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Entscheidung 12 O 172/10


Metadaten

Gericht LG Potsdam 12. Zivilkammer Entscheidungsdatum 21.12.2010
Aktenzeichen 12 O 172/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag geltend. Der Kläger erwarb ein Neufahrzeug der Marke Volkswagen und forderte über seinen Vater am 3.12.2009 Versicherungsunterlagen bezüglich einer Fahrzeugversicherung bei der Beklagten an. Am 3.12.2009 schickte die Beklagte an den Vater des Klägers eine Bestätigung über eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mit vorläufigem Versicherungsschutz und übermittelte die dazugehörigen Versicherungsunterlagen (Anl. K2).

Am 13.12.2009 ereignete sich ein durch den Kläger selbstverschuldeter Verkehrsunfall, bei dem an dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Sachschaden in Höhe von 5.765,88 € entstand. Der Kläger meldete den Schaden am 13.12.2009 gegen 23:00 Uhr telefonisch der Beklagten über deren Hotline. Am 14.12.2009 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Abschluss einer Vollkasko- und Haftpflichtfahrzeugversicherung (Anl. K1), in dem er den aktuellen Gesamtwert des Fahrzeugs mit 28.315,13 € angab. Ein Formular für die Schadensanzeige des Unfalls vom 13.12.2009 schickte die Beklagte dem Kläger am 15.12.2009 (Anl. K10), wobei sie in ihrer Datenverarbeitung für den Vorgang die Schadensnummer K .../1/911-09 G vergab, die teilweise deckungsgleich ist mit der im nachfolgenden Schreiben der Beklagten vom 19.12.2009 aufgeführten Versicherungsnummer. Am 19.12.2009 bestätigte die Beklagte dem Kläger den antragsgemäßen Abschluss einer Fahrzeugversicherung mit Wirkung ab dem 04.12.2009 (Anl. K5). Die Beklagte fertigte den Versicherungsschein am 02.02.2010 aus (Anl. K6), in dem als Beginn für die Haftpflichtversicherung der 04.12.2009 und als Beginn für die Kaskoversicherung der 14.12.2009 ausgewiesen wurden. Mit Schreiben vom 11.03.2010 (Anl. K7) forderte der Kläger die Beklagte zur Übernahme des aus dem Unfall vom 13.12.2009 resultierenden Sachschadens durch die Kaskoversicherung auf. Am 14.05.2010 lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens mit der Begründung ab, dass Versicherungsschutz erst ab dem 14.12.2009 eingetreten sei (Anl. K8).

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe seinem Vater gegenüber bereits mit Schreiben vom 03.12.2009 vorläufigen Versicherungsschutz hinsichtlich der Vollkaskoversicherung zugesagt, weshalb sie die Reparaturkosten übernehmen müsse. Er sei auch nicht als Neukunde zu bewerten, da sein Vater bereits bei der Beklagten eine Fahrzeugversicherung abgeschlossen habe, den er von seinem Vater gleichsam übernommen habe. Die Abweichung des Beginns der Kaskoversicherung ab dem 14.12.2009 habe er erst aufgrund des Ablehnungsschreibens der Beklagten am 14.05.2010 bemerkt. Der Kläger meint, dass diese Abweichung gemäß § 5 Abs. 2 VVG unzulässig sei, zumal die Beklagte diese auch nicht ausreichend gekennzeichnet habe, sodass Versicherungsschutz gemäß Antrag vom 14.12.2009 ab dem 04.12.2009 bestehe. Der Kläger behauptet, der zuständige Mitarbeiter der Beklagten habe aufgrund seiner Schadensmeldung Kenntnis von dem Schadensfall vor Annahme des Versicherungsantrags am 19.12.2009 gehabt und sie dennoch abgeschlossen, sodass sich der Versicherungsschutz auch auf den streitgegenständlichen Schaden vom 13.12.2009 erstrecke. Dass der zuständige Mitarbeiter der Versicherungspolice Kenntnis von dem Schaden gehabt habe, sei dem Umstand zu entnehmen, dass mit Schreiben der Beklagten vom 15.12.2009 (Anl. K10) bereits die Schadensnummer K 575-36407/1/911-09 G in der Datenverarbeitung der Beklagten angegeben, der Kaskoschaden am 18.12.2009 besichtigt und ein Schadengutachten erstellt worden sei (Anl. K11).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.465,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Vertrag des Klägers sei als Neuvertrag zu klassifizieren, wobei der Vollkaskoversicherungsschutz erst ab dem 14.12.2009 beantragt und bewilligt worden sei und daneben lediglich eine Kfz-Haftpflichtversicherung ab dem 04.12.2009 bestehe. Eine Leistungspflicht ihrerseits aus dem Gesichtspunkt der Rückwirkung des Versicherungsschutzes ab dem 04.12.2009 sei nicht gegeben. Der Kläger habe ihrem zuständigen Mitarbeiter vor Annahme des Versicherungsantrags am 19.12.2009 nicht mitgeteilt, dass bereits ein Versicherungsfall eingetreten sei. Die Beklagte meint, dass die Mitteilung des Unfallschadens an die Schadenabteilung nicht ausreiche, um den zuständigen Mitarbeiter der Versicherungspolice von dem Schaden in Kenntnis gesetzt zu haben; dieser habe tatsächlich keine Kenntnis des Versicherungsfalls vor Annahme des Versicherungsantrags gehabt. Hilfsweise erklärt die Beklagte die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat bereits dem Grunde nach gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit den §§ 1 S. 1, 2 Abs. 2 S. 2 VVG. Die Voraussetzungen des § 1 S. 1 VVG, wonach sich der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers durch eine Leistung abzusichern und bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls diese zu erbringen, sind zwar an sich erfüllt.

Zwischen den Parteien ist zunächst ein Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen. Mit dem Antrag auf Fahrzeugversicherung des Klägers vom 14.12.2009 und der Annahme der Beklagten vom 19.12.2009 liegt ein versicherungsrechtlicher Neuvertrag vor. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Neuabschluss zur Änderung eines bestehenden Vertrages sind der zum Ausdruck gebrachte Vertragswille und zumindest die Änderung eines Vertragsmerkmals, die so wesentlich ist, dass der geänderte Vertrag einem Neuabschluss gleichkommt. Eine solch wesentliche Änderung stellt in der Regel der Wechsel der Vertragsparteien dar (Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Art. 1 EGVVG, Rn. 13). Daran gemessen haben sich hier die Vertragsparteien geändert. Der Kläger hat nicht hinreichend in seinen Antrag zum Ausdruck gebracht, dass er den Vertrag seines, bereits bei der Beklagten versicherten Vaters übernehmen wollte. Vielmehr hat er beim Ausfüllen des Antrags auf Fahrzeugversicherung angegeben, dass Versicherungsnehmer und Halter des Fahrzeugs er selbst ist.

Der Versicherungsvertrag umfasst sowohl eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung als auch eine Kaskoversicherung. Beides wurde mit Schreiben vom 14.12.2009 beantragt und der Antrag am 19.12.2009 von der Beklagten angenommen. Weicht der Versicherungsschein inhaltlich - wie hier bezüglich des Versicherungsbeginns - von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, so gilt die Abweichung als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht, § 5 Abs. 1 VVG. Jedoch ist der Versicherungsnehmer bei der Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass die Abweichung als genehmigt gelten soll, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsschreibens in Textform widerspricht, § 5 Abs. 2 S. 1 VVG. Jede Abweichung und die damit verbundene Rechtsfolge ist dem Versicherungsnehmer durch auffälligen Hinweis im Versicherungsschein mitzuteilen, § 5 Abs. 2 S. 2 VVG. Ein Abweichen liegt vor, wenn der Inhalt des Versicherungsscheins vom Antrag abweicht.

Der Kläger hat mit dem Antrag den Abschluss eines Vollkasko- und eines Haftpflichtversicherungsvertrags begehrt. Diesen Antrag hat die Beklagte durch Schreiben vom 19.12.2009 mit der Formulierung, dass er den „gewünschten Versicherungsschutz“ erhalte, angenommen. Erst mit Aushändigung des Versicherungsscheins vom 02.02.2010 wurde dem Kläger das Abweichen bezüglich des Versicherungsbeginns in der Kaskoversicherung mitgeteilt, ohne dass diese Abweichung dem Kläger ausreichend deutlich gemacht wurde. Die Beklagte hat den Versicherungsbeginn vielmehr ohne Hervorhebung abweichend vom Antrag des Klägers geändert, sodass der Vollkaskoversicherungsschutz grundsätzlich ab dem 04.12.2009 bestanden haben dürfte.

Die Beklagte ist dennoch nicht zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, weil sie gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei geworden ist. Denn der Kläger als Versicherungsnehmer hatte bei Abgabe seiner Vertragserklärung am 14.12.2009 Kenntnis davon, dass bereits ein Versicherungsfall eingetreten ist. Eine Leistungsbefreiung nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG liegt hingegen nicht vor, wenn der Versicherer bei der Abgabe seiner Vertragserklärung ebenfalls davon Kenntnis hat, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist (vgl. Schwintowksi/Brömmelmeyer, VVG, 2008, § 2 Rdnr. 15; BGH, VersR 1963, 523; BGH, VersR 1996, 742; OLG Stuttgart, VersR 2007, 340).

Dies zugrunde legend lässt sich – entgegen der Behauptung des Klägers - nicht feststellen, dass der zuständige Mitarbeiter der Beklagten bei der Abgabe seiner Vertragserklärung am 19.12.2009 (Anl. K5) Kenntnis des am 13.12.2009 eingetretenen Versicherungsfalles hatte. Kenntnis des Versicherers bedeutet auch im sinne des § 2 Abs. 2 VVG, dass der mit der betreffenden Versicherung befasste Mitarbeiter Kenntnis von dem Schaden hat. Zwar ist nach Lage der Akten davon auszugehen, dass der Kläger der Beklagten den Schaden am Abend des 13.12.2009 über deren Hotline telefonisch mitgeteilt und die Beklagte ihm mit Schreiben vom 18.12.2009 (Anl. K11) eine Ausfertigung zum eingeholten Schadenbericht übermittelt hat. Soweit der Kläger dazu behauptet, dass der zuständige Mitarbeiter der Beklagten damit Kenntnis von dem Schaden erlangt habe, ist sein bereits für sich genommenes lebensfremdes Vorbringen zu pauschal und unsubstanziiert, um festzustellen, dass die Information über den Schaden vom 13.12.2009 den zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vor Annahme des Versicherungsantrags am 19.12.2009 erreicht hat. Insbesondere ist der vom Kläger dazu angeführte indizielle Umstand, dass mit Schreiben der Beklagten vom 15.12.2009 (Anl. K11) die Schadensnummer K .../1/911-09 G in der Datenverarbeitung der Beklagten verwendet worden ist, die teilweise deckungsgleich ist mit der Versicherungsnummer im Annahmeschreiben der Beklagten vom 19.12.2009 nicht geeignet, tatsachenfundierte Rückschlüsse auf eine tatsächliche Kenntnis des zuständigen Mitarbeiters der Versicherungspolice von dem Schaden zuzulassen. Dies geht zu Lasten des Klägers. Denn für die Kenntnis der Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 2 VVG als Versicherer ist der Kläger als Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet, wobei die Beklagte ihrer sekundären Substantiierungslast genügt hat (vgl. Prölss/Martin, aaO, § 21 Rn. 18), indem sie lebensnah dargelegt hat, dass der zuständige Mitarbeiter für die betreffende Vertragsannahme gerade keine Kenntnis hatte, zumal zwischen der Schadens- und Vertragsabteilung der Beklagten eine aktenkundige Trennung besteht und der Kläger in seinem Antrag vom 14.12.2009 den Gesamtwert des Fahrzeugs in aktuellem, das heißt bei verständiger und interessegerechter Würdigung in unfallfreiem Zustand mit 28.315,13 € angegeben hat, ohne den Schaden zu erwähnen, sodass der Versicherer auch in Ansehung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Antragstellung (14.12.2009), Unfallereignis (13.12.2009) und Antragsannahme (19.12.2009) keinen Anlass hatte, in anderen Abteilungen nachzuforschen; nur in diesem Falle wäre eine positive Kenntnis bzw. eine auf Organisationsverschulden beruhende groß fahrlässige Unkenntnis der Beklagten von dem Schaden dieser zuzurechnen.

Das Vorbringen des Klägers in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 14.12.2010 rechtfertigt keine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.465,88 € festgesetzt, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG.