. Sie seien auf Einkünfte aus einer Erwerbsarbeit des Klägers zu 1. angewiesen. Dieser verfüge jedoch über keine besonderen Qualifikationen und konkurriere mit Arbeitssuchenden, die die ungarische Sprache beherrschten. Er habe nie die Schule besucht. Seine Erfahrungen beschränkten sich auf untergeordnete Tätigkeiten auf dem Bau. Bestimmte Berufsfelder seien ohnehin Ungarn oder Personen mit langem Aufenthalt in Ungarn vorbehalten. Bis der Kläger zu 1. die ungarische Sprache erlernt habe, müsse die Familie damit rechnen, über kein Einkommen zu verfügen. Die Klägerin zu 2. leide an multiplen Erkrankungen (Epilepsie und andere Anfallerkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion, psychische Störungen, Schmerzzustände). Sie sei auf die Einnahme der Medikamente Thiamazol, Tegretal, Carbamazepin und auf Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags angewiesen. Sie könne nicht zum Familieneinkommen beitragen. Die Anmietung einer Wohnung hänge jedoch gerade vom Erwerbseinkommen ab. Auch sei die soziale Absicherung in Ungarn nicht ausreichend. Anerkannt Schutzberechtigte müssten die Aufnahmezentren bereits 30 Tage nach der Statusentscheidung verlassen. Beitragsfreier Zugang zur Krankenversicherung bestehe nur für 6 Monate. Für die Vermittlung von Wohnungen an Obdachlose seien die Kommunen zuständig. Für die Vermittlung von Sozialwohnungen sei teilweise ein längerer Aufenthalt im Kommunalbezirk notwendig. Der Bezug von Sozialhilfe sei an eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von mindestens einem Jahr geknüpft. Zudem liege die Sozialhilfe weit unterhalb des Existenzminimums. Die Schulen seien zu einer adäquaten Unterstützung der Kinder tatsächlich kaum in der Lage. Der ungarische Staat biete keine Integrationsleistungen mehr an. Das Schicksal des Integrationsprogramms sei ungewiss. Es gebe keine staatliche Unterstützung bei Wohnungssuche und Spracherwerb. Oft bestünden bürokratische Hürden. Inländergleichbehandlung sei nicht effektiv gewährleistet. Beistand erhielten Schutzberechtigte lediglich von Nichtregierungsorganisationen und kirchlichen Einrichtungen. Deren Leistungswillig – und insbesondere -fähigkeit sei aber ungewiss, zumal Fördermittel der EU und des AMIF weggebrochen seien. Statusentscheidungen würden in Ungarn regelhaft alle drei Jahre überprüft. Den Klägern könne mit Blick einen ihren mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland Rücknahme bzw. Widerruf ihrer Schutzzuerkennung drohen. Das „Stop-Soros-Gesetz“ sehe u.a. Freiheitsstrafen für Unterstützer von Migranten vor. Die EU-Kommission habe beschlossen, wegen dieses Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten. Außerdem habe die Kommission ein Aufforderungsschreiben an Ungarn gerichtet, weil das Land für Personen im Rückführungsverfahren keine Nahrungsmittel an der Grenze zur Verfügung stelle und Drittstaatenangehörige mit längerer Aufenthaltsberechtigung vom Veterinärberuf ausschließe. Auch werde in Ungarn Obdachlosigkeit kriminalisiert. Der Asylantrag des Klägers zu 5. sei nicht unzulässig, weil ihm in Ungarn kein internationaler Schutz zuerkannt worden sei. Eine analoge Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1a und/oder Nr. 2 AsylG scheide mangels Regellücke aus.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2018 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, zu Gunsten der Kläger Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage ist unbegründet.
Die Asylanträge der Kläger sind unzulässig. Für die Kläger zu 1. und 2. folgt dies aufgrund der Schutzgewährung in Ungarn aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Auf die Asylanträge der minderjährigen Kläger zu 3.-5., denen – soweit ersichtlich – in Ungarn kein internationaler Schutz gewährt wurde, sind § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG oder § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG analog anzuwenden. Ein solches Rechtsverständnis entspricht der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung, der die erkennende Kammer folgt (vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 29. November 2019 – 2 A 283/19 –, Rn. 10, juris; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 05. August 2019 – 5 A 593/19.A –, Rn. 4, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein – 4. Senat -, Beschluss vom 27. März 2019 – 4 LA 74/19 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 10 LA 218/18 –, Rn. 9 - 10, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2018 - 21 ZB 18.32867 -, juris Rn. 17 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2018 - A 4 S 544/18 -, juris Rn. 9 ff.; anders nur Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein – 1. Senat -, Urteil vom 07. November 2019 – 1 LB 5/19 –, Rn. 17, juris).
Die Unzulässigkeitsentscheidung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil den Klägern in Ungarn die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht (vgl. EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 u.a. – und Urteile vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – und 19. März 2019 – C-163/17 -). Eine solche Gefahr kann mit Blick auf den fundamentalen Grundsatz gegenseitigen Vertrauens bei gleichzeitiger Würdigung der europäischen Schutzstandards und Grundrechte nur angenommen werden, wenn für sie objektive, zuverlässige, genaue und hinreichend aktualisierte Angaben vorliegen (EuGH a.a.O.). Auch reichen bloß einzelfallbezogene Verstöße nicht aus; vielmehr müssen sich systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen ausmachen lassen (EuGH a.a.O). Individuellen Vorerlebnissen kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu; sie führen insbesondere nicht zu einer Umkehr der Beweislast (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. Juni 2014 – 10 B 35.14 – juris). Geht es um die Lebensbedingungen, die den Antragsteller in dem Mitgliedstaat der Schutzgewährung erwarten, unterfallen mit Blick auf den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens Schwachstellen der o.g. Art nur dann Art. 4 EU-GR-Charta, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Das ist nur dann der Fall, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH a.a.O.).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauen strahlt auch auf die sich aus Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG/Art. 4 EU-GR-Charta/Art. 3 EMRK ergebende Obliegenheit des Gerichts aus, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Nur dann, wenn ernsthaft zweifelhaft ist, dass die Verhältnisse in dem anderen Mitgliedstaat den Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG/Art. 4 EU-GR-Charta/Art. 3 EMRK entsprechen, muss das Gericht weiter aufklären (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 BvR 1380/19 – juris, Rn. 15 m.w.N.).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens ist hier auch nicht dadurch erschüttert, dass gegen Ungarn ein Rechtsstaatlichkeitsverfahrens und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet sind. Denn das erkennende Gericht ist nicht befugt, den insoweit nach Art. 7 Abs. 1 EUV und Art. 260 Abs. 1 AEUV zur Entscheidung berufenen Institutionen (Europäischer Rat und Europäischer Gerichtshof) vorzugreifen (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 14. November 2019 - 5 K 1962/18.A - Juris Rn 22) und die Vertragsverletzungsverfahren das Asylverfahren betreffen.
Dem Gericht liegen keine objektiven, zuverlässigen, genauen und hinreichend aktualisierte Angaben vor, die die Annahme rechtfertigen, dass den Klägern in Ungarn ein Verstoß gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta und insbesondere extreme materielle Not bzw. ein mit der Menschenwürde unvereinbarer Zustand der Verelendung droht.
Es fehlen Angaben, die vermuten lassen, dass es dem Kläger zu 1. nicht gelingen wird, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu erwirtschaften. Die Beschäftigungsquote in Ungarn hat inzwischen den höchsten Stand seit Anfang der 90iger Jahre erreicht. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wende. Laut Aussage der Nichtregierungsorganisation Menedek haben alle anerkannt subsidiär Schutzberechtigten, die sich um eine Beschäftigung in Ungarn bemühen, große Chancen eine Anstellung zu finden (vgl. zu alldem: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest an das BAMF vom 5. Juni 2019). Die Nichtregierungsorganisation Kalunba Social Services Nonprofit Ltd. ermutigt Schutzberechtigte sogar ausdrücklich, in Ungarn zu bleiben und sich dort auf eigene Füße zu stellen. Arbeitsstellen – so die NGO - seien vorhanden Danach ist auch nicht ersichtlich, dass die von den Klägern angesprochene Vorrangregelung für Inländer oder Sprach- bzw. Geringqualifikationshürden durchgreifend zum Tragen kommen. Angesichts der nach wie vor anhaltenden Sekundärmigration in Zusammenspiel mit der niedrigen Rückführungsquote nach Ungarn ist auch perspektivisch nicht mit einer Überlastung des Arbeitsmarktes zu rechnen (Liaisonbeamter Ungarn, Auskunft vom 2. August 2018). Zudem stellen Arbeitgeber in der Regel über dem Mindestlohn ein und leisten zum Teil Integrationshilfe. Aus dem hieraus erzielten Lohn kann sowohl ein angemessener Unterhalt als auch eine Unterkunft für den subsidiär Schutzberechtigten und seine Familie finanziert werden (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O.) Warum es danach dem gesunden und arbeitsfähigen Kläger zu 1. mit einschlägiger Berufserfahrung auf dem Bau nicht gelingen soll, am prosperierenden ungarischen Arbeitsmarkt teilzuhaben und sich und seine Familie vor extremer materieller Not bzw. einem mit der Menschenwürde unvereinbaren Zustand der Verelendung
zu bewahren, ist nicht erkennbar.
Dass der Kläger an einer unterhaltssichernden Erwerbsarbeit gehindert ist, weil er sich um die (etwa kranke) Klägerin zu 2. kümmern muss, ergibt sich weder aus den vorliegenden ärztlichen Attesten noch wird Solches so von den Klägern selbst behauptet. Ausweislich der vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Atteste leidet die Klägerin zu 2. nach einer – soweit ersichtlich – ausgeheilten akuten Blinddarmentzündung im Sommer 2018 unter einer manifesten Überfunktion der Schilddrüse sowie Epilepsie. Zum Schweregrad der Erkrankungen verhalten sich die Atteste nicht. Ebenso wenig ist ihnen zu entnehmen, dass und ggfls. welchen Einschränkungen die Klägerin zu 2. krankheitsbedingt unterliegt. Auch die Kläger selbst tragen hierzu nichts Konkretes vor, sondern sprechen lediglich diffus von einem Angewiesensein auf Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags, wovon davon Übrigens in der mündlichen Verhandlung nichts zu bemerken war. Im Übrigen hat eine Epilepsie, an der Klägerin zu 2. eigenen Angaben zufolge bereits seit ihrem 11. Lebensjahr leidet, den Kläger zu 1. auch in der Vergangenheit nicht daran gehindert, den Lebensunterhalt für die Familie zu erwirtschaften. Etwas den Klägern Günstigeres ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren, Akupunktur und Sportmedizin vom 21. Januar 2020, wonach die Klägerin zu 2. neben Epilepsie und Schilddrüsenüberfunktion auch an Scrabies, Depression, Unruhezuständen und Anpassungsstörung leidet. Auch dieses Attest verhält sich nicht zu konkreten krankheitsbedingten Einschränkungen.
Nach alldem stellt sich auch schon die Frage, ob die Klägerin zu 2. nicht nur nicht hilfebedürftig, sondern sogar selbst arbeitsfähig ist und damit – jedenfalls unterstützend – zum Familieneinkommen beitragen kann. Eine Schilddrüsenüberfunktion der Klägerin zu 2. kann nach den Attesten medikamentös behandelt werden und bewirkt insoweit keine Arbeitsunfähigkeit. Eine Epilepsie – geschweige denn eine die Arbeitsfähigkeit ausschließende - ist schon nicht tragfähig belegt. Sie wird im Attest des Elbe-Elster-Klinikums vom 2. August 2018 lediglich als bloße Nebendiagnose behauptet. Auf welchen tatsächlichen Umständen (Befunden) die Diagnose getroffen wurde, bleibt offen. Es ist noch nicht einmal erkennbar, dass ärztlicherseits überhaupt Befunde zu einer Epilepsie erhoben wurden. Auch fehlen – wie bereits ausgeführt - Angaben zu einem Schweregrad einer Epilepsie. Auch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest vom 21. Januar 2020 führt nicht weiter. Auch dieses Attest ist nicht tragfähig. Denn es lässt ebenfalls schon nicht erkennen – und zwar bezogen auf sämtliche in ihm gestellten Diagnosen -, auf welchen tatsächlichen Umständen (Befunden) es beruht. Auch entbehrt es gleichermaßen Angaben zum Schweregrad der diagnostizierten Erkrankungen. Die Atteste entsprechen damit insbesondere nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c) Satz 2 und 3 AufenthG. Übrigens sind insoweit selbst die Atteste zu einer Schilddrüsenüberfunktion der Klägerin zu 2. nicht tragfähig, weil sie sich nicht zu den Folgen verhalten, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Im Ergebnis kann die Frage nach einer Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu 2. aber sogar dahinstehen und hypothetisch zu Gunsten der Kläger verneint werden.
Dass der Kläger zu 1. an einer unterhaltssichernden Erwerbsarbeit gehindert ist, weil er sich um die minderjährigen Kläger zu 3.-5. kümmern muss, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das gilt schon deshalb, weil nach dem oben Ausgeführten die Klägerin zu 2. – unbeschadet ihrer unterstellten Arbeitsunfähigkeit – die Kinder betreuen kann. Zudem sind die Kläger zu 3. und 4. mit ihren 9 und 7 Jahren schulpflichtig und werden insoweit in der Schule betreut. Kinder zwischen sechs Monaten und drei Jahren – dies betrifft den Kläger zu 5. sowie den behaupteten Nasciturus nach seiner Geburt - können kostenlos in Kinderkrippen und Familientagesheimen untergebracht werden. Zudem gewährt im Rahmen der Wohlfahrtspflege die Familienhilfe kostenlos Unterstützung bei Problemen der Lebensführung (zu alldem: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018).
Darüber hinaus hängt die ökonomische Situation der Kläger auch nicht allein von einer Erwerbstätigkeit des Klägers ab. Vielmehr existiert in Ungarn ein breitgefächertes Sozialsystem, zu dem anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte den gleichen Zugang haben, wie ungarische Staatsangehörige. Das ungarische Sozialsystem bietet grundsätzlich Versicherungsschutz in den Bereichen Krankheit, Mutterschaft, Alter, Invalidität, Berufskrankheiten und –unfälle, Hinterbliebene, Kindererziehung und Arbeitslosigkeit. Jedenfalls nach einer Karenzzeit besteht zudem Anspruch auf eine Sozialbeihilfe, die jedenfalls unterstützend wirken kann. Auch wird ein Wohngeld gewährt. Außerdem besteht Anspruch auf Kindergeld und Kindergartenunterstützung. An Kinder aus sozial schwachen Familien wird eine Kinderschutzleistung in Form von Naturalleistungen ausgereicht (zu alldem: Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Dass solche Leistungen in der Praxis etwa nicht gewährt werden, ergibt sich nicht aus dem von den Klägern in Bezug genommenen aida-Report (vgl. dort zur Schulsituation Update 2018, S. 122, 123), wobei sich die Kläger auch schon auf einen veralteten Report (Update 2017) beziehen.
Ein menschenwürdiges Dasein der Kläger ist auch nicht durch Behandlungskosten für die Klägerin zu 2. durchgreifend gefährdet. Das gilt schon deshalb, weil sich – wie erörtert – in Ermangelung tragfähiger ärztlicher Atteste nicht feststellen lässt, dass die Klägerin zu 2. überhaupt behandlungsbedürftig ist. Aber selbst wenn man eine Behandlungsbedürftigkeit unterstellt, ergibt sich nichts den Klägern Günstigeres, wobei übrigens die in den Attesten genannten Medikamente (Thiamazol, Tegretal und Carbamazepin) im Umfang der vorliegenden Medikationspläne in Deutschland für nicht mehr als 35 Euro monatlich zu erlangen. Wenn die – unterstellten - Behandlungskosten der Klägerin zu 2. nicht schon aus dem Verdienst des Klägers zu 1. zu finanzieren sind und die Klägerin auch nicht als Ehefrau in der gesetzliche Krankenversicherung des Klägers mitversichert ist, in die dieser bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eintritt, hat die Klägerin zu 2. jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit Anspruch auf kostenlosen kommunalen Krankenversicherungsschutz (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest, Auskunft an das BAMF vom 5. Juni 2019). Dazu, dass der Zugang zu diesem kommunalen Versicherungsschutz an den Besitz einer Sozialversicherungskarte geknüpft ist (wie etwa der Zugang zur staatlichen Basisgrundversorgung) oder sonst nur mit hier beachtlicher Verzögerung zu erlangen ist, liegen keine Erkenntnisse vor. Sie werden auch von den Klägern nicht plausibel aufgezeigt. Eine kostenfreie Notfallversorgung und lebensrettende Versorgung – dies würde etwa akute epileptische Anfälle betreffen - ist in Ungarn ohnehin gewährleistet (AA a.a.O). Sind aber Notfallversorgung und kommunaler Versicherungsschutz zu erlangen, kommt es auch nicht darauf an, ob – wie die Kläger unter Beweisantritt behaupten – das Arzneimittel Tegretal nicht durch Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung gestellt werden kann. Auf diese Beweisbehauptung kommt es zudem auch deshalb nicht entscheidungserheblich an, weil – wie ausgeführt – sich schon eine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin zu 2. nicht feststellen lässt.
Auch unmittelbar nach Ankunft, also noch vor Aufnahme eigener Erwerbstätigkeit, droht keine extreme materielle Not. Rückkehrer erhalten keine staatliche Unterstützung bei der Wohnungssuche. Allerdings haben Rückkehrer die Möglichkeit, Obdachlosigkeit durch eigene und durch von Nichtregierungsorganisationen unterstützte Wohnungssuche abzuwenden. Personen, die in Ungarn internationalen Schutz erhalten haben und die auf Grund des Rückübernahmeabkommens aus Deutschland überstellt werden, können sich bereits vorab telefonisch oder per E-Mail oder unmittelbar nach der Überstellung in Budapest mit Nichtregierungsorganisationen in Verbindung setzen, die eine Wohnung vermitteln oder zur Verfügung stellen. Die Vermittlung kann auch kurzfristig erfolgen und wurde in der Vergangenheit auch bereits für mehrere rücküberstellte Familien erfolgreich praktiziert. Anerkannt Schutzberechtigte können zwischen einem Monat und einem Jahr in von diesen Nichtregierungsorganisationen angemieteten Wohnungen untergebracht werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Dazu, dass die Wohnungen – wie die Kläger unter Beweisantritt behaupten – nicht kleinkindgerecht sind, liegen keine Erkenntnisse vor. Sie werden auch von den Klägern nicht aufgezeigt. Dass in Ungarn angemessene Wohnungen, auch gerade für Familien, vorhanden sind, entspricht der Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018, Frage 1). Warum dies nicht auch für die von den Nichtregierungsorganisationen vermittelten oder zur Verfügung gestellten Wohnungen gelten soll, erschließt sich nicht.
Auch wenn die staatliche Unterstützung einschließlich der Unterstützung aus dem AMIF-Programm an Nichtregierungsorganisationen zum Juli 2018 ausgelaufen ist, so haben diese ihre Unterstützung nicht eingestellt. Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Vereinigungen helfen weiterhin bei der Arbeits- und Wohnungssuche (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018, Frage 1). Die Hilfe wird etwa durch die Organisationen „Menedek“ und Kalunba Social Services Nonprofit Ltd fortgesetzt (Liaisonbeamter Ungarn, Auskunft vom 2. August 2018). Dies bestätigt in dem Bericht „Wir ermutigen die Menschen zu bleiben“ ausdrücklich auch die Kalunba Social Services Nonprofit Ltd. für ihre Organisation. Zudem besteht eine öffentliche Finanzierung der NGOs durch den UNHCR fort (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O., Frage 5). Rein spekulativ ist dagegen eine Annahme, dass die ungarischen Gesetzänderungen, mit denen Mitte 2018 eine Sondersteuer für Organisationen eingeführt wurde, die Migration befördern, und außerdem eine Unterstützung illegaler Einwanderung unter Strafe gestellt wurde – wobei darunter Hilfeleistungen für anerkannt Schutzberechtigte, die gerade keine illegalen Einwanderer sind, wohl kaum fallen dürften -, die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen in hier beachtlicher Weise untergraben. Die Kalunba Social Services Nonprofit Ltd erklärt in dem Bericht „Wir ermutigen Menschen zu bleiben“ vielmehr, dass dort kein Flüchtlingshelfer bekannt sei, der auf der Basis des neuen Gesetzes verfolgt worden wäre. Grundsätzlich habe sich an der Arbeit der Organisation nicht viel geändert. Vorsorglich habe man die Namen der Helfer von der Webseite gelöscht. Von Problemen wegen der Sondersteuer ist in dem Bericht überhaupt nicht die Rede, obwohl Finanzierungsfragen durchaus zur Sprache kommen. Auch dem Bericht des Commissioners for Human Rights oft he Council of Europe vom 21. Mai 2019, der sich ausdrücklich auch mit der Sondersteuer beschäftigt, ist nichts dazu zu entnehmen, dass die Sondersteuer negative Auswirkungen auf die Arbeit der hier in Rede stehenden Nichtregierungsorganisationen (Menedek, Kalunba und Evangelikus Diakonia) hat. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Nichtregierungsorganisationen auf den sonstigen von den Klägern im Schriftsatz vom 23. Januar 2020 angesprochenen Themenfeldern (etwa Ernährung, Hygiene, Sprachkurse) ihre Arbeit in hier beachtlicher Weise eingestellt haben. Gegenteiliges zeigen auch die Kläger nicht auf. Der Verweis der Kläger darauf, dass das erkennende Gericht auf veraltete Erkenntnisse rekurriere, verfängt nicht, da gerade keine Umstände ersichtlich sind, die nach Maßgabe der obigen Ausführungen eine fortdauernde Aktualität in Frage stellen. Die Situation in Ungarn ist auch nicht durch einen so hohen Grad an Volatilität gekennzeichnet, dass etwa ihre ständige anlasslose Überprüfung und Neubewertung geboten ist. Im Übrigen – und vor Allem - ist es gerade im Gegenteil Sache der Kläger, hinreichend aktualisierte Angaben zu machen, die den Grundsatz gegenseitigen Vertrauens erschüttern.
Aber selbst wenn man unterstellt, dass die Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, für eine unmittelbare Anschlussversorgung rückkehrender Schutzberechtigter zu sorgen und diesen deshalb ernsthaft eine Verletzung der Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht, ergibt sich nichts den Klägern Günstigeres. Denn dann wäre - und zwar unter dem Blickwinkel eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses – schon deren Abschiebung unzulässig, was nach der Kompetenzverteilung im Asylsystem von der zuständigen Ausländerbehörde zu berücksichtigen und mithin nicht Gegenstand des vorliegenden Asylrechtsstreits ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1999 – 9 C 12.99 – juris, Rn. 14). Der inlandbezogene Bezug endet nämlich nicht bereits mit der Ankunft des Betroffenen im Zielstaat, sondern vielmehr erst nach Übergabe der Betroffenen an die dortigen Behörden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 – juris). Dabei liegt es der Ausländerbehörde ob, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann. Sie kann zeitlich bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung im Zielstaat fortdauern (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. November 2015 – OVG 12 S 63.15 -). Beispielhaft kommt dieser Gedanke auch in § 58a Abs. 1a AufenthG zum Ausdruck, wonach sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers die Behörde zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Gerade für – wie hier – andere schutzbedürftige Personengruppen kann nichts anderes gelten. Da aber in Ungarn einreisende Schutzberechtigte (über die bloße Einreisegestattung hinaus) nicht von den dortigen Behörden in Empfang genommen werden (vgl. hierzu Liaisonbeamter a.a.O., Antwort 3), sondern diese Aufgabe de facto von Nichtregierungsorganisationen übernommen wird, endet die Verantwortung der Ausländerbehörde unter dem Gesichtspunkt eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses auch erst dann, wenn der Ausländer an eine versorgungsbereite und –fähige Nichtregierungsorganisation übergeben wurde. Erkenntnisse dazu, dass die Nichtregierungsorganisationen ihnen solchermaßen überantwortete Schutzberechtigte in eine Situation extremer Armut bzw. menschenunwürdiger Verelendung wieder entlassen haben, fehlen. Solches liegt auch fern.
Dass Ungarn – wie die Kläger geltend machen - für Personen im Rückführungsverfahren keine Nahrungsmittel an der Grenze zur Verfügung stellen und Drittstaatenangehörige mit längerer Aufenthaltsberechtigung vom Veterinärberuf ausschließen mag, ist für die Lebenssituation konkret der Kläger ohne Belang. Gleiches gilt für den Vortrag der Kläger, dass in Ungarn Obdachlosigkeit kriminalisiert werde, wobei auch schon nicht erkennbar ist, dass diese Kriminalisierung mit einem Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta einhergeht. Dass die Kläger auf – etwa nur mit Schwierigkeiten zu erlangende – Sozialwohnungen angewiesen sind, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Die von den Klägern gerügte fehlende tatsächliche Inländergleichbehandlung verbleibt im Vagen. Um Konkret welche Lebensbereiche es geht, tragen die Kläger nicht vor. Vor diesem Hintergrund kann insbesondere kein Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta angenommen werden.
Die individuellen Vorerlebnisse der Kläger in Ungarn, die Übrigens in der geschilderten Vagheit auch schon in der Sache keinen Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta erkennen lassen, betreffen die Zeit während der noch laufenden Asylverfahren. Sie bieten damit keinen Anhalt für die Lebensverhältnisse nach der Gewährung internationalen Schutzes. Im Übrigen kommt individuellen Vorerlebnissen – wie bereits ausgeführt – keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Den Kläger droht auch nicht die ernsthafte Gefahr eines gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta verstoßenden Refoulements in ihren Heimatstaat. Insbesondere ist entgegen ihrer Auffassung nicht ernsthaft zu besorgen, dass ihnen die ungarischen Behörden ihren Schutzstatus unrechtmäßig wieder entziehen werden, zumal die Kläger auch schon darauf zu verweisen sind, gegen eine - unterstellte - unrechtmäßige Entziehung ihrer Schutzanerkennung Rechtsschutz vor den ungarischen Gerichten zu suchen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 17. März 2016 – C-695/15 – Rn. 62 für Rechtsschutz gegen Überstellung an ein als sicherer Drittstaat eingestuftes Land; EuGH, Urteil vom 05. April 2016 – C-404/15 und C-659/15 PPU, C-404/15, C-659/15 PPU – Rn. 103 für Rechtsschutz gegen Überstellung auf Grund Haftbefehls). Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest (a.a.O., Frage 8) geht ausdrücklich davon aus, dass in Ungarn Widerruf oder Rücknahme stattgebender Bescheide nur selten ausgesprochen werden. Von den 338 Überprüfungsfällen, die das ungarische Amt für Einwanderung seit Juli 2016 durchgeführt hat, war der Großteil negativ, d.h. lediglich in 86 Fällen kam es zu einem Widerruf bzw. zur Beibehaltung des ursprünglich negativen Bescheides (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O.). In den übrigen 252 Fällen wurden Anerkennungen ausgesprochen bzw. stattgebende Bescheide aufrechterhalten. Diese Werte lassen insbesondere nicht erkennen, dass Schutzzuerkennungen in Ungarn etwa systemisch wieder aufgehoben werden oder die ungarischen Behörden in signifikanter Weise zu Lasten der Betroffenen entscheiden. Objektive, zuverlässige, genaue und hinreichend aktualisierte Angaben, die demgegenüber eine rechtswidrige Überprüfungspraxis belegen oder auch nur ernstliche Zweifel an einem rechtskonformen Überprüfungsverfahren wecken, fehlen. Sie werden auch von den Klägern nicht mit ihrem gänzlich spekulativen Ansatz aufgezeigt, dass ihnen die Schutzzuerkennung wegen ihres Aufenthalts in Deutschland wieder entzogen werden könnte.
Die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen die Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht der Klägerin zu 2. auch nicht mit Blick auf die geltend gemachten Erkrankungen, selbst wenn man die Erkrankungen – wie erörtert – trotz des Fehlens tragfähiger ärztlicher Atteste als vorhanden unterstellt. Erkrankungen sind unter dem Blickwinkel des Art. 4 EU-GR-Charta zwar relevant, wenn der Betroffene an einer besonders schweren psychischen oder physischen Beeinträchtigung leidet und seine Abschiebung mit der tatsächlichen erwiesenen Gefahr einer wesentlichen und unumkehrbaren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verbunden wäre (EuGH, Urteil vom 24. April 2018 – C-353/16 -). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist aufgrund des nicht widerlegten Grundsatzes gegenseitigen Vertrauens davon auszugehen, dass die Klägerin in Ungarn Zugang zu medizinischer Versorgung hat und diese Versorgung insbesondere auch angemessen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017, C-578/16 PPU -, Rn. 70). Gegenteiliges behaupten auch die Kläger nicht.
Erweist sich nach alledem das Unzulässigkeitsverdikt als rechtmäßig, gilt Anderes auch nicht für die Verneinung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Weder sind im Rahmen der Abschiebungsverbote Aspekte zu berücksichtigen, die nicht bereits Gegenstand der Erörterung zur Unzulässigkeit der Asylanträge waren noch ergeben sich andere Wertungen.
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 35 AsylG. Dass die Beklagte die Frist zur freiwilligen Ausreise rechtswidrig zu lang bemessen hat, belastet die Kläger nicht (BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 – 1 C 51.18 – juris, Rn. 21).
Das konkludent mit der Befristungsentscheidung ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot beruht auf § 11 Abs. 1 AufenthG. Die festgelegte Fristlänge ist nicht zu beanstanden. Auch die Kläger erheben insoweit keine Einwendungen. Den Umstand, dass die Kläger zu 1. und 2. Verwandtschaft zweiten Grades in Deutschland haben, hat die Beklagte berücksichtigt und in nicht zu beanstandender Weise (keine Kernfamilie) gewürdigt.
Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage ist unbegründet, da Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.