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Grenzbebauung; Carport; Abstandsflächen; Außenwand; Gebäude; fingierte Außenwand


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 25.01.2013
Aktenzeichen OVG 2 N 47.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 6 Abs 1 S 1 BauO BB, § 6 Abs 10 S 1 BauO BB, § 6 Abs 10 S 2 BauO BB, § 2 Abs 2 BauO BB, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO

Leitsatz

Für die Berechnung von Abstandsflächen bei Gebäuden, bei welchen Außenwände ganz oder teilweise fehlen, sind diese zu fingieren

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 4. März 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Derartige Zweifel setzen voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, 1063). Das im Zulassungsantrag Dargelegte (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfüllt diese Anforderungen nicht.

Ohne Erfolg wenden sich die Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Carport um keine nach § 6 Abs. 10 Satz 1 BbgBO ausnahmsweise zulässige Grenzbebauung handele, weil mit dem Gebäude auf Grund des weiteren auf dem Grundstück bestehenden Nebengebäudes die nach Satz 2 der Vorschrift entlang einer Grundstücksgrenze maximal zulässige Länge der Außenwände von 9 m überschritten werde. Der Einwand der Kläger, der Gesetzgeber habe Carports die Privilegierung des § 6 Abs. 10 Satz 1 BbgBO einschränkungslos ohne die in Satz 2 genannten Längenbegrenzungen zugutekommen lassen wollen, überzeugt nicht. Insbesondere lässt sich diese Auffassung nicht auf den Wortlaut des § 6 Abs. 10 Satz 2 BbgBO stützten, wonach die entlang der Grundstücksgrenze errichteten „Außenwände“ insgesamt eine Länge von 15 m und entlang einer Grundstücksgrenze eine Länge von 9 m nicht überschreiten dürfen. Zwar trifft es zu, dass es sich bei einem Carport um einen überdachten Abstellplatz für Kraftfahrzeuge ohne Seitenwände handelt und dieser daher keine Außenwände im physischen Sinne aufweist. Jedoch ist der Begriff der Außenwand in § 6 Abs. 10 Satz 2 BbgBO im Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Grundbestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BbgBO zu sehen, wonach „vor den Außenwänden von Gebäuden“ Abstandsflächen freizuhalten sind. Das Freihaltegebot gilt grundsätzlich für alle oberirdischen Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 BbgBO. Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Carport um ein solches handelt, wurde vom Verwaltungsgericht zutreffend bejaht und wird von den Klägern nicht angegriffen. In der Regel sind die Außenwände eines Gebäudes, die für die Berechnung von Abstandsflächen maßgeblich sind, die Wände, die die Räume des Gebäudes gegen das Freie abschließen und von außen sichtbar sind. Bei Gebäuden, bei we lchen Außenwände ganz oder teilweise fehlen, wie z. B. bei einer Konstruktion, deren Dach nur von Stützen oder Pfeilern getragen wird, sind die „Außenwände“ allerdings zu fingieren (vgl. Dirnberger in: Jäde u.a., Bauordnungsrecht Brandenburg, Stand: August 2012, § 6 Rn. 19a; Broy-Bülow, Bauordnung von Berlin, 6. Aufl. 2008, § 6 Rn. 7; Johlen, Bauordnung Nordrhein-Westfalen, 12. Aufl. 2011, § 6 Rn. 73; Bayer. VGH, Urteil vom 30. August 1984 – Nr. 2 B 83 A.1265 -, BRS 42 Nr. 165). Denn nach dem Schutzzweck der abstandsflächenrechtlichen Bestimmungen sind auch bei Gebäuden ohne abschließende Wände vor den offenen Gebäudeseiten Abstandsflächen einzuhalten, weil sich auch eine an den Seiten offene überdachte Konstruktion insbesondere auf Belichtung und Belüftung des Nachbargrundstücks auswirkt (vgl. Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht 2004, Kap. 3 Rn. 44). Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber mit § 27 BbgBO an das Vorhandensein und die Beschaffenheit von Außenwänden bestimmte Voraussetzungen aufgestellt habe, spricht dies nicht gegen das Erfordernis der Fiktion von Außenwänden im Zusammenhang mit abstandsflächenrechtlichen Bestimmungen bei denjenigen Gebäuden, die aufgrund ihrer Konstruktion ganz oder teilweise ohne Außenwände errichtet werden.

Die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird auch nicht mit dem Hinweis der Kläger auf die Gesetzgebungsgeschichte in Zweifel gezogen. Die Vorgängerregelung in § 6 Abs. 9 Satz 2 BbgBO 1998 enthielt Regelungen über die maximal zulässige „Grenzbebauung“ und verwendete den Begriff „Außenwände“ im Zusammenhang mit der Längenbegrenzung nicht. Zur Begründung der Neuregelung in § 6 Abs. 10 Satz 2 BbgBO 2003 wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass die Vorschrift stark vereinfacht werden sollte und deshalb anstelle der maximal zulässigen Grundfläche, Länge und Wandhöhe der Grenzbebauung lediglich die Länge der Außenwände als Anknüpfungspunkt gewählt wurde (vgl. LT-Drs. 3/5160, S. 102 f.). Anhaltspunkte dafür, dass damit eine Rechtsänderung dahingehend eintreten sollte, dass nunmehr Gebäude ohne Außenwände wie Carports einschränkungslos als privilegierte Grenzbebauung zulässig sein sollten, enthält die Gesetzesbegründung nicht.

2. Die Kläger haben auch nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargetan, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist zur Darlegung erforderlich, dass eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang nicht geklärte, konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Dem genügt die Antragsbegründung nicht. Die von den Klägern formulierte Frage, „ob es sich bei Carports bzw. schlichten Überdachungen ohne Außenwände um Garagen im Sinne der Brandenburgischen Bauordnung handelt“, lässt sich bereits aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen Definition in § 2 Abs. 7 Satz 2 BbgBO unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Konstruktion um ein Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 BbgBO handelt, positiv beantworten. Die weitere Frage, ob „§ 6 Abs. 10 Satz 2 BbgBO das Vorhandensein einer ‚Außenwand‘ im Sinne von § 27 BbgBO voraussetzt oder eine ‚Außenwand‘ fingiert werden kann“, lässt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit §§ 6 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 BbgBO ohne Weiteres beantworten in dem Sinne, dass bei einem Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 BbgBO, das aufgrund seiner Konstruktion keine Außenwand aufweist, diese für die Berechnung der Abstandsflächen zu fingieren ist. Sie ist daher nicht klärungsbedürftig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat der erstinstanzlichen Festsetzung folgt, gegen die Einwände nicht erhoben worden sind.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).