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Altersversorgung der technischen Intelligenz; Zugehörigkeitszeiten; betriebliche Voraussetzung; Verband der Konsumgenossenschaften der DDR


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 07.09.2011
Aktenzeichen L 16 R 1070/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 5 Abs 1 AAÜG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 20. April 1964 bis zum 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1939 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1960 bis 31. August 1963 an der Ingenieurschule für Lebensmittelindustrie D ein Studium und erwarb das Recht zur Führung des Titels „Ingenieur für Lebensmittelindustrie“ (Urkunde vom 26. Juli 1963). Vom 1. September 1963 bis zum 18. April 1964 war er als technischer Leiter einer Großbäckerei der Konsumgenossenschaft D und vom 20. April 1964 bis zum 31. Oktober 1990 als Gruppenleiter und Abteilungsleiter Forschung/Technik (Bereich Produktion) beim Verband Deutscher Konsumgenossenschaften eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht (seit 1972: Verband der Konsumgenossenschaften der DDR, VdK) beschäftigt. Eine Versorgungszusage erhielt der Kläger nicht; der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung war er zum 1. Februar 1978 beigetreten.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG mit der Begründung ab, dem Kläger sei eine Versorgungszusage nicht erteilt worden und er habe keine Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug der Kläger unter anderem vor, „Handel und Industrie“ des VdK seien vollständig in die sozialistische Wirtschaftsorganisation integriert gewesen, die Entwicklung der Konsumgenossenschaften habe der Steuerung der Staatlichen Plankommission der DDR unterlegen. Der „Handel“ sei der volkseigenen Handelsorganisation (HO), die Industriekombinate seien den entsprechenden volkseigenen Kombinaten gleichgestellt gewesen. Das genossenschaftliche Eigentum sei wie Volkseigentum behandelt worden. Es habe entsprechend „die gleichen Ansprüche an die bestehenden Zusatzversorgungssystemen der DDR“ gegeben, was sich insbesondere aus der auf der Grundlage eines Beschlusses des Ministerrates der DDR vom 21. Juni 1972 ergangenen „Richtlinie zum Abschluss von Altersversorgungen der Intelligenz“ vom 26. Juli 1971 und einer - gerade auch im Bereich des VdK befolgten - Weisung des Staatssekretariats für Arbeit und Löhne vom 11. Oktober 1972 zur sofortigen Umsetzung dieser Richtlinie ergebe. Mit Feststellungsbescheid vom 1. September 1999 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1963 bis zum 18. April 1964 als nachgewiesene Zeiten der AVTI fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Der „Konsum der DDR“ sei wie die HO und andere Hauptverwaltungen in das Zusatzversorgungssystem AVTI eingeordnet gewesen und deshalb mit den Produktionskombinaten der volkseigenen Industrie gleichgesetzt worden. Der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang mit dem Rechtsbegriff „Hauptverwaltungen und Ministerien“ den entsprechenden Rahmen geschaffen. Die konsumgenossenschaftliche Industrie und der Bereich des VdK seien vertikal stark verzahnt gewesen, auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik habe der VdK sogar über die besseren Durchgriffsmöglichkeiten als die übergeordneten Organe der volkseigenen Industrie verfügt. Jedenfalls was die Altersversorgung der Mitarbeiter angehe, seien die konsumgenossenschaftliche und die volkseigene Industrie von Anfang an gleich behandelt worden. Dies folge zwingend auch aus der genannten Richtlinie des Ministerrates vom 21. Juni 1972. Das AAÜG, das diesen Beschluss nicht außer Kraft gesetzt habe, sei gerade beschlossen worden, um Ungerechtigkeiten der Altersvorsorge der DDR-Bevölkerung zu mildern. Dem Geist des AAÜG entsprechend seien deshalb die geschaffenen neuen Möglichkeiten auszuschöpfen, anstelle erneut auszugrenzen. In diesem Zusammenhang ignoriere die Beklagte auch, dass der VdK vorschlagberechtigtes Unternehmen gewesen sei, entsprechende Verträge existiert hätten und „Intelligenzrenten“ an begünstigte Arbeitnehmer (etwa 10 bis 20 Prozent der leitenden Mitarbeiter des VdK) ausgezahlt worden seien. Es sei ferner nicht nachzuvollziehen, wieso die Zeit seiner Tätigkeit als technischer Leiter in einem Konsumbetrieb festgestellt, nicht aber die Zeit der Tätigkeit als fachlicher Vorgesetzter seiner ehemaligen Planstelle anerkannt worden sei.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Klage mit Urteil vom 15. September 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 und 2 AAÜG gegen die Beklagte auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 zum AAÜG und des dabei erzielten tatsächlichen Verdienstes. Er werde vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 habe der Kläger weder einen Anspruch auf Versorgung noch eine Versorgungsanwartschaft gehabt. Er habe auch keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung auf Grund verfassungskonformer Erweiterung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Es könne dahinstehen, ob der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu folgen sei, dass zwecks Vermeidung eines Wertungswiderspruches auch diejenigen Personen, die am maßgeblichen Tag zur Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der bundesrechtlichen Rechtslage zum 1. August 1991 einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt hätten, in die Zusatzversorgung einzubeziehen gewesen seien. Denn auch unter Berücksichtigung dieses Maßstabes habe der Kläger keine Anwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG erworben. Bei dem VdK, bei dem der Kläger am 30. Juni 1990 beschäftigt gewesen sei, habe es sich nicht um einen volkseigenen Betrieb im Sinne der hier einzig in Frage kommenden Verordnung über die zusätzliche Alterversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen Betrieben und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 7. August 1950 (AVTI-VO) in Verbindung mit der 2. Durchführungsbestimmung zur AVTI vom 24. Mai 1951 (2. DB) gehandelt. Das Merkmal „volkseigen“ beschränke den Anwendungsbereich der AVTI nämlich auf Betriebe, die im gesamtgesellschaftlichen Volkseigentum gestanden hätten. Dass der VdK am 30. Juni 1990 nicht im Volkseigentum gestanden habe, sondern in den genossenschaftlichen Bereich eingebunden gewesen sei, folge eindeutig aus dessen Eintragung in das Genossenschaftsregister. Der VdK sei die Spitzenorganisation der Konsumgenossenschaften der DDR gewesen. Er sei auch nicht einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellt gewesen. Aus der hierzu allein maßgeblichen Gleichstellungsvorschrift des § 1 Abs. 2 der 2. DB ergäben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Der VdK sei weder eine Vereinigung volkseigener Betriebe noch eine (staatliche) Hauptverwaltung gewesen. Es komme bei der Auslegung der DB weder auf die praktische Handhabung der Versorgungsordnung durch die DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an. Dementsprechend sei es unerheblich, ob der VdK nach den tatsächlichen Verhältnissen in der DDR vor dem 30. Juni 1990 tatsächlich wie ein volkseigener Betrieb behandelt worden sei und sogar bessere Möglichkeiten des Durchgriffs auf die ihm faktisch zugeordneten Betriebe der einzelnen Konsumgenossenschaften der DDR gehabt habe. Aus dem Schreiben des Staatssekretärs für Arbeit und Löhne vom 11. Oktober 1972 und der diesem Schreiben beigefügten, nicht veröffentlichten Richtlinie zum Abschluss von Altersversorgung der Intelligenz vom 26. Juli 1972 folge nichts anderes. Denn soweit in der DDR abstrakt-generelle Maßstäbe für eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem publiziert worden seien, komme es bundesrechtlich auf nicht veröffentlichtes Material nicht an. Darüber hinaus gehe aus der Richtlinie noch nicht einmal hervor, dass konsumgenossenschaftliche Betriebe den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt seien. Aber auch soweit dem Anschreiben des Staatssekretariats an den VdK mit der Anweisung, nach der Richtlinie zu verfahren, zu entnehmen wäre, Einbeziehungen in die AVTI seien nach der Praxis der DDR auch für Mitarbeiter einer Genossenschaft für möglich erachtet worden, komme es bundesrechtlich darauf nicht an, weil maßgeblich die veröffentlichten Versorgungsvorschriften seien, zu denen das Schreiben insoweit im Widerspruch stünde. Insoweit könne dahin stehen, inwieweit es zu den vom Kläger erwähnten Versorgungszusagen an leitende Mitarbeiter des VdK gekommen sei. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung des Klägers insoweit bestehe schon deshalb nicht, weil die seinerzeit auf Vorschlag des Präsidenten des VdK zu treffende Ermessensentscheidung heute nicht mehr nachzuholen sei. Zuletzt könne dahinstehen, ob die Beklagte die vom Kläger bis April 1964 zurückgelegte Zeit nach dem oben Gesagten zu Recht festgestellt habe. Der entsprechende Feststellungsbescheid binde die Beklagte jedenfalls nicht wegen der hier streitigen Zeit.

Mit der Berufung trägt der Kläger ergänzend vor: Der VdK sei als zahlendes rechtmäßiges Mitglied des Zusatzversorgungssystems AVTI anerkannt gewesen. Anlage 1 des AAÜG führe die AVTI ohne Einschränkung der in der DDR bereits festgelegten Nutzerunternehmen (volkseigene und gleichgestellte Betriebe) auf. Ein Ausschluss des VdK aus dem Kreis der Versicherten für die zusätzliche Altersversorgung hätte das BSG in seiner Rechtssprechung formuliert, wenn es das gewollt hätte. Mit der Auszahlung der Zusatzrenten durch die Deutsche Rentenversicherung an ca. 30 Beschäftigte des VdK sei eine rechtliche Anerkennung vorgenommen worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Cottbus vom 15. September 2010 sowie unter Änderung des Bescheides vom 13. Juli 1999 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 1. September 1999 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1999 zu verpflichten, den Zeitraum vom 20. April 1964 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die für diese Zeit nachgewiesenen Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die Tatsache, das möglicherweise verschiedene andere Mitarbeiter des streitgegenständlichen Betriebes Urkunden über eine zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erhalten hätten, sei unbeachtlich. Der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten der gleichen Sachverhalte willkürlich ungleich gegenüber einer Gruppen anderer Normadressaten gehandelt worden sei. Ein unterschiedlicher Sachverhalt sei jedoch bereits darin zu sehen, dass der Kläger im Unterschied zu dem genannten Personenkreis eine Urkunde über eine zusätzliche Altersversorgung nicht besitze. Soweit dem Kläger möglicherweise eine solche Urkunde in der DDR gleichhaltswidrig vorenthalten worden sei, sei ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG mangels Anwendbarkeit dieser Norm auf Akte der DDR-Staatsgewalt nicht festzustellen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Zusatzversorgungsträgers sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Klage ist weiterhin als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig (siehe dazu BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 7/06 R -). Ein – gegebenenfalls zu Unzulässigkeit der Klage führendes – gerichtliches Rentenstreitverfahren gegen die Beklagte als Rentenversicherungsträger ist nicht anhängig.

Die Klage ist indes nicht begründet.

Der Kläger hat keinen durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. mit Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie gegebenenfalls der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG in dem in Rede stehenden Zeitraum.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung von Tatbeständen gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten vom 20. April 1964 bis 30. Juni 1990 ist § 5 Abs. 1 AAÜG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt. Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur AVTI in der Zeit vom 20. April 1964 bis 30. Juni 1990 liegen nicht vor, und zwar unabhängig davon, ob die Vorschriften des AAÜG überhaupt auf den Kläger Anwendung finden. Dem Kläger war nämlich in der DDR weder eine Versorgungszusage erteilt worden, noch hat die Beklagte in dem angefochtenen Feststellungsbescheid vom 1. September 1999 eine positive Statusentscheidung über die Anwendbarkeit des AAÜG getroffen. Aus der bloßen Anwendung der Vorschriften des AAÜG kann auf eine derartige eigenständige Feststellung nicht geschlossen werden (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 10; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Denn der Bescheid enthält weder einen feststellenden Entscheidungssatz iSv § 31 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) noch lässt sich ihm unzweifelhaft entnehmen, dass der Kläger zum 1. August 1991 Ansprüche oder Anwartschaften auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben hatte oder eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG fingiert wird.

Bei dem Kläger liegen auch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer „fiktiven“ Versorgungszusage in erweiternder Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG nach dem bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht vor. Nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden Versorgungssystem der AVTI liegt eine Zeit der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem nur vor, wenn der Kläger 1. die Berechtigung hatte, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung; vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 40 und Nr. 8 S. 74; Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R – juris). Dabei sind die jeweiligen Versorgungsordnungen iVm den einschlägigen Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen, sie ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen lediglich faktische Anknüpfungspunkte dafür, ob in der DDR nach dem Stand der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 (vgl. § 5 Abs. 2 AAÜG) eine Beschäftigung ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war. Es kommt insoweit weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –, juris).

Mit seiner Beschäftigung in der Zeit vom 20. April 1964 bis 30. Juni 1990 erfüllte der Kläger jedenfalls nicht betriebliche Voraussetzung für eine Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI. Denn er war am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt, sondern bei einer eingetragenen Genossenschaft.

Nach § 11 Abs. 2 und § 18 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches vom 19. Juni 1975 (GBl. I S. 465) unterschied der Gesetzgeber der DDR zwischen volkseigenen Betrieben und Genossenschaften, die auf der Grundlage von Statuten gemeinschaftlich zu bewirtschaftendes Eigentum bildeten. Insoweit fehlt es bei Genossenschaften schon an dem Merkmal „volkseigen“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB. Damit wurden genossenschaftliche Organisationen volkseigenen Betrieben gerade nicht gleich-, sondern gegenübergestellt. Der Anwendungsbereich der AVTI-VO im Sinne der fingierten Anwartschaft nach der Rechtsprechung des BSG beschränkt sich auf Betriebe, die auf Basis des gesamtgesellschaftlichen Volkseigentums gearbeitet haben. Ausgeschlossen sind damit nicht nur Betriebe, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sondern auch solche, für die die beiden anderen Formen sozialistischen Eigentums kennzeichnend waren, nämlich das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R-). Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet dies nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 203/05 - ). Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des BSG und des erkennenden Senats ist für das Sprachverständnis der Texte der maßgeblichen Versorgungsordnungen rückschauend auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 abzustellen.

Ohne Bedeutung ist, wenn der Kläger ausführt, die Konsumgenossenschaften seien als gleichgestellte Betriebe angesehen worden. Denn § 1 Abs. 2 der 2. DB führt nur bestimmte Arten von Einrichtungen und Institutionen auf und stellt diese ausdrücklich den volkseigenen Produktionsbetrieben gleich. Konsumgenossenschaften sind in dieser Vorschrift gerade nicht erwähnt. Der VdK zählte insbesondere nicht zu den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellten „Hauptverwaltungen“. Bei den Hauptverwaltungen nach § 1 Abs. 2 der 2. DB handelte es sich um wirtschaftsleitende staatliche Organe der DDR (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R -, juris).

Da es aus bundesrechtlicher Sicht bei der Auslegung dieser Durchführungsbestimmung nicht auf die praktische Handhabung der Versorgungsordnung durch die DDR ankommt, ist es dem Gericht auch verwehrt, über den Rahmen der 2. DB hinaus weitere Fallgruppen zu entwickeln. Für die versorgungsrechtliche Gleichstellung unter Geltung des Bundesrechts ist allein die Auflistung in § 1 Abs. 2 2. DB maßgeblich.

Auch soweit sich der Kläger auf das Schreiben des Staatssekretariats für Arbeit und Löhne an den VdK vom 11. Oktober 1972 beruft, in dem um Anwendung der Richtlinie über die Altersversorgung der Intelligenz vom 26. Juli 1972 gebeten wurde, verfängt dies im vorliegenden Zusammenhang nicht. Abgesehen davon, dass dieser offenbar amtlich nie veröffentlichten Verlautbarung ehemaliger DDR-Behörden keine tatsächliche, schon gar keine rechtliche Bindungswirkung zukommt (vgl. BSG, Urteil 30. Juni 1998 – B 4 RA 11/98 R -, juris), gehört der Kläger ersichtlich nicht zum danach obligatorisch einzubeziehenden Personenkreis und im Übrigen wurden durch diese Richtlinie allein Ermessensentscheidungen ermöglicht, die heute jedoch nicht mehr nachgeholt werden können.

Im Übrigen ist die so genannte betriebliche Voraussetzung vorliegend auch deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger zuletzt nicht in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des fordistischen Modells, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen beruhte (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R-), tätig war, sondern im Bereich der Konsumgüterwirtschaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.