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Unzulässigkeit der PKH-Beschwerde bei Nichterreichen des Beschwerdewertes in der Hauptsache


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat Entscheidungsdatum 15.03.2012
Aktenzeichen L 29 AS 2120/11 B PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2011, mit dem das Sozialgericht seinen Antrag, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren, abgelehnt hat, ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), sie ist jedoch nicht zulässig.

Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

Vorliegend ist die Beschwerde nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen, denn in der Hauptsache überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht den Betrag von 750,00 € (§ 144 Abs. 1 SGG). Der Senat gibt insoweit seine frühere Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Beschwerde in Prozesskostenhilfeverfahren, nach der der Ausschluss der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (lediglich) für die Fälle normiert sei, in denen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verneint worden seien (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2008 - L 29 B 1004/08 AS PKH - zitiert nach juris), nach erneuter Prüfung der ihn überzeugenden Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte bzw. Senate des LSG Berlin-Brandenburg auf (vgl. hierzu unten).

Im sozialgerichtlichen Verfahren gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe, mithin die §§ 114 bis 127a ZPO, entsprechend. Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Rechtsmittel gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600,- €) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat – was hier nicht der Fall ist – ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint (vgl. für diesen Fall aber für das sozialgerichtliche Verfahren den - abweichend von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO - weitergehenden Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG).

Vorliegend wendet sich der Kläger gegen die Verrechnung eines in Höhe von 307,34 € gewährten Darlehens. Dieser Beschwerdewert erreicht bereits nicht den in § 511 ZPO genannten Wert (von 600,-- €) und damit erst recht nicht den Betrag von 750,-- €, der gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Zulässigkeit der Berufung im Hinblick auf Klagen auf Geld-, Dienst- oder Sachleistungen (oder darauf gerichtete Verwaltungsakte) im sozialgerichtlichen Verfahren maßgeblich ist, die - wie im vorliegenden Fall - weder wiederkehrende noch laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffen. Mangels Berufungsfähigkeit der Hauptsache ist daher nach Ansicht des Senats auch eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht statthaft.

Zu einer anderen Einschätzung führen nicht die gesetzlichen Regelungen des § 172 Abs. 3 SGG.

Die Vorschrift des § 172 Abs. 3 SGG über den Ausschluss der Beschwerde stellt keine abschließende Regelung dar und steht einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht entgegen. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 172 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG ("soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist"). Eine Bestimmung im Sinn von § 172 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG ist auch in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG zu sehen, der u. a. auf § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO verweist, wonach die Beschwerde bei einem Prozesskostenhilfeverfahren ausgeschlossen ist, wenn aufgrund des Streitgegenstandes kein zulassungsfreies Rechtsmittel in der Hauptsache stattfinden kann (vgl. hierzu u.a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 18. März 2011, L 15 SO 42/11 B PKH, vom 22. Dezember 2010, L 34 AS 2182/10 B PKH - hier ausführlich zum Meinungsstreit - und vom 27. September 2010, L 20 AS 1602/10 B PKH; Sächsisches LSG, Beschluss vom 06. Dezember 2010, L 1 AL 212/09 B PKH; Hessisches LSG, Beschluss vom 04. Oktober 2010, L 7 AS 436/10 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07. Oktober 2010, L 5 AS 227/10 B; Bayerisches LSG, Beschlüsse vom 18. April 2011, L 11 AS 221/11 B PKH, alle zitiert nach juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Februar 2012, L 14 AS 2248/10 B PKH, veröffentlicht in sozialgerichtsbarkeit.de; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 10. Juni 2010, L 5 AS 610/10 B PKH und vom 16. Juli 2009, L 28 B 1379/08 AS PKH; LSG Hamburg, Beschluss vom 31. März 2009, L 5 B 187/08 PKH AL; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. Mai 2010, L 7 AS 5876/09 B, alle zitiert nach juris).

Diese Auslegung ist aus dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Regelung herzuleiten und auch die Neufassung des § 172 SGG durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26. März 2008 (BGBl I S 444) sowie durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05. August 2010 (BGBl. I Seite 1127) - spricht gegen eine andere Betrachtungsweise.

Zwar hat der Gesetzgeber nach letzterem Gesetz ausdrücklich eine Begrenzung durch den Beschwerdewert nur für Prozesskostenhilfeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz vorgesehen. Dem ist aber nicht ein aus der Gesetzesbegründung erkennbarer Wille zu entnehmen, für Hauptsacheverfahren im Umkehrschluss die Statthaftigkeit der Beschwerde entgegen § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 ZPO zu erweitern. Die Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 152/10 S. 23) weist nur darauf hin, dass der Streit in Rechtsprechung und Literatur über den Umfang des Beschwerdeausschlusses in Prozesskostenhilfeverfahren für den einstweiligen Rechtsschutz gesetzlich geklärt werden soll. Eine weitergehende Regelungsabsicht, die sicherlich sinnvoll gewesen wäre, ist letztlich nicht zu erkennen.

Die Beschwerdefähigkeit einer Prozesskostenhilfeentscheidung in einem Hauptsacheverfahren, in dem ein Rechtsmittel der Zulassung bedarf, würde im Übrigen der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, die Rechtspflege zu entlasten (Gesetz zur Änderung des SGG und des ArbGG vom 26. März 2008, a.a.O.). Ohne entsprechende Einschränkung der Beschwerdefähigkeit käme es in einem Nebenverfahren zu einer intensiveren rechtlichen Prüfung und damit zu einer Belastung der Rechtspflege, die im Hauptsacheverfahren bei Verfahren von geringem Wert gerade ausgeschlossen werden soll (s. a. BT-Drucks. 16/7716 S. 1, 2 und 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2010, L 34 AS 2182/10 B PKH, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 4. Oktober 2010, a.a.O.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 03. August 2010, a.a.O.).

Auch gesetzessystematisch wäre eine Beschwerdefähigkeit in einem Verfahren, welches nicht berufungsfähig ist, wenig überzeugend. Dem Rechtssuchenden würde die Möglichkeit eröffnet, sein Begehren in einer weiteren Instanz zu einer zumindest summarischen Prüfung zu stellen, obwohl eine solche inhaltliche Prüfung in der Hauptsache nach den gesetzlichen Regelungen gerade ausgeschlossen ist. Der Prüfungsumfang in einem Nebenverfahren würde damit über den möglichen Prüfungsumfang einer Hauptsache hinausgehen; während sich im Hauptsacheverfahren nur eine Instanz mit dem Begehren befassen könnte, wären es im Nebenverfahren zwei Instanzen.

Außerdem stellt die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG gerade einen Beleg für den gesetzgeberischen Willen dar, die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen Prozesskostenhilfeverfahren weiter einzuschränken als in anderen Verfahrensarten (§ 11a Abs. 3 ArbGG, § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), die unmittelbar oder durch Verweis auf die ZPO eine Beschwerdemöglichkeit vorsehen, soweit Prozesskostenhilfe aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abgelehnt worden ist. Unter dem Aspekt der einheitlichen Rechtsordnung ist kein systematisch nachvollziehbarer Ansatz zu erkennen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren (Beschwerde bei Ablehnung wegen hinreichender Erfolgsaussicht; nicht jedoch wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen) gegenläufig zu den übrigen Verfahrensordnungen (Beschwerde bei Ablehnung wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen; nicht jedoch wegen hinreichender Erfolgsaussichten) hätte ausgestalten sollen, so dass § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG - bei Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen - nicht als abschließende Regelung in Bezug auf die Beschwerdemöglichkeiten im Prozesskostenhilfeverfahren anzusehen ist, sondern als zusätzliche, über § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO hinausgehende Beschränkung des sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

Demgegenüber ist aufgrund der prozessualen Regelungen der jeweiligen Prozessordnungen durchaus nachvollziehbar, weshalb nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO eine Beschwerde beispielsweise im zivilgerichtlichen Verfahren statthaft ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat, während nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG für diesen Fall die Beschwerde gerade ausdrücklich ausgeschlossen ist.

Anders als regelmäßig in den übrigen Prozessordnungen hängt die Durchführung eines sozialgerichtlichen Verfahrens nämlich nicht von einer finanziellen Leistungsfähigkeit der Beteiligten ab. Zum einen besteht im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 183 SGG für die Beteiligten regelmäßig Gerichtskostenfreiheit, während in den anderen Gerichtsbarkeiten grundsätzlich Gerichtskosten erhoben werden (vgl. § 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG) und ein Tätigwerden des Gerichts von der Einzahlung der Kosten abhängig gemacht wird (vgl. § 12 Abs. 1 GKG), wenn nicht Prozesskostenhilfe bewilligt ist (§ 14 Nr. 1 GKG). Zum anderen besteht erst bei dem Bundessozialgericht die Notwendigkeit, sich durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 73 Abs. 4 S. 1 SGG). Das sozialgerichtliche Klageverfahren steht mithin auch Rechtssuchenden offen, die finanziell zur Entrichtung von Kosten eines Gerichtsverfahrens (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten) nicht in der Lage sind. Dies ist in anderen Verfahrensordnungen grundsätzlich nicht der Fall, wenn (zu Unrecht) von einer ausreichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgegangen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe allein deshalb abgelehnt wird; dort wäre diesen Rechtssuchenden also aus finanziellen Gründen ein Klageverfahren versperrt. Aus diesem Grund sieht § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO für die Verfahren, deren Durchführung für die Rechtssuchenden zwingend mit Kosten verbunden sind, insoweit eine Beschwerdemöglichkeit vor.

Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der (unzutreffenden) Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts, nach der gegen den Beschluss des Sozialgerichts die Beschwerde zum Landessozialgericht möglich sei. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage, Vor § 143 Rn. 14b).

Selbst wenn die Beschwerde zulässig wäre, wäre sie darüber hinaus aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG als unbegründet zurückzuweisen gewesen. Das Beschwerdevorbringen hätte eine andere Entscheidung nicht gerechtfertigt. Der Beklagte ist seiner erweiterten Begründungspflicht (vgl. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]; Engelmann in von Wulffen, Kommentar, SGB X, 7. Auflage 2010, § 35 Rn. 6) im Rahmen seiner Ermessensentscheidung in dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2010 noch in ausreichendem Maße nachgekommen. Aus der Begründung geht zunächst hervor, dass der Beklagte erkannt hat, dass er einen Ermessensspielraum hat. Ferner hat er auch im Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2010 die Gründe mitgeteilt, warum das dem Kläger im Hinblick auf Stromschulden gewährte Darlehen in Höhe von 307,34 € nicht durch monatliche Aufrechnung von weniger als 10 vom Hundert der Regelleistung, die nach § 23 Abs. 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung grundsätzlich möglich ist, ab 1. November 2009 zu tilgen war. Tatsächliche finanzielle Belastungen hat der Kläger nicht dargelegt. Eine lediglich der „Vollständigkeit halber“ mitgeteilte Beanstandung der Zusammensetzung der Regelleistung genügt hierfür nicht. Die erwähnten Sanktionen sind hier nicht streitgegenständlich.

Nach alledem war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).