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Grundsicherung für Arbeitsuchende - einstweilige Anordnung - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Student - Darlehen - besondere Härte - Studienabschluss in absehbarer Zeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat Entscheidungsdatum 29.05.2012
Aktenzeichen L 25 AS 359/12 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86b Abs 2 SGG, § 7 Abs 5 SGB 2, § 27 Abs 3 SGB 2, § 27 Abs 4 S 1 SGB 2

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist nach §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig und begründet, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich das Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung).

Die Voraussetzungen für den Erlass der noch begehrten einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes ist es dem Antragsteller zuzumuten, eine Entscheidung in der – grundsätzlich vorrangigen – Hauptsache abzuwarten.

Dies gilt für die Zeit vor der Entscheidung des Senats schon deshalb, weil diese Zeit aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegt und schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, nicht ersichtlich sind. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller gegenwärtig von Obdachlosigkeit bedroht wäre.

Aber auch für die Zeit ab der Entscheidung des Senats fehlt es an der Eilbedürftigkeit. Denn insoweit hat der Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach einer am Prüfungsmaßstab des Hauptsacheverfahrens orientierten Prüfung der Sach- und Rechtslage steht ihm kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu.

Zutreffend hat das Sozialgericht zunächst dargelegt, dass der Antragsteller nach § 7 Abs. 5 SGB II über die in § 27 SGB II geregelten Leistungen hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat, weil er sich als Student an einer Hochschule in einer Ausbildung befindet, die dem Grunde nach im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) förderungsfähig ist. Ein Leistungsanspruch nach § 27 Abs. 3 SGB II steht dem Antragsteller nicht zu, weil er (insbesondere) kein Ausbildungsgeld nach dem BAföG erhält und dieser Umstand nicht in den Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen begründet liegt.

Der Antragsteller kann einen Leistungsanspruch auch nicht aus § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II herleiten. Danach können Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ist ein besonderer Härtefall dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG-Leistungen oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann, und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit drohe. Diese Voraussetzung trägt zweierlei Rechnung: Zum einen entspricht sie dem gesetzgeberischen Willen neben den gesetzlich vorgesehenen Ausbildungshilfen über das SGB II kein weiteres Hilfesystem zu installieren. Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem SGB II muss die Ausnahme bleiben. Zum anderen gewährleistet sie den Grundsatz des Forderns. Es muss daher eine durch objektive Umstände belegbare Aussicht bestehen – nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen bereits erfüllt sind –, die Ausbildung werde mit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht. Unter diesen Voraussetzungen kann von einem besonderen Härtefall ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung auf Grund von BAföG-Leistungen oder Leistungen der Berufsausbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) oder anderen finanziellen Mittel – sei es Elternunterhalt, Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit oder möglicherweise bisher zu Unrecht gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts (Vertrauensschutz) – gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen. Gleiches gilt für den Fall der Unterbrechung der bereits weit fortgeschrittenen und bisher kontinuierlich betriebenen Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Erkrankung. Denkbar ist auch, dass die nicht mehr nach den Vorschriften des BAföG oder des SGB III geförderte Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (vgl. BSG, Urteile vom 6. September 2007 – B 14/11b AS 28/06 R – und – B 14/11b AS 36/06 R –, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R – jeweils juris).

Nach dieser Maßgabe ist hier eine besondere Härte nicht gegeben. So fehlt es hier schon an der Aussicht, dass die Ausbildung in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zum Ende gebracht wird. Das BSG stellt in der von ihm gebildeten Fallgruppe des Wegfalls bisher vorhandener Mittel ersichtlich darauf ab, dass die Ausbildung kurz vor dem Abschluss stehen muss. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar hat der Antragsteller erfolgreich die Abschlussprüfungen in den Nebenfächern Politikwissenschaft und Medienwissenschaft abgelegt. Entgegen seiner Ankündigung im erstinstanzlichen Verfahren ist er jedoch weiterhin nicht zur Abschlussprüfung in seinem Hauptfach Slawistik zugelassen. Dazu wäre den Angaben des Antragstellers zufolge die Anmeldung zur Abschlussprüfung in dem Anmeldungszeitraum Februar bis März 2012 erforderlich gewesen, die aber die Erbringung von wenigstens einem von zwei noch im Hauptstudium abzulegenden Leistungsnachweisen erfordert hätte. Diesen Leistungsnachweis hat der Antragsteller jedenfalls vor Ablauf des Anmeldungszeitraums offenbar nicht erbracht. Damit erscheint es ausgeschlossen, dass er sein Hauptfach, wie angekündigt, im September 2012 abschließen kann. Auch ist nicht absehbar, ob und ggf. wann er zur Abschlussprüfung zugelassen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).