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Haus-(Grundstücks-)anschlusskosten


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 22.06.2018
Aktenzeichen VG 6 L 36/18, VG 6 L 174/16 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2018:0622.6L36.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 10 Abs 1 KAG BB, § 79 VwGO, § 80 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 80 Abs 5 analog VwGO, § 88 VwGO

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Klage des Klägers vom 22. Januar 2018 (VG 6 K 142/18) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung hat.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 452,38 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

festzustellen, dass seine Klage vom 22. Januar 2018 (VG 6 K 142/18) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung hat,

hat Erfolg.

Der Antrag ist analog § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Bescheid vom 1. September 2017 entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht bestandskräftig geworden. Der Kläger hat vielmehr, nachdem ihm der Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2017 am 28. Dezember 2017 zugestellt worden war, am 22. Januar 2018 fristgemäß Klage erhoben (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Bescheid vom 1. September 2017 ist – in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat – auch Gegenstand dieser Klage (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat der Kläger bei Erhebung der Klage wörtlich beantragt,

„1. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2017 wird aufgehoben.

2. Dem Widerspruch des Klägers vom 18. September 2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. September 2017 wird stattgegeben“

und damit eine von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO abweichende Formulierung gewählt. Der Antrag ist jedoch gemäß § 88 VwGO dahin auszulegen, dass der Kläger damit eine sowohl den Ausgangs- als auch den Widerspruchsbescheid umfassende Anfechtungsklage erhoben hat.

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Vielmehr hat es das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln, für dessen Umfang das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel maßgebend ist. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus den prozessualen Erklärungen und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. zum Ganzen Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Januar 2012 – 9 B 56/11 -, juris Rn. 7).

Ist der Kläger – wie hier – bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung zwar eine gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Januar 2012, a. a. O.).

Unter Beachtung diesen Grundsätzen ist hier davon auszugehen, dass der Kläger mit seiner Klage von Anfang an auch die gerichtliche Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2017 begehrt hat. Hierfür spricht zum einen schon die wörtliche Formulierung der Klageanträge, die zumindest eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsschutzbegehren des Klägers auf eine Aufhebung des seitens des Beklagten festgesetzten Kostenersatzes gerichtet ist. Denn mit dem wörtlich beantragten Stattgeben seines gegen diese Kostenfestsetzung gerichteten Widerspruches wendet sich der Kläger letztlich gegen die Kostenfestsetzung selbst, also gegen den Bescheid vom 1. September 2017. Diesen hat er auch ebenso wie den Widerspruchsbescheid seiner Klageschrift beigefügt. Auch die Klagebegründung, mit der der Kläger die Rechtmäßigkeit der Kostenerhebung bestreitet, weil es keiner Neuherstellung seines Wasseranschlusses bedurft habe und zumindest die mit dem Bescheid vom 1. September 2017 in Rechnung gestellten Arbeitsleistungen weit überzogen seien, lässt erkennen, dass die Klage (auch) auf eine Aufhebung des Ausgangsbescheides zielt.

Demgegenüber sprechen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Klage tatsächlich etwa nur isoliert gegen Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2017 richten wollte, der keine gegenüber dem Ausgangsbescheid selbständige – und also im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 VwGO selbständig anfechtbare – Entscheidung zulasten des Klägers enthält.

Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der sinngemäß begehrten Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, nachdem der Beklagte nicht nur in der dem Bescheid vom 1. September 2017 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung darauf verwiesen hat, dass ein Widerspruch gegen den Bescheid keine aufschiebende Wirkung habe, sondern diese Auffassung unter Bezugnahme auf die Regelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch mit seinen Schreiben vom 21. und vom 27. September 2017 gegenüber dem Kläger vertreten und auf eine nach seiner Auffassung fristgemäße Zahlung des festgesetzten Betrages bestanden hat.

Der Antrag ist auch begründet.

Widerspruch und Anfechtungsklage haben gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Geht die einen belastenden Verwaltungsakt erlassende Behörde fälschlicherweise davon aus, dieser sei – wegen Vorliegens der Voraussetzungen von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO – sofort vollziehbar, kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog feststellen, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 130 und 181 m. w. N.). Der von dem Antragsteller gestellte Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz war entsprechend auszulegen, § 88 VwGO.

So liegt der Fall hier.

Die – wie bereits dargelegt – fristgemäß gegen den Bescheid vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2017 erhobene Anfechtungsklage des Klägers hat gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entfällt diese vorliegend insbesondere nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Hiernach entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben oder Kosten.

Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten in diesem Sinne.

Mit dem Bescheid vom 1. September 2017 hat der Beklagte vielmehr einen Kostenersatz im Sinne von § 10 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) erhoben. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden. Gemäß Satz 2 der Regelung können der Aufwand und die Kosten in der tatsächlich geleisteten Höhe oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Der hier verfahrensgegenständlichen Kostenerhebung liegt die dementsprechende Regelung in § 2 der Trinkwasserkostenerstattungssatzung des Spremberger Wasser- und Abwasserzweckverbandes vom 12. Dezember 2012 zu Grunde. Der damit geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung des Trinkwasseranschlusses (sog. Kostenersatzanspruch) fällt nicht unter den Begriff der öffentlichen Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO (vgl. ebenso Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 1. Februar 2001 – 1 M 80/00 -, juris Rn. 5; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Januar 1989 – 5 TH 4916/88 -, juris Rn. 2; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22. Januar 1985 – 23 CS 84.258 -, BayVBl. 1985, 409 f; ebenso bereits Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 11. September 2012 – 6 K 247/09 -, juris Rn. 26; Kluge in Becker u.a., KAG Bbg. Komm. § 10, Rn. 41 ff. m.w.N.).

§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist als – den in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Regelfall aufgestellten Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte durchbrechende – Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen. Der Begriff der Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO umfasst nur (Verwaltungs-)Gebühren und Auslagen, die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren erhoben werden (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. November 2006 – 1 S 1925/06 -, juris Rn. 4; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. April 1995 – 2 S 3.95 -, juris Rn. 11).

Unter öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind öffentlich-rechtliche Geldforderungen, insbesondere Steuern, Gebühren und Beiträge, aber auch sonstige Sonderabgaben zu verstehen, die von allen den entsprechenden normativ bestimmten Tatbestand Erfüllenden erhoben werden und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe dienen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 C 30/90 -, juris Rn. 15 ff.). Bei der vorliegenden Erhebung eines Kostenersatzes handelt es sich demgegenüber um einen satzungsrechtlich geregelten, dem zivilrechtlichen Aufwendungsersatz für eine Geschäftsführung ohne Auftrag nachgebildeten Anspruch, der den Ersatz von Aufwendungen betrifft, die bei der Wahrnehmung einer Verpflichtung des Schuldners – nämlich der Herstellung – hier Wiederinbetriebnahme - eines Hausanschlusses in Erfüllung seiner Anschlussverpflichtung – entstanden sind. Diese Kosten stellen damit lediglich einen Durchlaufposten dar und dienen gerade nicht der Deckung des allgemeinen Finanzierungsbedarfs eines Gemeinwesens (vgl. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 1. Februar 2001 – 1 M 80/00 -, juris Rn. 8).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag (§ 52 Abs. 3 i. v. m. § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes). Die Kammer legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, Ziffer 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ein Viertel des Abgabenbetrages zugrunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.