Gericht | AG Königs Wusterhausen | Entscheidungsdatum | 23.10.2012 | |
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Aktenzeichen | 20 C 294/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klägerin wird mit der Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Parteien streiten um einen Verkehrsunfall, der sich am 20. Oktober 2011 auf der Karl-Marx-Straße in Königs Wusterhausen, Ortsteil Zernsdorf, ereignete. Die Klägerin befuhr zu dieser Zeit mit dem in ihrem Eigentum stehenden Pkw Mitsubishi Lancer Intense, amtliches Kennzeichen – … – die Straße. Hinter ihr folgte die Beklagte zu 2. als Fahrerin des im Eigentum des Beklagten zu 1. stehenden und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Fahrzeug Citroën, amtliches Kennzeichen – … –. Nachdem beide Fahrzeuge am rechten Fahrbahnrand abgestellte Fahrzeuge überholt und sich nach dem Überholvorgang rechts eingeordnet hatten, bog die Klägerin nach links in das Grundstück Karl-Marx-Straße 28, dem Grundstück der Fischerei Aurora GbR, ein, während die Beklagte zu 2. das Fahrzeug überholte.
Die Klägerin macht mit der Klage die für die Reparatur des noch nicht reparierten Fahrzeuges aufzuwendenden Nettokosten auf der Grundlage des außergerichtlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigenbüros Götze & Hastreiter vom 21. Oktober 2011 in Höhe von 2.704,07 €, die durch die Sachverständigen ermittelte verbleibende Wertminderung von 400,- €, Nutzungsausfallentschädigung von 200,- € (50,- € je Tag – und zwar für die zwei Tage vom Unfallereignis bis zur Begutachtung und das anschließende Wochenende; wegen des Sachvortrages der Klägerin im Einzelnen wird insoweit auf Seite fünf, Blatt 5 d. A., der Klageschrift Bezug genommen) sowie eine Kostenpauschale von 20,- € geltend. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung der Pflicht der Beklagten, bei Durchführung der Reparaturen an die Klägerin weitere Nutzungsausfallentschädigung von 50,- € je Reparaturtag zahlen zu müssen, Freistellung von den Kosten für das Sachverständigengutachtens von 528,06 € sowie Zahlung der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 213,31 € an die Rechtsschutzversicherung, die den Anspruch an Herrn … abgetreten hat.
Die Klägerin behauptet mit näheren Ausführungen, dass sie rechtzeitig, nämlich bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h in einer Entfernung von 55 bis 60 Metern zur Grundstückseinfahrt, vor dem Abbiegen nach links den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt gehabt habe. Sie ist mit näheren Ausführungen der Auffassung, dass Alleinverschulden an dem Unfall treffe daher die Beklagte zu 2., weil diese nicht hätte überholen dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.324,07 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08. November 2011 zu zahlen,
ferner,
die Klägerin von der Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe von 528,06 € freizustellen,
ferner,
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, an die Klägerin nach durchgeführter Fahrzeugreparatur Nutzungsausfallentschädigung von 50,- € pro Tag der Reparaturdauer zu zahlen,
sowie
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten in Höhe von 213,31 € an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin, den ADAC, Am Westpark 8 in 81373 München (Bankverbindung: Bayerische Landesbank München, Kontonummer – 50 550 – , BLZ 700 500 00) unter Angabe der Schadennummer – ...– zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten mit näheren Ausführungen ein Mitverschulden der Beklagten zu 2. an dem Verkehrsunfall. Die Beklagte zu 2. sei mit dem von ihr geführten Fahrzeug hinter dem Fahrzeug der Klägerin gefahren, als die Klägerin die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges durch Wegnehmen des Gasgebens ohne Abbremsen des Fahrzeuges verringert habe. Die Klägerin habe weder den linken Blinker betätigt noch sich zur Straßenmitte der ohnehin schmalen Straße eingeordnet. Die Beklagte zu 2. habe daher, nachdem sie sich nach hinten versichert gehabt habe, dass sie gefahrlos überholen könne, mit dem Überholvorgang begonnen. Als die Beklagte zu 2. sich mit ihrem Fahrzeug etwa auf gleicher Höhe des Fahrzeuges der Klägerin befunden habe, habe diese den linken Blinker gesetzt und im selben Moment den Abbiegevorgang nach links begonnen. Die Beklagte zu 2. habe noch versucht, dem bevorstehenden Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge zu entgehen, indem sie ihr Fahrzeug nach links gezogen hätte, sodass sie mit ihrem Fahrzeug schließlich auf den Fußweg der Gegenfahrbahn gelangt sei. Für die Beklagte zu 2. erweise sich das Unfallereignis nach alledem als unvermeidbar.
Der Höhe nach stehe der Klägerin Nutzungsausfall nicht zu, weil bisher die Reparatur nicht durchgeführt worden sei. Der Antrag auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten an die Rechtsschutzversicherung der Klägerin sei unbegründet, nachdem die Klägerin eine Abtretungserklärung der Forderung an einen Herrn … vorgelegt habe. Eine Ermächtigung, den Anspruch der Rechtsschutzversicherung im eigenen Namen geltend machen zu dürfen, sei nicht ersichtlich.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren gewechselte Schriftsätze, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.
Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. September 2012, Blatt 97/98 d. A., Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Ansprüchen aus Gefährdungshaftung, §§ 7, 17, 18 StVG, oder aus unerlaubter Handlung, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 249 ff. BGB steht entgegen, dass die Klägerin den Unfall allein verschuldet hat.
Soweit die Klägerin die Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten an ihre Rechtsschutzversicherung begehrt, ist die Klage bereits unbegründet, weil die Rechtsschutzversicherung nicht mehr Forderungsinhaberin ist, nachdem diese den Anspruch an Herrn … abgetreten hat. Es bedarf danach auch keiner weiteren Auseinandersetzung mehr mit der Frage, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer berechtigt ist, in Prozessstandschaft für die Versicherung Ansprüche auf Zahlung an die Versicherung geltend machen zu dürfen.
Aus welchem Grunde die Klägerin berechtigt sein sollte, von den Kosten für den Sachverständigen freigestellt zu werden, nachdem das sowohl das Gutachten als auch die Rechnung auf den Namen des Herrn … ausgestellt waren, hierzu hat die Klägerin Rechtsgründe nicht mitgeteilt.
Aber auch im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Nachdem sich der Unfall unstreitig im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem durch die Klägerin eingeleiteten Abbiegevorgang nach links in eine Grundstückseinfahrt ereignete, spricht gegen die Klägerin der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall dadurch verschuldet zu haben, dass sie die ihr nach § 9 StVO obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat. Diesen Anscheinsbeweis zu widerlegen hat die Klägerin nicht vermocht. Die Klägerin traf nicht nur nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO die Pflicht, rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen, darüber hinaus hatte sie sich auch gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO rechtzeitig vor dem Abbiegen nach links zur Fahrbahnmitte einzuordnen. Diese Pflicht verletzt zu haben hat die Klägerin im Rahmen der nach § 141 ZPO durchgeführten persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt. Danach hat sie sich – entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen – gerade nicht zur Fahrbahnmitte eingeordnet, nachdem sie zunächst rechts am Straßenrand abgestellte Fahrzeuge nach links umfahren und hatte und dann wieder mit ihrem Fahrzeug nach rechts eingeschert war. Die Klägerin hat auch eingeräumt, gegen eine weitere ihr nach § 9 StVO obliegende Pflicht verstoßen zu haben, nämlich die doppelte Rückschaupflicht vor Einleiten des Abbiegevorgangs. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4, 1. Halbsatz StVO hat der Fahrzeugführer vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen au den nachfolgenden Verkehr zu achten, und zwar durch Blick über die Schulter. Die Klägerin indessen hat eingeräumt, sich nur einmalig, und zwar vor Einleiten des Abbiegevorgangs und nur durch Blick in den linken Außenspiegel vergewissert zu haben, dass sie durch das Abbiegen niemanden gefährde. Dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 4, 2. Halbsatz StVO vorgelegen hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Schön dieses wiederholte Versagen der Klägerin beim Abbiegen begründete mindestens ihr hälftiges Mitverschulden.
Die Klägerin hat schließlich nicht beweisen können, die ihr nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO obliegende Pflicht erfüllt zu haben, nämlich durch rechtzeitiges Setzen der Fahrtrichtungszeiger (Blinker) die Absicht, abbiegen zu wollen, angezeigt zu haben. Die Klägerin trägt eine Geschwindigkeit vor dem Abbiegen von etwa 30 bis 35 km/h vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt bei einer solchen Geschwindigkeit das Setzen des Blinkers mindestens fünf Sekunden vor dem Abbiegen.
Die Klägerin hat nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs vorgetragen. Allerdings kann der Vortrag schon nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht stimmen. Die Beklagtenseite hat einen Auszug aus Google Maps als Satellitenaufnahme zur Akte gereicht. Unter Berücksichtigung des Maßstabes ergibt sich, dass – zu Gunsten der Klägerin unterstellt, die Auffahrt auf das Grundstück zur Aurora Fischerei in der Karl-Marx-Straße 28 habe damals noch im Bereich der heutigen Zufahrt zur neuerrichteten Brandwache gelegen (die heutige Zufahrt zur Fischerei liegt etwa zehn Meter weiter Richtung Friedrich-Engels-Straße) – das der auf dem Lichtbild der Bußgeldakte rechts vor dem Polizeifahrzeug stehende Citroen, an dem beide unfallbeteiligten Fahrzeuge vorbeifahren mussten, und welcher augenscheinlich unmittelbar vor dem Knorrsweg abgestellt war, sich allenfalls in einer Entfernung von etwa zwanzig Metern von der Zufahrt zur Fischerei befand. Hatte die Klägerin, wie anwaltlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgetragen, tatsächlich in einer Entfernung von 55 bis 60 Metern vor der Grundstücksauffahrt den Blinker betätigt, dann musste dies noch vor den rechts abgestellten Fahrzeugen geschehen sein. Dass der Vortrag im vorliegenden Rechtsstreit nicht den Tatsachen entspricht, folgt im Übrigen – zu Recht machen die Beklagten dies geltend – aus der Einlassung der Klägerin gegenüber den Polizeibeamten, wonach sie den Blinker auf Höhe des (im Gegenverkehr) aufgestellten Umleitungsschildes gesetzt haben will. Damit aber hätte sie den Fahrtrichtungszeiger erst unmittelbar vor der Einfahrt gesetzt und damit die Anforderungen den Anforderungen der Rechtsprechung zu einem rechtzeitigen Setzen des Blinkers nicht entsprochen. Das Umleitungsschild befindet sich aus Gegenfahrtrichtung gesehen unmittelbar hinter der auf der Fahrbahn als graue Linie zu erkennenden nach Straßenarbeiten nachgeteerten Fläche, die sich wiederum ihrerseits keine zehn Meter von der damaligen Zufahrt zur Fischerei entfernt befindet.
Ein früheres Setzen des linken Fahrtrichtungszeigers wird auch nicht durch die Aussage der Zeugin … bewiesen. Die Aussage unterliegt im Hinblick auf deren Wahrheitsgehalt bereits erheblichen Zweifeln. Es stellt sich schon die Frage, weshalb die Zeugin, die den Unfall als solchen nicht wahrgenommen haben will, auf eine kleine, unscheinbare Anzeige über zwei Wochen nach dem Unfallereignis sich an daran erinnern können will, dass im Gegenverkehr ein weißes Fahrzeug in einer Entfernung von etwa 100 Metern vor der Bahnhofstraße, in die sie abbiegen wollte, um vor der Bäckerei Wahl einzuparken, den linken Blinker betätigt haben soll. Bei einer innerörtlichen Geschwindigkeit von 50 km/h kam es auf ein entgegenkommendes Fahrzeug in einer Entfernung von 100 Metern für die Zeugin nicht weiter an, weil die Zeugin bei dieser Entfernung gefahrlos nach links hätte abbiegen können. Weshalb die Zeugin, die auf entsprechende Nachfrage der Beklagtenvertreterin ins „Straucheln“ geriet, bei einem „Objekt“ in Niederlehme auf der Rückfahrt nach Bestensee den erheblichen Umweg nach Zernsdorf einlegte, um in der dortigen Bäckerei Station zu machen, vermochte die Zeugin ebenfalls nicht überzeugen zu erklären. Zweifelhaft sind die Bekundungen der Zeugin auch im Übrigen. Sie will zwar das Blinken des Klägerfahrzeuges gesehen und unmittelbar nach Abstellen und Verlassen ihres Fahrzeuges vor der Bäckerei Wahl in der Karl-Marx-Straße 25 die verunfallten Fahrzeuge in Endstellung gesehen haben. Das Beklagtenfahrzeug indessen wollte sie bei dessen Überholvorgang nicht gesehen haben. Auch das Kollisionsgeräusch will sich nicht wahrgenommen haben.
Begründen die Ungereimtheiten der Zeugin bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, so kann im Ergebnis auch dies dahinstehen.
Denn selbst die Glaubwürdigkeit der Zeugin sowie die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage unterstellt vermochte die Aussage der Zeugin nicht davon zu überzeugen, die Klägerin habe rechtzeitig vor Einleitung des Abbiegevorgangs nach links geblinkt. Denn die Aussage ist hinsichtlich der allein maßgeblichen Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Setzens des linken Blinkers nicht hinreichend aussagekräftig. Die Zeugin hat die Entfernung zu ihrem Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, als sie das entgegenkommende Fahrzeug der Klägerin beachtet haben will, auf etwa 100 Meter geschätzt. Da sie sich kurz vor dem Abbiegen in die Bahnhofstraße vergewissern musste, ob sie gefahrlos nach links abbiegen könne, musste sie sich mit ihrem Fahrzeug vor der Einmündung der Bahnhofstraße befunden haben. Nach den Maßstäben der Google-Maps-Aufnahme musste sie sich daher in etwa einer Entfernung von knapp 100 Metern vor der Grundstückseinfahrt befunden haben. Dann aber ist die Wahrnehmung, das entgegenkommende weiße Fahrzeug habe in einer Entfernung von etwa 100 Metern nach links geblinkt, im Sinne des Beweisthemas unergiebig.
Aber auch das alles kann im Ergebnis dahinstehen.
Bereits aus den durch die bei der Akte befindlichen Lichtbilder dokumentierten Schäden ergibt sich, dass die Klägerin das Alleinverschulden am Unfall trifft. Das Fahrzeug der Klägerin ist ausnahmslos im Bereich des vorderen linken Kotflügels, beginnend mittig des vorderen Radhausausschnitts, beschädigt. Umgekehrt ist das Fahrzeug der Beklagtenseite auf der Beifahrerseite im Bereich ab der B-Säule bis in den hinteren Fahrzeugbereich beschädigt. Zum Zeitpunkt der Kollision beider Fahrzeuge musste das Fahrzeug das Beklagtenfahrzeug sich bereits auf Höhe des Fahrzeuges der Klägerin befunden haben, zumal unbestritten die Beklagte zu 2. mit ihrem Fahrzeug noch eine Ausweichbewegung in Richtung Fußweg der Gegenfahrbahn gemacht hatte. Danach hätte die Klägerin das Fahrzeug bei richtiger Einstellung des Fahrzeugaußenspiegels entweder über diesen, oder soweit das Beklagtenfahrzeug den Sichtbereich des richtig eingestellten Außenspiegels bereits verlassen gehabt haben sollte, unmittelbar neben sich sehen müssen. Tatsächlich aber, dies steht nach dem Unfallverlauf fest, hat die Klägerin überhaupt nicht den nachfolgenden Verkehr ordnungsgemäß beobachtet. Hatte sie anwaltlich noch vortragen lassen, sie habe sich nach hinten über Rückspiegel vergewissert und darüber hinaus einen Schulterblick durchgeführt, hat sie auf Befragen in der mündlichen Verhandlung zugegeben, entgegen dem schriftlichen Sachvortrag nicht durch Schulterblick nach hinten über die weiteren Verkehrsverhältnisse vergewissert zu haben. Dass sie auch über den Außenspiegel sich nicht nach hinten vergewissert hat, folgt aus dem Unfall als solchem. Bereits bei der Polizei hatte sie angegeben, kein Fahrzeug hinter oder neben sich bemerkt zu haben. Das allerdings ändert nichts an dem Umstand, dass das Beklagtenfahrzeug sich zunächst hinter und dann neben ihrem Fahrzeug befand, anderenfalls es nicht zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge gekommen wäre. Der Sachvortrag der Klägerin erweist sich – auch in der bereinigten Fassung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung – als schlicht und offensichtlich unwahr. Was die Klägerin mit ihrem Vortrag, die Angaben gegenüber der Polizei seien im Schockzustand abgegeben worden, geltend machen will, bleibt im Ergebnis unklar. Angenommen die Angaben gegenüber der Polizei darüber, ob sie das Fahrzeug gesehen habe, seien falsch gewesen, bliebe als Alternative nur, dass die Klägerin nach links abbog, obwohl sie das Beklagtenfahrzeug gesehen hat. Das allerdings begründete erst Recht die Alleinhaftung der Klägerin.
Hat die Klägerin das rechtzeitige Setzen des linken Fahrtrichtungszeigers im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht beweisen können, trifft sie das Alleinverschulden am Unfallereignis.
Der zu Lasten der Klägerin gehende Anscheinsbeweis nach § 9 StVO kollidiert auch nicht etwa mit dem Anscheinsbeweis des Auffahrenden nach § 4 Abs. 1 StVO, denn die Beklagte zu 2. ist nicht etwa der Klägerin aufgefahren. Ein den Anscheinsbeweis begründender Auffahrunfall setzt voraus, dass der unfallbedingte Anstoß am vorausfahrenden Fahrzeug im Heckbereich erfolgt und bei den Anstoßstellen der Fahrzeuge wenigstens eine Teilüberdeckung von Heck und Front vorliegt (KG VM 1996 Nr. 8; VM 2004, 29 Nr. 26; Burmann/Heß/Jahnke/Jancker-Burmann, Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage 2010, § 4 StVO, Rdnr. 24 m. w. Nw.). Das ist aber vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um einen Seitenschaden.
Ein Mitverschulden der Beklagten zu 2. an dem Verkehrsunfall kann nicht festgestellt werden. Ihr ist nicht etwa ein Fehlverhalten nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorzuhalten, weil etwa eine unklare Verkehrslage vorgelegen hätte, die der Beklagten zu 2. das Überholen des Fahrzeuges der Klägerin verboten hätte. Eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf. Sie ist auch dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden (KG NJW-RR 1987, 1251). Dies ist dann der Fall, wenn bei einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungszeiger betätigt wird und dies der nachfolgende Verkehrsteilnehmer erkennen konnte (KG NZV 1993, 272) und dem überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren – ohne Gefahrenbremsung – möglich war (KG VM 1990, 91; 1995, 38). Dass der Fahrtrichtungszeiger durch die Klägerin rechtzeitig gesetzt war, ist nicht bewiesen. Eine unklare Verkehrslage ergibt sich nicht bereits aus einer verlangsamten Geschwindigkeit, dies selbst dann nicht, wenn das vorausfahrende Fahrzeug sich bereits zur Fahrbahnmitte eingeordnet hätte, was allerdings ebenfalls schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin vorliegend nicht der Fall war.
Ein sonstiges haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zu 2. wie etwa das einer überhöhten Geschwindigkeit der Beklagten zu 2. ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Die Beklagte zu 2. haftet auch nicht etwa nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, dass derjenige, der gegen die besonderen, ihm nach § 9 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verstößt, indem er verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein haftet, ohne dass dem Überholenden die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs angerechnet wird (vgl. auch KG NJW-RR 1987, 1251).
Das Schicksal der Nebenforderungen folgt dem der Hauptforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
Streitwert: 3.972,13 € (Zahlungsantrag: 3.324,07 €; Freistellungsantrag: 528,06 €; Feststellungsantrag bei nach dem vorgerichtlichen Gutachten geschätzten drei Tagen Reparaturdauer: 120,- € [80 % von 150,- €]).