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Extrabudgetäre Vergütung - Mengenbegrenzung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 24. Senat Entscheidungsdatum 31.05.2013
Aktenzeichen L 24 KA 26/11 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 87d Abs 4 SGB 5, § 89 SGB 5

Tenor

§ 3 Abs. 1 Satz 2 und § 16a des Beschlusses über die Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 – vom 16. Januar 2011, ergangen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2010, werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Beschluss insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu fassen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klage richtet sich gegen den Beschluss des Beklagten, des Landesschiedsamtes Brandenburg für die vertragsärztliche Versorgung, vom 15. Dezember 2010.

Die klagende Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg beantragte mit Schreiben vom 30. November 2010 beim Beklagten die Festsetzung der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 nach ihrem beigefügten Entwurf einer solchen Festsetzung. Die Verhandlungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen über die Vereinbarung einer Gesamtvergütung für das Jahr 2011 seien ohne Einigung geblieben. Gravierend seien die unterschiedlichen Positionen zu Fragen der Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung der vertragsärztlichen Leistungen der außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV).

Anders als die Kassenseite meine, unterlägen die von § 87d Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG vom 22. Dezember 2010, BGBl. I 2309) nicht erfassten Leistungsbereiche nicht zwingend der Mengenbegrenzung.

Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes (BT-Drucksache 17/3040 zum GKV-FinG) bezwecke die Regelung, medizinisch nicht begründete Ausgabensteigerungen zu vermeiden. § 3 des Entwurfes der Klägerin (Erstattungen außerhalb der MGV) enthalte deshalb ausschließlich Leistungen, die bisher besonders gefördert worden seien, um einerseits Folgekosten zu sparen (Prävention) oder andererseits Ausgaben für stationäre Behandlungen zu vermindern. Sämtliche Leistungen in diesem Leistungsbereich müssten deshalb als medizinisch begründet gelten und weiterhin ohne Begrenzung vergütet werden.

Eine Quotierung für all die Leistungen, für welche bislang feste Euro-Vergütungsbeträge vereinbart seien, verbiete ferner die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Beschluss vom 23. Mai 2007 –B 6 KA 91/06 B- zur Versandkostenpauschale). Quotierungen der Vergütung bei nicht ausreichendem Vergütungsvolumen dürfe es nicht geben.

Beigefügt waren dem Antrag als Anlage ein Entwurf einer Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 sowie einer hilfsweise beantragten Regelung. Auf Antrag und Anlage wird ergänzend verwiesen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen im Land Brandenburg trat dem Vorschlag der Klägerin mit Schriftsatz vom 08. Dezember 2010 entgegen. Die Mehrausgaben im Bereich der MGV müssten entsprechende Minderausgaben durch Begrenzungsregelungen im Bereich der extrabudgetären Vergütung gegenüber stehen, damit im vertragsärztlichen Bereich insgesamt keine Mehrausgaben anfielen. Eine gesonderte Betrachtung der Leistungen des ambulanten Operierens entspreche nicht den Vorgaben des GKV-FinG. Insgesamt müssten die außerhalb der MGV zu vergütenden Leistungen unterteilt werden in solche mit Ausgabenbegrenzung und solche ohne (auf die Aufstellung auf Seite 3 des Schriftsatzes wird ergänzend verwiesen). Entgegen der Auffassung der Klägerin finde sich im Gesetz keine weitere Unterscheidung in medizinisch begründete und nichtbegründete Leistungen. Es treffen zwar zu, dass die extrabudgetären Leistungen, beispielsweise das ambulante Operieren, in den letzten Jahren erheblich gefördert worden seien. Damit dürfe aber das gesetzgeberische Ziel der Ausgabenbegrenzung nicht unterlaufen werden. Auch diese Leistungen müssten deshalb quotiert werden, wenn das höchstzulässige Gesamtausgabenvolumen überschritten werde.

Am 15. Dezember 2010 fand die mündliche Verhandlung des Beklagten statt. Auf seinen Beschluss sowie die ihm zu Grunde liegende, von der Arbeitsgemeinschaft angefertigte, Synopse der Anträge- vom 16. Januar 2011, wird ergänzend Bezug genommen.

Zur Begründung führte er unter anderem aus, davon ausgegangen zu sein, bereits an die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht Gesetz gewordenen Bestimmungen des GKV-FinG gebunden zu sein. Dem entgegen stehende gesetzliche Vorschriften bestünden nicht. Deshalb habe er auch von einer unbedingten Wirkung der hierzu ergangenen Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses ausgehen müssen. Diese Bindung habe hier die Folge gezeitigt, ein höchstzulässiges Ausgabevolumen bei den im § 3 genannten Leistungsbereichen (außerbudgetäre Leistungen) vorzusehen und bei deren Überschreitung eine Quotierung (§ 16a). Nur auf diese Weise sei Versorgungssicherheit gewährleistet. Andernfalls könnte entgegen dem Grundsatz der Verteilung der Vergütung auf den gesamten Versorgungszeitraum der Irrtum einer nur teilweisen Vergütung entstehen und von einzelnen Ärzten der Einwand der Erschöpfung des Budgets zu Lasten der Versicherten geltend gemacht werden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 25. Februar 2011. Diese richte sich gegen den Beschluss, soweit er die Zusatzpunktwerte nach der Vereinbarung zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina des Jahres 2010 in § 3 Abs. 1 nicht fortführe, Leistungen außerhalb der MGV einer Mengenbegrenzung unterziehe (§ 3 i. V. m. § 16a), die Sachkosten außerhalb der MGV quotiere (§ 3 Abs. 1) und schließlich das Gesamtausgabenvolumen für extrabudgetäre Leistungen auf der Basis der Versichertenzahl des Vorjahresquartals bilde und an die aktuelle Versichertenzahl im jeweiligen Abrechnungsquartal anpasse (§ 3 Abs. 1 Satz 2).

Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und führt weiter aus, Zusatzpunktwerte bzw. Zuschläge zum Orientierungswert seien weiterhin wie für 2010 geboten und entsprächen den Voraussetzungen des § 87d Abs. 1 Satz 4 SGB V in der Fassung des GKV-FinG. In der Gesetzesbegründung heiße es, die Sätze 3 und 4 (des § 87d Abs. 1 SGB V in der Fassung des GKV-FinG) stabilisierten ebenfalls das Punktwertniveau für die Vergütung für die vertragsärztlichen Leistungen, indem die Punktwertanpassungen ausgesetzt und darüber hinaus ausgeschlossen werde, dass neue Zuschläge auf die Orientierungswerte vereinbart würden. Auch ihre Forderung, auf eine Mengenbegrenzung der außerbudgetären Leistungen zu verzichten, beruhe auf § 87d Abs. 4 SGB V. Die Mengenbegrenzung ziele nämlich nur auf medizinisch nicht begründete Ausgabensteigerungen. Der Beklagte habe bei der Umsetzung seinen Gestaltungsspielraum nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt. Soweit der Klägerin eine Beweispflicht aufgebürdet worden sein sollte, die medizinisch initiierten Ausgabensteigerungen im Einzelfall für das Jahr 2011 nachzuweisen, werde von ihr faktisch Unmögliches verlangt. Sie könne nur retrospektiv Auskunft darüber erteilen, wie sich der Leistungsbedarf entwickelt habe. Besonders deutlich werde der Ermessungsfehlgebrauch im Zusammenhang mit der Behandlung und Vergütung onkologischer Krankheitsbilder (Strahlentherapie, Vakuumbiopsien und kurative Koloskopie). Ganz allgemein sei eine Begrenzung der extrabudgetären Leistungen ermessensfehlerhaft, da es eine medizinisch nicht begründbare Ausgabenentwicklung nicht geben könne. Ein Beispiel für die bereits gerügte unzulässige Begrenzung und Quotierung der Sachkosten sei eine Quotierung der Versandkostenpauschale nach der Gebührennummer 7103 EBM. Der Bewertungsausschuss habe dem in seinem Beschluss vom 26. März 2010 in Teil F Nr. 3.1.2 Rechnung getragen.

Zuletzt verstoße die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses gegen § 87d Abs. 4 Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-FinG. Nach dem Gesetz solle das Ausgabenvolumen des Jahres 2010, erhöht um die um 0,25 Prozentpunkte verminderte für das Jahr 2011 nach § 71 Abs. 3 SGB V für das gesamte Bundesgebiet festgestellte Veränderungsrate nicht überschritten werden. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung finde sich ein Hinweis für die vom Beklagten getroffene Festsetzung, wonach das Gesamtausgabenvolumen der extrabudgetären Leistungen auf Basis der entsprechenden Vergütung je Versicherten im Vorjahresquartal gebildet und an die aktuelle Versichertenzahl im jeweiligen Abrechnungsquartal angepasst werde.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beschluss des Beklagten zur Festsetzung der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 vom 15.12.2010 wird aufgehoben, soweit er die Zusatzpunktwerte nach der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2010 nach § 3 Abs 1 nicht fortführt.

Der Beschluss des Beklagten wird abgeändert in der Fassung gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 des Antrages der Klägerin an das Landesschiedsamt vom 30.11.2010.

2. Der Beschluss des Beklagten zur Festsetzung der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 vom 1512.2010 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Vergütung von Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung einer Mengenbegrenzung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 16a unterzieht.

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrages unter 2.) ferner:

3. Der Beschluss des Beklagten zur Festsetzung der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina im Jahr 2011 vom 15.12.2010 wird aufgehoben, soweit der Beklagte außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung vereinbarte Sachkosten nach § 3 Abs. 1 quotiert.

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

4. Der Beschluss des Beklagten zur Festsetzung der Vereinbarung zur Gesamtvergütung und zu arzt- und praxisbezogenen Regeleistungsvolumina im Jahr 2011 vom 15.12.2010 wird aufgehoben, soweit er das Gesamtausgabenvolumen für die unter § 87d Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V fallenden extrabudgetären Leistungen auf Basis der entsprechenden Vergütung an die aktuelle Versichertenzahl im jeweiligen Abrechnungsquartal nach § 3 Abs. 1 Satz 2 anpasst.

Der Beschluss des Beklagten wird abgeändert.

Der Beklagte hat schriftlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Klägerin habe bereits nicht begründet, weshalb die Zusatzpunktwerte fortgeführt werden müssten. Sofern sie vom ihm verlange, die Leistungsbereiche daraufhin zu überprüfen, ob sich medizinisch nicht begründbare Leistungsentwicklungen ereigneten, könne dies nicht geleistet werden.

Der Sache nach fordere die Klägerin einen unbedingten Anspruch. Dieser ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der Begründung des Gesetzgebers zu § 87d Abs. 4 SGB V. Der klägerische Vortrag zur Quotierung der Sachkosten zu widersprüchlich.

Es sei nicht klar, weshalb die Klägerin durch die Regel des § 3 Abs. 1 Satz 3 beschwert werde.

Entscheidungsgründe

I. Es konnte entschieden werden, obgleich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht durchgängig anwesend bzw. vertreten war. Der Beklagte ist auf die Möglichkeit der Entscheidung in Abwesenheit nach Lage der Akten in der Ladung hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGG).

II. Die Klage ist zulässig.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach § 29 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage richtet sich gegen die Entscheidung eines Landesschiedsamts. Gerichtet ist sie auf Neubescheidung gemäß § 54 Abs. 1 i. V. m. § 131 Abs. 3 SGG mit dem Ziel, einen inhaltlich neuen Schiedsspruch zu erreichen. Denn die Festsetzung der Gesamtvergütung durch ein Schiedsamt ist als Verwaltungsakt anzusehen (so insgesamt BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 29/02 R – juris, Rdnr. 20 mit Bezug auf BSGE 20,73,75 u. w. N.).

III. Die Klage ist jedoch unbegründet soweit es die Klageanträge zu 1), 2) und 4) betrifft.

1. Schiedssprüche gemäß § 89 SGB V sind nur in eingeschränktem Umfang einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich. (BSG, a. a. O., Rdnr. 21; Urteil vom 14. Dezember 2005 – B 6 KA 25/04 R – juris Rdnr. 12 m. w. N.). Das Schiedsamt hat einen Gestaltungsspielraum. Seine Schiedssprüche sind – ebenso wie Vertragsvereinbarung der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien – auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. In formeller Hinsicht wird geprüft, ob das Schiedsamt den von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und sein Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen jedenfalls andeutungsweise erkennbar sein (BSG, Urt. v. 16. Juli 2003 –B 6 KA 29/02 R- juris-Rdnr. 21 mit Bezug auf BSGE 87, 199, 202).

Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dass heißt insbesondere die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat.

2. Unter Anwendung dieser Überprüfungsmaßstäbe kann die Klägerin hier nicht erfolgreich rügen, dass der Beklagte ihrem Ansinnen, bestimmte Zusatzpunktwerte für einzelne extrabugetäre Leistungen -wie das ambulante Operieren- bei den neuen Regelungen für diesen Bereich außen vor zu lassen und es bei den Regeln der Vereinbarung für 2010 zu belassen (Klageantrag zu 1.) bzw. ganz allgemein von einer Deckelung für die Leistungen außerhalb der MGV abzusehen (Klageantrag zu 2.), nicht gefolgt ist.

Die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe sind hier vom Beklagten beachtet worden:

Relevant ist hier § 87d Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-FG. Danach vereinbaren die Vertragspartner gemeinsam und einheitlich Maßnahmen zur Ausgabenbegrenzung für vertragsärztliche Leistungen, die außerhalb der MGV vergütet werden, und zwar erstmals bis spätestens zum 31. Dezember 2010 mit Wirkung für das Jahr 2011. Das Ausgabenvolumen für diese Leistungen im Jahr 2011 sollen dabei das Ausgabenvolumen des Jahres 2010, erhöht um die um 0,25 Prozentpunkte verminderte der für das Jahr 2011 nach § 71 Abs. 3 SGB V für das gesamte Bundesgebiet festgestellten Veränderungsrate nicht überschreiten. Diese Vorgaben gelten nach § 87d Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht für gesetzlich vorgeschriebene, auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 135 Abs. 1 SGB V beruhende Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen, nichtärztliche Dialyseleistungen sowie ab dem Jahr 2009 eingeführte Leistungen, soweit diese auf einer Veränderung des gesetzlichen Leistungsumfangs der Krankenkassen oder auf Beschlüssen des GBA nach § 135 Abs. 1 SGB V beruhen.

Nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Sätze 1 bis 3 des Absatzes 4 des § 87d SGB V ist die Ausgabenanstiegs-Deckelung nicht auf bestimmte extrabugetäre Leistungen beschränkt. Sie gilt vielmehr nach Satz 1 für alle vertragsärztlichen Leistungen außerhalb der MGV.

Sie trifft also auch eine Regelung für diejenigen Leistungen, zu deren finanzieller Förderung der Bundesgesetzgeber einige Jahre zuvor den Vertragpartnern mit der Einführung des § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V die Kompetenz eingeräumt hatte, für besonders sinnvolle Leistungen –wie das ambulante Operieren-, Vergütungsvereinbarungen außerhalb des MGV zu treffen.

Das von der Klägerin postulierte Ziel des Gesetzes, nur medizinisch nicht begründbare Ausgabensteigerungen zu limitieren, könnte sich angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm allenfalls aus der Gesetzesbegründung ergeben:

Als gesetzgeberisches Ziel nennt der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich neben dem Ziel, nicht begründete Ausgabesteigerungen zu verhindern, auch das Interesse der Krankenkassen an der Vermeidung weiterer finanzieller Belastungen, das sich auch auf alle –also auch auf besonders förderungswürdige- Leistungen bezieht.

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3040 S. 25) handelt es sich bei § 87d Abs. 4 SGB V um Regelungen „zur Begrenzung medizinisch nicht begründbarer Ausgabenentwicklungen“ der extrabudgetären Leistungen. Die wichtigsten seien das ambulante Operieren, Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, regional vereinbarte Sonderleistungen, Leistungen der Strahlentherapie und Dialysekosten. Um medizinisch nicht begründeten Ausgabesteigerungen und eine weitere finanzielle Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung zu vermeiden, sei der Ausgabenzuwachs der extrabudgetären Leistungen durch schiedsamtsfähige vertragliche Regelungen zu begrenzen.

Einziges Einfalltor für die Annahme der Klägerin, für extrabudgetäre Leistungen weiterhin ungedeckelte feste Euro-Beträge festlegen zu können, ist der Umstand, dass Satz 2 die Ausgabenvolumengrenze nicht generell zwingend vorschreibt, sondern nur als Sollvorschrift:

Nach Satz 2 des § 87d Abs. 4 SGB V „soll“ das Ausgabenvolumen im Jahr 2011 dasjenige des Jahres 2010, erhöht um die um 0,25 Prozentpunkte verminderte der für das Jahr 2011 nach § 71 Abs. 3 SGB V für das gesamte Bundesgebiet festgestellten Veränderungsrate nicht überschreiten.

Zutreffend verweist der Beklagte aber darauf, dass eine Soll-Vorschrift im Regelfall ein Müssen vorschreibt, von dem nur in Ausnahmefällen –bei Härtefällen- abgewichen werden kann.

Der Gesetzgeber hat auch ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst eine „Soll-Vorschrift“ in diesem normalen juristischen Wortgebrauchssinne formuliert. Von der Begrenzung der Ausgabenvolumenerhöhung könne nämlich (nur) „bei Vorliegen zwingender Versorgungsgründe abgewichen werden“(BT-Drucksache, a. a. O.).

Als Härtefall erscheint hier allenfalls eine Situation denkbar, bei der zu prognostizieren ist, dass ohne Verzicht auf die Deckelung die Versorgung der Versicherten in Brandenburg bedroht sein könnte. Für ein solches Szenario gibt es keine Anhaltspunkte und wird auch von der Klägerin weder in der damaligen Prognose noch im Nachhinein behauptet.

Weiter kann sich die Klägerin hier nicht auf die Rechtsprechung des BSG zur Unwirksamkeit einer Quotierung von Sachkosten (Beschluss vom 23. Mai 2007 –B 6 KA 91/06 B) stützen. Es gibt (bzw. gab) eine dieser Entscheidung zeitlich nachfolgende bundesgesetzliche Regelung gegenteiligen Inhalts, den § 87d Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-FinG. Die dort normierte Deckelung gilt für alle extrabugetären vertragsärztlichen Leistungen, also alle, die nach dem EBM vergütet werden. Hierzu gehören auch die Sachleistungen.

Dass damit eine unzumutbare Berufsausübungsregel geschaffen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Der Beklagte musste deshalb also eine Regelung zur zwingenden Umsetzung des § 87d Abs. 4 SGB V treffen.

Er musste innerhalb dieser Vorgabe nicht zwingend eine Differenzierung treffen nach der, unter Einsparungen bei anderen Leistungsvergütungen außerhalb der MGV, diejenigen, noch 2010 mit Zusatzpunktwerten vergüteten besonders förderungswürdigen Leistungen unvermindert blieben.

Wie ausgeführt, hat das Gesetz keine solche Unterscheidung getroffen, wie auch der Beklagte in seinem Beschluss dargelegt hat.

Im Übrigen hat die Klägerin außergerichtlich auch nicht (hilfsweise) eine Lösung beantragt, welche –bei grundsätzlich unterstellter Akzeptanz einer Deckelung der Vergütung außerhalb der MGV- die besonders förderungswürdigen Leistungen im vorgenannten Sinne gänzlich ausnehmen sollte. Es bestand für den Beklagten kein Anlass, solchen Überlegungen näher zu treten und seinen Beschluss entsprechend zu begründen.

In ihrem Hilfsantrag (dazu sogleich unter III) sollten nur bestimmte Leistungen mit fixen Punktzuschlägen vergütet werden, ansonsten aber bei Überschreitung des Deckels durch floatende Punktwerte korrigiert werden.

3. Soweit die Klägerin unter Punkt 4) -und darauf aufbauend mit dem Hilfsklageantrag Nr. 4- die Berechnung der Ausgabenvolumenerhöhung kritisiert, zeigt sie einen den Gestaltungsfreiraum des Beklagten überschreitenden Ansatz nicht auf:

Der Beklagte ist dem Antrag der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen in zweifacher Hinsicht gefolgt.

Zum einen soll der Vergleich 2011 zu 2010 quartalsweise erfolgen, obgleich theoretisch auch eine Jahresbetrachtung aller vier Quartale zusammen denkbar ist. Diese quartalsbezogene Regelung rügt die Klägerin aber ausdrücklich nicht (mehr).

Zum anderen soll Gesamtvolumen im Sinne des § 87d Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-FinzG nicht die gesamte im Jahr 2010 gezahlte Eurosumme als absoluter Wert sein, sondern der auf die Versichertenzahl bezogene pro-Kopf-Wert.

In einem Land wie Brandenburg mit einer stetig abnehmenden Zahl an Versicherten könnten ohne Berücksichtigung des Einwohnerrückgangs die Ausgaben pro Versicherten nämlich entgegen der gesetzlichen Intention auf über 0,9% ansteigen, wenn die absolute Vergütung 2010 der Maßstab für 2011 gewesen wäre.

Die vom Beklagten vorgenommene Interpretation entspricht dem Gesetz, das nicht eine Begrenzung der Vergütung als solcher befiehlt, sondern eine Deckelung gerade des Ausgabenvolumens.

Die Honorierung der Vertragsärzte erfolgt nach dem Grundprinzip der Gesamtvergütung immer (nur) für die Versorgung der aktuellen Mitglieder, § 85 Abs. 1 S. 1 SGB V. Zur Deckung dienen (nur) die laufenden Beitragseinnahmen der Kassen, die von der Mitgliederzahl abhängen (vgl. hierzu näher Urteil des Senats vom heutigen Tag Az. L 24 KA 4/10 KL).

Darauf stellt letztlich auch der Beklagte in seiner Begründung ab, nur durch die beschlossene Quotierung sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, so dass der Beschluss insoweit selbst dann wirksam wäre, wenn der Vergleich der jeweiligen Jahresquartale nicht zwingend aus der Verwendung der Begriffes Volumen folgte.

IV. Nicht vereinbar mit den oben skizzierten überprüfbaren Anforderungen an Schiedsamtsbeschlüsse ist jedoch die Regelung des § 16a.

1. Dessen Aufhebung hat die Klägerin im Klageverfahren von Anfang an begehrt. Ihr entsprechender Hilfsantrag war Teil ihres Antrages beim Beklagten.

Die erstmalige Ausformulierung der Klageanträge durch die Klägerin im Schriftsatz vom 30. Mai 2013 stellt damit weder neuen Sach- noch Rechtsvortrag dar. Der Beklagte musste vielmehr mit allen Anträgen rechnen, auch und gerade, weil Gegenstand des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter unter anderem die Frage gewesen war, ob die Klägerin auch aktuell noch ihr Begehren verfolge, nicht nur die Deckelung der extrabugetären Vergütung zu verhindern, sondern hilfsweise eine andere Vereinbarung der Kostendeckelung der extrabugetären Vergütung erreichen zu wollen.

2. Die Regelung des § 16a des Beschlusses in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 2 ist aufzuheben.

Es fehlt insoweit jedenfalls an einer nachvollziehbaren zumindest rudimentären Begründung im oben näher umschriebenen Sinne:

§ 87d Abs. 4 Satz 3 SGB V stellt es in das Ermessen der Vertragsparteien – respektive in den Gestaltungsfreiraum des Schiedsamts –, wie die Ausgabenzuwachsbegrenzung zu regeln ist, etwa durch Abstaffelung der Preise in der regionalen Euro-Gebührenordnung oder Mengenbegrenzungsregelungen.

Diese beiden vom Gesetz genannten Umsetzungsmöglichkeiten sollen nach der Gesetzesbegründung (a. a. O.) auch nur Beispiele sein. („Hierzu werden die Partner der Gesamtverträge in Satz 1 verpflichtet, entsprechende vertragliche Maßnahmen, wie beispielsweise die in Satz 3 angeführten Preisabstaffelungen oder mengensteuernde Regelungen [z. B. Fallzahlbegrenzungen, Quotierung] zu vereinbaren.“).

Im hier angegriffenen Beschluss des Beklagten wird nicht deutlich, dass dieser den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum gesehen und ausgenutzt hat. § 16a übernimmt vielmehr einseitig den Regelungsentwurf der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen (dort zu § 3), obgleich der klägerische Hilfsantrag bei der Aufzählung der streitigen Punkte erwähnt wird.

Auf dieses andere Regelungsmodell, mit welchen –vereinfacht- die Deckelung der extrabudgetären Leistungen durch einen „floatenden“ Punktwert bei fixen Zuschlägen und fixen Sachkosten bzw. Wegezuschlägen erreicht werden sollte, geht der Beklagte nicht bzw. jedenfalls nicht mit Substanz ein:

Zur Begründung für die Lösung einer generellen Quotierung (ärztliche Leistungen und Sachkosten) ist nur ausgeführt, dass nur so die Versorgung sicher gestellt sei. Diese These wird aber in keiner Weise näher begründet.

Sie versteht sich nicht von selbst:

Die Lösung der Klägerin hätte für die Vertragsärzte den Vorteil, dass ihnen die Erstattung der Sachkosten sicher wäre und sie diese in keinem Fall zusätzlich bezuschussen müssten, zumal der Hilfsantrag auch fixe Teilkostenzuschläge enthält.

Nur vertragsärztliche Leistungen im engeren Sinne wären von der Ausgabenbegrenzung erfasst. Um die Gesamtdeckelung der extrabugetären Leistungen zu gewährleisten, müsste der effektive Punktwert für diese Leistungen zwar niedriger ausfallen als nach dem Modell der Beklagten; dass beim Klägervorschlag die Versorgung eher gefährdet wäre, ist damit aber nicht ersichtlich.

Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, war das Modell der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nur Gegenstand der Erörterung als Teil einer einvernehmlichen Gesamtlösung. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine mündliche Begründung für die favorisierte Lösung erfolgt ist.

3. Das festgestellte Defizit führt hier nicht zur Aufhebung des gesamten Beschlusses. Die Regelung der extrabudgetären Leistungen ist ein abtrennbarer Bereich. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beschluss in anderen Regelungspunkten, insbesondere bei der MGV, anders ausfallen könnte, wenn die Regeln zur extrabudgetären Leistungen neu gefasst werden müssen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 155 Abs. 1 S. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nummer 1 und 2 SGG bestehen nicht. Dem Streit kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung zu, da er auslaufendes Recht betrifft:

§ 87d Abs. 4 SGB V in der Fassung des GKV-FinanzG, um dessen Umsetzung hier gestritten wird, ist in dieser Form bereits seit 1. Januar 2012 aufgrund Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 wieder außer Kraft gesetzt worden.