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Alice-Salomon-Hochschule; Soziale Arbeit (Bachelor); Wintersemester 2010/11; Betreuungsaufwand für Bachelor-Abschlussarbeit; Berücksichtigung als Curricularanteil; Lehrangebot; Lehrnachfrage; Bilanzierungsgedanke; Dienstleistungsexport; Beschwerde der Hochschule; Stattgabe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 14.04.2011
Aktenzeichen OVG 5 NC 1.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 VwGO, § 123 VwGO, § 96 BerlHG, § 99 BerlHG, § 21 BerlHG, § 9 KapVO, § 8 KapVO, § 5 KapVO, § 13 KapVO, KapVO 2, KapVO 3, § 9 LVVO, § 5 LVVO, § 3 LVVO

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Dezember 2010 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller/die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, über die von ihr zum Wintersemester 2010/2011 vergebenen 185 Studienplätze für Studienanfänger im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit hinaus weitere 9 Plätze unter den Antragstellern/Antragstellerinnen auszulosen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach Abzug des von der Antragsgegnerin zutreffend errechneten Dienstleistungsexports (54,1875 LVS) belaufe sich das bereinigte Lehrangebot auf 963,3125 LVS (1.017,5 LVS - 54,1875 LVS) und liege damit um 62,6875 LVS höher als von der Antragsgegnerin angesetzt. Der Curriculareigenanteil sei von 5,9068 auf 5,7068 zu kürzen, weil die Antragsgegnerin bei der Ermittlung der Lehrnachfrage zu Unrecht einen Curricularanteil für die Betreuung der Bachelorabschlussarbeit angesetzt habe. Die Antragsgegnerin verkenne, dass die Depu-tatstunde die Maßeinheit für die gesamte im Rahmen der Lehre zu erbringende Dienstleistung einer Lehrperson sei und daneben kein Raum für die gesonderte Erfassung von Teilleistungen aus dem Gesamtspektrum verbleibe. Letztere würden bei der dienstrechtlichen Bemessung der Lehrverpflichtung - und in einem weiteren Schritt bei der kapazitätsrechtlichen Ermittlung des Lehrangebots - nicht gesondert erfasst, sondern als mit der Lehrtätigkeit notwendig verbundene Belastungen durch die Deputatstunde pauschal miterfasst. Nach Teilung des verdoppelten Lehrangebots durch den Curriculareigenanteil errechne sich eine Basiszahl von (963,3125 x 2 : 5,7068 =) 337,6, die erhöht um die Schwundquote von 0,9043 eine jährliche Aufnahmekapazität von (337,6 : 0,9043 =) 373,3274 Studierenden ergebe. Daraus resultiere bei der von der Antragsgegnerin beanstandungsfrei gewählten hälftigen Aufteilung auf Winter- und Sommersemester eine Aufnahmekapazität der Lehreinheit Soziale Arbeit/Bachelor für das Wintersemester 2010/2011 von 187 Studierenden. Hinzuzurechnen seien die von der Antragsgegnerin selbst in Ansatz gebrachten 6 zusätzlichen Studienplätze für das Wintersemester 2010/2011 auf Grund einer Vereinbarung mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie ein weiterer Studienplatz aus dem Hochschulpakt für das Jahr 2010, dessen Vergabe die Antragsgegnerin trotz gerichtlicher Aufforderung nicht glaubhaft gemacht habe. Im Ergebnis errechne sich damit eine Kapazität von (187 + 7 =) 194 Studienplätzen.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kürzung des Curriculareigenanteils um den Curricu-laranteil für die Betreuung der Bachelorabschlussarbeit. Zudem rügt sie, dass der vom Verwaltungsgericht berücksichtigte Dienstleistungsexport von 54,1875 LVS nicht nachvollziehbar und im Übrigen die Vergabe des streitigen Studienplatzes aus dem Hochschulpakt ausreichend glaubhaft gemacht worden sei.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehen über die 185 im Wintersemester 2010/2011 vergebenen Studienplätze hinaus keine weiteren Plätze zur Verfügung, die im Wege einstweiliger Anordnung an die Antragsteller/Antragstellerinnen vergeben werden könnten.

1. Die Beschwerde rügt mit Erfolg die vom Verwaltungsgericht versagte Anerkennung des Curricularanteils für die Betreuung der Bachelorabschlussarbeit. Hierzu hat der Senat jüngst in dem Beschluss vom 4. April 2011 - OVG 5 NC 96.10 - (BA S.4 ff.) ausgeführt:

„Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Betreuung von Bachelor- und Master-Abschlussarbeiten keinen Eingang in den Curriculareigenanteil finden könne, nicht. Sie wird dem kapazitätsrechtlichen Bilanzierungsgedanken nicht gerecht. Ziel der Kapazitätsberechnung nach der KapVO ist die Ermittlung der Zahl der Studienplätze, die eine Lehreinheit für Studienanfänger in einem Studiengang zu einem Vergabetermin zur Verfügung zu stellen vermag. Die jährliche Aufnahmekapazität ist das Ergebnis einer Bilanzierung von Lehrangebot und Lehrnachfrage. Während die Berechnung des Lehrangebots lehrpersonalbezogen erfolgt (§ 8 KapVO), drückt der Curriculareigenanteil die Lehrnachfrage aus, d.h. den Aufwand der Lehreinheit, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studenten oder einer Studentin in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 13 KapVO). Maßeinheit in diesem Bilanzierungsmodell ist die Deputatstunde, die sowohl das Lehrangebot (§ 9 KapVO) als auch die Lehrnachfrage (§ 13 KapVO) quantifiziert und eine systemgerechte Aufteilung des in Deputatstunden ausgedrückten Lehrangebots auf die ebenfalls in Deputatstunden gemessene und im Curriculareigenanteil anteilig ausgewiesene Lehrnachfrage je Studenten oder Studentin ermöglicht. Zur Sicherstellung des Lehrangebots statuieren §§ 96 und 99 BerlHG eine Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen Personals, deren Umfang in der LVVO geregelt ist. Die in Lehrveranstaltungsstunden vorgegebene Regellehrverpflichtung (§ 5 LVVO) prägt wiederum das Lehrangebot im kapazitätsrechtlichen Sinne, indem § 9 Abs. 1 KapVO dieses zum Lehrdeputat erklärt, das in Deputatstunden zu messen ist.

Dem Verwaltungsgericht ist insoweit zuzustimmen, als mit der Maßeinheit Deputatstunde die gesamte im Rahmen des Dienstrechts festgelegte Regellehrverpflichtung erfasst wird (§ 9 Abs. 1 KapVO) und daneben kein Raum für den gesonderten Ansatz von Teilleistungen verbleibt. Das entspricht dem Bilanzierungsgedanken der Kapazitätsberechnung, der eine Quantifizierung von Lehrangebot und –nachfrage nur auf der Grundlage der Berechnungseinheit Deputatstunde zulässt und eine Berücksichtigung von Leistungen ausschließt, die in dieser Eingabegröße nicht erfasst sind und daher auch nicht als Teilgröße im Curriculareigenanteil enthalten sein können. Die Deputatstunde kann ihrer Funktion als maßgeblicher Parameter für die Kapazitätsberechnung nur dann gerecht werden, wenn sich in ihr der gesamte Lehraufwand für eine ordnungsgemäße Ausbildung eines Studenten oder einer Studentin in einem Studiengang widerspiegelt. Zu einer ordnungsgemäßen Ausbildung gehört auch die Betreuung der Studenten und Studentinnen bei Studienabschlussarbeiten, da diese Tätigkeit durch die zur Lehre gehörenden Elemente der Anleitung und Hilfestellung bei der eigenständigen Bearbeitung einer komplexen Aufgabenstellung gekennzeichnet ist (vgl. § 21 BerlHG). Dementsprechend muss der dafür erforderliche Lehraufwand in der Bemessungsgröße Deputatstunde seinen Niederschlag finden.

Soweit das Verwaltungsgericht hingegen unter Verweis auf den Regelungsgehalt der LVVO meint, dass die in Rede stehende Betreuungstätigkeit durch die Deputatstunde pauschal miterfasst sei und daher nicht gesondert ins Gewicht falle, kann ihm nicht gefolgt werden. Diese Sichtweise widerspricht dem kapazitätsrechtlichen Bilanzierungsgedanken. Die kapazitätsrechtliche Bemessung des Lehraufwandes (Lehrnachfrage) ist nicht Aufgabe der LVVO. Deren Bedeutung erschöpft sich vielmehr darin, die Berechnungsgrundlagen für das Lehrangebot bereitzustellen. Die Quantifizierung des Lehraufwandes (Lehrnachfrage) und die Verteilung des zur Verfügung stehenden Lehrangebots erfolgt dagegen ausschließlich nach kapazitätsrechtlichen Grundsätzen und insoweit entkoppelt von den Vorschriften der LVVO. Die danach vorzunehmende Kapazitätsbemessung ist keine von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängige Größe, sondern eine vorrangig normativ bestimmte. Deutlich wird das insbesondere in der dabei fingierten Austauschbarkeit aller im Studienverlauf nachgefragten Lehre (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. November 1987 - BVerwG 7 C 103.86 u.a. -, Buchholz 421.21 Nr. 35 [S. 41, 44]), die keinen Raum für die Frage nach der konkreten Qualifikation oder den dienstrechtlichen Verhältnissen des Lehrpersonals innerhalb des zur Verfügung stehenden Lehrdeputats (§ 9 KapVO) lässt. Folgerichtig sehen die vom Verwaltungsgericht zur Stützung seiner Auffassung herangezogenen Verminderungstatbestände in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 2 LVVO keine Ermäßigung für die den Lehraufwand berührende Betreuung von Studienabschlussarbeiten, sondern lediglich für die damit nicht gleichzusetzende Prüfungstätigkeit vor. Auch die in § 3 LVVO vorgesehene Möglichkeit einer dienstrechtlichen Anrechnung von Lehrveranstaltungen (vgl. § 3 Abs. 6 LVVO zu dem insoweit weit gefassten Begriff der Lehrveranstaltung) sowie einer überdurchschnittlichen Belastung durch die Betreuung von Studienabschlussarbeiten (§ 3 Abs. 6 LVVO) lässt den Umfang der Regellehrverpflichtung und somit die Bilanzierung unberührt.

Daran, dass sich die Betreuung von Studienabschlussarbeiten als Lehraufwand quantitativ in einem Deputatstundenanteil ausdrücken muss, besteht aus kapazitätsrechtlicher Sicht kein Zweifel. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die geltende KapVO keine Rechtsvorschriften darüber enthält, welche Kriterien und Berechnungsmethoden für die Ermittlung des Ausbildungsaufwandes und damit des Curricularwertes anzuwenden sind und deshalb auf die Kapazitätsverordnungen vom 3. Dezember 1975 - KapVO II - (GVBl. S. 3014) und vom 4. April 1977 - KapVO III - (GVBl. S. 810) sowie die Vorgaben der Entschließung des 204. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz vom 14. Juni 2005 („Empfehlung zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre in Bachelor- und Masterstudiengängen“, ), zurückgegriffen werden kann. Bereits die KapVO II und die KapVO III beschrieben jeweils in ihrer Anlage 2 Teil 1 eine Lehrveranstaltungsart I (Zusatz: nicht in Studiengängen mit dem Abschluss Staatsexamen, jedoch unter Einschluss der Lehrämter) wie folgt:

„Eigenständige Anwendung wissenschaftlicher oder künstlerischer Methoden, erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten auf neue Problemstellungen in Studien- und Studienabschlussarbeiten;

Lehrender unterrichtet sich in bestimmten Zeitabständen über den Stand der Arbeiten und gibt Anregungen;

Student arbeitet weitgehend selbständig;“

Zu dieser Lehrveranstaltungsart I gehörte als Untergruppe k = 24 die Diplomarbeit in Ingenieurwissenschaften mit dem Betreuungsfaktor 0,45.

Von der kapazitätsrechtlichen Notwendigkeit, die Betreuung von Bachelor- und Master-Abschlussarbeiten in den Lehraufwand einzurechnen, geht auch die Hochschulrektorenkonferenz in der Entschließung vom 14. Juni 2005, a.a.O., aus. Dort wird im III. Abschnitt („Berechnung des Lehraufwandes“) die Bachelor- bzw. Masterarbeit als eigenständiger Lehrveranstaltungstypus beschrieben, der wie folgt erläutert wird:

„Abschlussarbeit

- Selbständige wissenschaftliche Arbeit eines einzelnen Teilnehmers

- Dozent stellt Aufgabe, führt Zwischenbesprechungen durch, bewertet

- Je nach Fach, Ausgestaltung (z.B. Laborarbeiten), Dauer (Umfang von Credits) und Abschlussart unterschiedliche Anrechnungsfaktoren f“

Nach alldem bestehen gegen den Ansatz eines „Anrechungsfaktors“ für die Betreuung von Bachelor- und Masterabschlussarbeiten dem Grunde nach keine Bedenken. Es spricht zudem nichts dafür, dass die von der Antragsgegnerin angesetzten Curricularanteile von 0,2 (Bachelorarbeit) und 0,4 (Masterarbeit) in den der Lehreinheit zugeordneten Bachelor- und Masterstudiengängen unangemessen hoch quantifiziert sein könnten. Dagegen spricht bereits, dass die im Streit stehenden Anteile den unteren Rand der in der Entschließung der Hochschulrektorenkonferenz vom 14. Juni 2005 a.a.O., im III. Abschnitt („Berechnung des Lehraufwandes“) empfohlenen Spannweite von 0,2-0,3 für die Bachelor- bzw. von 0,3-0,6 für die Master-Abschlussarbeit bilden.“

Vor diesem Hintergrund ist der von der Antragsgegnerin gewählte Curricularanteil von 0,2 für die Betreuung der Bachelorabschlussarbeit nicht zu beanstanden.

2. Das Beschwerdevorbringen zum Dienstleistungsexport greift ebenfalls durch. Das Verwaltungsgericht ist selbst davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin den Dienstleistungsexport zutreffend errechnet hat. Soweit es dennoch den von der Antragsgegnerin dafür angesetzten Wert von 108,375 LVS ohne jegliche Begründung nur zur Hälfte berücksichtigt hat, kann das nur auf einem Versehen beruhen, da der Ausgangswert ausweislich der ursprünglichen Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin bereits auf einem hälftigen, d.h. auf ein Semester bezogenen Ansatz des Dienstleistungsbedarfs der der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengänge (Aq/2) beruht und damit eine weitere Halbierung dieses Wertes nicht in Betracht kommt. Ob der Ausgangswert oder aber der - von der Antragsgegnerin auf Anforderung des Verwaltungsgerichts - aktualisierte Wert für den Dienstleistungsexport (79,225 LVS, Stand 08.10.2010) unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 und 3 KapVO in die Berechnung einzustellen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn in jedem Fall errechnet sich danach eine Aufnahmeka-pazität von höchstens 176 Studienplätzen für das Wintersemester 2010/2011 (938,275 [1.017,5 - 79,225] x 2 : 5,9068 = 317,692 : 0,9043 = 351,3139 : 2 = 175,66), die unterhalb der Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze (185) liegt.

3. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Vergabe eines weiteren Studienplatzes aus dem Hochschulpakt kann unbeantwortet bleiben. Ihr kommt im Hinblick darauf, dass die ermittelte Auf-nahmekapazität auch nach Hinzurechnung der unstreitigen 6 zusätzlichen Studienplätze auf Grund der Vereinbarung mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze um 3 Plätze unterschreitet, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).