Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 17.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 U 148/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2009 in der Fassung des undatierten Tatbestandsberichtigungsbeschlusses teilweise und das Ergänzungsurteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Januar 2010 insgesamt abgeändert und der Tenor insgesamt unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam von D…, Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 für die Beklagte eingetragenen Grundschuld im Nennwert von 5.112.918,81 € zu erteilen.
Die 1. Hilfswiderklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.000.000,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 1.022.583,76 €
I.
Die Klägerin firmierte vormals unter „T… GmbH …“ (im Folgenden: T… GmbH) und ist Eigentümerin des im Grundbuch von D… Bl. 1479 eingetragenen Grundstücks Flurstück 2/1 der Flur 2. Sie begehrt von der beklagten Limited (vormals P… Limited) die Zustimmung zur Löschung einer für diese eingetragenen Grundschuld im Nennwert von 5.112.918,81 €.
In Abt. III des Grundbuchs ist unter lfd. Nr. 3 am 3. Mai 1994 unter Bezug auf eine Bewilligung vom 11. März 1994 eine Eigentümergrundschuld über 10.000.000,00 DM mit 15% Jahreszinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 10% als Buchgrundschuld eingetragen worden. Am 13. Juli 1994 wurde im Grundbuch eingetragen, dass u. a. diese Grundschuld seit dem 20. Mai 1994 an die LO… Beteiligungsgesellschaft … mbH (im Folgenden: LO… GmbH) abgetreten ist. Die LO… GmbH war seinerzeit Alleingesellschafterin der Klägerin (damals noch T… GmbH). Aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 27. August 1997 wurde die S… GmbH in K… (im Folgenden: S… GmbH) Rechtsnachfolgerin der LO… GmbH. Diese trat die Grundschuld an die Beklagte, damals noch firmierend als P… Limited, mit Abtretungsvertrag vom 29. April 2008 ab. Am 1. August 2008 wurde der DM-Betrag der Grundschuld im Grundbuch auf 5.112.918,81 € umgestellt. Am gleichen Tag wurde die Abtretung der Grundschuld mit Nebenleistung und Zinsen seit dem 3. Mai 1994 an die P… Limited eingetragen. Unter lfd. Nr. 1 und 2 der Abt. III sind weitere Grundschulden zu Gunsten Dritter über jeweils ebenfalls (umgestellt) 5.112.918,81 € eingetragen.
Mit vorprozessualen Schreiben, zuletzt vom 31. Juli 2008, hatte die T… GmbH zunächst die S… GmbH zur Abgabe einer Löschungsbewilligung bezüglich der zugunsten der LO… GmbH eingetragenen Grundschuld aufgefordert, da der mit der Grundschuld ursprünglich verfolgte Sicherungszweck weggefallen sei. Hierzu teilte sie mit, es habe in den Jahren 1992 bis 1996 tiefgreifende Auseinandersetzungen zwischen ihr, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben sowie der …bank AG gegeben. Um ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten, habe die T… GmbH je zwei Grundschulden im Gleichrang über je 10 Millionen DM eintragen lassen. Aus verhandlungstaktischen Gründen seien diese Grundschulden am 20. Mai 1994 an die Alleingesellschafterin, die LO… GmbH, abgetreten worden. Die bei der LO… verbliebene Grundschuld zu 10 Millionen DM habe allein den Zweck gehabt, Sicherheiten an brauchbarer Stelle aufrecht zu erhalten, damit die Gesellschaft auch für die weitere Zukunft die notwendigen Kreditmittel besichern könne.
Die Klägerin hat zum Hintergrund der Grundschuldbestellung (Eigentümergrundschuld) sowie Abtretung an die LO… GmbH vorgetragen, ursprünglich sei vorgesehen gewesen, dass die LO… GmbH ihr zur Durchführung von Investitionen ein Darlehen über 10.600.000,00 DM gewährt. Es hätten Verpflichtungen gegenüber der Treuhandanstalt zu Investitionen bestanden; zur Sicherheit habe eine Grundschuld am Grundstück der Klägerin bestellt werden sollen. Ob der Darlehensvertrag von der Darlehensgeberin unterzeichnet wurde, wisse sie nicht sicher, jedenfalls sei das Darlehen nicht ausgereicht worden. Der Sicherungszweck sei mangels Darlehensgewährung nicht entstanden. Es sei auszuschließen, dass eine Darlehensgewährung noch erfolge, zumal der Vertrag gemäß § 2 eine Laufzeit bis 1998 vorgesehen habe.
Es sei kein redlicher Zweck der Grundschuldabtretung an die Beklagte erkennbar, die offensichtlich kollusiv mit der S… GmbH zusammengewirkt und die Grundschuld damit nicht gutgläubig einredefrei erworben habe. Die Beklagte habe nach eigenem Bekunden gewusst, dass die Grundschuld „frei“ war und habe damit die Nichtvalutierung gekannt. Der Zeuge M… habe gegenüber dem Zeugen S… bei dem Gespräch im Jahr 1997 die Hintergründe der Grundschuld erklärt. Angesichts des Nennwertes der Grundschuld habe die Erwerberin, die die Grundschuld (zunächst) ohne Gegenleistung erworben habe, redlicherweise nicht von der Valutierung der Grundschuld ausgehen können. Es sei zudem ungewöhnlich, dass die Gegenleistung für die Abtretung einer Grundschuld in einer „Provision“ bestehen sollte. Es sei auch nicht glaubhaft, dass der Zeuge S… sich als Geschäftsführer der S… GmbH für eine Grundschuld im Nennwert von 10.000.000,00 DM nicht weiter interessiert habe. Auffällig sei ferner, dass die Beklagte unmittelbar vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes auf Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch gedrängt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von D… (Amtsgericht Potsdam), Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 für die Beklagte eingetragenen Grundschuld im Nennwert von 5.112.918,81 € zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
ferner für den Fall der Klageabweisung
1. festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten nicht entgegenhalten kann, der im Grundbuch von D… (Amtsgericht Potsdam), Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld im Nennbetrag von 10.000.000,00 DM nebst eingetragener Zinsen und eingetragener Nebenleistung läge eine zu sichernde Forderung nicht zugrunde,
2. festzustellen, dass die Beklagte Inhaberin der im Grundbuch von D… (Amtsgericht Potsdam), Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 eingetragenen Grundschuld im Nennbetrag von 10.000.000,00 DM nebst eingetragener Zinsen und eingetragener Nebenleistung ist.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklagen abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, Hintergrund für den Erwerb der Grundschuld sei der starke Wachstumsprozess der Beklagten gewesen, für dessen Finanzierung sie Kredite benötigt habe, hierfür seien Sicherheiten erforderlich gewesen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass es nie zur Gewährung eines Darlehens über 10.600.000 DM zwischen der Klägerin und der LO… GmbH kam. Sie habe keine Kenntnis von Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der S… GmbH hinsichtlich der Grundschuld gehabt. Von der S… GmbH sei ihr mitgeteilt worden, dass die Grundschuld ihr zustehe und „frei“ sei und daher als Darlehensgrundlage zur Verfügung stehe. Auf Rückfrage sei ihr erläutert worden, dass die S… GmbH seit vielen Jahren rechtmäßige Inhaberin sei und über die Grundschuld „frei verfügen“ dürfe. Eine Gegenleistung für die Grundschuld sei an die S… GmbH noch nicht zu leisten gewesen, weil zunächst nicht sicher gewesen sei, ob die nachrangige und weder vollstreckbare noch titulierte Grundschuld durch die Beklagte für Finanzierungszwecke eingesetzt werden konnte. Bevor diese Frage habe geklärt werden können, sei das Löschungsbegehren der Klägerin bekannt geworden. Die Behauptung einer Sicherungsgrundschuld durch die Klägerin sei unschlüssig, jedenfalls sei dies weder der Beklagten noch dem Zeugen S… bekannt. Die Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in den angefochtenen Entscheidungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S… zum Hintergrund der Grundschuldabtretung an die Beklagte. Mit Urteil vom 15. September 2009 hat das Landgericht die Klage und den 2. Hilfswiderklageantrag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Löschung der in Rede stehenden Grundschuld, da das Grundbuch nicht unrichtig sei. Die Beklagte habe die Grundschuld gutgläubig und einredefrei erworben, da ihr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beim Erwerb der Grundschuld weder deren Sicherungscharakter noch die behauptete Nichtvalutierung bekannt gewesen sei. Für die Widerklage, gerichtet auf Feststellung der Inhaberschaft der streitgegenständlichen Grundschuld, fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, da bereits mit dem abgewiesenen Löschungsbegehren der Klägerin die Inhaberschaft der Grundschuld geklärt sei.
Mit Ergänzungsurteil vom 22. Januar 2010 hat das Landgericht auf den 1. Hilfswiderklageantrag der Beklagten festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten nicht entgegenhalten könne, der zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld läge eine zu sichernde Forderung nicht zugrunde. Die Klägerin berühme sich eines Löschungsanspruchs, mit dem die Sicherungsgrundschuld entwertet würde. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass das Grundbuch bezüglich der Eintragung zugunsten der Beklagten unrichtig sei. Die Klage sei insoweit schon unschlüssig, als die Klägerin nicht zweifelsfrei mitteilen könne, dass der Darlehensvertrag überhaupt abgeschlossen wurde und die Darlehensvaluta nicht geflossen sei. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum der Beklagten die Rechte an der eingetragenen Grundschuld nicht zustehen sollten.
Gegen diese Entscheidungen wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren wechselseitigen Berufungen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.
Die Klägerin rügt Rechtsfehler sowie die Tatsachenfeststellung durch das Landgericht. Das Landgericht habe im Urteil vom 15. September 2009 zu Unrecht angenommen, dass der Anspruch eine Unrichtigkeit des Grundbuchs voraussetze. Soweit das Landgericht nach Beweisaufnahme einen gutgläubigen Erwerb der Grundschuld durch die Beklagte angenommen habe, habe es die Aussage des Zeugen S… nicht kritisch gewürdigt. Zudem habe das Landgericht Beweisangebote der Klägerin übergangen, indem es der Beklagten nicht die Vorlage der Abtretungsvereinbarung und näheren Vortrag zu den in diesem Zusammenhang getroffenen Vereinbarungen aufgegeben habe und den (damaligen) Geschäftsführer der Beklagten nicht als Partei vernommen habe. Die Transaktion zwischen der S… GmbH und der Beklagten sei im Hinblick auf das bevorstehende Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes beschleunigt durchgeführt worden.
Im Ergänzungsurteil vom 22. Januar 2010 habe das Landgericht für den 1. Hilfswiderklageantrag zu Unrecht ein Feststellungsinteresse angenommen. Die Beklagte müsse insoweit beweisen, dass die zu sichernde Forderung besteht, mithin der Darlehensvertrag geschlossen und die Darlehensvaluta ausgezahlt worden sei; insoweit fehle es bereits an Vortrag der Beklagten. Zudem sei der Antrag rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte damit ersichtlich den Zweck verfolge, bei Investoren die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in das Grundstück nachzuweisen, obgleich bekanntermaßen eine zu sichernde Forderung nicht bestehe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils vom 15. September 2009 zu verurteilen, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von D… (Amtsgericht Potsdam), Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 für die Beklagte eingetragenen Grundschuld im Nennwert von 5.112.918,81 € zu erteilen,
ferner das Ergänzungsurteil vom 22. Januar 2010 abzuändern und die Hilfswiderklage zu 1. abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils vom 15. September 2009 festzustellen, dass die Beklagte Inhaberin der im Grundbuch von D… (Amtsgericht Potsdam), Blatt 1479, Flur 12, Flurstück 2/1, in Abt. III, lfd. Nr. 3 verzeichneten Grundschuld im Nennbetrag von 10.000.000,00 DM nebst eingetragener Zinsen und eingetragener Nebenleistung ist,
ferner, die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile vom 15. September 2009 und vom 22. Januar 2010 zurückzuweisen.
Sie meint, das Landgericht habe bezüglich des Widerklageantrags zu 2. zu Unrecht ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung verneint, da die Urteilsbegründung nicht in Rechtskraft erwachse. Aus der Abweisung des Klageantrages folge nicht zwingend, dass sie Inhaberin der Grundschuld ist. Bei Vorgreiflichkeit einer Rechtsfrage sei zudem kein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 518 S. 2 ZPO zu verbindenden Berufungen der Klägerin und die Berufung der Beklagten sind zulässig. In der Sache hat nur das Rechtsmittel der Klägerin Erfolg.
A) Berufung der Klägerin
1. Die Berufung der Klägerin, mit der sie sich gegen die Abweisung der Klage im Urteil vom 15. September 2009 wendet, hat Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen durch Löschungsbewilligung (§ 876 S. 1 BGB) zu realisierenden bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Grundschuld (§§ 1192, 1183, 875 Abs. 1 BGB). Sie kann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt.2, § 818 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Bewilligung der Löschung der Grundschuld verlangen. Die grundbuchrechtliche Löschungsbewilligung, die mit der Rechtskraft des vorliegenden Urteils als abgegeben gilt (§ 894 Abs. 1 ZPO), enthält zugleich die materiellrechtliche Erklärung der Aufgabe des Rechts (§ 875 BGB).
a) Die LO… GmbH hat die streitgegenständliche Grundschuld im Jahr 1994 durch Leistung der Klägerin erlangt. Ein rechtlicher Grund hierfür besteht nicht mehr.
Der Senat ist auf der Grundlage des Vortrags der Parteien gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass ein Rechtsgrund für die Grundschuldbestellung nachträglich entfallen oder jedenfalls der mit der Grundschuldbestellung verfolgte Zweck endgültig nicht eingetreten ist. Andere Möglichkeiten kommen nach Auffassung des Senats bei Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens sowie des Ergebnisses der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht in Betracht, sie werden von der Beklagten auch nicht behauptet. Welche dieser denkbaren Alternativen vorliegt, kann unentschieden bleiben, da ein Rechtsgrund für die ursprüngliche Grundschuldbewilligung in jedem Fall nicht mehr besteht.
Entgegen der von der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 27. September 2011 vertretenen Auffassung ist in der Berufungsverhandlung nicht der Hinweis erteilt worden, dass Zweifel am Bestehen (irgend-)einer Einrede bestünden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift ist lediglich darauf hingewiesen worden, dass aufgrund des vorprozessualen Schreibens der Klägerin vom 31. Juli 2008 Zweifel am Bestehen einer Sicherungsgrundschuld bestehen könnten. Auch im Hinblick auf die nachfolgend protokollierten Hinweise zu möglichen Einreden der Klägerin hatte die Beklagte keine Veranlassung zu der Annahme, dass Einreden grundsätzlich verneint worden wären; eines erneuten Hinweises an die Beklagte bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
aa) Sofern es sich bei der Grundschuld um eine Sicherungsgrundschuld handelte, wäre diese mangels Valutierung zurückzugewähren. Bei einer Sicherungsgrundschuld ist Rechtsgrund der dinglichen Grundschuldbestellung der schuldrechtliche Sicherungsvertrag. Dieser begründet zwischen den Vertragspartnern ein Treuhandverhältnis. Der Sicherungsgeber hat einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld (BGH NJW-RR 1996, 234). Dieser Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld gibt dem Grundstückseigentümer gleichzeitig eine Einrede im Sinne der §§ 1192, 1169 BGB, durch welche die Geltendmachung der Grundschuld dauernd ausgeschlossen ist (BGH WM 1990, 305).
Die Klägerin hat zum Hintergrund der Grundschuldbestellung Bezug genommen auf den Text eines Darlehensvertrages vom 13. Mai 1994 mit der LO… GmbH als Darlehensgeberin. Danach „wird“ die T… GmbH von der LO… GmbH ein Darlehen über 10.600.000,00 DM erhalten, um Investitionen durchzuführen. Unter § 5 heißt es, die Darlehensnehmerin werde der Darlehensgeberin eine Grundschuld in Darlehenshöhe an vorderer Rangstelle bestellen.Mit einer Grundschuld können auch künftige Forderungen gesichert werden. Sofern die Grundschuldbestellung zu Gunsten der LO… GmbH - was die Beklagte bestreitet - im Hinblick auf die ausweislich des Vertragstextes vom 1. Mai 1994 jedenfalls in Aussicht genommene künftige Darlehensgewährung erfolgt sein sollte, würde die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts einen Rückübertragungsanspruch begründen.
Die Klägerin trägt vor, die im Vertragstext vom 13. Mai 1994 genannte Darlehenssumme zu keinem Zeitpunkt erhalten zu haben. Ob die Beklagte die unterbliebene Valutierung im Hinblick auf den ihr aufgrund der Zession insoweit gegenüber der LO… GmbH zustehenden Auskunftsanspruch zulässigerweise gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten kann, muss nicht entscheiden werden. Nach dem Inhalt der Verhandlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedenfalls zur Überzeugung des Senats fest, dass eine etwaige zu sichernde Forderung nicht mehr besteht. Den die Nichtvalutierung betreffenden Beweisangeboten der Klägerin war deshalb nicht nachzugehen.
Die Grundschuld ist zugunsten der LO… GmbH bereits im Jahr 1994 bestellt worden. Allein der Umstand, dass in dem seit der Bestellung vergangenen Zeitraum von über 17 Jahren die Rückforderung einer Darlehensvaluta nicht bekannt geworden ist, bildet ein starkes Indiz gegen das Bestehen einer durch die Grundschuld gesicherten offenen Forderung. Der Zeuge S… als ehemaliger Geschäftsführer der S… GmbH hat im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Landgericht bestätigt, dass mit der Grundschuld jahrelang - bis zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Beklagten - „nichts passiert“ war. Es widerspricht offenkundig der Lebenserfahrung, dass eine Forderung in der dem Nennbetrag der Grundschuld entsprechenden Größenordnung im Geschäftsverkehr über einen derart langen Zeitraum nicht geltend gemacht wird.
Zudem steht auf der Grundlage der Bekundungen des Zeugen S…, die die Beklagte sich jedenfalls konkludent zueigen gemacht hat, fest, dass eine etwaige Sicherungsgrundschuld bei Übertragung auf die Beklagten nicht (mehr) valutierte. Der Zeuge hat erklärt, er sei davon ausgegangen, dass die Grundschuld „frei“ sei, weil er in Bezug auf die Grundschuld, von deren Existenz er seit dem Jahr 1997 Kenntnis hatte, nichts anderes gehört habe. Er habe nie erfahren, dass der Grundschuld eine zu sichernde Forderung zugrunde lag. Dies steht in Übereinstimmung mit dem vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom 4. November 2008 (Anlage K 8), demzufolge der Zeuge S… ihr mitgeteilt hatte, „dass seit vielen Jahren kein Kredit in den Büchern steht“. Es kann unterstellt werden, dass der Zeuge als seinerzeit vertretungsberechtigtes Organ der S… GmbH pflichtgemäß Kenntnis von den Vermögensverhältnissen der von ihm vertretenen Gesellschaft hatte. Zu der Einschätzung, der Grundschuld liege eine zu sichernde Forderung nicht zugrunde, konnte der Zeuge demnach nur gelangt sein, weil sich aus den Geschäftsunterlagen eine entsprechende (gemäß § 42 Abs. 1 GmbH i.V.m. § 246 Abs. 1 HGB in der Bilanz auszuweisende) Forderung nicht ergab. An der Richtigkeit dieser Bewertung zu zweifeln besteht kein Anlass.
bb) Sofern die Grundschuldbestellung nicht der Forderungssicherung, sondern einem anderen Zweck gedient haben sollte, wäre der Sicherungszweck und damit der Rechtsgrund für ihre Bestellung zwischenzeitlich ebenfalls entfallen.
Ausweislich des vorprozessualen Schreibens der Klägerin vom 31. Juli 2008 an die S… GmbH hat diese die Abtretung der Grundschuld an ihre damalige Alleingesellschafterin, die LO… GmbH, mit verhandlungstaktischen Erwägungen begründet; die Grundschuld habe Sicherheiten an brauchbarer Stelle zur Besicherung künftig notwendiger Kreditmittel aufrechterhalten sollen. Die LO… GmbH ist unstreitig bereits im Jahr 1997 aus dem „Unternehmensverband“ mit der Klägerin ausgeschieden. Ungeachtet der Einzelheiten dieser der damaligen Alleingesellschafterin gewährten Sicherheit ist der damit verfolgte Zweck zwischenzeitlich entfallen. Mit dem Ausscheiden der ursprünglichen Zessionarin aus dem „Unternehmensverband“ mit der Klägerin hätte der Zweck, im Bedarfsfall Kreditmittel zu besichern, endgültig nicht mehr erreicht werden können. Gleiches gilt für den von der Beklagten vermuteten Fall, dass die Grundschuldbestellung ursprünglich einer gegenüber der Treuhandanstalt „vorzeigbaren“ Konstruktion gedient haben könnte. Auch in diesem Fall bestünde der Zweck der Grundschuldbestellung infolge Zeitablaufs und Umwandlung der ersten Zessionarin nicht mehr; ob mit der Bestellung bzw. Aufrechterhaltung der Grundschuld im Verhältnis zur Treuhandanstalt ursprünglich zu missbilligende Zwecke verfolgt wurden, ist für die Verpflichtung zur Rückübertragung wegen Wegfalls des angestrebten Zwecks unerheblich.
b) Die LO… GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die S… GmbH, war daher gegenüber der Klägerin zur Rückgewähr der rechtsgrundlos erhaltenen Grundschuld verpflichtet. Die sich aus diesem bereicherungsrechtlichen Anspruch ergebende Einrede kann die Klägerin der Beklagten gemäß §§ 1192, 1157 BGB entgegenhalten.
aa) Die Beklagte ist bei Erwerb der Grundschuld von der S… GmbH allerdings nicht aufgrund des Abtretungsvertrages in deren schuldrechtliche Verpflichtung zur Rückgewähr der Grundschuld aus dem Sicherungsvertrag bzw. bereicherungsrechtliche Rückübertragungsverpflichtung eingetreten. Die Abtretung einer Grundschuld enthält nicht die stillschweigende Vereinbarung einer Übernahme der Verbindlichkeit des Zedenten aus dem Sicherungsvertrag (BGH NJW 1985, 800). Eine entsprechende, außerhalb der Abtretungsvereinbarung vom 29. April 2008 getroffene ausdrückliche Vereinbarung ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
bb) Als Zessionarin muss sich die Beklage Einreden aus einem Sicherungsvertrag der Klägerin mit der LO… GmbH grundsätzlich auch nur entgegenhalten lassen, wenn sie bei Erwerb der Grundschuld bösgläubig war. Eine Einwendung oder Einrede, die dem Eigentümer aufgrund eines zwischen ihm und dem bisherigen Grundschuldgläubiger bestehenden Rechtsverhältnisses gegen die Grundschuld zusteht, kann - wie aus §§ 1192 Abs. 1,1157, 892 BGB folgt - nach Abtretung der Grundschuld dem neuen Grundschuldgläubiger nur dann entgegengesetzt werden, wenn die Einwendung oder Einrede im Zeitpunkt der Abtretung dem neuen Grundschuldgläubiger bekannt war oder aus dem Grundbuch ersichtlich gewesen ist. Andernfalls erwirbt der neue Gläubiger die Grundschuld einredefrei (BGH WM 2001, 453; WM 1972, 853). Zu diesen Einreden zählt vor allem der Einwand fehlender Valutierung der Grundschuld nach § 1169 BGB. Die Vorschrift des § 1192 Abs. 1a BGB ist auf den Streitfall nicht anzuwenden, da der Grundschulderwerb unstreitig vor dem 19. August 2008 dinglich wirksam geworden ist.
cc) Den von der Klägerin vorgetragenen auffälligen Umständen der Grundschuldabtretung an die Beklagte, die der Annahme eines gutgläubigen Erwerbs durch die Beklagte entgegenstehen könnten, war jedoch nicht nachzugehen. Auf einen gutgläubigen einredefreien Erwerb der Grundschuld durch die Beklagte kommt es nicht an. Die Beklagte ist nämlich ihrem eigenen Vortrag zufolge aus anderem Grund verpflichtet, die Grundschuld auf die S… GmbH zurückzuübertragen. Angesichts dieser ohnehin bestehenden Rückübertragungspflicht auf die im Verhältnis zur Klägerin ihrerseits rückübertragungspflichtige S… GmbH ist es der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB – dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) verwehrt, sich auf einen einredefreien Rechtserwerb zu berufen.
Der Aussage des Zeugen S… zufolge ist zwischen der S… GmbH und der Beklagten vereinbart worden, dass die abgetretene Grundschuld nicht endgültig bei der Beklagten verbleiben, diese vielmehr ausschließlich zur Sicherung einer bevorstehenden Finanzierung dienen sollte. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass die Grundschuld bei endgültigem Scheitern der Finanzierung bzw. bei Rückzahlung der durch die Grundschuld zu sichernden Forderung wieder an die S… GmbH zurückübertragen werden sollte. Die Beklagte selbst trägt vor, für die Anschubfinanzierung ihres Geschäftsbetriebs Sicherheiten benötigt zu haben; dem habe die Grundschuld dienen sollen. Sie habe sich bereits in konkreten Gesprächen mit einem Finanzinvestor befunden, der sein Engagement von der Stellung einer werthaltigen Sicherheit abhängig gemacht habe. Die Gespräche mit diesem Finanzinvestor seien aufgrund der Einrede der Klägerin gescheitert. Gegenüber dem Grundbuchamt Potsdam teilte sie mit am 7. August 2008 eingegangenem Schreiben mit, eine Finanzierung stehe „unmittelbar vor dem Abschluss“.
Bei dieser Sachlage ist die Beklagte vertraglich verpflichtet, die Grundschuld auf die Zedentin zurückzuübertragen. Das endgültige Scheitern ihrer Bemühungen, die Grundschuld zur Finanzierung zu nutzen, ergibt sich aus ihrem eigenen Vortrag, und ist darüber hinaus aus den Umständen evident. Die streitgegenständliche Grundschuld ist weder nach § 800 ZPO vollstreckbar noch gemäß §§ 1192, 1147 BGB tituliert; zudem gehen dem Grundpfandrecht zwei weitere Grundschulden zum gleichen Nennbetrag im Rang vor. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass die – auch auf Hinweis des Senats nicht näher präzisierten – Bemühungen der Beklagten, die Grundschuld als Finanzierungssicherheit zu verwenden, erfolglos bleiben mussten.
Soweit die Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 27. September 2011 hierzu vorträgt, eine Finanzierung über (andere) Kreditgeber sei keineswegs ausgeschlossen, zumal die fehlende Vollstreckbarkeit durch Titulierung ersetzt werden könne, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Die Beklagte hat bereits im Jahr 2008 vorgetragen, wegen eines gegenwärtig starken Wachstumsprozesses kurzfristig eine „Anschubfinanzierung“ ihres Geschäftsbetriebs benötigt zu haben; unter Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende Finanzierung hat sie gegenüber dem Grundbuchamt im August 2008 um beschleunigte Bearbeitung des Eintragungsantrages gebeten. Der Zeuge S… hat mitgeteilt, die S… GmbH habe die Grundschuld an die Beklagte abtreten sollen, deren Vertreter Se… mit einem Finanzierer habe sprechen wollen; die Hausbank der Beklagten habe nach seiner Erinnerung eine Finanzierungsmöglichkeit signalisiert. Es sei ferner vereinbart worden, dass die Grundschuld nur einmalig zur Finanzierung genutzt werden könne.
Bei dieser Sachlage steht fest, dass der Beklagten mittels der Grundschuldabtretung Gelegenheit gegeben werden sollte, einen damals aktuellen Finanzierungsbedarf abzusichern. Dass sie über das Recht entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz vom 27. September 2011 auch nach Scheitern der bereits laufenden Finanzierungsverhandlungen auf unabsehbare Zeit verfügen können sollte, lässt sich weder dem bisherigen Vorbringen der Beklagten entnehmen noch mit den Bekundungen des Zeugen S… in Übereinstimmung bringen, zumal eine Gegenleistung für die Übertragung der Grundschuld zunächst nicht geschuldet war. Nach den Bekundungen des Zeugen S… sollte erst nach erfolgter Finanzierung unter Verwertung der Grundschuld eine Provision in noch nicht näher bestimmter Höhe gezahlt werden.
c) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Es kann dahinstehen, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld gemäß § 902 Abs. 1 S. 1 BGB unverjährbar ist (vgl. LG Stralsund, Beschluss vom 17.02.2011, Az. 6 O 221/10, zitiert nach juris; MüKo-Kohler, BGB, 5. Aufl., § 902 Rn 6; Schäfer, Unverjährbarkeit des Anspruchs auf Rückgewähr der stehengelassenen Grundschuld nach Erledigung des Sicherungszwecks, WM 2009, 1308 ff).
Auch wenn die – andernfalls allein in Betracht kommende – 10-jährige Verjährungsfrist aus § 196 BGB einschlägig ist, ist der Anspruch noch nicht verjährt. Verjährung wäre gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB i.V.m. §§ 196, 200 S. 1 BGB erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 eingetreten, da die 30-jährige Regelverjährungsfrist alten Rechts (§ 195 BGB a.F.) bei Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes noch nicht abgelaufen war. Der Rückgewähranspruch ist frühestens am 13. Juli 1994 mit Eintragung der Abtretung der Grundschuld an die LO… GmbH i.S.v. § 200 S. 1 BGB entstanden.Die Verjährung ist damit jedenfalls durch Klageerhebung gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
2. Mit dem Ergänzungsurteil hat das Landgericht der 1. Hilfswiderklage stattgegeben. Da dieser Widerklageantrag nur für den Fall der Klageabweisung gestellt worden ist, fällt er infolge der Klagestattgabe in der Berufungsinstanz nicht mehr zur Entscheidung an.
B) Berufung der Beklagten
Mit ihrer Berufung richtet sich die Beklagte (zuletzt unbedingt) gegen die Abweisung ihres 2. Widerklageantrages, mit dem sie die Feststellung begehrt hat, Inhaberin der streitgegenständlichen Grundschuld zu sein.
Damit hat sie keinen Erfolg, weil diese Widerklage bereits unzulässig ist. Das Landgericht hat ein Feststellungsinteresses i.S.v. § 256 ZPO für die begehrte Feststellung im Ergebnis zur Recht verneint. Streitgegenstand einer Feststellungsklage kann nur ein Streit über ein Rechtsverhältnis (oder die Echtheit einer Urkunde) sein. Zwischen den Parteien ist jedoch nicht streitig, dass die Beklagte (derzeit) Inhaberin der Grundschuld ist. Die Klägerin nimmt die Beklagte gerade als eingetragene Inhaberin der Grundschuld in Anspruch und stellt deren aktuelle Inhaberschaft damit nicht in Abrede.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
4.Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht ersichtlich.
5.Den Streitwert bemisst der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht unter Berücksichtigung des Löschungsinteresses der Klägerin mit 20% des Nominalwertes des Grundpfandrechts (vgl. KGR Berlin 2003, 257; OLGR Frankfurt 2008, 321; OLG Nürnberg, MDR 2009, 217; OLGR Rostock, 2009, 969).